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Quellen und Anmerkungen

Œuvres complètes de Honoré de Balzac. Edition définitive. Paris, Calmann Lévy, 24 Bände Lexikonoktav. 1869-1872. – Complément aux œuvres de H. de Balzac: Histoire des œuvres de H. de Balzac par Charles de Lovenjoul. Paris, Calmann Lévy. 1879. Diese dem Balzacforscher unentbehrliche Geschichte seiner Werke gibt auf 406 Seiten im ersten Teil eine vollständige Bibliographie a) der in den 17 Bänden der Comédie humaine vereinigten, b) der nicht in der Comédie humaine erschienenen Schöpfungen Balzacs; im zweiten Teil eine chronologische Übersicht der Abfassung und Veröffentlichung von Balzacs Arbeiten; im dritten Teil das alphabetische Verzeichnis der Titel; im vierten Teil eine Bibliographie von 35 Büchern und 33 Artikeln, die sich mit Balzacs Leben und Schaffen beschäftigen. 1886 erschien in zweiter, durchgesehener, mit einem Anhang von 85 Seiten vermehrter Auflage dieselbe Histoire des œuvres de Balzac par le Vte Spoelberch de Lovenjoul; die dritte, von der Académie francaise preisgekrönte Ausgabe wurde 1888 veröffentlicht. Spoelberch de Lovenjoul (* 30. April 1836 in Brüssel, † 4.Juli 1907 in Royat) förderte die Balzacforschung überdies durch eine Reihe aus sorgsamen Quellenstudien erwachsener Bücher: Autour de Honoré de Balzac (Paris, Lévy, 1897); Un roman d'amour (Paris, Lévy, 1899): die von der Académie française preisgekrönte Darstellung der Beziehungen von Balzac und seiner nachmaligen Gattin Eva Hanska-Rzewuska. La genèse d'un roman de Balzac (Paris, Ollendorff, 1901): die Leidensgeschichte von Balzacs » Paysans«. Une page perdue de Balzac. Notes et documents (Paris, Ollendorff, 1903). Und der für Bibliophilen bestimmte Prachtdruck: Honoré de Balzac, Œuvre posthume: L'école des ménages. Tragédie bourgeoise en cinq actes et en prose. Précédée d'une lettre par le Vte de Spoelberch de Lovenjoul. Paris, L. Cauteret, 1907. Spoelberchs Verdienst war es ferner, daß wenigstens ein Teil der nach dem Tode von Balzacs Witwe verzettelten, als Makulatur in die Hände von kleinen Gewerbsleuten geratenen Papiere des Dichters gerettet wurden: ihm vor allem ist die Herausgabe der Lettres à l'Etrangère (Band I: Paris, Lévy, 1899; Band II: Paris, Lévy, 1906) zuzuschreiben. Und über den Tod hinaus bewährte der einem niederländischen altadeligen Geschlecht entstammte reichbegüterte Kenner und Forscher den Anteil, den er für Balzacs Lebenswerk hegte. Letztwillig hinterließ er der Académie française seine reichen Sammlungen von Manuskripten, Briefen, Drucken, die für die Zeiten und Kreise von George Sand, Musset, Théophile Gautier und insbesondere für Balzacs Leben und Schaffen zuverlässigen Aufschluß geben. Die französische Akademie nahm das Vermächtnis mit gebührenden Ehren auf: die Collection Lovenjoul fand ihre würdige Heimstätte im Schloß Chantilly, das der Herzog von Aumale mit allen Liegenschaften, Kunstschätzen und der Bibliothek dem Institut de France 1886 geschenkt hatte. Die Akademie übertrug die neue Katalogisierung der Collection Lovenjoul einem bewährten Fachmann, Georges Vicaire, und ermöglichte ihre Benützung sachkundigen Forschern. So sind Lovenjouls Sammlungen schon vielfach der neuen Prachtausgabe der Œuvres complètes de Honoré de Balzac. Texte revisé et annoté par Marcel Bouteron et Henri Longnon. Illustrations de Charles Huard zugute gekommen, die seit dem Jahre 1912 bei Louis Conrad in Paris erscheint und 1924 beim 26. Bande hält. Aus Lovenjouls Quellen sind auch ausgiebige Ergänzungen der Correspondance von und an Balzac geschöpft worden, in denen Marcel Bouteron in den Jahrgängen der Revue des deux mondes (seit 1919) und in den Cahiers balzaciens belangreichen Aufschluß über Balzacs Gemahlin, über seinen Verkehr mit Zulma Carraud, Oberst Périolas, über Zuschriften und Anliegen der durch Balzacs Romane begeisterten oder gereizten Leserinnen geben konnte. Auf Lovenjouls Spuren wandelt auch André Bellessort in seinem anregenden, aus zehn Vorlesungen erwachsenen, 1924 erschienenen Buch: Balzac et son œuvre (Paris, Perrin).

Für meine Biographie durfte ich 1911 die Drucke, Zeitschriften, Autographen in den Balzacbeständen der Pariser National- und Stadtbibliothek, sowie der Bibliothek von Balzacs Vaterstadt Tours durchsehen. Für manche freundliche Förderung bleibe ich Herrn Marcel Bouteron verbunden, der mir auf meine Bitte auch gütig einen Abzug von Deverias Zeichnung des zwanzigjährigen Balzac und andere Vorlagen unserer Bilderbeigaben zukommen ließ. Dank schulde und sage ich noch dem Konservator des Pariser Balzac-Museums, Herrn André Chancerel, Mr. Henry Prior in Varese, den Vorständen und Hütern der Wiener National- und Universitätsbibliothek, zumal der unermüdlichen Baronesse Dr. Christine Rohr und dem stets hilfsbereiten Regierungsrat Dr. Egger-Möllwald.

Die neuesten Literaturnachweise sind zu finden in Gustave Lansons Manuel bibliographique. Nouvelle edition. Hachette 1921 s. v. Balzac und bei Marcel Bouteron: Le culte de Balzac, Revue des deux mondes vom 15. Mai 1924.

Eine Ikonographie Balzacs ist erschöpfend noch nicht gegeben worden; 1897 erklärte Spoelberch de Lovenjoul im Eingang des Aufsatzes Un portrait (Autour de Honoré dé Balzac 2o3ff.): »… Maler und Bildhauer haben ihr Urbild stets nach ihrer verschiedenen Art angeschaut, so daß kein einziges vollkommen treues Ebenbild existiert. Deveria, Boulanger, David d'Angers, Bertall und mehrere andere haben bei Lebzeiten Balzacs vergebens versucht, seine Züge im Marmor oder auf der Leinwand festzuhalten: Keiner konnte den endgültigen Typus schaffen. Meissonier, der ihn vielleicht zustande gebracht hätte, vollendete nicht das 184o von ihm begonnene Bildnis.« Spoelberch gedenkt auch des (von Victor Hugo in den Choses vues erwähnten) Pastells von Eugène Giraud: Balzac auf dem Totenbett (s. o. S. 390). Balzac selbst war höchlich überrascht durch die Treue des Daguerreotypes, das im Mai 1842 nach der Natur aufgenommen wurde. An mündlichen und schriftlichen Schilderungen seiner Erscheinung fehlt es nicht. Gavarni verglich sein Profil spöttisch einem Pik-As, Talleyrands Nichte, die Herzogin von Dino, nannte ihn kurzweg häßlich. In einer Besprechung von Boulangers Bildnissen in der » Presse« charakterisierte Théophile Gautier den Romancier folgendermaßen: »Herr von Balzac ist nicht eigentlich schön. Seine Züge sind unregelmäßig, er ist klein und dick. Das scheint nicht verlockend für einen Maler, doch ist das nur die Kehrseite der Medaille. Das Leben und das Feuer, das seine Physiognomie ausstrahlt, verleihen ihm eine besondere Schönheit. In Boulangers Bild erscheint Balzac in die weiten Falten seiner Kutte eingehüllt; beide Arme ruhe- und kraftvoll gekreuzt, der Hals frei, der Blick fest und geradeaus; das von oben einfallende Licht erhellt die Stirn und wirft volle Klarheit auf die bei Herrn von Balzac sehr entwickelten Protuberanzen; die schwarzen Haare geben dem Kopf ein eigenartiges Leben; das Auge, von dem Gautier 1859 sagte: daß seinesgleichen niemals wieder vorkam, ›blickt mit überraschender Schärfe‹; die Nase, auf die Balzac den Bildhauer David d'Angers mit den Worten hinwies: ›Achten Sie wohl auf meine Nase, meine Nase ist eine Welt‹, atmet stark und leidenschaftlich durch breite, rote Nüstern; der fette und zumal in der Unterlippe wollüstige Mund lacht mit einem rabelaisischen Lachen, beschattet von einem Schnurrbart, dessen Farbe viel heller ist als die der Haare; das trotzig aufgeworfene Kinn ist mit dem Hals verbunden durch einen breiten, mächtigen Fleischwulst, der der Wamme eines jungen Stieres gleicht. Der Hals selbst ist von athletischer Stärke und ganz außergewöhnlich; die Wangen von strotzender Fülle sind mit dem Rot einer saftigen Gesundheit gefärbt, und alles Fleisch ist von vergnüglichstem, beruhigendstem, glänzendstem Aussehen. In diesem Kopf ist ein Stück Mönch und Kriegsmann, eine ungeheuer seltene Mischung von ernstem Nachsinnen und verwogener Laune, von Überlegung und Ungestüm; der Denker und der Lebenskünstler vereinigen sich in bizarrer Harmonie. Schnallen Sie einen Panzer um diese breite Brust, und Sie haben einen der derben deutschen Landsknechte in großen Stiefeln vor sich, wie sie Terburg so fröhlich gemalt hat. Mit der Kutte wär' er »Jean des Entommeurs« (in Rabelais' Gargantua). »Nur vergessen Sie nicht, daß das Auge mit seinem gelbfunkelnden Löwenblick alle Beleibtheit und Bonhommie durchdringt und diese niederländische Gemütlichkeit rektifiziert. Ein Mann dieses Schlages kann allem Übermaß von Tafelfreuden, Lustbarkeiten und Arbeitsmühen genugtun. Man ist nicht mehr erstaunt über die ungeheure Masse von Bänden, die er in so kurzer Zeit veröffentlichte. Diese wunderwürdige Betätigung hat keine Spur von Ermüdung auf diesen kräftigen rotgefärbten Backen und dieser breiten weißen Stirn zurückgelassen. Diese enorme Arbeit, die mit ihrer Last ein halb Dutzend gewöhnlicher Arbeiter erdrückt hätte, ist kaum ein Drittel des Monumentes, das er aufrichten will. Jean Goujon hätte dieses Gesicht zur Maske (mascaron) des Lachens gewählt. Diese Beschreibung wird vermutlich dem Idealbild, das sich viele Leute von Herrn von Balzac nach seinen Werken gebildet haben, widersprechen; sie können sich berühmte Dichter und Schriftsteller nur mager und blaßgelb mit langen schwarzen Haaren vorstellen; wir selbst haben diese naiven Vorstellungen geteilt, die wir heute verwerfen; wir begreifen, daß unser früherer Glaube« – Gautier war bekanntlich ein fanatischer Vorkämpfer der romantischen Exaltados – »so sein mußte; doch unsere Beschreibung Balzacs ist von gewissenhaftester Genauigkeit.« Balzacs Grab ist mit einer Erzbüste nach David d'Angers' Kolossalbüste gekrönt. Sein Pariser Denkmal rührt von Falguières, das Monument in Tours von Fournier her. Rodins Balzac-Köpfe und -Statuen haben viel Widerspruch und noch mehr Begeisterung gefunden: »eine breite ausschweifende Gestalt, die«, nach Rainer Maria Rilkes Wort, »an des Mantels Fall all ihre Schwere verliert. Auf den starken Nacken stemmt sich das Haar, und in das Haar zurückgelehnt liegt ein Gesicht, schauend, im Rausche des Schauens, schäumend vom Schaffen: das Gesicht eines Elementes. Das ist Balzac in der Fruchtbarkeit seines Überflusses, der Gründer von Generationen, der Verschwender von Schicksalen. Das ist der Mann, dessen Augen keiner Dinge bedurften; wäre die Welt leer gewesen, seine Blicke hätten sie eingerichtet. Das ist der, der durch sagenhafte Silberminen reich werden wollte und glücklich durch eine Fremde. Das ist das Schaffen selbst, das sich der Form Balzacs bedient, um zu erscheinen; des Schaffens Überhebung, Hochmut, Taumel und Trunkenheit.«

Bemerkenswert sind auch die Karikaturen von Dantan, Daumier und Platier, von Balzac im Salon der Madame Girardin, von Balzac mit Musset, von Balzac mit Madame Hanska in polnischer Nationaltracht reproduziert in dem Bändchen Balzac von Alphonse Séchè und Jules Bertaut, 42 portraits et documents (Paris, Michaud o. J.), und die S. 25O erwähnte Selbstkarikatur Balzacs.

I. Einleitung. S. 13. Taines Ausspruch über den Roman des mœurs: Histoire de la littérature anglaise. IV. 411. – S. 14. Jules Sandeau sagte in seiner Antrittsrede in der Académie française (1859): Ich kann mich eines Gefühls der Trauer und Verwirrung nicht erwehren, wenn ich mich an der Stelle sehe, auf der Lesage und Prévost nicht Platz genommen haben und wohin in unseren Tagen unter so vielen zeitgenössischen Berühmtheiten der unerbittliche Tod Ihnen nicht erlaubt hat, Balzac zu berufen, den tiefsten Romancier, eines der kraftvollsten Genies unseres Jahrhunderts. – S. 19. Alfred Nettements Balzacstudie erschien zuerst 1836 in der Gazette de France; Spoelberch de Lovenjoul wiederholte sie in dem Buch Un roman d'amour 1896 als Une étude impartiale sur H. de Balzac 1836 mit Recht von Anfang bis zu Ende. S. 181-248. – S. 20. Das 191 Seiten umfassende Buch Maximes et pensées de Napoléon. Recueillies par J. L. Gaudy jeune zitiert 525 angebliche Sätze Napoléons; ich habe das dem Anschein nach niemals in den Buchhandel gelangte, doch als Pflichtexemplar in der Bibliothèque royale hinterlegte Werklein 1911 in der Nationalbibliothek durchgearbeitet und muß Frédéric Masson beistimmen, der in dem Aufsatz »Une mystification. Balzac et Napoléon« (Masson, Petites Histoires, Paris, Ollendorff, 1910, S. 40ff.) zu dem Urteil kommt: »Unter diesen 525 Gedanken sind nicht zehn, die in den Werken oder Korrespondenzen Napoleons zu finden wären; vielfach begegnen Ideen, die denen Napoleons schnurstracks zuwiderlaufen.« Massons Urteil ist um so unbefangener, als er Balzacs Größe bewundert und Napoleons Einfluß auf seine Schöpfungen richtig einschätzt. Die Widmung an Louis Philippe, die Balzac seinen Hutmacher vorbringen läßt, belustigt Masson begreiflicherweise; sie lautet: »Ihnen, Sire, gebührte dieses Vermächtnis eines Genies, das eine unbedingte Herrschaft wollte, um Frankreich triumphieren zu lassen; schuldet man Ihnen jedoch nicht Triumphe, um die uns Europa beneidet, errungen durch redliche, bürgerliche Gedanken, die in Napoleons Gedanken fehlen, die allzuoft von der Notwendigkeit diktiert, das Schwert des Feldherrn vor Augen führen? So werden auch Sie allein, Sire, eines Tages diesen Gedankenschatz gemehrt haben, ohne die Freiheit beunruhigt zu haben.« Offenbar trieb Balzac in diesen Wendungen seinen Schabernack; er machte sich unter der Maske des der Nationalgarde eingereihten philiströsen Hutmachers lustig über den neben Napoleons Riesengestalt zwerghaften Bürgerkönig. – S. 28. Goethes Urteil über die »Peau de chagrin« wurde zuerst bekannt durch seinen im Goethe-Jahrbuch, Band I, 1881, mitgeteilten Brief an Kanzler von Müller vom 17. November 1831; der Brief wurde dort erläutert durch eine Tagebuchstelle vom 11. Oktober 1831. Neuen Aufschluß über Goethes Beschäftigung mit Balzac brachten Goethes Unterhaltungen mit Friedrich Soret, herausgegeben von Dr. C. A. Burckhardt, Weimar 1905. 1831 meldet Soret: »Ich kam diesen Abend zu Goethe, als er gerade mit dem Durchsuchen einer Kiste beschäftigt war, die er von David aus Paris erhalten hatte und die allerlei interessante Sachen enthielt, wie Gipsmedaillons von hervorragenden Leuten und eine Menge von Werken, die für den gefeierten Dichter mit einer Dedikation ex dono auctoris bestimmt und von den hauptsächlichsten Vertretern der romantischen Schule, Sainte-Beuve, Ballanche, Victor Hugo, Balzac usw., geschenkt waren.« Danach hätte Balzac selbst Goethe die Peau de chagrin zugehen lassen. Ein zweites Mal äußerte sich Goethe wenige Wochen vor seinem Tode, Montag, 27. Februar 1832, in dem letzten Gespräch, das er mit Soret führte, über Balzacs Buch in der S. 94 vollinhaltlich angeführten, trotz mancher Vorbehalte rühmlichen Würdigung »als das Werk eines mehr als alltäglichen, ganz vorzüglichen Geistes«. – S. 31ff. Laube, Erinnerungen, Ausgewählte Werke, Leipzig, Hesse; 8, 420, und 9, 67ff. Julian Schmidt, Geschichte der französischen Literatur seit Ludwig XVI. 2. Auflage. 1874. 2. Band, 419ff., 440ff. Gustav Freytag, Erinnerungen. 1886. S. 163. »Für die stärkeren Talente der Franzosen, z. B. für Balzac, fühlte er (Schmidt) weit größere Sympathie als sein Mitredakteur.« Karl Hillebrand, Französische Zustände und englische Beobachter. Deutsche Rundschau. 1875. Band II, S. 110: »Nur einem ist es gelungen, die innere Seele Frankreichs zu malen und ein ebenso sprechend getreues als vollständiges, ebenso lebendiges als poetisches Gemälde des gesamten französischen Volkslebens im 19. Jahrhundert zu geben. Dieser eine war Balzac, denn er war Idealist und Realist in einer Person, er hatte das französische Leben nicht nur wie die beiden Engländer (Bulwer und Grenville) beobachtet und belauscht, er hatte es gelebt. – Hebbel: »Die kleinen Leiden des Ehestandes von Balzac 1849.« (Werke, 1867, XI, 341.) – Heinrich von Treitschke: »Balzac läßt uns über der Feinheit seiner psychologischen Analyse sein plattes Evangelium von dem Rechte des Menschen auf unendlichen Genuß fast vergessen« (Historische und politische Aufsätze. Leipzig 1871. III, 232: »Frankreichs Staatsleben und der Bonapartismus«). – »Der grüne Heinrich« von Gottfried Keller (Stuttgart, Cotta, 1914). Einleitung von Ermatinger: »Im Juli 1838 hat Keller in sein Skizzenbuch, das dem werdenden Dichter zugleich als Tagebuch und Ideenmagazin diente, folgende Bemerkungen über Balzacs ›philosophische Studien‹ eingetragen: ›Tiefe Wahrheit fand ich in seiner Schrift eingehüllt in jene französische Leichtigkeit und Eleganz, welche oft mehr Geist und Kraft des Denkens birgt, als wir Deutschen haben wollen. Balzac ist ein tiefer Menschenkenner und eifriger Beobachter der Volkssitten. Er kennt Paris in allen seinen Nuancen, und die Salons der Großen scheint er fleißig durchwandert und selbst in denselben gelitten zu haben. Auch habe ich seine Schilderung eines verunglückten Genies sehr treffend gefunden.‹« Ermatinger denkt bei dem »verunglückten Genie« an Le chef-d'ceuvre inconnu oder La recherche de l'absolu. Vielleicht hat der 19jährige Keller auch Rafael Valentin und Louis Lambert im Sinn gehabt. – Erich Schmidt (Die literarische Persönlichkeit. Rede zum Antritt des Rektorats der Universität Berlin. Berlin 1909. Universitätsdruckerei) nennt Balzac einen »Neuschöpfer des modernen sozialen Romans« und widmet seinem Schaffen eine eindringende Charakteristik. »Er sah ungeheuer viel und sah ungeheuer scharf.« »Die ›Helden‹ weichen Mittelmenschen, kleinen Leuten.« »König Lear wohnt als Père Goriot in der schäbigen Pariser Pension, Goneril und Regan in Adels- und Finanzhotels.« »Der Roman soll Privatgeschichte der Nation sein.« – Franz Mehring: Karl Marx (1918, S. 510): »Sehr begeistert war er von Balzacs Menschlicher Komödie, die ja auch ein ganzes Zeitalter im Spiegel der Dichtung auffängt; er wollte nach Vollendung seines großen Werkes über sie schreiben, doch ist dieser Plan wie so vieles andere im Keime steckengeblieben«. – Friedrich Nietzsche Briefwechsel mit Franz Overbeck (1916) unter dem 28. April 1880. – S. 32. Balzac von Hans Heiß. Heidelberg 1913. Ernst Robert Curtius Balzac. Bonn 1923. – Edmond Scherer, Etudes sur la littérature contemporaine IV. 1886. Balzac 63-75.

II. Werdezeit. S. 35. Edmond Biré: Honoré de Balzac, 1897, hat archivalisch dessen Abstammung von Bauern erwiesen; in der Vorrede zur zweiten Auflage des Lys dans la vallée (jetzt OEuvres diverses, 3, Bd. XXII) behauptet Balzac zwar seine Zugehörigkeit zur Familie der Balzac d'Entragues: sein Vater habe den Trésor des chartes durchforscht und sich gerühmt, von der Race conquise, d. h. von einem Geschlecht herzukommen, das der fränkischen Invasion widerstand: ein in die Geschichte seines Prozesses mit der Revue des deux mondes eingeflochtenes Geschichtchen (S. 441ff.). das niemand ernst nahm, Die Jugendschicksale von Balzacs Vater, berichtete ich nach Louis Lumet (Revue de Paris, 15. Februar 1923) und André Bellessort: Balzac et son oeuvre (Paris 1924). S. 7-8. Champfleury (Nouvelle revue, Mai 1881) verteidigt Vater Balzac gegen die Anklage, sich an Lieferungen bereichert zu haben. Philibert Audebrand (Le père d'Honoré de Balzac, Extrait de la revue illustrée, November 1888). In der Stadtbibliothek von Tours sah ich seine Histoire de la rage (mit handschriftlichen Zusätzen); sein Mémoire sur deux grandes obligations à remplir pour les Français. De l'Imprimerie de Mame; in der Pariser Nationalbibliothek Mémoire sur les moyens de prévenir les vols et les assassinats etc. Par Mr. Balzac, Adjoint du Maire de Tours et l'un des administrateurs de l'hôpital général de la même ville à Tours. De l'Imprimerie de Marne 1807 mit dem Vermerk: dies Mémoire sei ausschließlich für die Regierung bestimmt und wird keiner Tageszeitung oder einem periodischen Blatt zugeschickt, mit Reformvorschlägen zur Rettung kraftvoller Verbrecher; zur Verhütung von Rückfällen schlägt Vater Balzac die Errichtung von Anstalten außerhalb Paris, also in den Provinzstädten, mit einem Kostenaufwand von je einer Million vor, um ihnen Arbeitsgelegenheit und Überverdienst zu verschaffen; zugleich beantragt er Vereinfachung des Gerichtsverfahrens und Abwehr manchen Unfugs habsüchtiger Sachwalter und Notare: Gedanken, die später in Honorés Romanen wiederkehren. Beredt schildert er (wie nachmals Balzac im Vautrin und Victor Hugo im Jean Valjean der Misérables) das Los der mit Zwangspässen entlassenen, dauernd unter Polizeiaufsicht stehenden Sträflinge: »Man kultiviert Rübenzucht; Menschen zu retten, wäre richtiger.« Mancher Rückfällige habe dem Staat 100 000 Franken Gerichts- und Gefängniskosten verursacht. In England war ein Sechzigjähriger 69mal eingesperrt, 37mal ausgepeitscht worden. Wieviel mehr würde man mit Werkstätten ausrichten, die keine Gefängnisse sein dürften, in denen Tüchtige, Beispielgebende Preise bekommen würden; sämtliche unter einem Direktor in Paris stehende Anstalten hätte der Minister des Innern zu überwachen. Zur Vereinfachung der Rechtspflege sieht er, da der Code Napoléon drei Viertel aller Prozesse aus der Welt schaffe, für jedes Departement einen einzigen Gerichtshof erster Instanz als genügend an. – S. 39. Zu einem abschließenden Urteil über die Mutter Balzacs zu kommen, ist kaum möglich. Spoelberch de Lovenjoul teilt (Une page perdue de H. de Balzac, Notes et Documents, 1903) »Notules sur Honoré de Balzac par un de ses amis« mit, in denen August Fessart, ein altvertrauter wirtschaftlicher Berater der Familie, das 1858 erschienene Buch der Schwester Balzacs: Balzac, sa vie et ses œuvres par Mme. Laure de Surville, mit Randbemerkungen versah; er findet die Äußerungen der Tochter viel zu milde: ihr Porträt sei geschmeichelt; Frau Balzac war sehr streng gegen ihre Kinder, zumal gegen Honoré, den sie darben, fast verhungern ließ, als er Schriftsteller werden wollte. Sie hegte gegen ihn unverkennbare Abneigung, deren geheimnisvolle Gründe nicht klarer werden durch die Andeutungen von André Hallays (A travers la France. Touraine 1903), Pé1erinage balzacien, S. 16: »Herr von Margonne (bei dem der Dichter in Saché oft einkehrte, um dort zu arbeiten) war der Schwiegersohn von Herrn von Savary, dem Balzac die Peau de chagrin gewidmet hat. Savary wohnte in Vouvray; zu ihm kam Balzac oft in seiner Jugend. Dadurch knüpften sich zweifellos Beziehungen zwischen Margonne und der Familie Balzac: über diese Beziehungen gibt ein noch unveröffentlichter Brief von Madame Hanska die genauesten Aufschlüsse. Cette lettre sera-t-elle jamais publiée? ich weiß es nicht und kann darum nicht weitergehen. Vielleicht fände man hier das Geheimnis der Antipathie, die Madame de Balzac stets für Honoré bekundete, indem sie all ihre Mutterliebe ihrem zweiten Sohn Heinrich zuwandte. Andererseits scheint auch Honoré für Herrn von Margonne niemals sehr lebhafte Freundschaft empfunden zu haben.« Das Dunkel wird nicht lichter durch Bellessorts Bemerkung (S. 140): le chatelain de Saché, M. de Margonne, avait fréquenté sa – d. h. Balzacs – famille très intimement, trop intimement peut-être. Balzacs härteste Klagen über die Lieblosigkeit seiner Mutter finden sich in den von Bouteron 1920ff. in der Revue des deux mondes mitgeteilten Briefen, zumal dem vom 2. Januar 1846. – S. 42. Über Balzacs Schulzeit in Vendôme zu vergleichen Champfleury, Balzac au collège, Paris 1878 (S. 17 spricht Balzac in einem Brief von den culottes de bois). Den Brief des Rektors teilte Armand Baschet (Verfasser des Buches: Honoré de Balzac, Paris 1852) Lovenjoul mit: Histoire des œuvres, 401. Einen Kinderbrief Balzacs an seine Mutter aus dem Kolleg vom 1. Mai 1809 ließ Bouteron im Pariser Figaro, Supplément littéraire, vom 5. Mai 1923 faksimilieren. – S. 43. S. Taine, Etienne Mayran. Fragments. Avec une préface de Paul Bourget. Paris 1910. (Aus dem Nachlaß.) – S. 49. Über die Pariser Studienzeit gibt Marcel Bouteron eingangs des Aufsatzes La première tragédie de Balzac (Revue des deux mondes, 1. November 1923) nähere Nachricht. Über sein tapfer getragenes Elend in der Mansarde der Rue Lesdiguières erzählt Jules de Petigny (Histoire des œuvres, 377 ff.) und Fessart (Une page perdue, 127). traurige Einzelheiten: »Seine Dachstube war eng, mit einem zerbrochenen Strohsessel, einem wackligen Tisch und einer schlechten, von zwei schmutzigen Vorhängen halbverhüllten Liegerstatt möbliert; in diesem Loch war es unerträglich heiß, die Luft so mephitisch, daß man sich die Cholera hätte holen können; auf dem Tisch stand ein Tintenfaß, ein dickes, bekritzeltes Schreibheft, ein Krug mit Limonade, ein Glas und ein Stück Brot. Balzac lag im Bett; seine baumwollene Nachtmütze war von zweifelhafter Farbe: ›Ich habe diese Wohnung seit zwei Monaten nur einmal verlassen und stand nicht aus dem Bett auf, in dem ich Tag und Nacht arbeite, um das große Werk zu vollenden, um dessentwillen ich zu diesem Einsiedlerleben verdammt bin.‹« Fessart schreibt: »Ich wiederhole, daß man ihn Hungers sterben ließ; er war voll Ungeziefer und holte sich abends eine Kerze, die er, in Ermangelung eines Leuchters, in eine Flasche steckte.« »Cromwell« sollte 1924 im Faksimile der Abschrift von Balzacs Mutter von Professor Walter Scott Hastings (Princeton) in der Bibliothèque balzacienne veröffentlicht werden. – S. 59. Über die ersten Verleger und Mitarbeiter der Romane von Lord O'Rhoone siehe Simple histoire de mes relations littéraires avec Honoré de Balzac par Paul Lacroix ( Bibliophile Jacob). Le Livre 1882, 3e année, 150ff. – S. 63. Über Madame de Berny außer der grundlegenden Arbeit von Hanotaux und Vicaire Geneviève Ruxton, La dilecta de Balzac. Avec une préface de M. Jules Lemaître (o. J. 1909?) und Bouteron, Balzac et Mme. de Berny. Lettres inédites (1822-1833). Revue des deux mondes vom 1. Dezember 1921 ff.

Éssai sur l'influence de Walter Scott. Paris 1898. – Über Hoffmann en France Marcel Breuillac in der Revue d'histoire littéraire de la France 1906/7. – Philarète Chasles, Mémoires. Paris 1876. C'était Rabelais dans Marivaux (303ff.). – Balzac an Montalembert. Revue bleue 1903, 641ff. – S. 87. Lettres du prince de Metternich à la comtesse de Lieven 1818-19 (1909) S. 176ff. De l'amour mon amie ne vas pas le chercher dans le ménage. Auch a. O. Ironisierung bürgerlicher ehelicher Treue. – S. 90. France, social, literary, political by Henry Litton Bulwer 1834. – S. 98. Balzacs Échantillons de causerie française. Œuvres complètes XX, meines Wissens bisher nicht verdeutscht. – S. 97. Sealsfield, der sonst Anleihen nicht nötig hatte, folgte in »Morton oder die große Tour, Zweiter Teil I Der Geldmann« in der Charakteristik Lomonds und der von ihm so genannten »Moneycracy«, zumal in Lomonds Parabasen über sein schadenfrohes Spiel mit Geldbedürftigen aller Stände S. 111ff. und insbesondere S. 91 ff. mit der sich halbnackt dem Wucherer fast preisgebenden, durch einen Solitär in äußerster Not sich für eine Gnadenfrist loskaufenden Schönheit durchweg Gobseck, seinen Gedankengängen und seinen Erfahrungen mit Gräfin Anastasie Restaud.

IV. Freundinnen. S. 102. Sophie Gay. Sainte-Beuve, Causeries du lundi VI. – Mme. Emile de Girardin. Sainte-Beuve, Causeries du lundi III und Théophile Gautier, Portraits contemporains. 1874. Léon Séché. Balzac et Madame de Girardin. D'après des documents inédits. Mercure de France. Juni 1910. – S. 104. Im Traité de la vie élégante (1830) erzählt Balzac, daß Napoleon eines Abends die Herzogin von Abrantès bat, die Prinzessin von Westfalen in Raincy zu empfangen; am nächsten Tag bescherte die Herzogin zu Ehren dieses Gastes regierenden Fürsten alle Freuden einer königlichen Jagd, üppige Festmahle und einen glanzvollen Ball. Graf Rudolf Apponyi (Vingt-cinq ans à Paris [Paris 1914]. berichtet eingehend über die Liebeshändel Metternichs mit der Abrantès und die Wutausbrüche Junots, ihres Gemahls, der ihren Schreibtisch aufsprengte und mit der Pistole in der Hand ihr die Wahl ließ zwischen dem Bekenntnis ihrer Schuld und dem Tod. – S. 107. Über die Herzogin von Castries siehe die Memoiren von Chasles und Sainte-Beuve, Volupté, Appendice 392-394. Im Verkehr mit der Herzogin hätte Balzac gern den Welt- und Edelmann, den arbiter elegantiarum gespielt; so munter er 1830 im Traité de la vie élégante vom Stil vornehmen Gehabens, von Schiedsrichtern der feinsten Umgangsformen, dem abgedankten Freund des englischen Königs, Brummel, zu plaudern wußte, so überlegene Gespräche er dort Emile de Girardin, Latour-Mézeray usw. in den Mund legte: echten Kennern und Künstlern wie Gavarni waren seine der großen Welt nachstrebenden Manieren Anlaß zu beständiger Heiterkeit (Goncourt, Gavarni, 189-192). Als Laube 1839 in Paris war, führte ihn Heine zum Marquis Custine, wo das Ehepaar Girardin, Lamartine und »ein ganzer Krempel von Berühmtheiten zugegen war«. Heine »scherzte mit allen wie ein geborener Franzos; namentlich mit Balzac, der etwas Behagliches, um Eleganz Unbekümmertes, also auch nicht einmal eine so schöne braunrote Weste (wie Heine) hatte. Ich glaube, er trug sogar einen blauen Schlips statt der weißen Krawatte, und es war ihm deutlich abzumerken, daß dieser geputzte Plunder von Geselligkeit ihn gar nicht interessierte. Er war eine untersetzte Gestalt, ein dicker Kopf, tête carrée, aus welchem feste Augen schauten und dessen Mund gutmütig lächeln konnte. Ich sah ihn erstaunt an, hörte ihm erstaunt zu, wie er im bequemsten Geschwätz mit Heine tändelte, dieser unerschöpfliche Beobachter der Menschen, welcher so unerbittlich alle Hüllen wegzieht vom Menschenschimmer, welcher so unermeßlich viel zu schreiben versteht und immer mit überlegenem Geiste schreibt.« Laube, Werke 8, 420. – S. 110. Über Zulma Carraud A. Fray-Fournier. Balzac à Limoges. Limoges 1898. Emil Deschanel: A pied et en wagon 1862: Besuch bei Mme. Carraud. Une amitié de Balzac. Correspondance inédite Revue des deux mondes 1922/23. – S. 127. Das Urbild des »Landarztes« Bénassis ist, wie Laure de Surville S. 73 berichtet, ein Doktor, den Balzac seinerzeit in Isle-Adam kennengelernt und dessen Leichenbegängnis er mitgemacht hat: dieser leibhaftige Landarzt war der Wohltäter des Bezirks und nach Verdienst geliebt und beklagt worden. – S. 130. Le père Grandet. André Hailays. En flânant. 1903. Saumurois, 79-97, untersucht die Frage, ob Niveleau das Urbild von Vater Grandet? – S. 135. Spoelberch de Lovenjoul: Un roman d'amour. Paris 1899. Lettres à l'Étrangère. Paris, I 1899; II 1906. Neue Folge: Revue des deux mondes, 1920 ff.

V. Die Anfänge der Comédie humaine. S. 164. Lettre aux écrivains français du XIXe siècle. Balzac, Œuvres complètes XXII, 211 ff. – S. 173. Félix Davin, Introduction aux etudes philosophiques (jetzt Lovenjoul, Histoire, 194-207), und Introduction aux études des mœurs (jetzt Lovenjoul, 46-64), 1835.

VI. In Wien und in Italien. S. 177. Über Rosalie Gräfin Rzewuska geb. Lubomirski (1791-1865): Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaisertums Österreich, Bd. 27, S. 340 ff., mit Stammtafel und inhaltreichen Angaben über das Geschlecht der Rzewuski. – S. 177. Vingt-cinq ans à Paris. Journal du comte Rodolphe Apponyi. Paris 1914, III 59. Fürst Schönburg überbrachte Louis Philipp in besonderer Sendung die Botschaft vom Tod des Kaisers Franz und der Thronbesteigung Kaiser Ferdinands. Beflissen suchte Schönburg allerorten Aufschluß zu gewinnen über französische Zustände. Von Madame Hanska bei Balzac eingeführt, suchte er den von Gläubigern und als säumiger Nationalgardist verfolgten Dichter lange vergebens; als er ihn endlich in seinem Versteck aufspürte, traf er Balzac in seine Kutte gehüllt. Schönburg war, wie Apponyi berichtet, von Balzac entzückt und zugleich enttäuscht: »Er hat unendlich viel Geist, eine unglaubliche Leichtigkeit des Redeflusses, lebhafte Einbildungskraft, interessante Konversation, doch Zerfahrenheit der Ideen, der Handlungsweise und wenig gesunden Menschenverstand. Wie dem auch sei, der Fürst, der seine gute Dosis Eitelkeit hat, glaubt diesem Autor sehr schmeicheln zu müssen, um ihn zum Freund zu haben.« Apponyi macht sich über Schönburgs Jubel lustig, als er von Balzac einen schmierigen, mit Korrekturen übersäten Bürstenabzug in einem wappengeschmückten Prachteinband als Gastgeschenk mitnehmen durfte. – S. 178. Portrait intime de Balzac. Sa vie, son humeur et son caractère par Edmond Werdet, son ancien libraire-éditeur, Paris 1859. Stoffreich, sind diese 404 Seiten starken Erinnerungen nur mit kritischer Nachprüfung zu benutzen. – S. 180. Marcel Bouteron et Auguste Le Sourd, Un conseiller de Balzac. Le Lt Colonel Périolas. Revue des deux mondes. 1922. Seither in Heft I der Cahiers balzaciens wieder abgedruckt. – S. 182. Balzacs Gang über die Schlachtfelder von Aspern und der Lobau nach seiner Fußnote in den Paysans (Œuvres XIV, S. 245) und seiner, Einzelheiten berichtigenden Schlußbemerkung S. 538. Über Fürst Friedrich Schwarzenberg siehe Wurzbach; Allgemeine Deutsche Biographie; Laubes Erinnerungen und Helene Bettelheim-Gabillon, Einleitung zu Betty Paolis Gesammelten Aufsätzen (Schriften des Literarischen Vereins in Wien, Band IX, 1908), S. IX-CXI, und Helene Bettelheim-Gabillon, Fürst Friedrich Schwarzenberg, der Landsknecht, Inselverlag 1915. – S. 184. Anton Bettelheim, Balzacs Begegnung mit Metternich. Biographenwege. Paetel 1913. S. 215-230. Aus Metternichs nachgelassenen Papieren. Wien 1883. Bd. 6, S. 15, 86. – S. 190. Über den Ring, den Hammer-Purgstall Balzac schenkte, hat Léon Gozlan, Balzac en Pantoufles, Paris, 1856, possenhaft berichtet. Ein pathetisches Phantasiestück über Balzacs Besuch in Hammer-Purgstalls Döblinger Landhaus ist Hugo von Hofmannsthals »Imaginäres Gespräch über Charaktere im Roman und im Drama« (Prosaische Schriften, II, Berlin 1907, S. 163-187), das in der Verherrlichung Eva Hanskas, anklingend an Balzacs Widmungsbrief von Modeste Mignon, gipfelt. Balzacs eigene Gedanken über das Drama decken sich schwerlich mit Hofmannsthals Betrachtungen. – S. 191. Gräfin Lulu Thürheim, Mein Leben. Herausgegeben von René v. Rhyn (Blittersdorff), Denkwürdigkeiten aus Altösterreich. München 1913 ff. III, 221; IV, 50 ff., 172 ff. Sie malte unter Lawrences Augen, dilettierte literarisch, war, 1788 geboren, bedeutend älter als der phantastische, abenteuernde, 1803 geborene Thirion. Ihre Ehe war heimlich geschlossen, gesetzlich ungültig, so daß sie Stiftsdame werden konnte. Die Geschichte dieses Liebesbundes wirkt durchweg romanhaft. Von Balzacs Wiener Aufenthalt berichtet Gräfin Thürheim u. a.: »Ich sah Balzac einmal, wie er einen seiner Romane durchblätterte. Er glaubte sich dabei unbeobachtet und warf das Buch verächtlich auf den Tisch, indem er rief: Quel amphigouri (welch ein Schwulst)!« – S. 192. Die Huldigung im Wiener Konzertsaal berichtet Balzacs Schwester Laure Surville: Balzac, sa vie (1858), S. 179, mit dem Zusatz: »Es war so viel Begeisterung und Überzeugung im Antlitz des jungen Studenten, der Balzac die Hand küßte, daß, nach Honorés eigenem Wort, das Andenken an diesen Jüngling mich tröstet, wenn mein Talent geleugnet wird …« – S. 192. Der Wiener Graben wurde von Balzac 1840 in der Histoire et physiologie des boulevards de Paris (jetzt Œuvres XXI, S. 44) in dieser Wendung mit dem Canale grande von Venedig, dem Korso von Mailand, Rom, dem Newski-Prospekt, den Berliner Linden, Regent-Street, der Madrider Puerta del Sol verglichen. – S. 192. Werdet l. c. 147 ff. – S.200. Der Prozeß mit der Revue de Paris (Historique du procès auquel a donné lieu Le lys dans la vallée, jetzt Œuvres XXII, 430-489). François Buloz et ses amis par Madame Louise Pailleron (Enkelin Buloz'). Paris 1919. – Der Schmähartikel gegen Le lys dans la vallée: »Fin d'une histoire qui ne devait pas finir, Lettre à une femme qui n'a pas trente ans« von Pickerschill junior (Revue de Paris vom Juni 1836), wieder abgedruckt bei Spoelberch de Lovenjoul, Histoire des œuvres 68-80. – S. 206. Über Madame de Marbouty, die damit prahlte, an Scribes Drama »Une chaîne« mitgearbeitet zu haben, Lovenjoul Autour de Honoré de Balzac 153-176, Henry Prior, Revue de Paris 15. Januar 1924, und Serval, Une amie de Balzac, Madame Marbouty, Paris 1925. – S. 209. Über die Chronique parisienne Werdet 203 ff. Théophile Gautier, Honoré de Balzac, 1859. Spoelberch de Lovenjoul, Autour de Honoré de Balzac, 1897. Honoré de Balzac et Théophile Gautier, 1-89. Alphonse Karr: Le livre du bord, 1879; II, 286/287. Werdet war und wurde wieder Handlungsreisender; sein Balzacbuch erinnerte Karr an den Maler, der sagte: Je suis le seul homme, qui ait reçu de Napoléon un coup de pied au derrière. Werdet behandelte Balzac wie einen Halbgott, dem er bei den Redaktionsdiners einen vergoldeten Fauteuil, Löffel und Gabeln von Email gab, indessen die anderen nur silbernes Besteck bekamen. – S. 211. Die James Rothschild gewidmeten »Roueries d'un créancier« benannte Balzac später »Un homme d'affaires«.

VII. Die Iliade der Korruption. S. 215. Armand Dutacq (1810 bis 1856) ist der eigentliche Urheber der Umwälzung des Zeitungswesens durch die Herabsetzung des jährlichen Abonnementspreises auf 40 Franken. Eine der ersten Darstellungen seines Lebenslaufes ( Augustin Baudoz, Paris 1861) nannte ihn großsprecherisch Le Napoléon de la presse. Der langjährige Leiter des Figaro, Villemessant, ließ Girardin nur als den Amerigo Vespucci dieser für Spekulanten neuentdeckten Zeitungswelt gelten, deren Christoph Kolumbus Dutacq gewesen sei. Barbey d'Aurevilly (Romanciers d'hier et d'avant-hier, Paris 1904, S. 58) verherrlicht Dutacq, den begeisterten Freund Balzacs, der die Ausgabe der Contes drolatiques mit Gustave Dorés 425 Zeichnungen 1855 ins Werk setzte, als Mann von genialer Tatkraft, der weiterhin Musterausgaben sämtlicher Schriften und ausgewählter »Gedanken« Balzacs plante: Absichten, die durch seinen vorzeitigen Tod zunichte wurden. Mit dem Theaterdirektor Harel soll er eines der Urbilder von Balzacs »Mercadet le faiseur« sein. 1836 hatte er den »Charivari« gekauft, dessen Abonnentenzahl er 1887-1842 vervierfachte. Er war der Begründer des »Siècle«, der mit Girardins »Presse« zugleich erschien. Überdies war er der Geldgeber für eine Kinderzeitung, Karrs Guêpes und ein halbes Dutzend anderer Blätter. Der Rastlose beteiligte sich auch als Haupteigentümer an der Druckerei Lange-Lévy, die großes Erträgnis abwarf. Er ließ sich verleiten, das Vaudevilletheater zu kaufen; dort traf ihn das Verhängnis, daß das Schauspielhaus abbrannte; seine Schuldenlast wuchs dergestalt, daß er, von hinterlistigen Gläubigern verfolgt, fallierte. Sein Ruin beugte ihn nicht. Er führte Hunderte von Prozessen, von denen er kaum zehn verlor. Unverzagt rief er 1841 eine Aktiengesellschaft ins Leben, Société générale de la presse, durch die mit einem Kapital von zwei Millionen fünf Blätter (Le Soleil, Le Pays, Le Dimanche, eine Inseraten- und eine Bilderzeitung) in verschiedenen Formaten, mit verschiedenen, von 12-40 Franken abgestuften Jahresabonnementspreisen auf den Markt geworfen wurden. Zur Freude Balzacs warb Dutacq für die Romanfeuilletons seiner Journale die besten bestbezahlten Autoren und ersann das System der Fortsetzungen in von Tag zu Tag fortlaufenden Kapiteln. Da für Dutacq auch diese Unternehmungen mit Fehlschlägen schlossen, begann er 1848 ein Blatt zum Preise von fünf Centimes, La Liberté. Zuletzt war er schlecht entlohnter Administrator einiger der von ihm geschaffenen Zeitungen. Balzac reiste vielleicht wegen der Vorstudien des in Havre spielenden Romans Modeste Mignon mit Dutacq in die Hafenstadt. Dort schrieb er in ein Fremdenbuch: »Dutacq ist ein großer unverstandener Mann. Die zweisilbigen Namen kündigen Charaktere von Energie und Kühnheit an. (Balzac dachte dabei wohl auch an seinen eigenen zweisilbigen Namen.) Sed audaces fortuna juvat. Sein Name ist eine natürliche Anspielung. Dank einer Galanterie des Staatsregisters für den Takt, den er entfaltet.« Dutacq schrieb darunter: »Balzac ist ein zu wohlverstandener Mann.« Nach Dutacqs Tod fand die erste Auktion seiner Bibliothek statt. Lovenjoul, Histoire 353, nennt diesen Catalogue de la vente Dutacq rédigé par le bibliophile Jacob, Paris, Techener, 1857, »eines der wichtigsten Dokumente für die Bibliographie der Werke Balzacs.« Am 20. Juni 1925 fand eine zweite Auktion von Briefen aus Dutacqs Archiv statt (von Balzac, Barbey d'Aurevilly, Baudelaire, Daumier, Doré, Karr, Lamartine und vielen anderen). Auch Prachtwerke aus seinem Nachlaß kamen zur Versteigerung. Dem Katalog dieser »Vente« sandte Marcel Bouteron eine gehaltvolle Einleitung voraus. Paris, Andrieux, 1925. – S. 219. Sainte-Beuve, Notes et pensées. Anhang der Causeries du lundi. Band XI. – S. 225. Lousteaus Anklagen des Zeitungswesens, seine häßlichen Erfahrungen und Enttäuschungen im »Mörderberuf« des Journalisten klingen unverkennbar nach in der Standrede Stieves S. 176-179 von Jacob Wassermanns »Geschichte der jungen Renate Fuchs«. – S. 241. S. Lenôtre, Vieilles maisons, vieux papiers. Paris 1906. L'original de César Birotteau. Boutique de la reine des fleurs. Der Inhaber des Ladens, Caron, war Anhänger des Hofes, der Geächteten, u. a. Hyde de Neuville, Beistand und Versteck gewährte. Von diesen royalistischen Beziehungen des Parfümeurs erfuhr Balzac vielleicht durch Madame de Berny. Die Fabel von Cesar Birotteau ist indessen Balzac ureigen. – S. 248. Balzac à Milan (1837) par Henry Prior (Revue de Paris 15. Juli und 1. August 1925). Graf Apponyi gab Balzac Empfehlungen mit an den Gouverneur der Lombardei, Graf Hartig; die Gräfin Sanseverino führte ihn beim Fürsten Porcia und der Gräfin Clara Maffei ein, deren Gatte Schiller, Goethe, Byron und Shakespeare in das Italienische übertragen hatte; Gräfin Maffei soll Balzac so begeistert empfangen haben, daß sie sich zu einem Kniefall anschickte mit dem Ausruf: »Ich bete das Genie an.« Balzac wurde von der aristokratischen Mailänder Gesellschaft umworben; die Zeitungen wetteiferten in Artikeln und Plaudereien zu seinen Ehren; auch Neckereien fehlten nicht, als ihm ein Taschendieb bei Besichtigung der Kirche San Fedele seine von ihm auf 800 Franken geschätzte Uhr zog, die indessen durch das Eingreifen der Polizei am selben Abend zur Stelle gebracht wurde. Besonders gastlich nahm ihn Fürst Porcia auf, den eine romanhafte, nachmals mit einer Ehe schließende Liebe mit Gräfin Bolognini verband. Eine von Balzac skizzierte Mailänder Novelle Les fantaisies de la Gina (die kürzlich als zweites Bändchen der Cahiers balzaciens veröffentlicht wurde) ist nach Priors sachkundiger Meinung mit Unrecht auf Gräfin Bolognini bezogen worden. Marchese von San Tommaso veranlaßte Balzac zum Besuch Manzonis; der Historiker Cantù, der Zeuge dieser Begegnung war, hatte den Eindruck, daß Balzac Manzonis »Verlobte« so gut wie gar nicht kannte; was er darüber sagte, war zum mindesten absonderlich; desto mehr habe Balzac von sich, seinen Romanen, seinem »Pantheismus« und Galls Schädellehre geredet. Balzac fand, daß Manzoni im Äußeren an Chateaubriand gemahnte. Balzac gefiel Manzoni nicht; das Eigenlob seines »Landarztes« bestimmte Manzoni, nachdem Balzac fortgegangen war, zu der Bemerkung: um auf religiösem Gebiet zu siegen, genüge nicht das Vorhaben einer literarischen Spekulation; dazu müsse man festgewurzelte religiöse Überzeugungen hegen. Über den mäßigen, materiell unzureichenden Erfolg Balzacs in der Erbschaftsangelegenheit der Guidoboni-Visconti gibt Prior 36-39 eingehenden Aufschluß. Über Balzacs Aufenthalt in Venedig sind von Prior späterhin genauere Mitteilungen zu erhoffen.

VIII. Phantasien und Phantastereien. S. 250. Die Geschichte von dem Latouche angebotenen arabischen Pferd erzählte Sainte-Beuve; Werdet berichtet sie 159 irrigerweise, als ob Balzac das Prachtroß Sandeau zugedacht hätte. – S. 251. Die sicherlich ausgeschmückte Anekdote vom Ring des Propheten bei Gozlan, Balzac en pantoufles (Chapitre IV). – S. 252. Die Werbung der Literaten zum Bund der Chevaux rouges: Gozlan, Balzac chez lui (Chapitre I), und Théophile Gautier, Honoré de Balzac, 1859, S. 89ff. – S. 252. Das Erlebnis der Suche nach dem Schatz von Toussaint Louverture bei Gautier, S. 59ff. – S. 257. Die Schilderung der Behausung Rue Chaillot nach Balzacs Fille aux yeux d'or auch bei Gautier, die Geschichte vom Bau der Jardies bei Gozlan. – S. 259. Das Husarenstück mit der Vollendung des Manuskriptes der »Himmelfahrt Seraphitas« in der Druckerei bei Werdet. – S. 261. Zu den Contes drolatiques vgl. Pietro Toldo, Rabelais et Honoré de Balzac. Revue des études rabelaisiennes, 1905, tome III, mit Nachweisen der von Balzac benutzten Quellen. Barbey d'Aurevilly, Romanciers d'hier et d'avant-hier. Paris 1904. »Balzac«, insbesondere 28ff. und die kritische Beurteilung von Dorés Illustrationen. Lovenjoul Historie 224-231: Balzacs eigene Charakteristiken der Contes drolatiques. Neue fragmentarisch erhaltene Stücke weiterer Contes drolatiques sollen aus dem Balzac-Archiv von Chantilly zum Vorschein kommen. – S. 269. Zum Prozeß Peytel vgl. Goncourt: Gavarni, S. 190/91, und Edmund Benedikt in seinem Meisterbuch »Die Advokatur unserer Zeit«; Benedikt weist mit Recht darauf hin, daß der in allen Fragen der Juristerei so wohlerfahrene Balzac in der Comédie humaine wohl Richter, Avoués, Notare aller Art, doch keine Advokaten schildere. Benedikt schreibt (in der 4. veränderten und vermehrten Auflage, Berlin 1912, S. 109): »Merkwürdig ist übrigens, daß Balzac, dessen Romane mit allen Figuren der Winkelschreiber und Agenten, der Avoués und der Gerichtsvollzieher bevölkert sind, der Bilder und Gleichnisse aus der Prozeßsprache zu nehmen liebt, aus dessen Werken man die ganze Exekutionsordnung der damaligen Zeit in Theorie und Praxis feststellen könnte, den plädierenden Advokaten fast nie auftreten läßt. Selbst in Albert Savarus, dessen so genaue Personenbeschreibung in allen Einzelheiten auf ihn selbst paßte, schildert er den Parlamentskandidaten und phantastischen Liebhaber und nur gelegentlich den Advokaten, wobei er ausdrücklich bemerkt, daß die wahre Beredsamkeit ihren Sitz in die Parlamente verlegt habe. Auch in der Ténébreuse affaire sind es nicht die Advokaten, sondern die Polizisten, denen er seine Darstellungskunst widmet. Und doch hat die Advokatur Balzac während seines ganzen Lebens gelockt, er hat wohl das letzte Memoire im Stile des achtzehnten Jahrhunderts für den der Ermordung seiner Frau angeklagten Notar Peytel geliefert, nachdem er seine Absicht, den Mörder vor den Geschworenen zu verteidigen hatte aufgeben müssen. Sonderbarerweise liegt auch hier das Schwergewicht der Darstellung in der Aufstellung einer Reihe förmlicher Bilanzen, die den Mangel der Triebfeder für die Tat dartun sollen. Eine Bekämpfung der dringenden Verdachtsgründe aus den Begleitumständen der Tat selbst vermißt man völlig. Balzac hat ganz übersehen, daß die Antriebe des Verbrechers oft qualitativ normal, quantitativ immer völlig anormal zu sein pflegen.« – S. 272. Für die Revue parisienne dienten Balzac, wie Alphonse Karr »Le livre du bord« (Paris 1879) behauptet, sein seit Anfang des Jahres 1840 ausschließlich von ihm geschriebenes Blatt Les guêpes als Vorbild. Vgl. Lovenjoul, Histoire des œuvres, 253-254. Zur Kritik der Chartreuse de Parme s. Brief Balzacs an Stendhal-Beyle, Correspondance de Balzac, 1876 (vom 6. April 1839), I, S. 458, und seinen Brief an A. Colomb, II, 218 (vom 30. Januar 1846), in dem er dessen Wunsch willfahrt, seine Studie der Ausgabe der Chartreuse de Parme beizugeben. Chuquet (Stendhal-Beyle, Paris 1902) weist den Anwurf zurück, daß Balzac für den Artikel eine Vergütung erhalten habe. Das Urbild Moscas soll Graf Saurau gewesen sein, ein österreichischer hoher Würdenträger in Italien. – S. 283. Über die Vorgeschichte des »Vautrin« Gautier, S. 154ff. Über die Uraufführung Gozlan, Balzac en pantoufles, Chapitre VIII; ebenda die vernichtende Kritik des Journal des Débats vom 16. März 1840: »sei wirklich Balzac der Urheber dieses Werkes der Barbarei und Albernheit?« – S. 279. Über Les aventures de l'école des ménages Lovenjoul, Autour de Honoré de Balzac, S. 89-197 (dort auch Balzacs Briefwechsel mit Péremé). Zur Vorgeschichte des Mercadet s. Gautier. Überdies Les lectures de Mercadet à la comédie française. Lovenjoul: Une page perdue de H. de Balzac, 1903, 181-194. – S. 286. Zu allen Stücken Balzacs Œuvres complètes XVIII, Théâtre, mit den Vorreden zu »Vautrin« und »Les ressources de Quinola«.

IX. Der Aufbau der Comédie humaine. S. 289. Gozlan, Balzac chez lui. Chapitre II. Les ressources de Quinola à l'Odéon. – S. 298. Über Balzacs Beziehungen zur Musik hat Bellaigues 1924 in der Revue des deux mondes auch in Hinblick auf Gambara und Massimilla Doni sich verbreitet. Karr: Le livre du bord; passim; besonders II, 324 – S. 301. Die Handschrift von Béatrix fand ich als Widmung von Baron Larrey fils in der Bibliothek von Tours. Balzac hatte das Manuskript, eigentlich die korrigierten Bogen desselben, Madame de V … mit einem (seither in seiner Correspondance, II, S. 4, mit kleinen Änderungen gedruckten) Brief geschenkt mit der Erklärung »Ce livre auquel vous avez fait porter une affection que je n'ai jamais eue pour aucun livre et qui a été l'anneau par lequel nous avons fait amitié.« Madame de V… hieß Marie Félicité Vallette, die 1836 mit ihm bekannt geworden war, nachdem auch sie sich zuerst brieflich an ihn als einen ihrer Lieblingsautoren gewendet hatte. Sie war seine Führerin auf der von Balzac in Un drame au bord de la mer und Béatrix so meisterlich mit ihren Salzsümpfen geschilderten Halbinsel Guérande. Über ihr etwas exzentrisches Wesen, ihren freundschaftlichen und vielleicht mehr als freundschaftlichen Verkehr mit Balzac, bei dem es zum Bruch kam, Les annales romantiques. Tome VI, 1909. Sie starb 1873, und Baron Larrey, ihr Universalerbe, stiftete Balzacs Vaterstadt Tours das Manuskript von Béatrix und das Bild Balzacs, das der Dichter Madame Vallette geschenkt hatte. – S. 307. Über die Quellen zur Ténébreuse affaire s. Edmond Biré. S. 110. – Der denkwürdige Brief, durch den der Verleger J. Hetzel, der als Schriftsteller das Pseudonym J. P. S. Stahl wählte, Balzac zum Avant-propos der Comédie humaine bestimmte, bei Lovenjoul, Autour de Honoré de Balzac, S, 237-243. – S.319. Der von Balzac für eine geplante zweite Auflage der Comédie humaine geschriebene und Laurent Jan gegebene Entwurf Catalogue des ouvrages que contiendra la comédie humaine wurde zum erstenmal von Amédée Achard am 25. August 185o in der »Assemblée nationale« gedruckt und seither von Lovenjoul, Histoire des œuvres, 217-219, neuerdings mitgeteilt. Die Reihenfolge der Werke, wie sie die Œuvres complètes einhält, weicht vielfach von Balzacs Plan ab und wurde nicht mit Unrecht von Barbey d'Aurevilly, Les romanciers d'hier et d'avant-hier, 1904, S. 59, angefochten. – S. 322. Albert Sorel, Lectures historiques, Paris 1894. Sorel, Essais d'histoire et de critique, 1883.

X. Eva. Die wichtigsten ergänzenden, doch immer noch nicht erschöpfenden Aufschlüsse haben wir der neuen Briefreihe an die Etrangère zu danken, die Marcel Bouteron seit dem März 1920 in der Revue des deux mondes mitteilte. Dazu kam seither Marcel Bouteron, Apologie pour Madame Hanska. Revue des deux mondes, 15. Dezember 1924. – S. 326. Als Balzac seinen Reisepaß für Petersburg auf der russischen Botschaft vidieren ließ, schrieb der boshafte Gesandtschaftssekretär: »Er sieht aus wie ein Schuhflicker oder Bäckermeister. Er hat keinen Sou und geht darum nach Rußland, oder er geht nach Rußland, hat also keinen Sou.« Journal de Victor de Balabine (publié par Ernest Daudet I 141, zitiert von Prior, Revue de Paris, 15 juillet 1925). – S. 331. Die Duchesse de Dino (Chronique de 1831 à 1862, publiée par la princesse de Radziwill) schreibt aus Berlin, 16. Oktober 1843: »Wir haben hier den angenehmen Balzac, der aus Rußland zurückkommt, von welchem Land er ebenso übel wie Herr Custine spricht; doch wird er nicht eine Reisebeschreibung ad hoc veröffentlichen, er wird nur Szenen aus dem Soldatenleben vorbereiten, von denen einige sich, wie ich glaube, in Rußland abspielen. Er ist plump und gewöhnlich. Ich hatte ihn schon in Frankreich gesehen. Dort hatte er mir einen unangenehmen Eindruck zurückgelassen, der sich noch verstärkt hat.« Seines Besuches in Rochecotte (28. November 1836) gedachte ein früherer Eintrag. Balzac war in der Touraine gewesen, nach einem Gütchen ausschauend; von einem Nachbar eingeführt und von einem Unwetter ereilt, wurde er von Talleyrands Nichte notgedrungen zu Tisch gebeten. Er mißfiel der großen Dame, die vor allen Publizisten und Literaten sich scheute: »Er ist vulgär in Erscheinung, Ton und, wie ich glaube, auch in Empfindung; er hat Geist, aber ohne Leichtigkeit und Schwung in der Konversation; er ist sogar sehr plump; er hat uns alle, zumal Herrn von Talleyrand, auf das peinlichste geprüft und beobachtet. Ich hätte diesen Besuch, wenn irgend möglich, gern entbehrt. Er geht auf das Außergewöhnliche aus und erzählt von sich selbst tausend Dinge, von denen ich schlechterdings nichts glaube.« – S. 343. Balzacs Aufenthalt in Dresden wurde von der Augsburger Allgemeinen Zeitung April und Mai 1845 gemeldet: Man sah ihn in Damenbegleitung in einer Theaterloge und unterließ nicht, zu bemerken, daß er kürzlich Ritter der Ehrenlegion geworden war. Eine ihm recht gleichgültige Ehrung, die er nur deshalb nicht ausschlug, weil der ihm altbekannte Villemain sie veranlaßt hatte. – S. 346. Die Briefe über Evas Schwangerschaft und die Vorbereitungen zur geheimen Ehe, die nach der Fehlgeburt eingestellt wurden, nach Bouterons neuen Mitteilungen von Balzacs Briefen an die Etrangère vom September bis zum Dezember 1846. – S. 349. Balzac ignoré par le docteur Cabanés. Paris 1899.

XI. Heirat und Ende. S. 382. Balzac. Lettre sur le travail, stammt aus dem Frühjahr 1848, Rev. d. d. mondes 1. Sept. 1906. – S. 384. Liszt äußerte nach dem Aprilheft der Neuen Rundschau, Berlin, 1912: »Mme Hanska hat in ihren Beziehungen zu Balzac all ihren Geist aufgewandt, um kleinlich zu tun, was ihr als glänzende Torheit vorschwebte.« Galt dieses Urteil der lang hinausgeschobenen, endlich sozusagen nur in extremis mit der Gewißheit von Balzacs baldigem Tode vollzogenen Trauung? – S. 385. Märchen sind großenteils die Balzacs Roman und Ehe betreffenden Mitteilungen von Gräfin Marie Kleinmichel »Bilder aus einer versunkenen Welt« (Berlin, August Scherl o. J.). S. 27ff. »Der Roman meiner Großtante.« Demnach hätten Balzacs Beziehungen zu Eva damit begonnen, daß er in Wien ihr ertrinkendes 8jähriges Töchterchen aus dem Becken eines Schönbrunner Springbrunnens zog. Auch die Angaben über Hanskas Lähmung und Balzacs Versuche, bei Kaiser Nikolaus eine Audienz zu erlangen, sind fragwürdig. Gräfin Kleinmichel erzählt, daß Eva »bald nach dem Tode ihres ersten Gatten den Abgott ihres Lebens heiratete«. »Ich sah meine Großtante 1857 oft in ihrem (Pariser) Heim. Dasselbe glich einer weihevollen Erinnerungsstätte für Balzac.« Auch die von Gräfin Kleinmichel Balzac zugeschriebenen Verse an Eva »La Polonaise« rühren schwerlich von ihm her. – S. 387. Victor Hugo. Choses vues. Paris 1887. Seine Grabrede: Actes et paroles I. 1875. Jetzt OEuvres, Bd. 41. – S. 390. Über die Leichenfeier die Pariser Tagesblätter. Das Evènement vom August 1850 nennt unter den Trauergästen noch die Komponisten Berlioz, Thomas, den Romancier Féval. Die Augsb. Allg. Ztg. berichtet am 26. August 1850, daß nach der Rede Victor Hugos die Arbeiter ihm die Hände schüttelten und als Verteidiger des Volkes und der Preßfreiheit hochleben ließen. Der Prinz-Präsident, der in dem Gefängnis von Ham eifrig Balzac gelesen und wohl seine Verherrlichung Napoleons I. in guter Erinnerung hatte, befahl bald nachher, die Büste des Meisters im Museum von Versailles aufzustellen. Manche Fabeleien scheint Arsène Houssaye »La mort de Balzac«, Paris, »Les confessions« 1885, IV, 255 zu melden: Ihm soll Giraud, der Balzac auf Wunsch der Gräfin auf dem Totenbett malte, erzählt haben, daß Balzac mit seinem Arzt über seine künstlerischen Zukunftsabsichten zur Vollendung der Comédie sich ausgesprochen und auf die Frage des Arztes, wieviel Zeit er dazu verlange, sechs Wochen gefordert haben. Als der Arzt den Kopf schüttelte, wollte sich Balzac mit sechs Tagen begnügen. Der Arzt erwiderte, es sei notwendig, daß er sein Testament noch heute machen müsse: »Ah, je n'ai donc que six heures«: diese Befristung seiner Lebensdauer auf kaum sechs Stunden soll Balzac den Todesstoß gegeben haben. Sollte ihn der Arzt wirklich so rauh angefaßt haben, selbst wenn Balzac ihn auf sein Gewissen befragte, wie es um ihn stehe, da er vom Tode nicht überrascht werden möchte?

XII. Nachfolge Balzacs. S. 394. Der vielberufene Spazierstock Balzacs, den seine Witwe dem Arzt als Andenken stiftete (ihren Brief vom 7. Oktober 1850 teilte Jules Claretie im Temps vom 11. Juni 1908 mit), soll nicht nur das kleine Halskettchen aus ihrer Mädchenzeit umschlossen haben: eine geheimnisvolle Kapsel habe, so behauptet Leon Séché (Mercure de France vom 1. Juni 1910), un portrait de femme enthalten, si décolletée que je m'explique l'affollement de Balzac le jour où il crut avoir perdu sa canne. Figurez-vous Eva Hanska dans le costume d'Eve.« – Als Madame de Girardin Balzac ihre Novelle »La canne de M. de Balzac« schickte, dankte er ihr in einem (von Spoelberch, La genèse d'un roman 138 mitgeteilten,) sehr geschmackvollen Brief, in dem er die Erzählerin mahnt, ihre Begabung nicht in Kleinigkeiten zu verschwenden: sie sei eine Fee, die sich darin gefiele, wundervolle Blumen auf grobes Tuch zu sticken. Sie solle ihre Kraft an große Aufgaben wenden und gemeinsam mit ihrer Schwester ein starkes Gerüst zimmern. Er setze sie nicht herab, wenn er ihr rate, zu zweien sich an die Arbeit zu machen. Er selbst habe – ein erstaunliches Bekenntnis, das allerdings noch in das Jahr 1836 fällt – nichts kombiniert, ohne seine Entwürfe zur Diskussion zu stellen (wohl mit Madame Berny?). Delphine Girardin habe außerordentliche Fähigkeiten im Detail, die sie nicht für das Gesamtwerk ausnütze. Sie sei in Prosa mindestens ebenso tüchtig wie in Poesie, was sonst in unserer Zeit nur Victor Hugo beschieden sei. – S. 396. Stanislaus Rzewuski, Le mariage de Balzac. Nouvelle revue. 15. Jänner 1906. – S. 396. Eva Balzacs ersten Reisebrief nach ihrem Abschied von Wierzchownia, 9. Mai 185o, teilt Emile Faguet in seinem Büchlein Balzac (1912) (Les grands écrivains) nach dem Intermédiaire des chercheurs vom 30. Nov. 1912 mit. Der russische Konsul habe ihnen in Galizien alle Zollquälereien erspart. Kein Koffer mußte geöffnet werden. »Mon mari revient dans ce moment. Je ne me faisais pas d'idée ce que c'est cet être adorable«: »ich kenn' ihn seit 17 Jahren und Tag um Tag entdecke ich eine neue Eigenschaft an ihm, die ich nicht kannte. Wenn er nur Gesundheit besäße! Du hast keine Ahnung, wie sehr er heute nacht gelitten hat. Ich hoffe, daß ihm das heimatliche Klima wohltun wird: wenn mich aber diese Hoffnung im Stich ließe, wär' ich, sei dessen gewiß, sehr zu beklagen. Es ist so gut, in solcher Art geliebt und beschützt zu werden. Auch um seine armen Augen ist es sehr schlimm bestellt. Ich weiß nicht, was das alles sagen und werden will, und bin manchmal recht traurig und beunruhigt.« – S. 397. Bouteron, Apologie pour Madame Hanska. Revue des deux mondes, 15. Dez. 1924. – S. 398. Champfleury et Madame Hanska. Mercure de France, 1. April 1908. Lovenjoul, Autour de Honoré de Balzac. H. de Balzac et Th. Gautier (1897) teilt S. 76ff. gelegentlich eines Artikels von Gautier über Mercadet einen an Gautier gerichteten überschwenglichen Brief Evas (aus dem Jahre 1851) mit und bemerkt dazu: Cette lettre dont les sentiments et la forme sont vraiment quelque peu exagérés et qui – offenbar im Hinblick auf Evas Beziehungen zu Champfleury und Gigoux – de plus au moment même où l'auteur l'écrivait s'accordait assez mal il faut bien s'avouer avec certaines particularités de son existence … – S. 399. Jean Francois Gigoux ( Eugène Forbus: Le Livre 1882). – S. 400. Sainte-Beuves Nachruf wurde abgedruckt »Causeries du lundi II.« Sainte-Beuve hat auch später wiederholt Balzacs gedacht; zumal in den Gavarni gewidmeten 3 Aufsätzen »Nouveaux lundis«. VI. 160. »Gavarni und Balzac begannen die Gesellschaft, die Welt, die Halbwelt, alle Spielarten der Welt zu malen, zu silhouettieren.« Dabei gebühre Gavarni vielfach der Vorrang. Balzac übernehme sich, berausche sich an dem Wein, den er ausschenkt, er gebe sich in seinen Darbietungen zu sehr als Allerweltsgevatter: »ein großer Vorteil für den, der als Genie bei den Massen gelten will, des gesunden Sinnes und der Haltung zu entbehren«. Gavarni, der, nicht weniger fleißig als Balzac, im Durchschnitt täglich 18 Stunden arbeitete und an 100 000 Blätter geschaffen haben soll, beurteilte den Romancier im gesellschaftlichen Verkehr, in den Geschmacklosigkeiten seines Aufzuges hart; beim Essen gab er sich unmäßig; geradezu gefräßig verschlang er Unmengen von Obst; mit vollgestopftem Bauch legte er sich nieder, ließ sich um Mitternacht wecken und bekritzelte stundenlang mechanisch das Papier. (Alphonse Karr neckte ihn des gleichen Zwiespaltes halber mit dem Scherz: Balzac sei so töricht, daß seine Werke gar nicht von ihm herrühren können, er ließe sie in der Nacht von einer alten Frau, die er unter Tags verborgen halte, schreiben.) Dann erst begann die rechte Arbeit: denn (so sagte Gavarni zu den Goncourts) ich wiederhole es: im Privatleben war er dumm und unwissend, gleichzeitig naiv und renommistisch bedacht, zu verblüffen. Es scheint, daß sich in ihm ein besonderes Phänomen vollzog, während er schuf, daß er, sich sammelnd, durch Intuition aller, selbst der am wenigsten gekannten Dingen entsann.« »Somnambulismus des Genies«, warf Goncourt ein, der Balzac als Großmeister der französischen Literatur des 19. Jahrhunderts, als unsterblichen Sittenschilderer preist. In seinen Tagebüchern (Goncourt, Gavarni 465 ff.) wurde der Zeichner dem Erzähler gerechter: »Balzac hat schöne Dinge gemacht. Sicherlich wird man die Strenge der Analyse nicht weiter treiben. Sein Werk, aus Einbildung und Intuition zusammengesetzt, ist ein großes Werk.« – Balzacs unberechenbare Manieren trugen ihm manche Mißdeutung ein; so wollte nach einer einzigen, etwas stürmisch verlaufenden Begegnung der von ihm bewunderte Dichter der »Jambes« nichts von ihm wissen. Auguste Barbier, Souvenirs personnels. Paris 1883: Balzac 222. – S. 4oo. Am bemerkenswertesten außer Sainte-Beuves Nachruf war ein Artikel (im Journal des Débats) von Philarète Chasles; zur Zeit der Anfänge Balzacs sein Mitarbeiter in den »Contes bruns« und der Fürsprecher seiner Peau de chagrin, entfremdete sich ihm Chasles mehr und mehr, so daß Chasles' »Mémoires« (Paris, 2. Aufl., 1876), soweit sie Balzacs gedenken, nur eine behutsam zu gebrauchende Quelle sind; der Anwurf, Balzac habe sich mit ›Tiberiaden‹ geholfen, weil er nie eine Geliebte oder ein Kind gehabt, ist ebenso häßlich als grundfalsch. Der Unmut des Kritikers äußert sich in der Anklage: »Alle Welt wurde seriös, selbst die frivolsten; statt kleine Meisterwerke wie ›die Grenadière‹ und ›Eugénie Grandet‹ zu schaffen, wollte er mit Aristoteles und Humboldt wetteifern; er gab sich den Anschein, das Universum zu umfassen; welche ernsthafte Vorreden für kleine Romane!« Chasles zielt in dieser Wendung augenscheinlich auf das Vorwort zur Comédie humaine und spottet dabei seiner selbst: hat er doch 1831 Balzacs philosophischen Geschichten, zumal der »Peau de chagrin« eine Einleitung vorangeschickt, die (von Lovenjoul S. 171-177 wiederholt) »die metaphysische Bedeutung« und »die moralische Tragweite« von Balzacs Erstlingen nicht hoch genug anschlagen konnte. Audebrand erzählt in der Nouvelle revue 1884 in einem Artikel »Philarète Chasles«, Balzac hätte Chasles nachgesagt, er habe Augen wie eine Elster und halte es mit fremdem Eigentum wie dieses Tier. Desnoireterres' Buch »Honoré de Balzac« (1851) bezeichnete Armand Baschet, der gleichfalls die Konjunktur unmittelbar nach dem Tod des Erzählers als zeitgerecht für die Veröffentlichung eines Bandes »H. de Balzac, l'homme et l'œuvre 1851« ansah, als Buchhändlerspekulation; Baschets Werklein bringt manches Anekdotische, das er von Champfleury und Heine gehört haben will. Ohne Vergleich ergiebiger ist George Sands zuerst als Einleitung zur Houssiauxschen Ausgabe der Comédie humaine bestimmte Einleitung, 1875 in dem Bande »Autour de la table« wiederholt. Die mäkelnde, Balzac als unmoralisch befehdende Kritik von Eugène Poitou in der Revue des deux mondes vom Dezember 1856, »M. de Balzac, Etude morale et littéraire« scheint die Schwester des Dichters Laure de Surville besonders gekränkt und zur Gegenwehr veranlaßt zu haben in ihrem biographisch unersetzlichen Buch: »Balzac, sa vie et ses œuvres d'après sa correspondance, Paris 1858« (vorher in Zeitschriften erschienen). Ebenso rühmlich gedachten des Verewigten Théophile Gautier (1859 »Honoré de Balzac«), Champfleury (Grandes figures d'hier et d'aujourdhui, 1861), Lamartine (Cours de littérature 106-108, 1864). Léon Gozlans' Balzac-Bücher verleugnen nicht seine Marseiller Abkunft in ihren schnurrigen Übertreibungen, die Denkwürdigkeiten von Paul Jacob, Alphonse Karr, Werdet sind nicht unbedingt zuverlässige Zeugnisse; die Begegnungen, von denen der Maler Delacroix, der Schauspieler Got in ihren Memoiren berichten, waren zu flüchtig, um ihren subjektiven Eindrücken Gemeingültigkeit zuzubilligen. Lovenjoul teilt »Une page perdue de H. de Balzac« (1903) drei Studien mit: von Francis Girault (1841), von Georges Guenot (1850) und von Louis Lurine (1856); die letztgenannte, umfangreichste (279-326) rührt vom Vizepräsidenten der Société des gens de lettres her; diese Gesellschaft hatte einen Preis von 1500 Franken für eine Studie über Balzac ausgeschrieben; von den 6 eingelaufenen Manuskripten wurde keines gekrönt, so daß Lurine sich verpflichtet fühlte, Balzacs Andenken mindestens durch eine Gedächtnisrede zu ehren. Für ein »Eloge«, das die Akademie ausschrieb, fand sich auch kein siegreicher Bewerber: ein Autor, dessen Arbeit Renan bemerkenswert gefunden hatte als von einem mit Balzacs Lebenswerk wohlvertrauten persönlichen Bekannten des Erzählers wurde 1892 gedruckt: Julien Lemer: »Balzac, sa vie et son œuvre«; Lemer traf Balzac bei dem Verleger Charpentier, kam auch in seine Behausung und in den Kreis der um Gavarni versammelten Literaten und Maler (Ourliac, Monnier usw.); Balzac lachte zu allen dort getriebenen Künstlerpossen und nannte »Robert Macaire« das schönste Drama, die »Saltimbanques« die wahrste Zeitkomödie. Jules Sandeau scheint sich leider über seine Beziehungen zu Balzac nicht schriftlich verbreitet zu haben; in Nummer 3 der Monatsschrift »Balzac« erzählt Vernou nach einem Gespräch: Sandeau bewundere Balzac »auf den Knien«, lese ihn Jahr um Jahr immer wieder und habe Gewissensbisse, ihn leichtfertig verlassen zu haben. Es sei schmachvoll, daß seine Papiere verzettelt worden seien, Pläne, Manuskripte, die noch für 40 Bände ausgereicht hätten. Nach der Ansicht von Lamartine, Taine, Gautier und vieler anderer »il est immense, il est shakespearien«. –

S. 411. Zu seinen Widmungen bemerkt seine Schwester (S. 100) mit Recht: La liste des ces dédicaces prouve qu'il fut aimé d'un grand nombre de nos illustrations contemporaines. –

S. 422. Hat Balzac auch keinen im Osten spielenden Roman geschrieben, so hat er, der eine Reise nach Konstantinopel vorhatte, doch zweimal seinen Anteil an den Zuständen des Orients bezeugt, in seinem stoffreichen Aufsatz über Borgets Bilder (La Chine et les Chinois, jetzt Œuvres complètes XXIII) und Voyage de Paris à Java (jetzt Œuvres XXII, dazu Lovenjoul, Histoire, S. 242 bis 245) und Lovenjoul, Une page perdue, 1 ff. –

S. 424. Zur Prüfung und Verwertung der Papiere Balzacs zog seine Witwe eine Reihe nicht besonders berufener Helfer und Ordner zu Rate. Champfleury kam (wie er in den »Grandes figures d'hier et d'aujourd'hui«, Paris 1861, berichtet) in diesem Nachlaß manches aus der Frühzeit vor Augen. Bücher: 1. Gedichte; 2. Dramatische Entwürfe (Mohammed usw.), Korsarengeschichten; 3. Pläne und Quellenstudien zu Charakteristiken Richelieus, Ludwigs XIII. und Maria von Medicis; 4. Philosophische handschriftliche Vorarbeiten zu einem Roman in Briefen: Sténie ou les erreurs philosophiques (1820); 5. Falthurne manuscrit de l'abbé Saronati, traduit de l'italien par Mr. Matricante, instituteur primaire (offenbar Balzac); 6. 4 Blätter des »Enfant maudit«; 7. Fragments d'un livre sur l'idolatrie, le théisme et la religion satirique; 8. Les deux amis conte satirique; 9. La journée d'un homme de lettres; 10. Des niais; 11. Notice sur la réserve des ascendants; 12. Notes sur le bon sens du curé Meslier; 13. Mnemotechnische Versuche; 14. Notice historique sur les Vaudois; 15. St. Louis poème (im Geist von Voltaires Pucelle und der satirischen Gedichte der Restauration); 16. Andere Verse. Champfleury fühlte sich zur Aufgabe, diese Erstlinge herauszugeben, so wenig berufen wie zur Vollendung der letzten von Balzac zurückgelassenen Romane. – Paul Lacroix (le bibliophile Jacob) lernte (wie er in seinen Denkwürdigkeiten in der Zeitschrift Le Livre 1882 berichtet) die Witwe Balzacs erst nach dessen Begräbnis kennen. Er sollte ein Buch über die Frauen im Lebenswerk Balzacs schreiben; er überwies das Thema jedoch der Schwester Laure de Surville, die von Balzacs Erbschaft keinen Heller bekam, und übernahm es, die Vorrede zu diesem Werke zu schreiben; die Witwe und die Schwester verstanden sich nicht; infolgedessen behandelte der Bibliophile Jacob den Vorwurf allein (Les femmes de Balzac, 1850). Zehn Monate später heiratete sein Bruder Jules Lacroix eine Schwester von Madame Eva Balzac-Hanska; dadurch trat er ihr als Schwager näher und riet ihr, 8-9 Bände Inedita Balzacs herauszugeben, da sie das Eigentum aller Werke ihres Gatten besaß und zur Deckung seiner Schulden an die Veräußerung seiner Schriften denken mußte. Auf den Rat von Paul Lacroix, kaufte Dutacq, von Champfleury gefördert, alles von Balzac dazumal Erreichbare. 4 große Kartons Manuskripte und ein fünfter, besonders Briefe enthaltend, wurden also gesammelt. In Nummer 3 der kurzlebigen S. 463 erwähnten Monatsschrift Le Balzac (die ich in der Bibliotheque de la ville de Paris fand) erzählt Félicien Vernou 1884 nach Gesprächen mit Jules Sandeau, daß die Größe des »shakespearischen Genies« dieses Romanciers erst nach Veröffentlichung seiner Œuvres encore inédites voll erkannt und gewürdigt werden würde. Aucun sujet ne lui a échappé; er habe in handschriftlichen Notizen Stoff zu 40 Bänden hinterlassen; les projets lui abondaient d'une inimaginable façon; sobald er sie einmal hingeworfen, nahm er sie immer wieder auf, formte sie neu, ließ sie dann eine Weile ruhen und kam neuerdings in fieberhafter Ungeduld auf sie zurück. Daß seine Papiere zerstreut wurden, war nicht die Schuld Dutacqs, der nach Jacobs, Champfleurys und Barbey d'Aurevillys Zeugnis mit leidenschaftlichem Eifer sich die Propaganda für Balzac-Ausgaben aller Art angelegen sein ließ und mit einem Kostenaufwand von 80 000 Franken die Urausgebe der Doréschen Illustrationen zu den »Contes drolatiques« veranlaßte. Dutacq starb, bevor er den Erfolg dieser Publikation erleben konnte. Danach versagte die Witwe Balzac dem Bibliophilen Jacob die Veröffentlichung von Balzacs Œuvres posthumes mit der Begründung, daß sie dem Verlag Michel Lévy das Eigentumsrecht der Schriften Balzacs übertragen hätte. Der Bibliophile Jacob übergab nun Lévy die für Dutacq gesammelten Vorarbeiten gegen eine unbedeutende Summe, die Dutacqs Nichte zugute kam. Lévy hatte das Glück, in dem Vicomte Spoelberch de Lovenjoul einen tüchtigen Kenner und Sammler als Helfer zu finden. Nach dem Tode der Witwe Balzacs wurden (wie Paul Lacroix = Paul Jacob auf das tiefste beklagt) »unzählige Pläne, Entwürfe, Essais, von Balzac begonnene und unvollendete zurückgelassene Werke vernichtet oder verzettelt oder in alle Winde verstreut« durch die Mißwirtschaft der von Gläubigern bedrängten Tochter der Witwe Balzac, Gräfin Anna Mniszek, über deren krankhafte Bauwut und Verschwendungssucht englische Biographen (Honoré de Balzac. His life and writings by Mary F. Sanders. London Murray 1904 und Balzac. By Frederick Lawton. With 32 illustrations. London 1910) Abenteuerliches berichten. Madame Mniszek hatte ganze Zimmer voll Hüten und Seidenstoffen. An demselben Tag, an dem Eva Balzac-Hanska-Rzewuska begraben wurde, setzten die Gläubiger ihre Tochter auf die Straße; Balzacs Bibliothek und Mobiliar und mehrere seiner Manuskripte, darunter das von »Eugénie Grandet«, kamen zur Versteigerung in das Hôtel Drouot: andere Manuskripte, die vielleicht 100 000 Franken getragen hätten, wurden buchstäblich zum Fenster hinausgeworfen. Eugène Monnier (La maison de Balzac 1884) wurde 1875 von der Witwe mit riesigen Umbauten betraut, die nie zustande kamen. Nach Evas Tod erwarb Rothschild das Haus. – S. 430. Flaubert äußert sich in seiner Correspondance wiederholt über seinen größten Vorgänger; am wenigsten vergibt er ihm sein Bekenntnis zum Katholizismus und kennzeichnet ihn deshalb, einseitig genug, als immense bonhomme mais de second ordre. – Zola, Les romanciers naturalistes, 1881. – Anatole France, La vie littéraire, 145 ff., 1888. – Alphonse Daudet, Notes sur la vie (aus dem Nachlaß 1899). S. 24. S. 139. – S. 432. Emile Faguet, Propos littéraires. Troisième série, Paris 1905. De l'influence de Balzac. Dieser Einfluß erstreckte und erstreckt sich, wie Faguet a. a. O. schreibt, nicht allein auf künstlerisches Gebiet; ein lauterer Charakter wie Brunetière bekannte sich auch im praktischen Leben als Jünger Balzacs. Als Gymnasiast, der nicht einmal der Erste seiner Klasse war, habe er seinem Lehrer auf die Frage nach seinem künftigen Beruf geantwortet: »Ich werde Redakteur der Revue des deux mondes und Professor am Collège de France sein.« Er wurde beides. Mit 25 Jahren war er Mitredakteur, später Herausgeber der ersten französischen Monatsschrift. Er arbeitete täglich 14 Stunden; einer der rechtschaffensten Männer, war er durch und durch »balzacien« in dem Sinne, daß er Willen, Zähigkeit, unwandelbares Selbstvertrauen, nur auf die eigene Kraft gestellt, an die Erreichung seiner Lebensaufgabe setzte. – Brunetière im Manuel de l'histoire de la litterature française über Balzac 442-453. Paul Bourget, Pages de critique et de doctrine. Plon 1912. – S. 434. Biré, Balzac 189-316. Schon bei seinen Lebzeiten wurde la fille de l'avare von Bayard dramatisiert. Das Stück erlebte 200 Aufführungen. Bouffé (Souvenirs) spielte auch den Claës in einem Drama Le rêve d'un savant. 1838 wurde Der Landarzt, 1839 Peau de chagrin, 1903 Colonel Chabert dramatisiert. Emile Faguet bespricht in Propos de théatre Band 2 und 3 Dramatisierungen der »Cousine Bette« und der »Rabouilleuse«. Lovenjoul widmete Balzacs, aus der Zeit zwischen 1835-1841 stammendem Entwurf zu einer Komödie »Orgon« im »Figaro« vom 21. Mai 1899 eine Studie. Der greise Orgon ist von allen verlassen. Die Frau fliegt mit der Tochter stets in Gesellschaften aus und der Sohn verschwendet. Orgon und seine Mutter sehnen sich nach Tartuffe, den sie durch Laurent holen lassen; Tartuffe sagt, daß aller Kummer Orgons daher rühre, daß er sich zu sehr habe beherrschen lassen; die Gewalt des Familienvaters müsse unbeschränkt sein; er sei das Ebenbild Gottes auf Erden; die Haltung seiner Frau komme von ihrer Irreligiosität. Da Balzac wenig Sinn für Versifikation hatte, wollte er Gautier zur Bearbeitung dieses Scenariums bestimmen; nach dessen Ablehnung wandte er sich an Amédée Pommier; den Orgon sollte Samson, den Tartuffe Prevost spielen. Menschlicher Voraussicht nach wäre Balzacs »Orgon« ein Fehlschlag gewesen. Sarcey spricht in den »Quarante ans au théatre« nur gelegentlich der Darstellung des Mercadet durch Got von Balzac als Dramatiker. In der Einleitung einer illustrierten Prachtausgabe der Geschichte »La maison du chat qui pelote« nennt Sarcey Balzac »le premier romancier de son temps et de tous les temps«; zu diesem Superlativ stimmt es, daß Sarcey beifügt: Balzac habe jemandem, der ihm nach der Vollendung der »Parents pauvres« Lobsprüche zollte, mit jenem harmlosen Stolz, der bei ihm nicht mißfällig war, gesagt: »Ja, ich fühle es, ich werde so was wie Napoleon.« Ist der Ausspruch auch unverbürgt, angesichts der von Bourget und anderen beliebten Ausrufung Balzacs zum »Napoléon littéraire« ist die Frage erlaubt, ob und wie Napoleon selbst die »Comédie humaine« beurteilt hätte? Er liebte den Werther, las Rousseau und Bernardin de Saint-Pierre. Aus Las Cases' »Mémorial de Sainte-Helène« wissen wir, daß er die Romane Pigault-Lebruns fortwarf, Gil-Blas belachte, doch meinte, die ganze Gesellschaft sei wert, auf die Galeere zu kommen; dagegen erschien ihm Corneille nie größer als auf dem Felseneiland von Sankt Helena und kurz vor seinem Ende ließ er sich einen Gesang der Iliade vorlesen und sagte (wie Masson, Napoléon à Sainte-Helène, berichtet): »Homer malt Beratungen, wie ich sie am Vorabend von Schlachten oft gehalten habe, so gut, daß ich ihn immer mit Vergnügen höre.« Als seinesgleichen hätte Napoleon Romanciers nie gelten lassen. – S. 438. Mérimée schreibt der »Inconnue« aus Madrid im Oktober 1853: »Ich lese Wilhelm Meister, oder genauer, ich les' ihn wieder: ein seltsames Buch, wo die schönsten Sachen der Welt mit den lächerlichsten Kindereien abwechseln. In allem, was Goethe gemacht hat, ist das sonderbarste Gemisch von Genie und deutscher Einfältigkeit; machte er sich über sich selbst oder über die anderen lustig? Nach meiner Rückkehr lassen Sie sich von mir ›Die Wahlverwandtschaften‹ geben, das ist, wie ich glaube, das Bizarrste und Antifranzösischeste, was er geschrieben hat.« Taine plante nach dem Abschluß seiner englischen eine deutsche Literaturgeschichte (von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis auf die Gegenwart). Er beriet sich im Winter 1870 mit Cherbuliez, Hillebrand, Gaston Paris und reiste kurz vor Kriegsausbruch nach Deutschland, wo er in Frankfurt haltmachte, in Leipzig mit Universitätsprofessoren, in Dresden mit dem Kreis von Claire von Glümer, in Weimar mit Reinhold Köhler verkehrte (Taine, sa vie et sa correspondance, Paris, II, 1904, 355 ff.). Schon in Paris hatte er, der die Lyrik Goethes und Heines liebte und die deutsche Wissenschaft auf das Höchste schätzte, die Eindrücke seiner Lektüre deutscher Erzähler in dem Wort zusammengefaßt: der zupackende Griff (la poigne) fehle. La prose de Goethe est ennuyeuse; nach seinem Empfinden sei Dichtung und Wahrheit, Wilhelm Meister, Schillers 30jähriger Krieg schlecht oder vielmehr gar nicht geschrieben; Kleists Kohlhaas und die Marquise von O., die man ihm als Meisterstücke deutscher Erzählungskunst rühmte, sind seines Erachtens dritter oder vierter Ordnung: zwanzig kleine Geschichten der Vie parisienne seien besser und all unsere großen Schriftsteller Mérimée, Stendhal, Balzac, Georges Sand überträfen sie bei weitem; der Grund ist, daß der französische Autor beim Schreiben stets seinen Leser, einen verwöhnten Weltmenschen vor sich habe, der ungeduldig, abgestumpft, starke, feinschmeckerische, geistige Kost, kurze, tiefe, hingeworfene Bemerkungen, eine Fülle von raffinierten Geistesgenüssen brauche, von denen der Deutsche keine Ahnung habe. Taine gab nach dem Deutsch-Französischen Krieg die Absicht seiner deutschen Literaturgeschichte in der Selbsterkenntnis auf: »Wir können nicht mehr unparteiisch sein.« Grundverschieden von diesen absonderlichen Kritiken Mérimées und Taines sind die begeisterten Urteile empfänglicherer Franzosen über deutsche Meister von der Staël und Balzac bis auf Quinet und Renan. – S. 439. Mit diesem eigenen Urteil Balzacs über seine Stellung in der französischen Literatur stimmt die wohlerwogene Ansicht eines so kühlen Kenners wie Faguet in seinem Buch »Balzac« (in der Sammlung »Les grands écrivains«, 1912) zusammen: »Après Montaigne, Voltaire et Rousseau, je ne connais aucun écrivain français qui ait eu une influence morale et une influence littéraire égale à celle de Balzac.« Ähnlich: Edmond Biré. Romans et romanciers contemporains. Paris (o. J. 1924?). Préface de René Doumic. S. 5. Comme romancier Balzac ne se peut comparer à aucun autre. Il n'a d'égal en aucun temps et dans aucun pays. Si l'on veut mesurer la grandeur de son œuvre il faut se rappeler ce qu'était le roman au moment où il commença d'écrire 1820-1829.

Zu S. 59 ff. Arrigon Les débuts littéraires d'Honoré de Balzac Paris 1924. S. 124 Z. 12 v. u. ist richtig zu lesen: »Schillers Parricida« (nicht Parrieida)-szene; S. 136 Z. 6 v. o. am 28. Februar 1832 (nicht 1838); S. 249 Z. 11 v. u. Manzoni (nicht Menzoni); S. 404 Z. 1 v. o. Gegenden (nicht Legenden).

Zu den Abbildungen. Das Titelbild nach einer im Text, S. 63, erwähnten Sepiazeichnung von Devéria verdanke ich der Liebenswürdigkeit von Marcel Bouteron, ebenso das Porträt von Mme Laure Berny nach dem Ölbild von einem Unbekannten und die Ansicht von Wierzchownia nach einer Bleistiftzeichnung (Collection Lovenjoul). Bouterons wohlwollender Vermittlung bleibe ich auch verbunden für die mir von André Chancerel, dem Konservator des Pariser Balzac-Museums (Maison de Balzac, rue Raynouard 47), mit größtem Entgegenkommen zur Verfügung gestellten Bildnisse von Balzacs Vater und Mutter (Collection Mme Pierre Carrier-Belleuse), von Balzacs Gemahlin Eva Hanska-Rzewuska (Porträt von Jean Gigoux aus dem Jahre 1851) und das Daguerreotyp Balzacs ( Nadar). Die von Balzac in ein Album der Gräfin Bolognini gezeichnete Selbstkarikatur, deren Vorgeschichte S. 249/50 berichtet wurde, hat Henry Prior in einem anmutigen und anregenden Privatdruck von und für Bibliophilen (»Ne pereant«, Mailand 1919, Portrait de Balzac par Balzac. Un chapitre de Balzac et ses amis d'Italie par Henry Prior) aus der Verborgenheit gezogen: meinem Ersuchen, das Blatt in meinem Buch mitteilen zu dürfen, hat Prior gütig willfahrt.

 


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