Otto Julius Bierbaum
Pankrazius Graunzer
Otto Julius Bierbaum

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XXX.
Kurzer Nachbericht über Herrn Pankrazius Graunzers Kindstaufen nebst einigen Bemerkungen über seine Leibes- und Seelenzustände in der Ehe.

»Ach, a Maikatzerl!« sagte im Mai des Jahres, das auf die Freiersfahrten des Herrn Pankrazius Graunzer gefolgt ist, Frau Brigitte, als sie nach den Schmerzen der Entbindung zu sich kam und ein kleines Mädel neben sich liegen sah.

Herr Pankrazius aber hatte ganz vergessen, daß er einen Sohn gewollt, und gebärdete sich unbeschreiblich glücklich.

Und er lud Frau verwittwete Frankebeil in Nürnberg ein, daß sie Pathe stünde, und es ging hoch her auf Kiebitzhof, als die erste Kindstaufe gefeiert wurde. Die Wittib hielt eine Rede, und Herr Pankrazius hielt eine Rede, – bloß Frau Brigitte schwieg, aber sie konnte bloß nicht reden vor lauter Glück.

Dieses erste Mädchen erhielt in der Taufe den Namen Katharina, zum Andenken an die Gefahr, die Herr Pankrazius Graunzer im Pschorr zu Berlin so siegreich überstanden.

* * *

Ein und dreiviertel Jahr später hatte es Herr Pankrazius Graunzer wiederum sehr wichtig mit Trippeln und Leisegehen um die Wochenbettstube, und als er endlich hineingelassen wurde, da rief er: »Haben wir's Mariechen?«

Denn das zweite Mädchen sollte natürlich Mariechen heißen, zum ewigen Gedächtnisse an die gehäkelten Fallstricke von Dresden.

Und wahrhaftig, es war ein Mädchen.

Mutter Schützen sollte Pathe stehen, aber sie ließ schreiben, es ginge nicht mehr mit den alten Beinen, aber sie wünschte, daß der alte, verrückte Junge ein halbes Dutzend Mädchen kriegte zur Strafe dafür, daß er so ein närr'sches Luderchen wäre.

* * *

Und Mutter Schützen hat ihren Kopf durchgesetzt.

Es sind wirklich sechs Mädel hintereinander gekommen auf Kiebitzhof.

Sechs! Man kam in Verlegenheit um die Namen.

Auf die gute Laune und die Entfaltung der Leiblichkeit des Herrn Pankrazius Graunzer hat das aber nicht ungünstig eingewirkt. Er nimmt stetig zu an Heiterkeit der Seele und Rundlichkeit des Leibes.

Freilich, äußerlich kann er das Brummen nicht immer ganz lassen. Aber Frau Brigitte hat für solche Fälle ein gar siegreiches Lächeln zur Verfügung, das ihn schnell dazu vermag, seine Graunzerischen Monologe, wenn er sie durchaus vom Stapel lassen muß, in dem schön schweinsledern gebundenen Folianten abzuladen, der genannt ist: Der Seelenwälzer von Kiebitzhof, und auf dessen erster Seite die Fischartworte stehen: »Kurtzumb wer kein Ehegesibete hat, ist halb todt, mangelt ein stück deß Leibs, weiß kein seßhaffte Häußlich wohnunge wie die Tartarische Heerkärch, ist nirgends daheim. Dann ob er schon ein Obtach hat, ist jhm, als wer er drein gelehnet, vnd sitzt wandersweiß wie ein anderer Landstreiffer im Gasthauß, niemand kocht für seinen Mund, niemand helt jhm das sein zusammen, weder das groß noch das kleinest Haußkräutlein, weder das täglich noch das nächtlich, alles verschwind jhm vnder den Händen, hat niemand, dem er sein noht klaget, der jhm sein anligen abnimmt oder mit gleichen Achseln leichtert, keiner eyffert vmb sein Heyl, niemand warnet jhn mit trewen, vnd wann der Han todt ist, kreht kein Henne nach jhm.«

E N D E


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