Otto Julius Bierbaum
Pankrazius Graunzer
Otto Julius Bierbaum

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XVII.
Ein Stück aus Herrn Graunzers Reisetagebuche, wunderlich überschrieben: Pas de deux getanzt von meinen verehrlichen beiden Seelen.

Die Eine: Unser guter Graunzer macht ein übel Gesicht die letzte Zeit her. Was fehlt ihm wohl?

Die Andere: Aeh, – Du machst ihm Kopfweh!

Die Eine: Also ich! Sehr schön! Ich! Wäre der Mann nicht so unklar, ich würd' ihn fragen, wer von uns beiden ihm beschwerlicher fällt: ich, die Wünscherin, oder Du, der Sandsack, Du, der Geist der Schwere, Du mit dem ewigen Leierliede: Lassen wir's beim Alten!

Die Andere: Sagten Sei was? Bitte: Schimpfen Sie ruhig weiter! Ich weiß, was ich weiß; ich weiß, was ich soll; ich weiß, was ich will; ich thu', was ich muß!

Die Eine: Und das wäre?

Die Andere: Ich weiß, daß Graunzer ein Sitzfleischmensch ist; ich weiß, daß ich ihn am Herumgehupf hindern soll, wozu Sie ihn gerne verleiten möchten; ich weiß, daß ich deshalb seinen höchstehrenwerthen Trieb nach dem Kanapee kräftigen will; ich thu', was mir dies Wissen, Sollen und Wollen gebietet.

Die Eine: Und ich werde mein Möglichstes thun, Euch entgegenzuwirken, Verehrteste, und wenn ich Raketen abbrennen sollte unter dem pp. Graunzerischen Sitzfleisch. Springen soll er wie ein blutlustiger Floh, der Brave, und seien Sie sicher, ich werde für Stecknadeln in dem Kanapee sorgen, auf das er sich etwa niederlassen sollte. Ich!

Die Andere: Hähä! Mir gehört er, der Pankraz! Und wenn er erst eine Frau hat, wird er noch mehr mir gehören.

Die Eine: Aber er wird keine Frau haben!

Die Andere: Wettern?

Die Eine: Ich wette bloß mit anständigen Leuten.

Die Andere: Das nehmen Sie zurück!

Die Eine: Fällt mir nicht ein!

Die Andere: Sie sind ein...

Die Eine: Was bin ich?

(Sie gerathen sich in die Haare und walken einander. Aus dem Unterbewußtsein dröhnt ein gewaltiges Quos ego! Pankrazius begiebt sich in eine Weinstube und ertränkt seine beiden Seelen in drei Flaschen Burgunder Nuits.)

* * *

Regiebemerkung zu diesem Ballet: So darf nicht weitergetanzt werden! Bei dieser Kampelei geht Alles in die Brüche. Man muß eine neue Prima Ballerina anstellen. Das Weibsvolk hat keine Zucht mehr.

* * *

Nein, auch ohne Bild gesprochen: so geht's nicht weiter! Diese unselige Idee mit dem Heirathen hat mich aus Rand und Band gebracht.

Das Beste wäre, ich geb' ihr den Abschied. Es ist ja ein Unsinn! Ich finde ja doch nicht, was ich suche.

Und, zum Teufel, braucht man zu einem Sohne denn eine kopulirte Frau? Thut's nicht auch eine andere?

Pfui, Graunzer! Du bist doch ein Gutsbesitzer! Wie kann man so wenig Stilgefühl haben! Eine wilde Ehe, ein bloßes Multiplicaminiverhältniß, das geht in der Stadt, bei Literaten, Künstlern und andern Anarchisten, aber auf dem Lande, nein da geht's nicht, – wenigstens doch nicht so offiziell coram Hansjörg und Christiane! Abgelehnt! Wir bleiben bei der Stange der Moral.

Ha, wie das wohlthut! Ja ja, gute Thaten wirken belebend, wie Magenbitter!

Also nun weiter herumgefahren in der Welt und eine Frau gesucht?

Scheußlich! Scheußlich!

In was für schmierige Töpfe werd' ich noch greifen müssen!

—   —   —

Wie wär's, wenn ich bloß führe und nicht suchte?

Vielleicht fänd' ich gerade dann?

Sehr schön gesagt, Pankrazi! Sehr schön gesagt und leidlich paradox!

Alle Achtung!

Aber es bleibt bei der neuen Prima Ballerina?

Es bleibt dabei...

Hol's der Teufel!


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