Otto Julius Bierbaum
Pankrazius Graunzer
Otto Julius Bierbaum

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XXV.
Noch ein Kapitel aus dem Gerschle-Pepi-Buch. Es scheint darnach, daß Herr Pankrazius Graunzer an Phantasmagorien leidet.

Pritsch! Pratsch!
Kralewatsch!

Jetzt mag i nimmer g'scheidt sein! Hol' der Teifi die G'scheidtheit!

Wie? Hab' ich nicht links ein rothes Hosenbein und rechts ein gelbes? Und hat meine Weste nicht vorn eine blaue Schnebbe, die glöckelt?

Und meine Gogelhaube! Wenn die nicht siebenhundert Farben hat und drei, will ich Pankrazius heißen, wie jener Graunzer, den ich früher 'mal gekannt habe, ich, Kaschperle, Kapaschperle!

Hui, wie ich schön steif gehen kann und mit den Beinen säbeln und mit den Armen dreschflegeln und dabei die Nase, die feuerrothe zum Fenster gerichtet, zum Fenster, aus dem das Bändl hängt, an dem ich hänge.

Pritsch! Pratsch!
Kralewatsch!

Sie zieht, und ich laufe. Wo ich auch bin, – zuck! und es geht los, steifbeinig und beharrlich. Die Arme sausen, und die Nase glüht.

Oh Ah–de–leh!
Oh Mah–de–leh!

Hup! Da steht sie neben mir.

Oh! Oh! Oh!

Oh, ich armes Kasperl, ich vierzigjährigs.

Ich halt' ja Deinen Blick nicht aus, Madel, Deinen jungen, klaren Blick, ich alter bunter Esel ich, ich Narr, ich – Graunzer.

Da lacht sie, und mir ist, als fielen Blumen, helle, rothe Blumen von ihren Augen mir zu Füßen, und ich möchte mich bücken und sie aufnehmen und mir an die Narrenjacke stecken.

Sie aber wehrt mir's, und – gerechter Gott! – giebt mir einen Kuß und legt ihren Kopf auf meine Schulter und sagt: schau doch, alt's Kasperle, in mein junges Herz, schau doch, wie's da pumpert und krawoit und glücklich ist, glücklich zu Dir, Du alts Kasperle, Du liebs!

Herr-, Herr-, Herr-Gott! Ist das nicht zum Närrischwerden?

Ruck! Sie ist weg.

Und es ist Abend. Ich hänge fest am Bändel und folge ihr, die gelassen vor mir her geht. Kein Mensch ist in der kleinen Straße. Der Mond sieht grün aus. Der Himmel ist halb hell. Die Rosen riechen so stark. Sie geht ganz langsam und ruckt nur manchmal, daß mir die Beine fliegen.

Vorn oben am Ende der Gasse glüht's roth herunter vom Licht am Muttergottesbilde ihres Hauses. So ruhig roth, so gütig roth, so muttergütig, mutterblutgütig roth. Mir wird schier ängstlich.

Ist denn Niemand mit einer Scheere da, daß er mich losschnitte von diesem Bändl, an dem ich hänge?

Barmherziger Gott: sie hat sich umgedreht und mich bei der Hand genommen. Und sieht mich groß und selbstvergessen an.

Wa...wa...was? Ich möchte in die Kniee sinken vor ihr und ihr die Füße küssen, aber da ist etwas Inwendiges, was Spitziges, Entgegengesetztes, Scharfes in mir, und ich ziehe die Hand zurück, sehe das Mädel kalt an, drehe mich um und gehe fort, – nicht mehr Kasperle, nicht mehr am Bändl, sondern frei und onkelhaft, der freien Künste Doktor Pankrazius Graunzer.


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