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I.
Der Mann ohne Kopf.

Wer zum erstenmal nach München kommt und die große, weitüberwölbte Bahnhofshalle verläßt, der wird sofort überrascht auf den sich vor seinen Augen ausbreitenden freien Platz sehen. Hier breiten sich sternförmig eine Anzahl Straßen aus, die durchweg großstädtisches Aussehen zeigen. Die Straßen sind alle breit und gut angelegt, die Häuser größtenteils prunkvolle Neubauten, und die übrigen lassen nicht verraten, daß sie schon mehrere Jahrzehnte auf ihrem Platze stehen.

Hat sich nun der Fremde durch die vor der Bahnhofshalle stehenden Droschkenführer und Dienstmänner hindurchgeschlängelt und auch glücklich die ewig rasselnden, schrill läutenden »Elektrischen« ohne Unfall passiert und pilgert die nächste ihm gegenüberliegende Straße entlang, so wird er überall nur schön angelegte Straßen und hochragende Bauten finden. München ist Großstadt geworden.

Aber wenn er einmal längere Zeit sich in dieser »bierseligen« Stadt aufgehalten hat, wird er gar bald die Erfahrung machen müssen: es ist nicht alles Gold, was glänzt. Er wird gar bald auch mitten in der Altstadt Gäßchen und Winkelchen entdecken, baufällige Häuser, deren Einsturz man scheinbar täglich erwarten kann. Jedoch sind dies verhältnismäßig nur sehr wenige Plätze.

Lenken wir aber nunmehr unsere Schritte nach dem Stadtteil Münchens rechts der Isar! Die beiden außenliegenden Vorstädte Haidhausen und Giesing haben sich ziemlich entwickelt und hier finden sich schon viele neu angelegte Straßen und Plätze. Hier schießen die Neubauten gleich Pilzen aus der Erde. Es wird wohl auch im Verhältnis in keiner Stadt soviel gebaut als gerade in München. Auf diesen Neubauten vegetieren die vielgenannten, sogar berüchtigten »Münchener Früchtln«, die den Tag über entweder nichts tun und gelegentlich Mein und Dein verwechseln oder sich auf den Neubauten als »Stoatraga« verdingen. Es ist dies für diese Sorte von Menschen die passendste Beschäftigung. Dabei können sie sich fortwährend mit ihren Kollegen unterhalten und von Zeit zu Zeit ihren Maßkrug leeren. Für gewöhnlich verfügen diese »Münchener Früchtln« über eine große Portion Mutterwitz und sind all' ihren Rivalen in diesem Punkte ebenbürtig.

Zwischen den beiden vorerwähnten Vorstädten eingepfercht liegt die Au. Hier finden sich die verrufensten Winkelchen und Gäßchen. Die kleinen, selten höher als einstöckigen Häuser sind mit Holzbrettern verschalt und tragen Schindeldächer. Bei vielen ist eine Verbindung des Erdgeschosses mit dem ersten Stockwerk im Innern des Hauses gar nicht möglich. Es ist das erste Stockwerk gewissermaßen ein Haus für sich selbst, das seinen Eingang durch eine außen am Hause angebrachte Treppe hat. Die vielen andern Häuschen, die nur ein Erdgeschoß enthalten, sind aber so klein, daß die Bewohner tatsächlich die Hausschlüssel beim Verlassen an irgend einem Platz der Dachrinne verstecken.

Für gewöhnlich ist in dieser Gegend fast gar kein Leben. Die Straßen sind so eng, daß ein Fuhrwerksverkehr unmöglich ist. Nur Kinder sitzen oft auf der Straße und spielen hier ihr »Schandi« oder »Schussern«. Manchmal auch ist irgend eine echte Münchnerin mit dem Waschen ihrer Wäsche oder dem Ausklopfen ihrer Betten beschäftigt. Es geschieht dies in diesen seligen Gefilden vor aller Leute Augen.

Um so mehr mußte natürlich auffallen, als an einem Sommernachmittage eines dieser Gäßchen durch eine Menschenansammlung vollständig versperrt war. Hier standen beisammen alt und jung, Mann und Weib und Kind. Alle sprachen eifrig und erregt und sahen dabei immer nach dem durch einen blauen Vorhang verhängten Fenster des in der ganzen Umgebung einzig dastehenden zwei Stock hohen Hauses hinauf.

Ein kleiner, schmächtiger, etwa vierzig bis fünfzig Jahre alter Mann von knochigem, derbem Äußern, der langsam dahinschlendernd sich der Menschenmenge näherte, wurde dadurch offenbar auch veranlaßt, seine Schritte zu beschleunigen. Als er aber vor dem Hause ankam und sich nicht vordrängen konnte, fragte er einen neben ihm stehenden jungen Burschen, der durch sein braunes Gesicht, seine roten Haare, die glatt in die Stirn hineingekämmt waren, gerade keinen vertrauenerweckenden Eindruck machte, was denn hier geschehen sei.

Der Gefragte sah den Sprecher an, lächelte und gab dann mit trockenem, ernstem Tone zur Antwort: »Den Kopf hat aner verlor'n; genga's nauf, na können Sie such'n helf'n.«

Als die Umstehenden diese Antwort hörten, fingen alle zu lachen an und hatten scheinbar für diesen Witz mehr Interesse als für das Geschehnis. Nach weiterem Fragen erfuhr nämlich der eben Angekommene, daß man dort oben die Leiche eines Mannes gefunden habe, dem der Kopf abgeschnitten war; der Kopf selbst aber sei nirgends zu finden.

Auf diese Mitteilung hin drängte sich der Fremde mit Gewalt durch, ohne auf die hinter seinem Rücken fallenden Bemerkungen und Schimpfwörter zu achten. Plötzlich aber war er von den Umdrängenden so eingekeilt, daß er weder vor- noch rückwärts konnte. Da öffnete er seinen Rock und ließ das Legitimationszeichen der Münchener Polizei sehen, was auch sofort seine Wirkung ausübte, denn augenblicklich machten die vor ihm stehenden Leute Platz, sodaß er bald vor dem in Frage stehenden Hause, dessen Eingangstür ein Schutzmann bewachte, ankam. Diesem näherte sich nun der Fremde und nannte seinen Stand und Namen: Detektiv Braun. Daraufhin ließ ihn der Schutzmann sofort passieren.

Braun war einer der eifrigsten Geheimpolizisten der Stadt. Er suchte sich für gewöhnlich die schwierigsten Fälle aus, und seinem Scharfsinn, seinem Spürsinn, vor allem seiner rastlosen Tätigkeit war es besonders zu verdanken, daß jedes Kriminalverbrechen gesühnt werden konnte. Er war bei allen zweifelhaften Existenzen gefürchtet, und schon wiederholt waren Versuche unternommen worden, ihn zu beseitigen, die aber dank der Umsicht und Kaltblütigkeit dieses Mannes erfolglos geblieben waren. Braun war auch ein echtes »Münchener Kindl«, das trotz seines ernsten Berufes stets guter Laune war.

Scharf spähend hatte er sich in dem Zimmer, in welchem der Ermordete lag, umgesehen. Ein einziger Blick seiner kleinen, grauen Augen genügte, und er hielt das geschaute Bild im Gedächtnis so fest, als hätte er sich eine photographische Momentaufnahme gemacht. Der Kommissar des Bezirkes, namens Seidel, hatte den bekannten und beliebten Detektiv heraufgeführt und ihm alle Einzelheiten, die man bisher in Erfahrung bringen konnte, mitgeteilt.

»Der Ermordete, ein nach Aussage der Nachbarschaft etwa dreißig Jahre alter Rentier, war am Abend des vorhergehenden Tages etwa gegen neun Uhr fortgegangen. Nachts gegen zwölf Uhr hörte nun die Hausmeisterin, daß zwei Personen das Haus betraten. In der Stimme des einen erkannte sie Monnard. So hieß der Ermordete. Mehr wußte sie nicht. Die sorgfältigsten Nachfragen ergaben nun, daß eine ebenfalls im Erdgeschoß wohnende Mietspartei gehört haben will, wie etwa um ein Uhr eine einzelne Person das Haus verließ. Es muß dies zweifellos der Mörder gewesen sein. Die Tat mußte demnach zwischen zwölf und ein Uhr verübt sein. Im ganzen Hause, auch in der Nachbarschaft will jedoch niemand eine fremde Person um die Zeit gesehen haben!«

Aufmerksam hatte Braun dieser Erzählung zugehört und sagte sodann:

»Also nach Ihrer Anschauung wohl keine Aussicht, den Täter zu bekommen?«

Der Kommissar schüttelte den Kopf.

»Hm!«

Prüfend glitt nun sein Blick nochmals über die grauenhafte Szene, die sich seinem Auge darbot. Auf dem Boden, mitten im Zimmer, lag in einer Blutlache, die während der langen Zeit erkaltet und erstarrt war, die Leiche. Der Kopf war vollständig vom Rumpfe getrennt. Es mußte der Mörder somit ein äußerst scharfes Messer hierzu benutzt haben. Bei näherem Hinschauen konnte man deutlich sehen, daß der erste Schnitt, offenbar der todbringende, die Kehle vollständig durchschnitten hatte, dann erst wurde durch zwei weitere Schnitte der Kopf losgelöst. Die Hände der Leiche waren krampfhaft geballt.

Die Vorhänge im Zimmer waren zugezogen. Sämtliche Kästen und Schränke waren mit Gewalt aufgesprengt und durchwühlt.

Der Fußboden zeigte nicht die geringste Blutspur. Der Mörder selbst mußte sich allerdings ziemlich stark mit Blut befleckt haben, denn im Waschbecken, in dem der Mörder seine Hände vermutlich gewaschen hatte, zeigte das Wasser eine tiefrote Färbung.

Braun suchte nun selbst in den Fächern der Schränke und des offenen Kleiderkastens, jedoch ohne allen Erfolg. Sorgfältig durchsuchte er dann die Leiche, ob er vielleicht an deren Gewändern, oder in der Blutlache irgend etwas finden könne, was für die Entdeckung des Mörders von Belang wäre. Aber wiederum ergebnislos. Dann wandte er sich fragend an den Kommissar:

»Den Kopf konnte man also nirgends finden?«

»Bis jetzt nicht!« war die Antwort. »Ich habe aber angeordnet, daß offiziell bekannt gegeben werde, der Finder des Kopfes bekäme eine Belohnung! Denn der Mörder mußte doch irgend einen Grund haben, den Kopf mitzunehmen.«

»Den Grund werden wir schon noch erfahren,« erwiderte Braun, »wer hat denn die Leiche zuerst entdeckt?«

»Die Hausfrau Die Wirtin, Vermieterin.!« begann der Kommissar wieder zu erzählen. »Als sich gegen Mittag im Zimmer ihres Mieters noch nichts regte, klopfte sie zuerst leise, dann stärker. Aber es blieb alles still. Sie wollte dann öffnen, aber die Tür war verschlossen.«

Jetzt unterbrach ihn Braun: »Folglich hat der Mörder die Schlüssel mitgenommen!«

»Allerdings!« fuhr der Kommissar wieder fort, »sie bekam dann schließlich Angst, rief einen Schlosser, der die Tür öffnete. Als die Tür aufging, sahen sie die Leiche. Beide versicherten mir auf wiederholtes Befragen, sie hätten alles so liegen gelassen, wie sie es vorgefunden hatten.«

»Hm!« Langsam, als wollte er jedes Wort prüfen, sagte hierauf Braun: »Wer sagt denn, daß der Ermordete Monnard ist?«

»Er hat doch hier gewohnt!« war die etwas verblüffte Antwort.

»Ja, aber es ist doch kein Kopf da!«

Jetzt wurde auch der Kommissar etwas nachdenklich und meinte schließlich: »Wer sollte es denn sonst sein? Es gibt doch nur zwei Möglichkeiten: Der Mörder ist ein Unbekannter und der Ermordete ist Monnard, oder umgekehrt, Monnard ist der Mörder und der Ermordete ein Unbekannter. Das letztere ist wohl ausgeschlossen, denn Monnard hätte doch seine eigenen Sachen nicht zu durchwühlen brauchen. Nein, das ist ja vollständig ausgeschlossen.«

»Glauben Sie?«

»Ganz gewiß!« versicherte der Kommissar wiederholt. »Was hätte er denn für einen Grund haben können, einen Fremden in seiner Wohnung zu töten? Es steht ja fest, daß er mit einem Fremden gekommen ist. Um diesen zu töten, hätte er ihn doch nicht in seine Wohnung zu führen brauchen.«

»Hm! Der Kopf!« sagte nun sinnend Braun, vor sich hinmurmelnd, als spräche er mit sich selbst. »Es muß doch ein sehr gewichtiger Grund vorliegen, den Kopf verschwinden zu lassen. Warum?«

»Mir selbst rätselhaft!«

»Herr Kommissar, könnten wir jetzt die Hausfrau sprechen, die den Leichnam zuerst vorfand?« fragte Braun.

»Gewiß! Sofort!« antwortete hierauf der Kommissar und verließ das Zimmer.

Während seiner Abwesenheit untersuchte Braun nochmals die Leiche und als er wie zufällig die Hose etwas zusammenzog, sah er, daß die Schnürschuhe, die der Ermordete trug, nicht vollständig zugeschnürt waren, das heißt, es war das Schuhband nicht durch jede einzelne Oese gezogen, sondern nur einigemal um den Schuh geschlungen und dann geknüpft. Sie waren jedenfalls in aller Eile zugebunden. Dieses fiel dem Detektiv auf und er machte sich darüber sofort Notizen.

Inzwischen trat auch bereits wieder der Kommissar mit einer dicken, untersetzten Frau, die er als Frau Weber, die Hausfrau des Ermordeten, vorstellte, ein.

Jetzt wandte sich Braun an den Kommissar und fragte:

»Herr Kommissar, sind Sie damit einverstanden, wenn ich an Ihrer Stelle diesen Fall übernehme?«

»Gewiß!« erwiderte dieser sofort. »Sogar sehr bereitwillig. Sie nehmen mir da eine sehr unangenehme Arbeit ab.«

Auf diese Antwort hin begann Braun sein Verhör mit Frau Weber.

Zuerst fragte er sie, woraus sie schließe, daß dies ihr Mieter Monnard sei.

Sie entgegnete darauf, daß dies Monnards Kleidung sei. Nunmehr erkundigte sich Braun eingehend, ob denn auch die Größe mit der Monnards übereinstimme, ob auch die Figur, die Hände. Aber alles stimmte. Es stand nach der Vernehmung der Hausfrau ohne Zweifel fest, daß nur Monnard der Ermordete sein könne.

Hierauf durfte die Frau, nachdem sie von Braun für den nächsten Morgen in dessen Dienstbureau bestellt worden war, wieder abtreten.

Gleich nach ihr betrat ein Schutzmann das Zimmer und meldete, daß ein neuer Zeuge sich gefunden habe. Braun ließ diesen sofort hereinrufen. Es erschien darauf ein älteres, dürres Männchen, das auf Aufforderung sofort zu erzählen begann.

Er war am Tage des Mordes nachts gegen halb zwölf Uhr nach Hause gekommen. Er wohnte in dem gegenüberliegenden Gebäude im ersten Stock. Da er wegen heftiger Kopfschmerzen nicht schlafen konnte, hatte er das Zimmerfenster geöffnet und sah auf die Straße hinunter. Es mochte so kaum eine halbe Stunde verflossen sein, als Monnard und noch ein Fremder, den er nicht kannte, zusammen die Straße heraufkamen. Es blieben nun die beiden stehen und sprachen miteinander. Dann betraten sie das Haus, Monnard selbst schloß die Türe auf. Ihn hatte es natürlich gewundert, daß Monnard einen Fremden zu sich nahm, um so mehr noch, da er die Haustür nicht wieder abschloß. Bald war dann im Zimmer Licht. Nunmehr legte sich der Zeuge gleichfalls zu Bett. Etwa gegen ein Uhr hörte er dann, wie die Tür im gegenüberliegenden Hause zugeschlagen wurde. Zufällig trat der Zeuge, der immer noch keinen Schlaf finden konnte, wieder an das Fenster und sah, wie ein in einen Mantel gehüllter Bursche rasch die Straße hinunterlief. Jetzt kümmerte sich der Zeuge nicht mehr weiter darum, sondern legte sich schlafen.

Dies alles hatte das Männchen in ruhigem Tone mit mancherlei Abschweifungen und nebensächlichen Bemerkungen ohne jede Bedeutung erzählt, ohne dabei unterbrochen zu werden. Erst als er geendet hatte, fragte ihn Braun:

»Wissen Sie vielleicht, ob das Licht in Monnards Zimmer noch brannte, als Sie gegen ein Uhr den Fremden sahen?«

»Nein! Da war alles wieder finster!« antwortete der Gefragte hierauf nach kurzem Besinnen.

»Gut!« sagte hierauf Braun. »Nur noch eine Frage! Würden Sie den Burschen, der bei Monnard war, wieder erkennen?«

»Ganz bestimmt! Sofort!«

»Das ist gut!«

»Unter Tausenden könnte ich ihn herausfinden,« begann der Alte wiederum, »die Laterne beschien sein Gesicht so, daß ich ihn unmöglich mit einem zweiten verwechseln könnte.«

»Das ist entschieden das allernotwendigste!« fuhr Braun hierauf fort. »Jetzt ist es nur noch von Bedeutung, ob Sie den Burschen erkannten, der das Haus um ein Uhr verließ.«

»Sein Gesicht habe ich ja nicht gesehen,« war die Antwort. »Aber die Größe stimmte, auch hatte er denselben Hut, denselben Mantel. Es kann wohl kein anderer gewesen sein!«

Nach diesen Mitteilungen durfte der Alte, nachdem sich Braun seinen Namen – Lotter – notiert und ihn gleichfalls in sein Bureau vorgeladen hatte, sich wieder entfernen.

Darauf sah der Kommissar den Detektiv, der grübelnd vor sich hinstarrte, fragend an. Dieser aber sprach kein Wort. Der Kommissar brach dann das Schweigen und fragte:

»Was halten Sie davon?«

Braun sah ihn an und gab dann zur Antwort:

»Zweifellos ist der Bursche der Mörder. Wir bekommen ihn auch! Ganz bestimmt! Der Zeuge ist ja unbezahlbar. Ohne diesen müßten wir wohl die Hoffnung aufgeben. Aber ich kann mir keine Geschichte daraus zurechtlegen. Ich begreife, daß er diesen Monnard getötet hat, daß er alles ausgeraubt hat. Aber rätselhaft ist mir, warum er den Kopf mitgenommen hat! Jedenfalls muß Monnard den Mörder gekannt haben, denn einen Fremden nimmt doch niemand mit auf sein Zimmer, besonders um Mitternacht.«

Hier unterbrach ihn der Kommissar:

»Daß aber der Bursche den Monnard ermordet hat, steht zweifellos fest. Dieser Lotter behauptete bestimmt, kurz nachdem die beiden das Haus betreten hatten, habe in Monnards Zimmer Licht gebrannt; als aber dieser Bursche die Gasse hinunter verschwand, war es schon finster.«

»Jedenfalls zeugt es von großer Kaltblütigkeit, daß er bei seinem Verlassen des Zimmers noch das Licht auslöschte und die Türe verschloß. Es ist mir auch noch etwas rätselhaft, warum dieser Monnard, als sie in das Haus traten, die Türe nicht wieder abschloß.«

»Na, das läßt sich eher begreifen!« fing der Kommissar wieder zu sprechen an. »Er kann es ja vergessen haben, oder der Fremde, der sehr wahrscheinlich ein guter Bekannter Monnards war, ging nur mit ihm auf dessen Zimmer, um angeblich etwas zu holen!«

»Das mag allerdings sein!« gab Braun hierauf zu.

Da nun nichts mehr zu tun war, verließen die beiden, nachdem inzwischen auch die Leichenträger angekommen waren, um den Leichnam in den Sektionssaal des Auer Friedhofs zu schaffen, woselbst die gerichtliche Sektion stattfinden sollte, das Zimmer und auch das Haus, vor welchem immer noch eine große Menschenmenge stand, die sich die verschiedenartigsten Vermutungen über den Mord und den Mörder zuflüsterte.

Der Kommissar und Braun begaben sich in ihr Bureau im Polizeigebäude. Auf dem Wege dorthin sprach Braun fast kein Wort. Er war anscheinend vollständig in diese Mordtat vertieft, gab auf nichts mehr acht und beantwortete auch keine der Fragen des Kommissars.

Lediglich vor dem Polizeigebäude blieb er plötzlich stehen, sah den Kommissar an und sagte in ernstem Tone, ohne auch nur seine Miene zu ändern:

»Es ist und bleibt mir ein Rätsel! Wo ist der Kopf? Warum hat dieser Bursche den Kopf nicht zurückgelassen, sondern mitgenommen. Ich habe alle Möglichkeiten in Betracht gezogen, aber ich finde nichts. Rein nichts! Man nimmt doch nicht ohne die zwingendsten Gründe den Kopf eines Gemordeten mit!«

Ohne eine Antwort des Kommissars abzuwarten, schritt Braun nun voran, und begab sich sofort in sein Bureau, das er dann, um ungestört arbeiten zu können, abschloß.


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