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II.
Werdezeit

»Ma vie est im miracle perpétuel« schrieb der dreiunddreißigjährige Balzac der ältesten Zeugin, einer der wenigen Kennerinnen seines Lebens, seiner Mutter: der einzigen, die Viktor Hugo 1850 an seinem Sterbebette treffen sollte. Seine Frau, die verwitwete Gräfin Eva Hanska-Rzewuska, die der Dichter wenige Monate früher nach jahrzehntelangen Kämpfen und Opfern geheiratet, hatte – eine echt Balzacsche Frauengestalt – den Dulder in seiner letzten Not verlassen. Balzacs Mutter überlebte den Sohn nicht lange, und mit ihr sank manches Rätsel ungelöst ins Grab, vor allem die Vorgeschichte ihrer eigenen Ehe, die Gründe, die sie, die jugendliche und anmutige Tochter vermögender Pariser Bürgersleute, bestimmt hatten, einem zweiunddreißig Jahre älteren Bauernsohne die Hand zu reichen. In seiner Anzeige eines der ersten und besten Romane Balzacs – »La recherche de l'absolu« – hat es Sainte-Beuve 1834 als ungehörig bezeichnet, daß der Autor, wie andere Modeliteraten, sich auf dem Titelblatt ein ihm nicht gebührendes Adelsprädikat »de« beigelegt. Eine Rüge, die wie mancher andere scharf treffende Tadel ungeachtet aller sonstigen Anerkennung Balzac dermaßen erbitterte, daß er unter dem unmittelbaren Eindruck dieser Lektüre, nach der Mitteilung des Ohrenzeugen Sandeau, den Zornruf ausstieß: »Ich werde ihm meine Feder durch den Leib rennen.« Ein Gelübde, das Balzac durch einen häßlichen, beider Männer unwürdigen Angriff auf den ersten Band von Sainte-Beuves Port Royal und den vermeintlich zur Vernichtung von Sainte-Beuves »Volupté« geschriebenen Gegenroman »Le lys dans la vallée« zu erfüllen glaubte. Wie begründet auch diesmal Sainte-Beuves Bedenken gewesen, hat mittlerweile das von Edmond Bire herangezogene Kirchenbuch bewiesen: der ursprüngliche Name der Vorfahren Balzacs lautet Balsas oder Balsa.

Der erste, der diese Namensform mit einem »c« als letzten Buchstaben versah, war der Vater des Romanciers. Diese Balsas oder Balsa sind bis hinauf zum Jahre 1693 Bauern, Winzer, Landarbeiter, bisweilen auch nur »brassiers«, Handlanger, Tagelöhner, in Nougaïrie, Tarn, im Langue d'oc. Der Stammbaum des Dichters geht somit väterlicherseits auf Südländer, wie bei Daudet und Zola, zurück. Im übrigen hätte kein Hochadeliger einen gesünderen, kraftvolleren Vater haben oder sich wünschen können als diesen 1746 geborenen Bernard François Balssa; er war ein Achtziger, als ihm ein unvorsichtiger Postknecht mit einem Peitschenschmitz das Auge verletzte; die Gelassenheit, mit der er die Verwundung hinnahm, obwohl der heftige Schmerz und die plötzliche Blendung den Verlust der Sehkraft besorgen ließ, erregte gleicherweise den Anteil und die Bewunderung seines Sohnes Honoré. Das älteste von elf Kindern mußte Bernard als Knabe Hanf bauen und weben, bis Nachbarn sich des geweckten Jungen annahmen: ein wohlgesinnter Pfarrer brachte ihm die Elemente des Lateinischen bei, ein Notar beschäftigte ihn als Schreiber. Nach damaligem Brauch speiste er mit den anderen Kanzlisten am Tisch des Brotherrn. Als Rebhühner aufgetragen wurden, fragte die Hausfrau spitz: »Können Sie vorschneiden?« »Jawohl, Madame«, antwortete er, über und über errötend. Und nun (erzählte Honoré de Balzac bei einem Diner im Hause Emil de Girardins, indem er die ganze Szene zugleich mit vollem Gebärdenspiel zum unauslöschlichen Gelächter der Zuhörer begleitete) machte er sich an die Arbeit, das Rebhuhn zu zerteilen und das mit solcher Kraft, daß der Teller entzwei ging, das Tischtuch zerschnitten und das Holz des Tisches beschädigt wurde. Das war nicht gewandt, aber eine Kraftleistung; die Prokureuse lächelte, und von Stunde an soll, nach dem Bericht Theophile Gautiers, dem wir die Überlieferung des Stückleins danken, der junge Schreiber ungemein sanft im Hause behandelt worden sein. Sein Ehrgeiz führte ihn nach Paris. Ob Vater Balzac regelrechte Studien als Jurist gemacht, ob er es nach der Angabe Honorés zum Sekretär im Großen Rat Ludwigs XV. oder zum Advokaten unter Ludwig XVI. nach der Mitteilung seiner Tochter Laura gebracht hat, ist ungewiß und – da sein Name in den Amtskalendern fehlt – zweifelhaft. Als Rechtsanwalt erscheint er dagegen im Nationalkalender auf das Jahr 1793 auch als Mitglied des Conseil général de la Commune. Er hatte gute Beziehungen zu Republikanern und Royalisten. Seine Kinder behaupten, daß er unbedingt zur königlichen Partei hielt und während der Schreckenszeit wiederholt Angehörige derselben, alte Freunde und Beschützer rettete. Diese Beflissenheit machte ihn endlich selbst verdächtig, so daß ihn ein dem Citoyen Balzac wohlgesinntes Mitglied des Konventes den Blicken Robespierres entzog und als Verpflegsbeamten zur Nordarmee brachte. Er war Militärintendant, als er 1797 die Tochter seines Vorgesetzten Sallambier, der auch Leiter der Pariser Spitäler war, heiratete. Bald darauf übersiedelt das Ehepaar nach Tours. Dorthin war Bernard-François Balzac, vermutlich durch den Einfluß des Schwiegervaters, als Spitalverwalter berufen worden. Er kaufte sich in Tours an und kam zehn Jahre seinen Pflichten so vortrefflich nach, er sorgte so glücklich für Verbesserungen, für die Verwendung rüstiger Pfründner in Werkstätten usw., daß man ihn zum Bürgermeister von Tours machen wollte. Er lehnte diese Ehre ab, weil er weder die Leitung des Spitals aufgeben noch seinen Grundbesitz vernachlässigen wollte, trat aber schriftstellerisch mit einer Reihe von prophetischen Anregungen hervor, die lange nach seinem Tode Verwirklichung finden sollten. In der Stadtbibliothek von Tours kamen mir mehrere seiner gedruckten, mit handschriftlichen Bemerkungen bereicherten Memoires vor Augen: eine Denkschrift, die sich der Sache verführter Mädchen annimmt und Zufluchtsstätten für solche im Stich gelassene »filles-mères« vorschlägt. Eine »Histoire de la rage« behauptet, daß in 2000 Jahren Millionen Menschen an Hundswut gestorben und 300 Werke darüber geschrieben worden seien: ohne derartige historische Zeugnisse würde man nicht glauben, daß Heinrich III. seine Hunde mehr als sein Volk geliebt habe. Durch Hundesteuern und besondere Gesetze wollte Vater Balzac der Plage begegnen, der erst Pasteur ein Ziel setzen sollte. Ein drittes Memoire über »zwei große Verpflichtungen der Franzosen« verlangte 1809 ein Ruhmesdenkmal für den Begründer seines Weltreiches. Geschriebene Zeugnisse seien vergänglich: ganz andere Dauer verheißen Riesenbauten, wie die chinesische Mauer und die ägyptischen Pyramiden. In fünf Druckbogen verherrlicht Vater Balzac Napoleons Feldzüge, Gesetzbücher, Steuerkataster, seine Militärschulen, Kirchenpolitik usw. Zum Gedächtnis dieser Taten soll eine gigantische Pyramide aufgebaut werden: Stiegen im Innern hätten zu reichgeschmückten, zu bequemem Ausruhen ladenden Gemächern zu führen. Und eine eherne Kolossalstatue auf marmornem Fundamente, höher als alles bisher Dagewesene, soll das Denkmal krönen: in seiner enormen Größe ein Sinnbild der außerordentlichen Eingebungen des Genies, der (nach Vater Balzacs Ansicht) der Menschheit das meiste Heil beschieden habe. Ringsherum sollen sich ebensoviel Kolossalstatuen, als Frankreich Departements habe, erheben. Aufzurichten wäre dieser Wunderbau im großen Hof zwischen Louvre und Tuilerien oder auf dem Marsfeld oder in Neuilly. Die ungeheuerlichen Maße dieses Planes greifen weit über den Arc de Triomphe de l'Etoile hinaus, der erst unter Louis Philippe vollendet wurde: man geht nicht fehl, wenn man nach diesen kühnen Entwürfen Vater Balzac als unverkennbaren Vorfahr des Schöpfers der Comédie humaine willkommen heißt.

Nach dem Zeugnis seiner Tochter »un fier original«, war Vater Balzac ein Geistesverwandter Montaignes und Rabelais', ein echter, von seinen Kindern oft mit Sternes Onkel Toby verglichener Humorist. Unerschütterlich, wie »eine Pyramide« in dem vom Samum aufgewühlten Wüstensand, blieb der Alte, wenn seine vielgeschäftige, rastlos in der Wirtschaft sich herumtummelnde Frau Hausleute und Gesinde beständig in Unruhe versetzte. Nur mit Rührung gedenken die Kinder des Greises, der sich fest vorgesetzt hatte, über hundert Jahre alt zu werden. Eine Kraftnatur, wie für die Ewigkeit gebaut, war er der Ansicht, daß die meisten Menschen mutwillig ihre Lebensdauer verkürzen, ein Grundmotiv, das in der Peau de chagrin wiederkehrt. Er trug sich mit dem Plan, nach dem Vorbild von Tierzüchtern die Menschenrasse zu veredeln, und er sann, wie der Held in Balzacs »Elixir de longue vie« auf Mittel, unsere Existenz zu verlängern. Seine Kinder gingen gern auf diese Lieblingsgedanken des Alten ein. So las ihm die Tochter einmal einen Zeitungsaufsatz über einen Hundertjährigen vor. »Der hat weise gelebt. Der hat seine Kräfte nicht vergeudet wie die unvernünftige Jugend«, rief Vater Balzac voreilig dazwischen. Im Verlauf des Textes fand sich, daß der vermeintliche Weise sich häufig berauscht und auch sonst nicht geschont hatte. »Hm! Hm!« lautete die schlagfertige Entgegnung, »dieser Mensch hat also sein Leben abgekürzt.« Wie ernst es der ältere Balzac mit der Hoffnung nahm, zu hohen Jahren zu kommen, beweist, daß er sich noch als Junggeselle in eine Tontine eingekauft hatte, sicher überzeugt, daß er alle übrigen Teilhaber dieser Rentenanstalt überleben und solcherart – ein Traum, der ebensosehr seinen Sohn, wenn auch durch andere, noch phantastischere Einfälle unaufhörlich beschäftigte – Millionär werden würde.

Mit seiner Frau scheint der fröhliche, gutherzige Vater Balzacs trotz des Altersunterschiedes, der beträchtlicher war als bei den Eltern Goethes und Sainte-Beuves, sich vertragen zu haben. Leicht muß das nicht immer gewesen sein. Die Kinder lassen die Eigenschaften der Mutter gelten: ihre Tatkraft, ihre Unverdrossenheit, in den schlimmsten Zeiten bewährte Zuverlässigkeit und Opferbereitschaft. Sparsam, lebensklug auf das Fortkommen der Ihrigen bedacht, überrascht sie unversehens durch Widersprüche und Wunderlichkeiten ihres Wesens. In der Führung des Hauswesens das Urbild eines nüchternen Pariser Bürgerkindes verleugnet die Tochter Sallambier nicht ihre Herkunft von Pariser Posamenterie- und Tuchmachern: Kleinbürger und Gewerbsleute, die erst durch die Stürme der Revolution ihren Laden notgedrungen verließen, um lohnenderen Erwerb im Proviantwesen zu suchen. Seltsamerweise ist sie in Mußestunden eifrige Swedenborgianerin; aus ihren mystischen Büchern stammt Honorés frühe Kenntnis und Vorliebe für diese Dinge. Von ihr hat er auch nach einer gelegentlichen brieflichen Äußerung die sprunghafte Einbildungskraft, die den Geist nicht immer zum Segen in allen Richtungen der Windrose umherjagt. Sie behandelt, wenn sie gereizt oder böser Laune ist, noch den fünfzigjährigen, weltberühmten Honoré wie einen grünen Jungen so hart und streng, sie hat mitunter dermaßen despotische und zänkische Anwandlungen, daß Balzac seine Gründe gehabt haben mag, sie für Eigenheiten einer so widerwärtigen Gestalt, wie seiner Cousine Bette, als Modell zu wählen. Die Klage, daß er um jedes Glück der Kindheit gekommen, kehrt in seinen vertraulichen Ergüssen mehr als einmal wieder; er fürchtete die harte Mutter wie Turgénjew, der unter der Herzlosigkeit und Tyrannei dieser überstrengen Gutsbesitzerin litt. Am bittersten hat Balzac in einem (erst 1921 bekanntgewordenen) Brief an Eva Hanska wenige Jahre vor seinem Tode seinem Jammer Luft gemacht in dem Wehruf: »Ich habe niemals eine Mutter gehabt«: seine Mutter sei stets seine Feindin gewesen. »Als ich zur Welt kam, wurde ich sofort zu einer Amme verbracht und blieb dort bis zu meinem 4. Jahr. Vom 4. bis 6. Jahr war ich Halbpensionär. Mit 6½ Jahren wurde ich nach Vendome geschickt und blieb dort bis zum 14. Jahr. In diesen 8 Jahren sah ich meine Mutter nur zweimal. Vom 4. bis 6. Jahr sah ich sie nur Sonntags. Eines Tages verlor eine Magd mich und meine Schwester Laure. Als sie mich zu sich nahm, hat sie mir das Leben so sauer gemacht, daß ich mit 18 Jahren das elterliche Haus verließ und in einer Dachkammer einquartiert wurde, die ich in der Peau de chagrin geschildert habe. Ich und (seine jüngere Schwester) Laurence waren Gegenstand ihres Hasses. Sie hat Laurence getötet, aber ich lebe, und sie sah, wie meine Anbetung sich in Furcht verwandelte und die Furcht endlich in Gleichgültigkeit.« Über solchen Aufwallungen des Unmutes dürfen Äußerungen überfließender Zärtlichkeit, Ausbrüche grenzenloser Dankbarkeit des Sohnes nicht vergessen werden, noch weniger ihre bis in den Tod ausharrende Treue. Nach der Ansicht seiner Schwester hat Honoré von der Mutter die Phantasie und ausdauernde Arbeitsamkeit, vom Vater die Originalität, die Beobachtungsgabe und Urteilskraft, von beiden die Energie ererbt.

Am Honoriustag 1799 wurde dem Ehepaar Balzac ein Knäblein geschenkt; der Name des Kalenderheiligen gefiel den Eltern so gut, daß sie den Kleinen Honoré taufen ließen, obwohl weder in der väterlichen noch in der mütterlichen Familie je zuvor irgendwer so geheißen hatte. Sein Geburtshaus in der dazumal schon durch den Namen ruhmreichste Napoleonische Erinnerungen weckenden Rue de l'armée d'Italie, heute Rue nationale, trägt jetzt eine Gedenktafel: die schönste hat sich der Dichter selbst in der Contes drolatiques gestiftet in der »Apostrophe«: »Tours wird immer seinen Fuß in der Loire baden, wie ein schönes Mädchen, das im Bad mit dem Wasser spielt. Und wenn ihr hingeht, werdet ihr inmitten der Stadt eine köstliche Straße finden, in der alle Welt lustwandelt, in der es allzeit frischen Luftzug, Sonnenschein und Liebe gibt: eine wohlgepflasterte, wohlgebaute, wohlgewaschene Straße, volkreich, auch zur Nachtzeit gefallen ihre Häuser mit den hübschen blauen Dachhäubchen. Kurzum, es ist die Straße, in der ich geboren bin, die Königin der Straßen, der nichts fehlt, um unter den Straßen berühmt zu sein, und diese kindliche Huldigung, diese »hymne descriptive« schuldete ich der Straße meiner Geburt.« Honoré war ein anderes Söhnchen vorangegangen, das, obgleich oder weil von der Mutter gestillt, früh gestorben war. Zur Vermeidung ähnlichen Mißgeschickes wurde Honoré einer dicht am Stadttor von Tours wohnenden Amme übergeben. Der Kleine gedieh in dem luftigen, von Gärten umgebenen Haus so prächtig, daß die Eltern nicht nur die im nächsten Jahr geborene Schwester Laura derselben Nährmutter anvertrauten; sie ließen den Kleinen bis zum vierten Jahre bei dieser Pflegerin. Vom vierten bis siebenten Jahre war Honoré im Elternhaus, ein frischer, pausbäckiger, vom Vater verhätschelter Junge, der das Stadtbild von Tours, die Kirche des hl. Gatien, die Schlösser und Klöster an der Loire, die fruchtbaren Flußgelände, alle mit dem Andenken Ludwigs XI. und Rabelais' verknüpften Stätten nachmals in manchem Meisterblatt der Contes drolatiques und der Comédie humaine festgehalten hat. »Der geschichtenfrohe, verschmitzte, scherzhafte, epigrammatische Geist, von dem Blatt um Blatt das Werk Rabelais' durchtränkt ist« – sagt Balzac einmal – »offenbart treulich den Geist der Touraine, einen feinen geschmeidigen Geist, wie er sich wohl geziemt für ein Land, in dem die Könige von Frankreich lange Hof gehalten haben; einen feurigen, dichterischen, wollüstigen Geist, dessen erste Anläufe schnell ins Stocken geraten. Die Milde der Luft, die Schönheit des Klimas, eine gewisse Leichtigkeit der Lebensbedingungen und die Behaglichkeit der Umgangsformen ersticken hier bald das Gefühl für die Kunst, verengen das weiteste Herz, zerreiben den stärksten Willen. Verpflanzt man das Kind der Touraine, dann entwickeln sich seine Fähigkeiten und bringen in den verschiedensten Berufsarten große Dinge hervor. Zeuge dessen: Rabelais und Semblançay; der Drucker Plantin und Descartes; Boucicault, der Napoleon seiner Zeit und Pinaigrier, der so viele Glasfenster in den Münstern ausmalte, dann Verville und Courier.«

Zeitig, zeitiger, als das dem kleinen Honoré lieb und heilsam war, wurde dafür gesorgt, daß er sich nicht in der Touraine einwurzelte. Mit sieben Jahren kam er in die Klosterschule von Vendome, in der er bis zum vierzehnten Jahre ohne Unterbrechung blieb. Die strengen Satzungen der Oratorianerpriester gestatteten den Zöglingen keine Vakanz. Nur Ostern und zu den Preisverteilungen konnten Eltern und Geschwister Honoré besuchen. Balzac hat seinen Aufenthalt im Vendomer Kollegium in Louis Lambert beschrieben, mit solcher bis in alle Einzelheiten gehenden Genauigkeit, daß diese Schilderung nicht nur als Kunstwerk, sondern als Lebensurkunde, überdies als Monumentum Galliae paedagogicum dauernde Bedeutung behauptet. Es ist eine dumpfe, freudlose Kindheitsgeschichte. Lichter des Humors, wie sie in den dunkelsten Stunden von Dickens' »David Copperfield«, im dämmrigsten Traumleben des »Grünen Heinrich« aufblitzen, erhellen nur selten die Trübsale Louis Lamberts, weil sie nur allzu selten die Finsternis der französischen »Internate« aufhellen. Mit Louis Lambert beginnt die lange Reihe wahrhaftiger Schilderungen französischen Schulelendes, die mit Taines Bruchstück eines Jugendromanes (Etienne Mayran), einer Anklageschrift gegen die »marchands de soupe«, schwerlich ihr Ende gefunden haben. Männer der verschiedensten, sonst völlig unvereinbaren Meinungen, Communards und Autoritäre, Freidenker und Kirchenfreunde, Jules Vallés, Maxime du Camp, Paul Bourget usw. kommen in ihren lebenstreuen grauen Bildern aus diesen Knabenkasernen zu demselben Verdammungsurteil. Soweit ihre Vorschläge zur Reform der Erziehung auch voneinander abweichen: die gewissen- oder gedankenlose Führung der Durchschnittspensionate verwerfen sie einmütig. Die Leiden des kleinen Balzac waren nicht so schlimm wie die Jugendmartern von Daudets »Jack« oder auch nur wie der im Roman »L'affaire Clemenceau« nicht vergessene Pariser Schuljammer des jüngeren Dumas, immerhin taten sie weh genug.

Halb soldatisch, halb mönchisch eingerichtet, überdauerte das Vendomer Kollegium der Oratorianer im wesentlichen unverändert die Stürme der Revolution. Mitten in der dazumal etwa 9000 Einwohner zählenden Stadt an dem nicht mit der Loire zu verwechselnden Loirflüßchen gelegen, umfaßte das weitläufige Collegium vindocinense, die berühmteste Erziehungsanstalt ihrer Art in Mittelfrankreich, außer Schul- und Wohnräumen für zwei- bis dreihundert Zöglinge, Kapelle, Theater, Bäckerei, Lazarett, Gartenanlagen. Zu Balzacs Zeiten waltete der Steckenknecht noch seines Amtes und der an freies Herumlaufen in Tours gewohnte Kleine, den die Klosterordnung wie ein Gefängniszwang bedrückte, bekam seine Fuchtel gehörig zu spüren. In vier Gruppen: der Kleinsten, der Kleinen, der Mittleren und Großen (I. Oktava und Septima, II. Sexta und Quinta, III. Quarta und Tertia, IV. Rhetorik, Philosophie, höhere Mathematik, Physik und Chemie) geschieden, gleichmäßig in eisengraue, mit gelben Knöpfen besetzte Röcke und Kniehosen gekleidet, mußten die Jungen jeden Sonntag in militärischer Ordnung antreten und die Musterung der Patres bestehen. Jede der vier Gruppen hatte ihren besonderen Schulraum, nur der Speisesaal war gemeinsam, ein Refektorium, in dem die Klosterschüler gegen die sonstige geistliche Observanz während der Mahlzeiten miteinander reden und einen von Balzac munter beschriebenen schwunghaften Austausch einzelner Gerichte betreiben durften. »Das Durcheinanderschwatzen von 300 jungen Leuten, das Kommen und Gehen der Diener, die Brot vorschneiden, Teller wechseln, die Speisen auftragen mußten, die Überwachung durch die Schulleiter machte aus dem Refektorium von Vendome ein in seiner Art einziges, für Gäste immer erstaunliches Schauspiel.« Zum Trost für die dauernde Trennung vom Elternhaus verstatteten die Patres den Knaben, Tauben zu halten und sich, jeder in seiner eigenen Laube, mit Gärtnerei zu beschäftigen. Schleifen und Schlittenfahrten, Spaziergänge unter der Aufsicht der Lehrer gewährten den Zöglingen Zeitvertreib. Soweit war die Schulordnung nicht tadelnswert. Trotzdem litt aber der vom Haus aus nicht heikle Honoré Qualen über Qualen. Der sonnverbrannte rotwangige Junge wurde in der (durch die Ausdünstung von achtzig in eine Schulstube gepferchten Knaben) verdorbenen Luft des Klassenzimmers bleich und hohlwangig. Die Lehrzimmer wurden nicht ausgiebig gekehrt; auf einer Steinbank standen zwei Wasserbottiche, zu denen die Kleinen vor Beginn des Unterrichtes sich begaben, um sich von den Hausmägden waschen zu lassen; in derselben Schulstube war jedem Zögling ein Verschlag eingeräumt, in dem Speisereste, geschlachtete Tauben usw. aufbewahrt wurden. Welche Gerüche Balzac in diesen Klassenzimmern in die Nase stiegen, verschweigt »Louis Lambert« nicht. Uniformen und Schuhwerk wurden von habsüchtigen Lieferanten geliefert; nichts begreiflicher, als daß die Sohlen bald durchgelaufen, die Kleidungsstücke nicht wetterbeständig waren; trotz der allsonntäglichen Heerschau wurden die meisten Zöglinge Frostbeulen und aufgesprungene Hände monatelang nicht los. Wehleidige Leser werden die Blätter überschlagen, in denen Balzac diese Heimsuchungen umständlich zur Sprache bringt: Beherzigung verdienen sie – leider! – bis zur Stunde. Schlimmer noch als um die Pflege des Leibes war es um die des Geistes in Vendome bestellt. Seinen Schuldirektor rühmt Balzac als gutartig. Sein Hauptlehrer Hautgoult war ein aufbrausender, unablässig mit Strafaufgaben, Prügeln und Einsperrungen dreinfahrender Zuchtmeister. In zwei Jahren konnte sich Balzac kaum an sechs Tage erinnern, die ihm nicht durch Strafpensa versalzen worden wären; Hiebe wurden ihm überreich zuteil; einige Male scheint er sogar in den Block gelegt worden zu sein.

Welcher Frevel willen gingen die Patres so hart ins Gericht mit Honoré? Hören wir als Zeugen den Direktor des Kollegiums von Vendome, der fünf Jahre nach Balzacs Tod auf die Frage eines Forschers folgenden Bescheid gab: »Während der ersten zwei Jahre konnte man nichts aus ihm herausbekommen. Sein Widerstreben gegen jede ihm anbefohlene Schularbeit war unbesiegbar. Einen Teil dieser Zeit hat er bald in seiner Zelle, bald im Holzkeller in Pönitenz verbracht. Man sah ihn, mindestens für Vendome, als Erfinder der dreispitzigen Kielfeder an, mit der er seine Strafaufgaben erledigte. Dann kam ihm der Einfall, seiner Elementarklasse voranzueilen durch ›Kompositionen‹, wie er sie bei öffentlichen Redeakten von Sekundanern oder Klassenschülern der Rhetorik vortragen hörte. Von der Quarta angefangen, war sein Schulpult voll Schreibereien; sein Ruf als ›Dichter‹ ging von Zöglingen seiner oder noch niedrigerer Klassen aus; er wurde dagegen von Schülern höherer Jahrgänge bestritten, die gern einen holperigen Vers aus einem von ihm versuchten Epos über die Inkas wiederholten: ›O Inca! o roi infortuné et malheureux!‹« (Zu demselben Vers bekennt sich der Erzähler in »Louis Lambert«, um ihn selbst herzhaft auszulachen.)

Über Wesen und Erscheinung Honorés berichtet der Rektor weiter: »Ein dickes pausbäckiges Kind mit rotem Gesicht. Im Winter voll Frostballen an Händen und Füßen. Die damals noch ziemlich gebräuchliche Fuchtel mußte ihm deshalb häufig erlassen und die Strafe in Einsperrung umgewandelt werden. Große Sorglosigkeit, Schweigsamkeit, keine Spur von Böswilligkeit, vollkommene Originalität.«

Verloren war Balzacs Vendomer Aufenthalt gleichwohl nicht ganz. Mochten ihn die Lehrer auch nicht verstehen, die Kameraden – unter ihnen der nachmalige Minister Dufaure und der Übersetzer Fichtes, Barchou de Penhoen – wenig mit ihm anzufangen wissen, Honoré suchte und fand eigene Wege. Seiner maßlosen Lesewut kam die alte Klosterbibliothek ausgiebig zugute. Der Bibliothekar war Mathematiker, der Honoré auf Wunsch des Vaters Balzac besonderen Unterricht in seinem Fach erteilen und den Knaben für den Eintritt in das Pariser Polytechnikum vorbereiten sollte. Diese Lektionen betrieben Lehrer und Schüler mit gleicher Lässigkeit. Den Wünschen des Kleinen nach Büchern kam der Bibliothekar um so williger entgegen, und derart wurden die Karzerstunden und -wochen für Honoré reich an buchstäblich maßlosen Lesefreuden. Geschichte, Magie, Theologie, Philosophie, Reise- und Weltbeschreibungen, heidnische und christliche Literatur, was immer die Vendomer Bücherbestände hergaben, suchte sich der kleine Balzac zu eigen zu machen. Was er las, sollte nicht toter Buchstabe bleiben. In einer Abhandlung über die Willenskraft glaubte das Kind – wie späterhin der reife Mann – für die wissenschaftliche Erkenntnis belangreiche neue Wahrheiten gefunden zu haben. Boshafte Kameraden wußten Pater Hautgoults Augenmerk auf diesen in einem Kästchen vor jedem unberufenen Blick geschützten »Traité de la volonté« zu lenken. Kein Sträuben half. Honoré mußte den Schatz ausliefern. Der Geistliche nahm das Manuskript an sich mit der verächtlichen Zensur: »Wegen solcher Albernheiten vernachlässigt man seine Aufgaben!« Balzac hat die »Abhandlung über den Willen« nie wieder gesehen; er vermutete, daß Pater Hautgoult Düten aus dem Heft drehen ließ.

Sechs Monate nach der Beschlagnahme dieses Heftes, am 22. April 1813, verließ Honoré das Vendomer Kollegium. Eine schwere, rätselhafte Krankheit hatte ihn befallen. Er fieberte wochenlang, magerte erschreckend ab, lag mit offenen Augen, wie ein Schlafwandler, außerstande, an ihn gerichtete Fragen zu verstehen. Der Rektor wurde besorgt. Eiligst ließ er die Mutter Balzacs kommen und Honoré in das Elternhaus zurückbringen. Es waren Erstarrungs-, Erschlaffungszustände, Folgen wahnwitziger Überanstrengung des Gehirns. Einer »congestion d'idées« gab Balzac in späterer Zeit selbst Schuld an diesem ersten Zusammenbruch seiner geistigen Kräfte. Die frühe furchtbare Erfahrung hat ihn nicht gehindert, seiner Aufnahms- und Arbeitsfähigkeit auch weiterhin Übermenschliches zuzumuten. Wer seine Briefe aus den Lehr- und Meisterjahren ganz unbefangen, nicht entfernt mit dem Blick des Arztes, liest, stößt mehrfach auf Berichte über ähnliche Stockungen in seinem Organismus. Er wollte (und er konnte möglicherweise) niemals Maß halten in seinen Entwürfen. Von Kind auf dankte er dieser nicht zu zügelnden Arbeitsraserei die höchsten Wonnen seines Lebens und er hat zuletzt zweifellos diese Verzückungen einer überreizten Einbildungskraft mit dem Leben bezahlt.

In Tours bewährte die Heimat (1813) bald ihre Heilkraft. Das Entsetzen der Eltern und Geschwister über die Hinfälligkeit des Heimgekehrten schwand, sobald sich Honoré erholte. Ahnungslos empfing er für seine »Scènes de la vie de province« unvergessene Anregungen. Er konnte sich nicht satt sehen an den Sonnenuntergängen, die das Maßwerk der Kirchtürme von Tours, den Loirefluß mit großen und kleinen Segelschiffen, Weingärten, Dörfer und Schlösser im Frühlingsglanz aufleuchten ließen. Die Mutter duldete solche Träumereien nicht allzu lange. Sie trieb den Genesenden an, mit seinen jüngeren zwei Schwestern und dem jüngsten Bruder Papierdrachen steigen zu lassen und Fangen zu spielen. Honoré ließ sich nicht lange drängen. Nach dem Zeugnis der Schwester war er der Jüngste und Heiterste der vier bei diesem kindlichen Herumtreiben. So bescherte ihm diese Übergangszeit die harmlosesten, vielleicht die glücklichsten Stunden seines Daseins. Die Studien setzte er zunächst im Kollegium von Tours fort. Der Vater kümmerte sich dann und wann um die Fortschritte Honorés. Besonderes fiel auch dem Alten nicht auf an der Entwicklung des Sohnes, und die Mutter hielt so wenig von ihm, daß sie gelegentliche gute Einfälle des Fünfzehnjährigen mit den Worten abtat: »Du verstehst gewiß selbst nicht, was du da sagst, Honoré!« Der Knabe nahm solche Verkennung mit feinem Lächeln schweigend hin. Den Geschwistern gegenüber war er tapferer. Unbeirrt durch ihre Neckereien prophezeite er, daß man noch einmal von ihm sprechen werde.

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Balzacs Vater

1814 wurde Vater Balzac amtlich nach Paris versetzt. Das Idyll von Tours hatte damit für Honoré wiederum zu kurz gewährt. Zur Vollendung seiner Gymnasialstudien verbannte man ihn neuerdings, diesmal in ein ödes Pariser Knabeninstitut, wo ihm abermals nur unerquickliche, im »Lys de la vallée« nicht vergessene Schulerlebnisse, Zurücksetzungen und Kränkungen die Jugend vergällten. Niemand unter seinen Lehrern beachtete ihn. Nur Schwester Laura hob sich eine seiner letzten Prüfungsarbeiten auf: eine Rede der Frau des Brutus, nachdem er seine Söhne zum Tode verurteilt hat. »Der Schmerz der Mutter ist kraftvoll gemalt und die Begabung meines Bruders, in die Seele seiner Gestalten einzudringen, macht sich schon bemerkbar.«

Als er mit dem Gymnasium fertig war, kam Honoré wieder in das Elternhaus. Die Mutter drängte auf steten Besuch akademischer Vorlesungen und forderte strenge Rechenschaft über seine Zeiteinteilung. Mit echter Empfänglichkeit hörte er an der Sorbonne die berühmt gewordenen ersten Vorlesungen von Villemain, Guizot, Cousin. Er war Stammgast aller Bibliotheken und legte mit seinen kärglichen Spargroschen durch kundige Käufe den Grund zu seiner 4000 Bände umfassenden Bibliothek. Verkehr mit Menschen der verschiedensten Berufsarten fiel ihm leicht. So kam er auch mit Mademoiselle R(aucourt?), die zufällig in demselben Haus mit der Familie Balzac wohnte, in angeregte Gespräche. Die namhafte Schauspielerin wußte viel von Beaumarchais zu erzählen, und Balzac konnte sich nicht genugtun in Fragen nach dem Dichter von Figaros Hochzeit, dem er in der Comédie humaine so manches Ehrenmal gesetzt hat. Der Großmutter zulieb kam er oft an ihren Whisttisch, seine Schwester begleitete er auf Bälle. Da er bei seinem ersten und einzigen Tanzversuch stürzte – ein Mißgeschick, das er in einer seiner vielen charakteristischen Schilderungen von Pariser und Provinzgesellschaften, nicht ohne Bedauern, für Mit- und Nachwelt aufbehalten hat – blieb er auf Bällen nur kritischer Zuschauer.

Auf den Wunsch des Vaters trieb Honoré Jura; nachdem er seine Prüfungen bestanden, trat er bei dem Anwalt Merville als Nachfolger Eugène Scribes ein; er hat späterhin den Musteradvokaten der Comédie humaine im Anklang an den Namen seines ersten Chefs Derville genannt und in einer ganzen Reihe von Romanen erstaunliche Vertrautheit mit allen Fechterkünsten der Rabulistik gezeigt. Nach anderthalbjähriger Anwaltspraxis kam Honoré zu einem Notar, Passez. So fremd, öd' und widerwärtig ihm das Getriebe war, für seine späteren Schöpfungen bot es reiche stoffliche und persönliche Anregungen: munter schildert er in »Un début dans la vie«, die Fuchstaufen der Neulinge, das schnurrige Kauderwelsch parodistischer Protokolle, im Oberst Chabert die verwegenen Neckereien armer Klienten, mit denen vielgeplagte Konzipienten über das Einerlei der Tagesfrohn sich weghelfen. Andere Male malte er selbstlose, hilfreiche Retter bedrängter Familien, den Kampf des alten ehrenfesten mit dem jüngeren, nur auf Geldgewinn bedachten Notariats, die vielfach unbesiegbare, tödliche Geistlosigkeit des Formalismus. Vater Balzac, der mit Passez und Merville befreundet war, hatte geglaubt, für den Sohn bedacht vorzusorgen. Als Honoré mit einundzwanzig Jahren seine juristische Lehrzeit hinter sich hatte, fand sich ein (Vater Balzac durch frühere Dienste verpflichteter) Notar bereit, dem Jungen seine Kanzlei zu überlassen. Der Alte wollte eine Anzahlung leisten, eine reiche Heirat und gute Jahreseinnahmen sollten die Kaufsumme in kurzer Zeit decken. Honoré war durch diesen klugen Vorschlag völlig verblüfft, noch verblüffter war indessen nach der Erzählung der Schwester Vater Balzac, als ihm Honoré rundweg Nein sagte und erklärte – Schriftsteller werden zu wollen. Der freie Beruf eines Mannes der Feder war dazumal, 1820, höchst fragwürdig. Zudem hielten die nächsten Bekannten des Hauses Balzac so wenig von Honoré, daß einer von ihnen mit dem Rat herauspolterte, wenn der Bursche einen so günstigen Handel wie den Kauf einer sicheren Notariatskanzlei von sich weise, sollten ihn die Eltern in ein Amtsbureau stecken; er tauge höchstens zu einem Schreiber wegen seiner leidlichen Hand.

Vater Balzac war gerade in den Ruhestand versetzt worden; er hatte zudem so starke Vermögenseinbußen erlitten, daß er Paris verlassen mußte und nach der kleinen Landstadt Villeparisis, der ersten Poststation auf der Straße von Paris nach Metz, übersiedelte. An wohlwollenden Warnungen vor den Gefahren des Literatenberufes ließ es der Alte nicht fehlen. Honoré bat aber so inbrünstig, er begründete seine Absicht mit seiner zum erstenmal ungestüm hervorbrechenden südländischen Suada so feurig, daß der Greis an dem innerlichen Beruf des Sohnes nicht zweifeln mochte und zum großen Verdruß der meisten Verwandten eine Probezeit von zwei Jahren zugestand. Unter den Mißvergnügten stand wohl die Mutter Honorés obenan. »Wenn derjenige (so schrieb sie), auf den ich am meisten für die Hebung der Familie hoffte, in ein paar Jahren den größten Teil der Schätze verloren hat, mit denen die Natur ihn ausgestattet hat, so geschah das, weil man nicht auf mich gehört hat. Nichts hat ihm gefallen, als die Namen von Theaterstücken und Schauspielerinnen.« Die andern hätten ihm nachgegeben. Sie allein habe sich keine Vorwürfe zu machen. Doch sei er schon genug bestraft, und sie müsse ihn noch unterstützen, der es so leicht zum Leiter einer Kanzlei hätte bringen können und dem damit der Weg zum Glück, ja, wie manch anderen Advokaten, zum Ministerposten offengestanden wäre. Doch gab sie ihre Sache noch nicht verloren. Sie hoffte, den Sohn – auszuhungern. Sie quartierte ihn, unmittelbar vor der Abreise nach Villeparisis, in einer kläglichen Dachkammer in der Nähe der Arsenalbibliothek ein; der Hausrat des kaum heizbaren Bodenstübchens bestand aus Bett, Tisch und wenigen Stühlen, und der Betrag, den sie Honoré für den Unterhalt auswarf, war so geringfügig, daß er schlechterdings nach dem Zeugnis der Schwester nicht für die bescheidensten Bedürfnisse gereicht hätte, ohne die »Götterbotin Iris«: so nennt Honoré in seinen Briefen eine Greisin, die lange im Hause Balzac bedienstet war und als Botengängerin der Mutter hie und da nach dem Befinden Honorés sich erkundigen mußte. Vor den Pariser Bekannten mußte sich der Einsame verborgen halten; es hieß, er sei bei Verwandten des Vaters im Süden, in Albi. Honoré fror und hungerte, wie der Held der »Peau de chagrin«, und was der geniale Arzt Desplein in der »Messe de l'Athée« von seinen furchtbaren Pariser Anfängen erzählt, berichtet durchweg nur vom jungen Balzac Selbsterlebtes, Selbsterlittenes: »Mein Frühstück, ein altbackenes Brötchen, das in Milch aufgeweicht werden mußte, kostete zwei Sous. Zu Mittag aß ich nur jeden zweiten Tag (für sechzehn Sous). So gab ich täglich nur neun Sous aus. Wie es um Anzug und Beschuhung bestellt war, können Sie sich vorstellen. Ich weiß nicht, ob mir der Verrat eines Kollegen später je so viel Kummer bereitet hat, als wenn ich plötzlich der hohnlachenden Fratze einer klaffenden Stiefelsohle oder einer geplatzten Rocknaht gewahr wurde. Ich trank nur Wasser, vor Kaffeehäusern hatte ich den größten Respekt: werde ich jemals, so fragte ich mich, bisweilen, eine Schale Milchkaffee nehmen, eine Partie Domino spielen können? Den Ingrimm, den mir mein Elend einflößte, übertrug ich auf meine Arbeiten. Ich war bemüht, positive Kenntnisse zu erwerben, um einmal unumstößlichen persönlichen Wert zu besitzen, um den Platz zu verdienen, auf dem ich aus meinem Nichts emporsteigen wollte. Ich verbrauchte mehr Öl als Brot, das Licht für meine hartnäckigen Nachtarbeiten kostete mich mehr als meine Wohnung. Dieser Zweikampf mit der Not war lang, zäh, trostlos. Ich gewann niemandes Anteil; muß man, um sich Freunde zu machen, nicht ein paar Sous im Sack haben, damit man mit jungen Leuten zechen, an Orte gehen kann, wo Studenten zusammenkommen? Ich besaß nichts. Und niemand stellt sich in Paris vor, daß nichts nichts ist.«

In den Briefen des Darbenden aus dieser schicksalschweren Zeit an Schwester Laura vernimmt man niemals solche Klagetöne. Tapfer zieht er in diesen allerliebsten, jugendfrischen Ergüssen seine bittere Not ins Scherzhafte. Er genießt den Begeisterungsrausch der ersten vollen Künstlerfreiheit und verklärt seine Bettlerarmut mit herrlichem Humor. Er schilt seinen saumseligen Diener, der auf den drolligen Namen »Ich-Selbst« (Moi-même) hört, weil dieser lässige Gesell mit dem Aufräumen und Kleiderreinigen, mit den Spinnweben und den »Russen« unter dem Bett, mit dem vom Herrn gewünschten Einheizen, Auftragen der Mahlzeiten nicht fertig wird. In einer anderen, für die Herzensschwester bestimmten Schnurre beschwert er sich über eine Fremde, die aus der Völkergasse über die Brücke der schönen Künste in sein Quartier flog und im Kopf eines armen Jungen ein Feuer entzündete, das kein Löschmann dämpfen kann: die Brandstifterin heißt Frau Gloria.

Ernsthafter kündigt er in buntem Durcheinander andrängende Zukunftspläne an: »Spielopern, Romane, Schauspiele, vor allem das Szenarium seiner Tragödie ›Cromwell‹.« Der Stoff lag damals, unmittelbar nach Napoleons Triumph und Sturz, in der Luft. Villemain und Guizot behandelten die englische Revolution als Geschichtschreiber, Victor Hugo dramatisierte später denselben Vorwurf, den auch Mérimée überlegen glossierte. Balzac kam, ganz unabhängig von diesen Zeitgenossen, zu dem gleichen Thema, das ihm das schönste der neueren Geschichte dünkt. Sein Arbeitseifer verdunkelt ihm die Schwierigkeiten seiner Aufgabe nicht. Eine französische Tragödie verlangt nach seiner Schätzung durchschnittlich zweitausend Alexandriner, und er kommt sich wie ein Rekrut neben dem »General« Corneille vor; er weiß auch nicht, wie die Größen der Comédie française Verse sprechen und als Talma den Cinna spielt, fehlt ihm das nötige Eintrittsgeld. Er verhehlt sich nicht, daß er das Mißtrauen der Seinigen nur »durch ein Meisterwerk« besiegen kann. Sonst bleibt ihm nur übrig, sich den Hals umzudrehen. Ein Meisterwerk ist der Cromwellentwurf des jungen Balzac sicherlich nicht. Immerhin ist die Gliederung und Umbildung des überlieferten Stoffes nicht verächtlich. Die unzeitige Großmut, mit der Karl I. Cromwells in seine Macht gelangte Söhne freigibt, schlägt zu seinem Unheil aus. Der Charaktergegensatz zwischen dem machthungrigen Cromwell und der Arglosigkeit des Königs sollte der erste und letzte Grund des unabwendbaren Ausganges sein. Wie weit aber das richtig Gedachte von dem richtig Vollbrachten absteht, empfand der Neuling schmerzlich beim unverdrossenen Studium seiner vermeintlichen Muster: Crébillon macht ihm nicht bange, Voltaire erschreckt, Corneille entzückt ihn, Racine läßt ihn die Feder wegwerfen.

Wurde ihm das Herz gar zu schwer, dann wagte er verstohlene Gänge in menschenleere Gegenden. Bei Tag sucht er den Père Lachaise auf, und dort wirken Grabsteine mit wuchtigen Inschriften wie Weckrufe. »Gewiß, es gibt keine anderen schönen Epitaphien als: La Fontaine, Masséna, Molière, ein einziger Name, der alles sagt und träumen macht.«

Noch größere Bedeutung als diese (im Schlußkapitel des Père Goriot nachwirkenden) Friedhofsbesuche gewannen seine in ihrer Bedeutung vom nachmaligen Schöpfer der Comédie humaine nicht gleich gebührend gewürdigten Nachtgänge. Schillers früher angeführtes Wort im Entwurf der »Polizei«: »Poetische Schilderung der Nacht in Paris« erfüllt sich dem absichtslos durch Straßen und Winkel der Weltstadt wandernden jungen Balzac mit Inhalt: »Ich wohnte damals in einer kleinen Gasse, die Sie gewiß nicht kennen, Rue de Lesdiguières. Sie beginnt in der Rue Saint-Antoine, gegenüber dem Brunnen beim Bastilleplatz, und endet Rue de la Cerisaie. Liebe zur Wissenschaft hatte mich in einer Dachkammer abschließen lassen, in der ich nachts arbeitete, den Tag verbrachte ich in einer nahegelegenen Bibliothek. Ich lebte anspruchslos,« so heißt es in der autobiographischen Einleitung zu »Facino Cane«, »ich hatte die Bedingungen des mönchischen, der Wissenschaft so notwendigen Lebens auf mich genommen. Eine einzige Leidenschaft entzog mich meinem Studium, war nicht aber auch das ein Studium? Ich ging aus, um die Zustände der Vorstadt, ihre Einwohner und deren Charaktere zu studieren. Ebenso schlecht gekleidet wie die Arbeiter, erregte ich nicht ihren Argwohn. Ich konnte mich unter sie mischen, sehen, wie sie sich miteinander vertrugen oder am Feierabend aneinander gerieten. Die Beobachtung war bei mir schon unwillkürlich intuitiv geworden, sie drang in die Seelen, ohne die Leiber außer acht zu lassen, oder vielmehr sie umfaßte alle Eigenheiten der äußeren Existenz so genau, daß sie sogleich darüber hinausgriff; sie gab mir die Fähigkeit, das Leben des Individuums, an dem sie sich übte, mitzuleben, indem sie mir erlaubte, mich an seine Stelle zu setzen, wie der Derwisch in ›Tausendundeiner Nacht‹ Leib und Seele der Personen annahm, über die er gewisse Zauberworte sprach.« Balzac gibt Proben dieser dämonischen Kraft. Wenn er zwischen 11-12 Uhr nachts hinter einem Handwerkerpaar herging, das in einem Schauerstück gewesen, hörte er, wie die zwei zuerst miteinander über ihre Eindrücke sprachen, dann, vom Hundertsten ins Tausendste geratend, von Wirtschaftssachen, bösen Kunden und harten Brotgebern redeten. Und während sich ihr Gespräch erhitzte und unversehens in Streit und Schlägerei ausartete, fühlte sich Balzac nicht nur mit ihrer Denkart eins, er fühlte ihre Lumpen auf seinem Leibe. »Meine Füße steckten in ihren vertretenen Schuhen, es war der Traum eines Wachen. Wem ich diese Gabe danke? Ich weiß es nicht. Ist es ein zweites Gesicht? Ist es eine der Eigenschaften, deren Mißbrauch zum Wahnsinn führt? Ich habe niemals die Ursachen dieses Vermögens gesucht. Ich besitze es und bediene mich seiner.«

Diese Wundergabe teilt Balzac mit genialen Charakterschauspielern, und es ließe sich im einzelnen nachweisen, wieviel Balzacs Art und Kunst als Romanschriftsteller mit der Natur und Technik moderner Charakterspieler, Frédéric Lemaître, Got, Dawison, Mitterwurzer, gemeinsam ist. Allein sein Tiefblick ergründet Fratzen, Masken, Charakterköpfe nicht nur um ihrer selbst willen. Schon auf jenen Nachtgängen dämmerten ihm innere Zusammenhänge zwischen den Individuen und der Gesamtheit auf. Er zerlegte die Volksmasse in ihre Elemente. Er sah, was alles im Kreise dieses einen Faubourg Saint-Antoine steckte: »eine Pflanzschule der Revolution, die Helden, Erfinder, Politiker, Gauner, Verbrecher, Tugenden und Laster umschließt, all das von der Not niedergehalten, durch das Elend erstickt, im Wein ersäuft, vom Branntwein verbraucht. Man vermag sich die Fülle verlorener Abenteuer, vergessener Dramen in dieser Stadt der Schmerzen nicht vorzustellen. Wie viel schaudervolle und schöne Begebenheiten! Die Phantasie wird nie bis zur Wahrheit vordringen, die sich hier verbirgt und die niemand aufdecken wird. Man müßte zu tief hinabsteigen, um so bewundernswerte tragische und komische Szenen, vom Zufall geschaffene Meisterwerke zu finden.«

Wie Dickens im Menschengewühl von London, Marseille und Boston frische Quellen neuer Inspiration aufrauschen hörte, empfing Balzac seine stärksten Anregungen aus diesem ungesuchten Anschauungsunterricht. Niemals ging er, wie die Stümper in Kellers »Mißbrauchten Liebesbriefen«, auf geflissentliche Motivenjagd. Längst vorher absichtslos, unwillkürlich Aufgenommenes verdichtete sich plötzlich zu künstlerischen Wirklichkeiten. 1820 und weit über diese Zeitgrenze hinaus wäre Balzac am meisten erstaunt gewesen durch die Prophezeiung, daß er Dauerndes oder gar sein Höchstes nicht seinen sauren Mühen um den Kranz des Tragikers, sondern seinen Erholungsgängen zu danken haben werde: die Entdeckung der nächstliegenden Umgebung, die Eroberung des neuen Paris, die Durchforschung aller Schichten der zeitgenössischen Gesellschaft.

Über seinen »Cromwell« sollte er freilich nicht lange in Zweifel bleiben. Er wurde im April 1821 nach Villeparisis, dem neuen, keine tausend Seelen zählenden Wohnsitz der Seinigen, berufen, weil Schwester Laura im Mai Hochzeit halten sollte mit dem Ingenieur Surville. Die Mutter schien bekehrt: seine jüngere Schwester schrieb ihm: »Mama ist entzückt von Deiner Arbeit.« Sie war von ihrer vorgefaßten Meinung so weit zurückgekommen, daß: sie »Cromwell« in schönster Reinschrift kopierte. Ihre vergilbten Blätter haben sich erhalten: sie wurden 1923 dem ersten Druck dieser Jugendsünde Balzacs zugrunde gelegt. Allein 1821 war sein »Cromwell« rasch gerichtet. Dem Familien- und Freundesrat las Honoré seine Tragödie vor: der Eindruck war niederschlagend. Schroffe Verwerfung überwog. Wohlwollendere tadelten milde. Niemand verstand sich auch nur zu lauem Lob. Vater Balzac wünschte noch die Ansicht eines unparteiischen Kenners einzuholen, und der Bräutigam erbot sich, »Cromwell« seinem ehemaligen Literaturprofessor am Polytechnikum, dem Verfasser eines zahmen Dramas »Der Müller von Sans-Souci«, zu bringen. Honoré ließ diesen Veteranen als Schiedsrichter gelten. Der wackere Andrieux, dem als Akademiker sein Nachfolger Thiers die liebreiche Gedenkrede hielt, erklärte: »L'auteur doit faire quoi que ce soit, excepté de la littérature.« Ein Spruch, den der junge Balzac unbewegt mit der monumentalen Antwort hinnahm: »Tragödien sind also nicht mein Fall. Vorwärts zu anderen Arbeiten!«

Die Pariser Hungerkur hatte seinem unerschütterlichen Vorhaben nichts anhaben können; körperlich aber war Honoré durch die schmale Kost fast ebenso heruntergekommen wie im Vendomer Kolleg. Von einer Rückkehr in ungeordnete Verhältnisse wollte die Mutter deshalb nichts hören. Honoré mußte im Elternhaus bleiben. Dort ging es recht unbehaglich zu. Die Mutter nörgelte beständig. Überempfindlich fühlte sie sich jeden Augenblick nicht nach Gebühr beachtet; beim kleinsten Anlaß rief sie erzürnt: ihr bleibe nur übrig, mit einem Stein um den Hals vom Pont-neuf in die Seine zu springen. Die Großmutter, die Honoré wohlwollender behandelte, vertrug sich wiederum ganz und gar nicht mit Vater Balzac. Sie verdachte dem Greis seine »insolente« Gesundheit und südländischen Großsprechereien so sehr, daß sie ihn wiederholt einen gaskognischen Hund nannte. Honoré entging es, wie er seiner nach Bayeux verheirateten Schwester einmal schrieb, nicht, daß aus diesen wüsten Händeln und den Charakterköpfen des Hauses reichlich Stoffe und Urbilder zu Romanen sich holen ließen; dem verzweifelt um seine Existenz kämpfenden literarischen Anfänger kam es aber nicht in den Sinn, sich selbst dieser nächstliegenden Motive zu bemächtigen. Um auf eigenen Füßen zu stehen, verstand er sich – wie der ums tägliche Brot Fahnenstangen bemalende Grüne Heinrich – zu bedenklichen Sudeleien. Unter dem Pseudonym Lord R'hoone (Anagramm aus Honoré) und unter anderen Leihnamen, A. de Viellerglé, Horace de Saint-Aubin, veröffentlichte er in den Jahren 1822-1825 über zwei Dutzend Bände Romane (L'Heritière de Birague; Clotilde de Lusignan ou le beau Juif; Wann Chlore, Jane la pâle usw.), die Balzac schon in den Tagen, da er sie niederschrieb, mit den stärksten Ausdrücken der Geringschätzung ablehnte und niemals anerkannte. Als bei seinen Lebzeiten belgische Nachdrucker aus diesen Jugendsünden des mittlerweile berühmt gewordenen Erzählers Vorteil ziehen wollten, verkaufte er das Autorrecht dieser Erstlinge für 10 000 Franken einem französischen Verlag unter der ausdrücklichen Bedingung, daß der Name Balzac nicht als der des Verfassers genannt werden dürfe. Nach seinem Tode war dieses Verbot nicht mehr aufrechtzuerhalten: als »Œuvres de jeunesse« wurden diese trotz allen Gebrechen den künftigen Schöpfer des »Vautrin« ankündigenden Bücher wiederholt, zuletzt 1899 in einer wohlfeilen »Edition du centenaire« neugedruckt.

In scharfen Untersuchungen hat André Le Breton gezeigt, wieviel Balzac nicht nur in diesen für den rohen Massengeschmack berechneten Stegreifarbeiten aus den Volksromanen von Pigault-Lebrun und den Melodramen von Pixérécourt, englischen Gespenstergeschichten usw. herübergenommen hat. Könnte man – so fragt dieser feine Kopf – Balzac nicht geradezu als volkstümlichen Romancier bezeichnen, der gelegentlich zum Wahren und zur großen Kunst sich erhebt? Dieser volkstümlichen Abkunft verdanken die Motive der besten Schöpfungen Balzacs (wie die Fabeln Shakespeares und Lope de Vegas) nicht zum wenigsten den Reiz der stofflichen, Leser der verschiedensten Bildungsart und Zeitalter an- und aufregenden Spannung. Dieses Meistergeheimnis war und wäre Balzac nicht verborgen geblieben, auch ohne die Fronarbeit dieser »Œuvres de jeunesse«, Hintertreppenromane, die dem Autor in den »Illusions perdues« ironisch benutzte erste Erfahrungen mit leichtgläubigen wie mit listigen Verlegern eintrug. Der ungeheure damalige buchhändlerische Welterfolg der Romane Walter Scotts ließ die Buchhändler wahllos nach guten und schwachen Nachahmungen der Waverley Novels und ihrer langen Folge greifen. Vermutlich nur dieser Mode hat es Honoré zu danken, daß seine Manuskripte angenommen, gedruckt und sogar, meist allerdings nur mit fragwürdigen Wechseln, bezahlt wurden. Trotzdem rächte sich diese Pfuscherei grausam an Balzac, kaum weniger grausam an seinen Eltern. Hätten sie Honoré, wie er sehnsüchtig wünschte, zu ruhiger Fortbildung, Sammlung und Unabhängigkeit für wenige Jahre eine Rente von 1500 Franken gegönnt, dann wäre ihm nicht bloß die Herabwürdigung seines Talentes, sondern ihnen selbst der Verlust eines zwanzigmal größeren Kapitals erspart geblieben. Von dem unsicheren Literatenberuf wollten sie nichts hören; dem Wahn, Honoré als Geschäftsmann eine gesicherte Lebensstellung zu verschaffen, brachten sie bedeutende Opfer, um zuletzt nur mit dem Einsatz ihres Vermögens in zwölfter Stunde seinen Bankrott aufzuhalten.

Mißmutig über seine schiefe Stellung im Elternhaus ließ sich Honoré von einem Pariser Nachbar, d'Assonvilles, zu einer buchhändlerischen Spekulation bereden. Zum ersten Male sollten die Werke von Molière und La Fontaine in einbändigen Gesamtausgaben gedruckt und vertrieben werden. Der Gedanke war gut, Balzacs Unerfahrenheit dagegen so groß, daß in Jahresfrist keine zwanzig Exemplare abgesetzt wurden. Nicht gewarnt durch diesen Mißerfolg, kaufte Honoré eine Druckerei; zum technischen Leiter und Gesellschafter wählte er einen mittellosen Faktor, den er bei den Korrekturen seiner früheren Publikationen kennengelernt hatte. Das neue Unternehmen begann mit einem Schuldenstand von 92 000 Franken (die Konzession seines Vorgängers mußte allein mit 22 000 Franken abgelöst werden; dazu kamen die vermutlich zu hoch übernommenen Pressen usw.), die durch eine dem Sohn zugestandene »Aussteuer« des alten Balzac nicht entfernt gedeckt erschienen: Honoré wurde die Kapitalisierung einer früher vergeblich erbetenen Rente von 1500 Franken (nicht bar, sondern als Bürgschaftssumme) vom Elternhaus zugebilligt. Honoré überließ die Druckerei dem Faktor, er selbst besorgte emsig die Bücher und Geschäftskorrespondenzen. Aller Eifer führte aber nicht zu dem erhofften Triumph Richardsons, als Drucker und insbesondere als Drucker und Verleger eigener Romane reich zu werden. Nach zwei Jahren stand einem Haben von 67 000 ein Soll von 113 000 Franken gegenüber. Die Setzer mußten ihre rückständigen Löhne einklagen; säumige Schuldner beglichen Balzacs Forderungen, statt mit Geld, mit Ladenhütern (sämtliche Werke von Pausanias, Colardeau, Colin d'Harleville usw.); Notare mit Wechselprotesten, zweifelhafte Makler, unzweifelhafte Wucherer wurden Stammgäste im Kontor Balzacs, dem Urbild der Marterkammer des genialen Druckers Daniel Séchard in den »Souffrances de l'inventeur«. In diesem Wirrwarr wandelte Balzac die Lust an, mit vollen Segeln auf die hohe See der Pariser Großindustrie sich hinauszuwagen: er kaufte eine (seither gedeihlich entwickelte) Schriftgießerei und machte in kürzester Zeit Fiasko. Das Falliment wäre unabwendbar, wenn nicht Mutter Balzac einem unbedingt zuverlässigen Vertrauensmann, ihrem Vetter, Vollmacht zur Ordnung aller Forderungen geben würde. So klug und gewandt dieser (im Roman der Crida des kleinen Pariser Gewerbsmannes »Grandeur et décadence de Cesar Birotteau« verewigte) ehrliche Vermittler die heillos verworrenen Geschäfte abwickelte: Honoré ging aus dem Handel mit einer Schuldenlast von 45 000 Franken hervor, die er eigentlich bis an sein Lebensende nicht ganz abgewälzt hat.

Akten- und ziffernmäßig liegt heute dieser traurige Verlauf und Rechnungsabschluß in einem bereits erwähnten Prachtband vor: »La jeunesse de Balzac. Balzac imprimeur«, den die Herausgeber Gabriel Hanotaux und Georges Vicaire mit Typen aus der unter Balzac verunglückten, heute angesehenen Schriftgießerei drucken ließen. Die emsigen Sammler beschenkten uns nicht bloß mit lehrreichen Kauf- und Gesellschaftsverträgen, Vergleichsprotokollen und Geschäftsbriefen. Auf der Suche nach diesen kaufmännischen, Balzacs ganzes späteres Leben vergiftenden Zwischenspielen haben sie nach Hanotaux' Ausdruck in Tinte und Druckerschwärze Azur gefunden.

Zwischen den Zeilen von Urkunden und Gerichtsprotokollen, aus zeremoniösen Empfehlungsschreiben an hohe Amtsstellen, die über Balzacs Konzession zum Druckereigewerbe zu entscheiden haben, ist Balzacs erster und folgenreichster Jugendroman herauszulesen, der Roman mit der Frau, der er, ohne sie zu nennen, »Louis Lambert« gewidmet hat mit dem Leitwort: ›Et nunc et semper dilectae dicatum.‹ Derselben Frau, von der die Heldin und Märtyrerin des »Lys dans la vallée« nur ein blasses Abbild gibt.

Dank Hanotaux' und Vicaires Aufschlüssen wissen wir heute genau, wer die Dilecta war. Das einzige Kind eines deutschen Harfenspielers, der Lehrer und Kammervirtuose Maria Antoinettes war und aus der Wertherstadt Wetzlar stammte, namens Hinner, aus dessen Ehe mit einer Kammerfrau der Königin La Borde. Ludwig XVI. und Marie Antoinette standen Paten bei dem Mädchen des Wetzlarer Musikus, und nicht ganz sechzehn Jahre später wurde Laure-Antoinette Hinner mit Gabriel de Berny getraut, der es bis zum königlichen Gerichtsrat brachte. Der Gatte war launenhaft, reizbar, anspruchsvoll, die Ehe, der neun Kinder entsprossen, nicht glücklich. Die Gesichtszüge von Madame de Berny muten ihre jüngsten französischen Biographen grunddeutsch an. Und auf deutsche Art weist mehr noch ihre Selbstlosigkeit und Empfindsamkeit. Balzacs unverkennbare Vorliebe für deutsches Wesen, seine Idealisierung des urdeutschen, pudeltreuen Musiklehrers Schmucke, seine Vertrautheit mit Goethe, Schiller, Jean Paul, E. T. A. Hoffmann wurzelt vielleicht in Anregungen der Dilecta.

Sie kannte Balzacs Familie, die der feinen Frau nicht besonders sympathisch war, von Paris her. Honoré lernte sie erst in Villeparisis kennen, wo sie mit den Ihrigen Sommeraufenthalt nahm. Ein Jugendbildnis (von Deveria) zeigt den Zwanzigjährigen, noch knabenhaft gemutend, in einer Art Matrosenjacke, deren Ausschnitt den Hals frei läßt, die kurzgehaltenen widerspenstigen Haare in dichten Büscheln aufwärts strebend, die strahlenden Augen weitgeöffnet in die Ferne gerichtet. Honoré hielt gute Kameradschaft mit dem Sohn Alexander Berny, den er zugleich mit seinem jüngeren Bruder Henri Balzac unterrichtete. Die stille, vornehme Art von Madame Berny tat dem von den ewigen Stürmen im Elternhaus heimgesuchten Honoré doppelt wohl; seinem linkischen, weltunkundigen Wesen, seiner Unbeholfenheit im geselligen Verkehr machten die sicheren, überlegenen Umgangsformen der Mutter Berny besonderen Eindruck. Die Naturgaben und Kenntnisse des jungen Menschen fielen der Vielerfahrenen so sehr auf, daß sie sich im stillen fragte, wie (nach ihrem eigenen Wort) dieses Adler-Ei in den Gänsehof der Sallambiers geraten sei. Die Güte, mit der sie dem bisher durch Freundlichkeit wenig Verwöhnten begegnete, beglückte den Empfänglichen überschwenglich. Wie mächtig sie auf Honoré gewirkt, welche Flammen sie im Innern des Jünglings entzündet, sollte sie zu ihrer höchsten Verwunderung aus einem Brief erfahren, den er ihr an einem Frühlingstag zu senden wagte: die Blätter haben sich nur in vielfach überarbeiteten Entwürfen unter Honorés Papieren erhalten. Ebenso rührend als ergötzlich beginnen sie mit lehrhaften Betrachtungen über sich selbst, bis er allmählich kühner und wärmer mit dem Bekenntnis herausrückt: »So bin ich, so werd' ich immer sein, schüchtern bis zum Übermaß, verliebt bis zur Raserei und keusch bis zu dem Grade, daß ich nicht zu sagen wage, ich liebe. Ich gebe zu, daß ich allem eher gleiche als einem Liebhaber; ich habe weder dessen Ton noch dessen Manieren; ich habe keine Anmut, keine Verwegenheit, kurz, ich bin wie die jungen Mädchen, die blöde, töricht, furchtsam, sanftmütig scheinen und unter dieser Decke ein Feuer verbergen, das, wenn es einmal durchbricht, Herd, Haus und alles andere verzehren wird. Im übrigen kann ich mein Wesen nicht besser malen, als das ein großer Mann getan hat: lesen Sie nochmals die ›Confessions‹, und Sie werden es dort vollkommen geschildert finden.« Frau v. Berny wies den Schwärmer zuerst zurück. Sie war keine Doppelgängerin von Rousseaus Madame Warens. Sie behandelte Honoré als Kind, belächelte scheinbar seine beständig leidenschaftlicheren Liebesversicherungen, stellte ihm ihren Altersunterschied vor Augen, rügte seine Unbedachtsamkeit, die Dritten gegenüber seine Gefühle nicht zu bemeistern wußte, klagte seiner Mutter, welche Mißdeutungen sein Benehmen bei ihrem Schwiegersohn wecke. Keine dieser Vorstellungen beirrte Honoré. Er schickte seiner Herzenskönigin einmal eigene Verse, die er fälschlich Chenier zuschrieb, ein andermal auf seine Lage gemünzte Aphorismen, die er als Sprüche La Bruyères ausgab, beredete das Gerücht, das ihn als Verlobten der ältesten Tochter von Frau Berny bezeichnete, stellte ihrer Zurückhaltung mehr als ein niemals verwirklichtes Ultimatum und erklärte schließlich ebenso bestimmt als ungalant: just der Gegensatz zum Hergebrachten, der Kontrast ihrer Altersstufen beherrsche seine Neigung: »Welches Rätsel für mich, daß eine Frau, die zu Beginn ihres Herbstes Tage wiederfindet, die ebenso schön sind wie die des Sommers, daß eine Frau von Geist, die die Welt beurteilt, wie sie ist, sich weigert, den Apfel zu pflücken, der unsere Ureltern ins Verderben stürzte.« Der Feuergeist des Jünglings riß endlich die Frau mit, die so wenig wie bei ihrem Gatten bei zwei vorangehenden Romanen in Montpellier und Villeparisis wahre Liebe gefunden hatte; im Grünen, auf einer vielbesungenen Bank fanden sich ihre Lippen zum erstenmal, nicht zu einem flüchtigen Liebesabenteuer, vielmehr zu einem ihr Denken und Fühlen zeitlebens beherrschenden Bund, der wenige seinesgleichen gehabt und haben wird. Madame Berny versagte Honoré keine Gunst, und hochauf schlugen in den ersten Jahren ihrer Beziehung die Gluten, bis allmählich naturgemäß die Wende sich vollzog. Bis zu seinem zweiundzwanzigsten Jahr, so schrieb er seiner nachmaligen Frau Eva Hanska, dürstete er nach Ruhm; »ich wollte damit einen Leuchtturm aufrichten, um einen Engel anzuziehen. Ich glaubte sonst nichts Gewinnendes an mir zu haben und gab mich verloren. Ein Engel ist gekommen, ich schüttete mein Leid in ihrem Busen aus und verbarg ihr meine Sehnsucht nach einer jungen schönen Frau. Sie sah das und sagte mir: Wenn diese andere kommen wird, will ich wie eine Mutter sein, ich werde die Liebe, die Hingebung einer Mutter für dich haben.« Sie hat dieses Gelübde eingelöst. Sie besaß die Selbstüberwindung, Honorés treueste, selbstloseste Freundin zu bleiben, als neue Herzensregungen in ihm aufwallten. Nach wie vor verehrte er, solange sie auf Erden weilte und über ihren Tod hinaus, in dieser ihm grenzenlos und unbedingt zugetanen Seele die nunc et semper dilecta. Immer hatte Honoré nur Worte des Dankes und Segens für diese Führerin und Trösterin seiner Jugend, für die Frau, die nach seinem eigenen Zeugnis »sein Herz geschaffen«, seinen Geschmack gebildet, den buchstäblich Hungernden mehr als einmal genährt, den Vereinsamten Jahre hindurch in seinem Kontor regelmäßig tagtäglich stundenlang beraten, in seinen wirtschaftlichen Nöten, soweit ihre Mittel reichten, opferfroh, solange das irgend möglich, gestützt und vor dem Äußersten bewahrt hat. Als sie starb, weihte er ihr in schmerzlichster Bewegung den Nachruf: »Das Wesen, das ich verloren habe, war mehr als eine Mutter, eine Freundin, irgendein Geschöpf für ein anderes Geschöpf sein kann. »Elle ne s'explique que par la divinité.« Sie hatte mich in großen Stürmen durch ihr Wort, durch die Tat, durch ihre Hingebung aufrecht erhalten. Wenn ich lebe, ist es nur ihr zuzuschreiben. Obgleich uns in den letzten zwei Jahren Krankheit, Zeitmangel, Entfernung voneinander getrennt hielten, waren wir einander gegenwärtig: »elle réagissait sur moi, elle était un soleil moral.«

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Balzacs Mutter

Sie war diese »moralische Sonne« in seiner Lebensführung und in seiner Kunst. Ihre uns erhaltenen spärlichen kritischen Bemerkungen über Louis Lambert und »Le lys dans la vallée« überraschen durch scharfes, mutiges, den Kern treffendes Urteil: sie tadelt Grundfehler Balzacs, Großsprechereien, ein Übermaß von Abschweifungen, einen Orakelton in philosophischen Erörterungen, den Taine, trotz aller Bewunderung der eigentlichen Begabung Balzacs, als Commis-voyageur-Manier belächelte. So sehr Madame Berny Balzacs Künstlergaben liebte und je mehr sie ihn liebte, desto weniger Schonung übte sie gegen Unarten seines Talentes, gegen Ungleichheiten in seinen Leistungen. Auch für diese gesunden Erziehungsmaximen wußte Balzac der Dilecta Dank. Nach den Triumphen der »Eugénie Grandet« und der »Recherche de l'absolu« macht ihm Madame de Berny keine Komplimente. »Die Kritik«, so schreibt er 1834 der Hanska, »ist ihres Amtes. Kritiken sind so süß, wenn sie von Freundeshand kommen. Man glaubt an sie, weil sie ohne Zweifel wahr sind, aber sie reißen keine Wunden.« Er beherzigt ihre Ausstellungen, kein Lobspruch der Weltkinder und der kritischen Stimmführer beglückt ihn aufrichtiger als die Zustimmung der einzigen, die zu ihm gehalten, als alle anderen höhnisch oder zweiflerisch die Achseln über ihn zuckten.

Sie hat ihn ebenso redlich, nur leider weniger beachtet, in seinen späteren selbsterlebten Romanen beraten. Als Modedamen und müßige Aristokratinnen, die Herzoginnen von Abrantès und die Castries, den Autor von europäischem Namen in ihre Netze zogen, warnte sie ihn, nicht der Stimme der Eitelkeit zu folgen; sie kannte die Lieblosigkeit solcher Damen, die Balzac nur als Spielzeug und Zeitvertreib betrachteten. Und er vertraute und beichtete trotz- und nach alledem der Dilecta, die viele seiner Geheimnisse mit ins Grab nahm. Letztwillig hat sie ihrem Sohn die Vernichtung aller an sie gerichteten Briefe Balzacs aufgetragen. Alexander Berny hat dieses Gebot gewissenhaft befolgt, und nur in Balzacs Nachlaß haben sich einige Brouillons seiner ersten Episteln aus dem Jahre 1822 und mehrere Antworten von Madame Berny aus dem Jahre 1832 erhalten, die 1921 von der Revue des deux mondes mitgeteilt wurden: unersetzliche Zeugnisse für die Werdezeit Balzacs. In seinen Briefen an die Mutter, Schwester, an seine Jugendfreundin Garraud und Eva Hanska stimmt er ein Preislied um das andere auf die Dilecta an: kurz vor ihrem Tode schreibt er Frau Hanska: »Meine Freundschaft ist aus granitenem Stoff. Alles nutzt sich eher ab als ein in mir festgewurzeltes Gefühl. Madame de Berny ist sechzig Jahre alt: ihre Kümmernisse und Leiden haben sie bis zur Unkenntlichkeit verändert. Meine Liebe für sie hat sich verdoppelt.« Als er, ohne ihren Namen zu nennen, Theophile Gautier von dieser Jugendliebe sprach, die sein ganzes Dasein verklärte, gingen ihm die Augen über. Für alle Zeit und Zukunft bleibt die Dilecta mit Balzacs Leben und Lebenswerk verbunden. Solange man nach dem Schöpfer der Comédie humaine fragen wird, kann auch die Tochter des Wetzlarer Musikus Laura Hinner-Berny nicht vergessen werden.


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