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DER SCHNITTER

Die Erde liegt glühend im Abendbrand;
die Halme schwanken. In trunkenen Farben
der Himmel, das weizengelbe Land.
Da schattet eine Wolke schwer,
ein Schnitter wandert länderher,
der schneidet die Ähren und bindet die Garben.

Nicht irdisch ist sein Tun und. Trachten.
In tiefgehöhlten wie überwachten
Augen kein warmer, menschlicher Schein.
Kein Lippenlächeln, kein Wangenrund.
Er öffnet den Mund
und singt in den flammenden Abend hinein:

»Ich lösche das Leid. Ich löse die Bindung.
Ich schreibe das Zeichen der Überwindung
auf das versteinerte Angesicht
und hebe ins Überlebensgroße,
was aus der Menschheit drängendem Schoße
emporsteigt und an mir zerbricht.

Ich bin im Gejauchze der Zymbeln und Geigen,
das Verstummen, die Pause, das eherne Schweigen,
die Leere, in der aller Jubel zerstäubt.
Die Masken fallen vor meinem Schreiten,
vor dem Triumphzug durch Völker und Zeiten,
der Schein zerflattert, das Wesen bleibt.

Gehasst, gefürchtet, verfemt und wieder
gerufen, dass ich auf müde Lider
den Schlummer küsse, den ich geweiht,
geh' ich durch Nächte und Morgenröten
und verlösche das Leid und zerbreche die Flöten
und binde die Garben der Ewigkeit.«


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