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II.
Der Brief.

Im Zimmer des Detektivs Braun, das diesem im Polizeigebäude als Bureau zugewiesen war, herrschte eine nahezu unheimliche Stille. Die gelben Vorhänge der hohen Fenster, von welchen man Aussicht in den Gefängnishof hatte, waren herabgelassen, so daß ein leichtes Halbdunkel im Raume herrschte. Auf der einen Wandseite war ein hohes und breites Regal mit einer großen Anzahl von gleichgroßen, quadratischen Fächern, die mit aufklappbaren Pappdeckeln geschlossen waren und verschiedene Aufschriften trugen, angebracht. Hier waren nämlich die Personalakten, die über die geriebensten und gefährlichsten Verbrecher geführt wurden, nebst der Photographie in den verschiedensten Aufnahmen des jeweils Benannten aufbewahrt.

Die andere Kopfseite zeigte die verschiedensten Diebswerkzeuge und Mordinstrumente. Hier konnte man Brechstangen, Sägen, Kreisbohrer, Dietriche und alle von Verbrechern bei ihren Raubzügen geführten Instrumente vorfinden. Dazu kamen noch die verschiedenartigsten Waffen, Revolver, von einer fast unscheinbaren Größe, so daß man sie leicht in der hohlen Hand verbergen konnte, bis zu den schwersten Kalibern, Gewehre der mannigfachsten Konstruktion, Messer, Stecheisen, Dolche, Kris, Beile, Totschläger, Schlagringe, kurz, ein förmliches Waffenarsenal.

Braun selbst saß vor seinem Arbeitstisch und sah nachdenklich vor sich hin. Vor ihm auf der Schreibtischplatte lagen große Stöße von Schriftstücken, weißem Papier und Aktenbündeln. Neben dem Tische am Boden stand auf der einen Seite ein großer Papierkorb, vollgepfropft von wertlosem, nichtverwendbarem, beschriebenen Papier. Auf der anderen Seite stand ein kleiner Aktenständer, der gleichfalls Aktenbündel und eine Reihe von Formularen, die für die Berufstätigkeit Brauns notwendig waren, sowie weißes Papier enthielt. Dem Schreibtisch gegenüber stand noch ein weiteres, kleineres, rundes Tischchen, desgleichen mehrere Stühle, auf welchen die jeweils bei ihm Vorgeladenen Platz nahmen.

Kurz vorher saßen an diesem Tischchen die Hausfrau des ermordeten Monnard, Frau Weber, und der Hauptzeuge Lotter. Auch die Hauseinwohner, die gegen ein Uhr gleichfalls das Zuschlagen der Haustür wahrgenommen hatten, waren von Braun verhört worden.

Dieses ausführliche Verhör ergab keine neue Tatsache, die das geheimnisvolle Dunkel, in welches die Mordtat gehüllt war, hätte lösen können. Lotter mußte eine ganz ausführliche Beschreibung des Burschen, den er gesehen hatte, geben. Er war etwa dreißig bis fünfunddreißig Jahre alt, von gleicher Größe und Gestalt wie Monnard, hatte starkgebräuntes Gesicht, dunkelbraune Haare und ebensolchen Schnurrbart. Der Mund war breit, die Lippen etwas aufgedunsen. Die Nase scharf und stark entwickelt.

Diese Personalbeschreibung las Braun immer und immer wieder durch, als könnte er auf diese Weise den Mörder näher bringen. Es war dies aber auch der einzige Anhaltspunkt, der eine Überführung, das heißt in erster Linie ein Auffinden des Täters ermöglichte.

All' dies, was von den Zeugen ausgesagt worden war, vergegenwärtigte sich Braun nochmals. Von besonderem Interesse waren die Mitteilungen der Frau Weber über den Ermordeten selbst. So abenteuerlich verschiedenes auch klang, so konnte er doch nichts in Zusammenhang mit dem Morde bringen.

Monnard hatte sich nämlich vor ungefähr einem Jahre bei Frau Weber eingemietet und hatte das Zimmer, das von Frau Weber ausmöbliert war, und das einen eigenen Eingang vom Treppenflure hatte, bezogen. Er hatte immer regelmäßig bezahlt, war immer bei Geld, erhielt auch oft durch die Post Geld zugesandt und zwar regelmäßig hohe Beträge. Woher dieses Geld kam und von wem, wußte Frau Weber allerdings nicht. Monnard sprach auch ihr gegenüber nie davon. Er sprach fast mit keinem Menschen der ganzen Umgebung. So wußte niemand, was er früher war und woher er kam. Nur ließ er manchmal eine Bemerkung fallen, er sei schon viel in der Welt herumgekommen. Wovon Monnard lebte, konnte sie gleichfalls nicht sagen. Sie hatte nie davon gehört oder erfahren, daß er ein größeres Vermögen besäße. Soviel aber stand fest, daß er nie etwas arbeitete, aber trotzdem immer gut lebte. Sie hatte ihn auch manchmal gefragt und eine Bemerkung über sein großes Vermögen und dessen Höhe gemacht. Daraufhin aber hatte der Ermordete immer nur gelächelt. Öfters verreiste er auch für längere Zeit, wohin, konnte niemand erfahren. Von diesen Reisen aber kehrte er immer mit neuen Geldmitteln versehen zurück. Freunde hatte er keine, wenigstens sah man ihn niemals mit irgend jemand in freundschaftlichem Verkehre. Er lebte immer möglichst zurückgezogen. Nachts allerdings kam er fast nie vor zwölf oder ein Uhr nach Hause.

All' dieses überdachte Braun wieder, aber er fand nichts, was auf irgend eine Weise mit der Mordtat hätte in Verbindung gebracht werden können. Eigentümlich fand er lediglich die Geldsendungen, die von auswärts eintrafen, sowie die mehrmaligen Reisen des Ermordeten und die Tatsache, daß er dabei immer mit Geld zurückkehrte. Wahrscheinlicher wäre es ja entschieden gewesen, wenn er von den Reisen ohne Geld zurückgekehrt wäre. Jedenfalls aber konnte Braun aus diesen Kleinigkeiten nicht die geringsten Schlüsse ziehen.

Mit einem tiefen Aufseufzen nahm der Detektiv die Schriftstücke, Papiere und Briefe zur Hand, die in der Wohnung des Monnard als diesem gehörig vorgefunden und zu den Akten genommen wurden, um sie einer genauen Durchsicht zu unterziehen. Prüfend überflog er den Inhalt eines jeden Schriftstückes, während er dabei halblaut vor sich hinmurmelte. Alle enthielten aber nur belanglose Sachen, wie Liebesbriefe, Bestellungen und Briefe von Unbekannten. Alle letzteren legte Braun zur Seite, um sie nochmals genau zu prüfen, während er die übrigen als wertlos fortlegte. Sein Gesicht, das immer denselben gleichgiltigen Ausdruck zeigte, ließ durch keine Bewegung, nicht durch das geringste überraschte Aufleuchten seiner kleinen, grauen Augen erkennen, ob sich durch die Lektüre dieser Briefe auch nur der allergeringste Anhaltspunkt ergeben habe.

Jedenfalls aber hatte er trotz seines wiederholten Durchsuchens das nicht gefunden, was er für das wichtigste gehalten hatte. Monnard hatte von auswärts Geld erhalten, aber unter seinen Schreibereien fand sich auch nicht ein einziger Postanweisungsabschnitt.

Da es inzwischen immer mehr dunkelte, öffnete Braun die Vorhänge und blickte dabei nachdenklich in den Gefängnishof hinunter. Dort unten sah er eine große Anzahl von Strafgefangenen in ihren grauen Sträflingskleidern, die unter Aufsicht mehrerer Beamten ihren täglichen Spaziergang machten. Es befanden sich unter diesen Gefangenen Gesichter, denen das Laster auf der Stirne geschrieben stand, andere dagegen zeigten nur ein verschmitztes, tückisches Lächeln, während einige wiederum einen vollständig harmlosen und unschuldigen Eindruck machten. Viele aus dieser Gruppe verdankten es dem Spürsinn Brauns, daß sie jetzt hinter Gefängnismauern in Sicherheit saßen.

Ob es ihm aber auch gelingen würde, den Mord Monnards zu sühnen?

Braun setzte sich hierauf wieder an seinen Schreibtisch und durchmusterte nochmals die Briefe, die er sich zu einer eingehenden Lektüre zurückbehalten hatte. Von ihnen nahm er einen an sich, während er dann die übrigen gleichfalls zu den wertlosen und bedeutungslosen legte. Diesen einen Brief aber las er nun wiederholt durch und vertiefte sich derart in den Inhalt desselben, daß er das wiederholte Pochen an seiner Bureautüre gar nicht hörte. Er sah auch nicht, wie sich die Türe langsam öffnete und Kommissar Seidel hereintrat. Erst auf dessen Gruß schreckte Braun auf.

»Na, haben Sie was gefunden?« fragte ihn der Kommissar.

Er erhielt aber hierauf keine Antwort; Braun reichte ihm lediglich den Brief hin, den er immer noch in der Hand behalten hatte.

Der Kommissar nahm ihn und fragte: »Was soll es damit?«

»Lesen Sie!« forderte ihn Braun auf und beobachtete nun mit größter Spannung das Gesicht des Kommissars, der den Brief halblaut las.

Rio de Janeiro, 14. Januar 18..

Alter Schuft!

Du lebst wohl immer noch – aus meiner Tasche. Nun aber hab' ich das satt. Hast 'ne Idee, was Du mir jetzt schon schuldig bist? 20 000 Mk.! Verstanden! Die hast Du allmählich verjubelt und durch die Gurgel gejagt. Hast vielleicht schon ein ziemlich umfangreiches Bäuchlein, während ich immer Geld herschaffen soll. Ich kann nimmer. Ich werde Deine Lebensversicherungspolice verkaufen oder versetzen! Du könntest ja auch leicht was tun! Du bist doch nicht auf den Kopf gefallen. Oder sollten bei Euch keine Geschäfte zu machen sein, dann wäre dieses München doch wahrlich ein trauriges, sehr trauriges Nest. Also, alter Schlot, schreib' bald, was Du zu tun gedenkst, sonst siehst Du mich eines schönen Tages in München. Ich habe zur Zeit selbst keinen Knopf Geld mehr und meine Börse leidet an galoppierender Schwindsucht. Das vernünftigste wäre allerdings, Du würdest Dir die Sache 'mal ordentlich überlegen und friedlich entschlummern, damit ich die 50 000 Mark Deiner Lebensversicherung erheben kann. Aber so vernünftig bist Du ja nicht! Schade wäre es ja wahrlich nicht um Dich! Aber gerade solche nutzlosen Kater haben ein verdammt zähes Leben. Bist Du einverstanden, wenn ich die Police verkaufe? Vielleicht schaut dabei auch für Dich etwas heraus.

Dein alter Freund Peter.«

Der Kommissar brach, als er den Brief gelesen hatte, in ein schallendes Gelächter aus und sagte: »Wirklich, ein liebenswürdiger Freund! Aber was wollen Sie mit dem Briefe?«

»Dieser Peter ist der Mörder!« antwortete hierauf Braun in bestimmtem Tone.

»Aber der ist doch in Brasilien!« rief der Kommissar dazwischen.

»War! War in Brasilien! Im Januar.«

»Warum soll er aber jetzt in München sein? Woraus schließen Sie das?« war die etwas überraschte Frage.

»Er schreibt doch ausdrücklich: Schreibe bald, sonst siehst Du mich in München.«

»Na, deshalb braucht er doch noch nicht hier gewesen zu sein!« unterbrach ihn der Kommissar.

»Ich meine,« fuhr Braun unbeirrt fort, »der Schluß des Briefes ist denn doch mehr als verfänglich.«

»Ach Gott! Weil er da schreibt, am besten wäre es, er würde bald sterben! Das kann sich ein guter Freund doch mal erlauben, etwas derartiges zu äußern.«

»Aber die 20 000 Mk. Schulden!« begann Braun wiederum.

»Ja, ja! Dieser Monnard hat entschieden auf Kosten seines Freundes gelebt!« bemerkte hierauf der Kommissar.

»Dieser Peter aber brauchte doch auch sein Geld,« sagte Braun. »Monnard besaß aber nichts.«

»Ich kann keinen Zusammenhang finden!« gab der Kommissar zu. »Wie wollen Sie sich denn die Sache erklären?«

»Das ist doch sehr einfach! Dieser Peter hatte seinem Freunde alles geliehen, 20 000 Mk. Es ist das eine Summe, die man nicht gerne verliert.«

»Zweifellos!« unterbrach ihn hier der Kommissar.

Braun fuhr nun wieder fort:

»Dieser Peter war im Januar, wie er hier in seinem Briefe schreibt, in Geldverlegenheit. Monnard besaß natürlich nichts und konnte ihm auch nichts schicken. Dieser Peter versuchte nun die wahrscheinlich als Pfand in seinen Händen befindliche Lebensversicherungspolice zu verkaufen oder zu versetzen. Das gelang ihm aber nicht. Sie war deshalb für ihn wertlos. Es mußte also, falls er aus ihr Geld herausschlagen wollte, Monnard sterben. Er verschaffte sich hierauf so viel Geld, als zur Reise nötig war und traf vor kurzem in München ein. Er suchte dann Monnard auf und ging mit diesem in fraglicher Nacht nach Hause. Unter irgend einem Vorwande begab er sich mit Monnard auf dessen Zimmer und ermordete ihn.«

Braun sah den Kommissar erwartungsvoll an. Dieser schwieg längere Zeit und sagte dann: »Aber der Kopf: Wo ist der Kopf? Warum hat er diesen denn mitgenommen?«

Braun antwortete hierauf ruhig und zuversichtlich: »Er hätte beinahe seinen Zweck erreicht.«

»Beinahe? Warum beinahe?« Überrascht blickte der Kommissar den Detektiv an, der triumphierend lächelte.

» Verwirren wollte er uns. Verwirren! Mysteriös wollte er die Sache machen. Möglichst geheimnisvoll! Es sollte alles in ein derartiges Dunkel gehüllt werden, daß man keinen Ausweg finden könne. Sehr belastend ist es auch, daß sich nur der eine Brief vorfand, der von diesem Peter herrührte. Kein einziger Postanweisungsabschnitt fand sich vor. Die Hausfrau aber behauptete, daß er oftmals Geld von auswärts erhielt – wahrscheinlich von diesem Peter! Das hat dieser nun alles im eigensten Interesse beseitigt. Er hat dabei aber wohl im Drange des Geschäftes diesen Brief übersehen!«

»Hm!« Der Kommissar überlegte.

»Mit Hilfe dieses Briefes und des Zeugen Lotter werde ich in längstens acht Tagen den Täter in sicherem Gewahrsam haben,« behauptete Braun.

Zögernd fragte der Kommissar noch: »Aber wie wollen Sie ihn in München finden?«

»Ach Gott, das ist nicht so schwierig. Er ist ein Fremder, ein Brasilianer, den wird man doch finden können. Und dann! Die Lebensversicherungspolice! Er muß doch auch das Geld erheben.«

»Aber,« begann der Kommissar, »dieser Peter wird, wenn es sich in Wirklichkeit so verhält, München sofort wieder verlassen haben und nach Brasilien zurückgekehrt sein. Dann wird er, ein geriebener Bursche scheint er ja zu sein, einen Brief an Monnard schreiben und erfahren, daß dieser tot ist; dann erst wird er mit seiner Police kommen.«

»Bis dahin würde sie längst verfallen sein!« beharrte Braun auf seinen Behauptungen. »Ich versichere Ihnen, dieser Peter rührt sich. Vielleicht eher, als wir denken.«

»Jedenfalls verspricht die Sache interessant zu werden,« meinte der Kommissar.

Ein starkes Klopfen an der Tür unterbrach das Gespräch der beiden. Herein trat jetzt schüchtern und furchtsam die Hausfrau Weber des Ermordeten. Sie hatte einen Brief in der Hand. Sie blieb an der Türe stehen und zeigte auf eine Frage Brauns den Brief.

»Was soll es mit dem Brief?« fragte dieser.

»Dieser Brief ist für Herrn Monnard heute eingetroffen!« war die Antwort hierauf.

Der Kommissar und Braun wechselten einen bedeutungsvollen Blick.

Braun nahm ihr den Brief ab, befahl ihr, alles, was weiter noch für Herrn Monnard einlaufe, ihm zu bringen und ließ sie dann wieder gehen.

Kaum hatte sie sich durch die Tür entfernt, da fragte Braun den Kommissar, indem er auf den Brief zeigte: »Woher mag dieser Brief wohl kommen?«

»Doch nicht von diesem Peter?«

»Wir werden sehen!« gab Braun zurück und öffnete den Brief. Als er das Briefpapier entfaltete, las er sofort die Unterschrift.

»Peter! Peter! Hier! Hatte ich nicht recht?« Er zeigte dabei dem Kommissar die Unterschrift.

»Hm! Das hätte ich nicht für möglich gehalten. Lesen Sie laut!«

Braun begann dann: »Frankfurt, den 17. Juli 18..«

Hier schon unterbrach ihn der Kommissar: »Frankfurt? Wie kommt der nach Frankfurt? Stimmt denn der Poststempel?«

Braun sah nun auf das Kouvert und sagte dann: »Stimmt! Frankfurt!«

Er las hierauf, ohne unterbrochen zu werden, den Brief vor:

»Vielgeliebter Kerl!

Kommst Du nicht, so komme ich! Ich komme morgen in München an und werde so frei sein, Dich zu besuchen. Die Police konnte ich nicht anbringen. Vielleicht können wir sie hier verkaufen. Ich bin wieder etwas bei Kasse und steige in München im »Hotel Hamburger Hof« ab. Es sind nun schon zehn Jahre, daß ich dies Nest verlassen habe, und es wird sich während dieser Zeit wohl ziemlich viel verändert haben. Das schadet mir nichts. Alter Junge, ich freue mich, Dich wieder zu sehen, noch mehr aber auf eine Maß echten Hofbräuhausbiers. Bis dahin leb' wohl.

Dein Freund Peter.«

Als Braun geendet hatte, schwiegen beide. Der Kommissar brach zuerst das Schweigen und fragte: »Werden Sie aus der Sache klug?«

Braun zuckte mit den Schultern und gab keine Antwort.

»Ich kann mir nur denken, daß dieser Peter nach der Mordtat sofort nach Frankfurt gefahren ist und den Brief geschrieben hat.«

»So wird es wohl sein,« gab Braun weniger zuversichtlich zur Antwort. »Der Brief ist datiert vom 17. Juli. In der Nacht vom 16. auf den 17. geschah der Mord. Aber vor morgens 6 Uhr geht kein Zug nach Frankfurt. Mit diesem käme er nachmittags drei Uhr dort an.«

»Na, da hat er sofort den Brief geschrieben,« sagte der Kommissar. »Sehen Sie mal den Poststempel genau an!«

»Er ist etwas schwer zu lesen, doch es geht!«

Mit erwartungsvoller Spannung sah der Kommissar in das Gesicht Brauns, der sich bemühte, die Schrift des etwas verwischten Poststempels zu entziffern.

Dieser ließ den Arm sinken und sagte dann im Tone der Verzweiflung: »Mir steht der Verstand stille!«

»Was ist denn los?«

»17. Juli 18.. vormittags zwischen 7 und 8 Uhr.«

»Was!« rief der Kommissar. »Dann könnte dieser Peter ja gar nicht um diese Zeit in München gewesen sein!«

Braun nickte nur.

»Und Ihre Schlüsse, Ihre Folgerungen, alles wäre umsonst!«

»Es scheint so!« gab der Detektiv zur Antwort.

»Na, zweifellos ist es eigentümlich, daß dieser Peter gerade zu einer solchen Zeit hier ankommt.«

»Zufall!« sagte Braun.

»Allerdings ein sehr merkwürdiger.«

»Aber nicht zu ändern.«

»Leider nicht. Was gedenken Sie jetzt zu tun?«

»Vorerst den heute abend eingelaufenen Fremdenbogen des »Hamburger Hof« durchsehen!«

Es begaben sich die beiden nunmehr in das im zweiten Stock des Polizeigebäudes befindliche Meldebureau. Auf dem Wege dorthin sprachen beide nur sehr wenig.

In einem dieser Bureaus, die an den Wänden und auch im Innern des Zimmers nur große Aktenständer enthielten, machten sie Halt. Von dem diensthabenden Beamten ließ Braun sich den Meldebogen des »Hamburger Hof« bringen. Es währte nur kurze Zeit und Braun hatte das betreffende Schriftstück in Händen. Beide lasen die Liste der eingetroffenen Fremden durch. Als letzter fand sich darauf vermerkt: »Pedro Serrao, Rentner, Rio de Janeiro (Brasilien) mit einem Diener; Ankunft nachmittags 3 Uhr.«

»Das ist er zweifellos!« begann der Kommissar.

»Noch ist nicht alles verloren,« sagte nun Braun. »Er hat einen Diener bei sich. Einer von beiden hat den Mord verübt, der andere den Brief besorgt!«

»Wirklich! Das wäre möglich! Wie aber wollten Sie das erfahren?«

»Lotter hat ja den Mörder gesehen und wird ihn bestimmt wiedererkennen.«

»Das geht! Aber wenn er nun aussagt, daß es von diesen beiden keiner wäre,« warf der Kommissar ein.

»Dann? – Dann weiß ich selbst nichts!«

Die beiden trennten sich und Braun suchte die Wohnung des Zeugen Lotter auf.


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