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VII

Am nächsten Tage erwachte Korbin in völliger Finsternis. Als sich sein Auge ein wenig an die Dunkelheit gewöhnt hatte, entdeckte er den schwachen Schein Tageslicht, der von draußen ins Innere der Höhle fiel. Er war allein.

Schwerfällig erhob er sich, trat ins Freie und prüfte den Stand der Sonne. Es mochte neun Uhr sein. Seine Taschenuhr war um vier Uhr stehengeblieben; er hatte vergessen, sie aufzuziehen. In der Nische am Eingang stand Tonios Laterne.

Er zündete das Licht an und trat in die Höhle zurück. Als er seinen Schlafsack zusammenlegte, flatterte ein kleiner Zettel zu Boden. Er hob ihn auf und las:

›Bin vorangeritten. Du kennst ja den Weg nach Cerdova. Nimm dir ruhig Zeit. Wir treffen uns dort wieder. – Tonio.‹

Korbin schüttelte traurig und enttäuscht den Kopf. Warum hatte ihn der Junge verlassen? Er suchte die Höhle ab, fand rasch den hinteren Ausgang, wo sein Muli stand und offenbar auf ihn wartete. Der Packsattel war bereits aufgelegt, er brauchte nur aufzusteigen und ins Tal hinabzureiten – was er denn mit einer seltsamen Trauer im Herzen auch tat.

Fünf Tage später, am 26. Juni abends, sah er die Lichter von Cerdova im Tale aufblitzen. Er schlief in dieser Nacht noch einmal im Freien. Auch am nächsten Morgen hatte er keine besondere Eile, in die Stadt zu kommen. Die Bank öffnete ihre Schalter erst um neun Uhr. Er ritt ohne Aufenthalt vor das Bankgebäude und trug den gewichtigen Lederbeutel mit dem kostbaren Inhalt ins Haus.

»Nuggets in Dollar!« sagte er und stellte den Beutel mit leichtem Herzklopfen auf das Schalterbrett.

»Sie wollen sich an die Waage bemühen, Herr«, sagte der Beamte höflich. – Dann also wurde das Gold gewogen, und es stellte sich dabei heraus, daß Holzer das Gewicht unterschätzt hatte. Es waren genau 23,255 kg, und der Gegenwert, den die Bank errechnete, betrug 15 115,75 Dollar, von denen sich Korbin zwölfhundert auszahlen ließ. Für den Rest eröffnete ihm die Bank ein Konto.

Franz Henne starrte mit trübseligen Gedanken in sein Glas, als Korbin Holzer, sein ehemaliger Partner, mit lachendem Gesicht an seinen Tisch trat.

»Es hat sich also doch noch gelohnt, Franz!« sagte er, und dann erzählte er, was er erlebt hatte. Zuletzt schob er tausend Dollar in neuen Noten vor das Glas des Freundes.

»Ein Trostpfennig für dich, Franz«, meinte er vergnügt, »damit du ein andermal den Mut nicht zu rasch verlierst!«

»Kann ich nicht annehmen, Korbin«, sagte Franz gerührt und schob das Geld zurück. »Bin sonst nicht stolz, das weißt du, aber ich stecke nur selbergefundenes Gold in meine Tasche. Wenn du mir die tausend Eier borgen willst – ich habe plötzlich wieder Mut gekriegt. Wo du was gefunden hast, liegt mehr. Gehst du noch einmal mit?«

Holzer redete ab. Er berichtete über die lungernden Indianer. Aber Franz schien gar nicht recht zuzuhören. Das Goldfieber hatte ihn bereits wieder beim Kragen.

»Der Tonio, dieser Bursche, geht wieder in die Berge zurück, sagst du? Wenn ich ihn fände, hätte ich Gesellschaft. Vielleicht macht er mit mir fifty-fifty. Ich will ja gerne graben, wenn er mir den Tip gibt. Scheint am Prospecten keine rechte Freude zu haben. Aber er besitzt, was alte Kämpfer ums Gold ›iggsbirrins‹ nennen, und das ist mehr wert als ein kräftiger Arm und eine breite Schaufel!«

»Ich weiß nicht, wohin er sich gewendet hat«, entgegnete Holzer, betroffen von des Freundes plötzlicher Eile, an den Ort zurückzukommen, den er vierzehn Tage vorher mit dem schmerzlichen Gefühle völliger Hoffnungslosigkeit verlassen hatte. »Ich bin allein nach Cerdova gekommen. Tonio ist vorausgeritten. Wie willst du ihn finden?«

»In dem Neste begegnen die Menschen einander dreimal am Tage«, brummte Franz Henne. »Manchen sieht man so oft, daß man ihm vor Wut und Langeweile ins Gesicht schlagen möchte. Bummeln wir ein Stück durch die Straßen. Wenn der Staatendampfer abgeht, ist ganz Cerdova am Hafen. Wirklich, der Junge hat mir gefallen, und es wird ihm, denke ich, ganz lieb sein, wenn er nicht allein zu reiten braucht.«


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