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Zwanzigstes Kapitel

(Bruder juckt das Fell von Dingen, die kommen sollen)

Die Unruh in der Schachtel der Geborgenheit erhöhte sich. Wieder war es mir, als hätte ich den Pelz voll Ungeziefer. Die Teppiche, die Kissen, auf die ich mich zu legen wagte, brannten mich. Ich erhob mich immer wieder, um mit der Pfote über sie hinzuscharren, ehe ich mich wieder niederzulegen versuchte. Stets jagte ein »Kusch-dich« um meine Ohren. Ich gestehe, daß ich damals oft ohne äußeren Anlaß bellte.

Die gnädige Frau meinte, daß ich einen Bandwurm haben müsse. Wenn nichts Schlimmeres. Man sollte mit mir zum Tierarzt gehen.

Aber man hatte soviel andres zu tun, man vergaß es wieder. Die Abneigung der gnädigen Frau gegen mich verstärkte dies alles.

Sie sagte zu dem Herrn Senator, das wenigste, was man von einem Hund aus guter Familie zu verlangen hätte, wäre wohl, daß er wisse, wann er zu bellen hätte und wann nicht.

Die gnädige Frau hatte gewiß recht. Nur schien es mir gerade in jenen Tagen, daß auch die Menschen nicht zu schweigen verständen.

Es war ein Sprechen ohne Ende zwischen den Wänden. Immer brauste Erregung um meine gespitzten Ohren.

Zwischen Frau Alwine und Fräulein Angelika sprangen die Worte schon am frühen Morgen hin und her.

Eines Morgens sagte Fräulein Angelika, daß sie nicht mehr genau wisse, ob sie Herrn Rumperlitz-Ippensitz, ihren Bräutigam, wirklich liebe. Sie wisse nur eins genau, daß sie ihn schrecklich langweilig fände. Sie würde gewiß ihr ganzes Leben lang mit ihm von Pferden reden müssen.

Die gnädige Frau antwortete sofort, daß nur aus langweilig scheinenden Männern gute Eheherren werden könnten. Die Scharmanten, Amüsanten wären nur bei einem five o'clock tea verwendbar.

Dann riet sie Fräulein Angelika, nicht so viel über Kleinigkeiten nachzugrübeln, sondern sich die entzückenden Zeichnungen ihrer künftigen Möbel anzusehen.

Als ich einige Stunden später Herrn von Rumperlitz-Ippensitz bellend entgegensprang, schritt ihm auch die gnädige Frau entgegen. Ich mußte kuschen, weil sie selber etwas mitzuteilen hatte.

Sie lächelte und bat den Feudalen, doch zu versuchen, im Zusammensein mit Angelika ein wenig heitrer sein zu können. Vielleicht dann und wann ein wenig Schiller oder Goethe zu zitieren. Kurzum, nicht gerade immer nur von Pferden zu sprechen, trotzdem diese gewiß außerordentlich interessante, schöne, sogar nützliche Tiere wären. Aber die Jugend wolle nun einmal mit ein wenig Poesie durch den Brautstand marschieren.

Herr von Rumperlitz-Ippensitz strich sich den Schnurrbart und lachte.

Ich bellte. Er gefiel mir. Er war der einzige, von dem aus jetzt nicht die Kälte der Unzufriedenheit über mein Fell strich.

Ich mußte wieder das Maul halten.

Herr von Rumperlitz-Ippensitz fragte, wovon man sprechen solle, wenn nicht von Pferden? Und Poesie wäre auch dabei. Er wäre überzeugt davon, daß sein Rappe Balthasar ihn so gut verstände, wie Fräulein Angelika.

Die gnädige Frau seufzte. Aber sie lächelte dabei.

Ich bellte schon wieder freudig auf. Solange Herr Rumperlitz-Ippensitz im Haus war, waren alle Stimmen sanfter, ruhiger, wärmer, mehr ineinanderklingend. Mich freute dies.

Zu andrer Zeit, ich sagte es schon, war keiner mit dem andern zufrieden.

Am empfindlichsten entsinn ich mich der Stunde, wo mir der schwere Silberknopf vom Stock des Herrn Senators über die Schnauze sauste.

Ich hatte die Stimmen meines geliebten Herrn und seines Vaters heftig aneinanderprallen hören. Ich wünschte, zu meinem geliebten Herrn zu gelangen. Ich kratzte an der Tür, die mich von den beiden Sprechenden trennte.

Ich hörte den Herrn Senator rufen, daß er niemals zugeben könne, daß mein geliebter Herr ein Komödiant werden würde.

Ich verstand nicht, was mein geliebter Herr antwortete, ich hörte nur, daß seine Stimme heiser war.

Ich kratzte heftig an der Tür. Obwohl ich wußte, daß ihre blanke Politur Rücksicht verlangte.

Sie wurde aufgerissen und der silberne Knauf des Spazierstockes lehrte mich schweigen. Viel vermochte ich nicht zu wittern in diesem Augenblick. Gerade nur so viel, daß ich spürte, wo mein geliebter Herr stand. Ich duckte mich zu seinen Füßen.

Der Schmerz dämpfte sich. Ich spitzte die Ohren, als ich meinen Namen hörte. Es war beschlossen worden, daß mein geliebter Herr zu seiner weiteren Ausbildung in die Hauptstadt reisen sollte. Ich sollte ihn begleiten.

Die gnädige Frau kam hereingeeilt. Ich sprang auf. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, bezüglich der blanken Türpolitur. Ich kroch unter das Sofa.

Die gnädige Frau beachtete mich gar nicht. Sie bat nur Vater und Sohn, nicht so laut miteinander zu reden, der Herr Schwiegersohn wäre im Haus.

Der Herr Senator teilte der gnädigen Frau mit, was soeben zwischen ihm und Achim beschlossen worden.

Frau Alwine begann das Taschentuch zu suchen. Aber mein geliebter Herr pfiff mir und verließ das Zimmer.

Ich war tief unter das Sofa verkrochen gewesen. Ehe mir das Hinausschlüpfen gelang, hörte ich, wie die gnädige Frau klagte, daß beide ihre Kinder voll von Exaltationen wären. Sie begriffe das nicht. Sie hatte nichts in der Erziehung versäumt. Vor jeder Aufregung, wie vor Weihnachtsfesten, Geburtstagen, Schulanfängen hätte jedes Kind stets einen dicken Grießbrei auslöffeln müssen, zur Gemütsberuhigung und Befestigung des Charakters ...


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