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Der Mord im Kapplertale

Im Kapplertale im Schwarzwald, unweit von dem alten Städtchen Kappelrodeck, liegt Furschenbach. Das Dorf besteht aus etlichen dreißig auf den Höhen verstreut liegender Anwesen. Der stattlichste der Höfe war in den vierziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts der Günzberg. Links von der Landstraße, da, wo diese gegen Ottenhöfen einbiegt, lag er auf einem sanft ansteigenden Hügel. Wie es im Schwarzwald häufig ist, schirmte ein mächtiges Strohdach Haus, Scheuer und Stall; etwas seitwärts war das Leibgedinghäuschen erbaut; nach hinten bildete der Wald die Grenze der Besitzung. Die üppigen Felder, die den breiten Abhang des Hügels bedeckten, gehörten zu ihr, von frischem Bergwasser durchströmte Wiesen, und ein sorgfältig gepflegter Weinberg.

Seit vielen Generationen war der Hof das Eigentum derselben Familie und hatte sich von Sohn zu Sohn fortgeerbt. Niemand aber hatte das Anwesen so in die Höhe gebracht, wie der jetzige Bauer, Johann Knapp. Er zählte zu den angesehensten und reichsten Männern im Tal, und im Gemeinderat galt seine Stimme am meisten, obschon er die Würde des Bürgermeisters abgelehnt hatte. Man achtete in ihm nicht nur den tüchtigen Sproß des alten Geschlechtes, man liebte ihn, weil er ein braver Mann im vollen Sinne des Wortes war.

Verheiratet war er mit Marianne Doll, der Tochter eines wohlhabenden Bauern aus der Umgegend. Die Frau genoß den besten Ruf, sie war früh und spät mit rastlosem Fleiße bei der Arbeit, aber auch unersättlich im Erwerben und von jenem bäuerischen Hochmut erfüllt, der auf alle Unbemittelte mit herzloser Geringschätzung herabschaut. Der Ehe waren zehn Kinder entsprossen, aber von den Söhnen nur noch drei am Leben. Der älteste, Johann, war der Mann der wohlhabenden Löwenwirtin in Kappelrodeck; der zweite, Bernhard, half dem Vater in der Wirtschaft; der dritte, Xaver, ging noch zur Schule.

 

Vom Günzberg führte ein breiter Fahrweg ins Tal hinab; aber auch ein Fußpfad schlängelte sich den Hügel herunter und führte an einem der armseligsten Häuser des Dörfchens vorbei. Es hatte nur zwei Stuben; in der einen wohnte eine Witwe namens Schneider, in der anderen die ledige Tagelöhnerin Monika Schweigle. Die Küche benützten beide gemeinsam.

Im Jahre 1848 war Monika Schweigle neunundzwanzig Jahre alt; aber alle, die sie gekannt haben, schildern sie als eine auch damals noch blühende, kräftige Person vom schönsten Körperbau, mit einem anmutigen, stets fröhlichen Gesichte. Sie war ganz arm, aber fleißig und ehrlich; freilich auch leichtlebig genug: Sie hatte bereits zwei Kinder und ging mit dem dritten schwanger. Aber über die Zukunft machte sie sich darum keine großen Sorgen; die Hebamme erzählt, daß sie im Augenblick ihrer zweiten Niederkunft darüber scherzen konnte, daß sie nicht einen Kreuzer Geld habe.

Sie machte keinen Hehl daraus, ja, sie erzählte nicht ohne Stolz jedem, der es nur hören wollte, daß der Vater des Kindes, das sie unter dem Herzen trage, Bernhard Knapp, der zweite Sohn des Günzberger Hofbauern sei. Und da sie als Tagelöhnerin häufig auf dem Hofe beschäftigt gewesen war, die Knechte und Mägde auch ein vertrauliches Verhältnis zwischen den beiden bemerkt haben wollten, so schien das, was Monika sagte, recht glaublich, wiewohl Bernhard Knapp im August 1848 eine Ehrenkränkungsklage gegen sie erhob. Es blieb den Leuten nicht verborgen, daß die Geschichte bei den Angehörigen Bernhard Knapps, besonders bei seiner Mutter, den höchsten Unwillen hervorrief. Hatte doch die lose Monika öffentlich von der reichen Hofbäuerin als von ihrer »Schwiegermutter« gesprochen! Als drum diese eines Tages auf der Rückkehr vom Kappeler Markt das Mädchen vor ihrer Wohnung getroffen, war sie in wildem Zorn mit Schlägen über sie hergefallen; aber während sie sich bei den Haaren herumrissen, spottete die Monika wiederum: »Und Ihr seid halt doch meine Schwiegermutter!«

 

Am Morgen des 15. August hörte die Witwe Schneider das Kind der Schweigle heftig schreien, sie begab sich in die Stube ihrer Nachbarin und fand das Kind allein, Stube und Haustür waren halb geöffnet, auch das Fenster.

Es war Festtag, auf Arbeit konnte also Monika nicht sein; es mußte drum Verwunderung erregen, daß sie den ganzen Tag ausblieb, und in Ottenhöfen, wohin Furschenbach eingepfarrt war, unterhielt man sich vor der Kirche lebhaft über ihr Verschwinden. Auch die Günzberger Bäuerin hörte davon und äußerte wegwerfend: »An der wird für keinen Groschen Ware verloren!«

Die wenigen Verwandten der Schweigle stellten am nämlichen Tage noch Nachforschungen auf allen Höfen an, aber niemand wollte das Mädchen gesehen haben. Im Auftrage des Bürgermeisters wurde nun Feld und Wald nach allen Richtungen hin durchstreift. Aber erst am Nachmittag des 17. August fand ein Schwager der Verschwundenen ihren Leichnam in dem Walde des Bürgermeisters, ungefähr eine Viertelstunde oberhalb der Wohnung der Unglücklichen. Die Tote war nur mit einem Rock und einem Hemd bekleidet und lag halb entblößten Leibes da. Um ihren Hals war ein dicker Strick geschlungen, der an einer jungen Hagenbuche so befestigt war, daß Hals und Kopf der Schweigle einige Zoll über die Erde gehoben wurden.

 

Die gerichtsärztliche Untersuchung stellte fest, daß der Tod infolge von Strangulation erfolgt war, und daß Monika Schweigle höchstwahrscheinlich durch Selbstmord ihr Leben beendet habe.

Aber in Furschenbach glaubte niemand so recht daran. Was hätte auch das Mädchen mit dem frohen, sorgenlosen Sinn in den Tod getrieben?

»Die Monika ist ermordet worden!« wurde im Tale überall geflüstert, und mit Spannung erwartete man das Ergebnis der eingeleiteten Untersuchung. Vom Günzberg mußte die Tat verübt worden sein, dahin ging die Meinung. Die Obrigkeit mußte die Vermutungen, die sich in der Gegend verbreitet hatten, nachprüfen – um so mehr, als der Hirtenbube vom Günzberg in dem Strick, der den Hals der Monika umschnürte, den seinen erkannte, den er seit mehreren Tagen vermißt hatte.

Aber nach einem eingehenden Zeugenverhör konnte das Gericht keine Veranlassung finden, gegen irgendein Mitglied der Familie Knapp Anklage zu erheben. Bernhard Knapp schien am meisten belastet; aber der Knecht Florenz Hirt, der mit ihm dieselbe Schlafkammer bewohnte, beschwor, Bernhard habe in der Nacht vom 14. auf den 15. August nicht einen Augenblick Stube und Haus verlassen.

Die Untersuchung wurde geschlossen, und Monika sang- und klanglos beerdigt. Aber die Überzeugung, daß sie das Opfer eines Verbrechens geworden, lebte fort. Ja, bald verbreitete sich die Sage, dort, wo man die Tote gefunden, schwebe um Mitternacht der gespenstige Schatten eines Weibes mit einem Kinde im Arm auf und nieder.

 

Der Verkehr der Talbewohner mit dem Günzberg war nie stark gewesen; jetzt hörte er fast gänzlich auf. Höchstens am Sonntag in der Kirche zu Ottenhöfen sah man die Familie Knapp, sie kehrte stets rasch nach Hause zurück, wenn der Gottesdienst beendigt war, und schien gleichsam grollend jeder Gesellschaft auszuweichen, während die Hofleute im Grunde selbst die Gemiedenen waren. Nur als im Jahre 1852 Johann Knapp starb, da war der Günzberg mit Leidtragenden erfüllt, denn niemand hätte gewagt, dem wackeren, freundlichen Manne den Makel des geringsten Verdachtes anzuhängen.

Schon vor seinem Tode hatte man darüber gemunkelt, daß die Lebensweise auf dem Günzberg sich so merkwürdig verändere. Nun wurde es immer seltsamer. Die Witwe hatte den Hof übernommen und bewirtschaftete ihn gemeinsam mit Bernhard. Man erfuhr bald, daß die Frau sich dem Trunke ergebe, oft stark berauscht und heulend und lärmend wie eine Furie im Hause herumziehe, beim Tischgebete, wenn alle Knechte und Mägde versammelt wären, fluchend die Stube verlasse und die Tür zuschlage, daß die Fenster zitterten. Ihr Schimpfen und Toben machte den Dienstleuten das Leben auf dem Hofe zur Hölle.

So ging das vier Jahre. 1856 übergab sie den Hof ihrem Sohn Bernhard, zu dessen Gunsten der Löwenwirt auf sein Erstgeburtsrecht verzichtet hatte. Bald darauf heiratete Bernhard die Tochter des Bürgermeisters von Seebach. Es soll bei der Hochzeit still und trübselig hergegangen sein wie bei einem Leichenmahle.

 

Auch das Betragen des Löwenwirtes wurde immer auffallender. Er hatte eine gute und hübsche Frau, seine Ehe war mit Kindern gesegnet, seine Wirtschaft die besuchteste in Kappelrodeck, alljährlich stieg sein Wohlstand – und doch sah man ihn oft stundenlang, still und melancholisch vor sich hinstarrend, in der Wirtsstube sitzen, bis er zu trinken begann und schließlich schwer berauscht zu Bette gebracht werden mußte. Seine Frau befragte die Ärzte; ihr Mann spreche so ängstlich und habe geäußert, er ertrage das Leben nicht länger. So war denn die Verwunderung nicht allzu groß, als am 5. März 1857 die Kunde durch den Ort lief, der Löwenwirt sei in der Scheuer erhängt gefunden worden.

Aufs neue wurde nun in allen Häusern der geheimnisvolle Tod der armen Monika besprochen. War jetzt das Rätsel gelöst? War der Selbstmord des Löwenwirtes die Sühne für ein Verbrechen? war dies die Last, die ihm das Leben unerträglich machte und die, wie seine Frau dem Gericht erzählte, ihm wenige Augenblicke vor dem Tod die Worte auspreßte: »Ich ertrage es nicht länger, ich muß jetzt beichten!« – Oder aber war er nur Helfer bei der schrecklichen Tat gewesen, und ging der Mörder noch immer freien Fußes durch das Tal?

Immer neue Vermutungen tauchten in der Gegend auf, und endlich sah sich das Gericht veranlaßt, die Untersuchung wieder zu eröffnen. Noch lebten alle Zeugen, die damals vor neun Jahren vernommen worden waren; Florenz Hirt, der Knecht, dessen Aussage die Unschuld Bernhard Knapps erwiesen hatte, war vor kurzem aus Amerika, wohin er ausgewandert, nach Furschenbach zurückgekehrt.

Wichtige Umstände, die man bei der früheren Untersuchung nicht beachtet hatte, wurden jetzt nachträglich festgestellt: so, daß der Kamm, der neben dem Kopfe der Toten gelegen, zerbrochen gewesen war, was auf einen Kampf hindeutete. Eine frühere Magd auf dem Günzberg sagte aus, daß Bernhard Knapp seit Jahren in einen stillen Trübsinn verfallen sei, daß er viel einsam weine und einmal zu ihr selbst gesprochen habe: »Ich habe gefehlt, und die Mutter, und die Monika; wenn das Kind von mir war, so soll ihr Tod auf mich kommen, wenn aber nicht, so soll er auf ihre eigene Seele fallen!«

Aber Bestimmtes wußte man noch immer nicht. Da erschien, weit über seine Jahre gealtert, ein gebrechlicher Greis wieder in der nämlichen Gerichtsstube, in der er vor neun Jahren den Zeugeneid geleistet. Es war Florenz Hirt. Aber der Arm, den er damals in feierlichem Schwur zum Himmel erhoben, hing gekrümmt und schlaff herab; zweimal hatte ihn Hirt in Amerika gebrochen, und Arbeitsunfähigkeit und Not hatten den Auswanderer in die alte Heimat zurückgetrieben. Er glaubte, die Hand Gottes über sich zu spüren. Und als ihn der Richter fragte, ob er die Aussage, die er vor neun Jahren gemacht, wiederholen wolle, stieß er unter einem Strom von Tränen die Worte hervor »Nein, nein! ich habe damals falsch geschworen!« Und nun erzählte er, daß er von Bernhard Knapp am Abend des 14. August 1848 beauftragt worden sei, ihn nachts um ein Uhr zu wecken; Bernhard habe darauf wirklich den Hof um diese Stunde verlassen und sei erst nach einer Stunde rasch und »wie verscheucht« in die Schlafkammer zurückgekehrt, habe sich mit den Kleidern auf das Bett gelegt, aber keine Ruhe gefunden und das Lager wieder verlassen, sobald der Tag graute. Weder Bernhard noch irgendeiner seiner Angehörigen sprach je ein Wort mit ihm über das Ende der Monika; nur drückte ihm Bernhard, als Hirt damals die Ladung des Gerichts erhalten hatte und sich auf den Weg in die Stadt machte, krampfhaft die Hand und flüsterte ihm zu: »Florenz, bei dir ist mein Leben! Du kannst mir hinein-, du kannst mir aber auch heraushelfen!« Dadurch hatte er sich bestimmen lassen, eine falsche Aussage abzugeben. Um den Vorwürfen seines Gewissens zu entgehen, war er über das Meer geflohen, aber das Elend hatte ihn wider Willen in die Heimat zurückgeführt.

Hirt wurde verhaftet, und noch am nämlichen Tage auch Bernhard Knapp und seine Mutter.

 

Bernhard war ein stattlicher Bauer geworden. Dem Ernste seines Gesichtes nach hielt man ihn für weit älter, als er war. Man sagte ihm nichts von den Aussagen des Knechtes. Bei dem Verhör ließ sein Benehmen zwar eine große Aufregung erkennen, aber er stellte doch mit ziemlicher Sicherheit, ja fast mit Hohn jede Mitwisserschaft am Tode der Monika Schweigle in Abrede und verlangte dringend seine Freilassung. Seine Mutter, eine kleine, abgemagerte Frau mit hohlen, vom Trinken geröteten Wangen und kleinen stechenden Augen, erging sich in einer Flut von Schimpfreden, als sie nur den Namen Monika Schweigles hörte. Sie behauptete, von dem Ende dieses Weibes nicht das Geringste zu wissen, brachte aber nicht die leiseste Beschwerde wegen ihrer Verhaftung vor und zeigte überhaupt eine auffallende, fast erschreckende Gleichgültigkeit.

Zwei Tage war Bernhard in Haft gewesen, da ließ er den Untersuchungsrichter um eine Unterredung bitten. Er fühle sich gedrungen, erklärte er, anzuzeigen, daß sein verstorbener Bruder, der Löwenwirt, die Monika erdrosselt habe. Er wisse es von diesem selbst. Bernhard erzählte weitläufig, wie sein Bruder die Monika in jener Augustnacht unter dem Vorwande, er wolle sie wegen des zu erwartenden Kindes abfinden, auf den Günzberg gelockt, ihr dort Geld auf den Tisch gezählt, und, während die Monika es zusammengerafft, ihr den Strick um den Hals geworfen und sie erwürgt habe. Die Leiche sei vom Löwenwirt dann in den Wald geschleppt und an einem Bäumchen aufgeknüpft worden. Der Richter ließ den Gefangenen ruhig reden, unterbrach ihn mit keinem Worte und nahm seine Darstellung ohne irgendeinen Einspruch zu Protokoll; Knapp wurde in das Gefängnis zurückgeführt.

Am folgenden Tage fand seine weitere Vernehmung statt. Bernhard Knapp trat bleich und beinahe zitternd vor den Richter. Der begann mit der Frage: »Hat Euch Euer Bruder, der Löwenwirt, auch mitgeteilt, daß er die Monika Schweigle in jener Nacht schamlos entblößt habe?« Da überzog eine dunkle Röte das Angesicht Knapps, er bedeckte es mit beiden Händen, brach in lautes Weinen aus und legte dann folgendes Geständnis ab:

Als man auf dem Günzberg davon Kenntnis erhalten, daß die Monika von ihm schwanger war, hatten ihn die Seinen, namentlich die Mutter und der verstorbene Löwenwirt, Tag und Nacht mit den bittersten Vorwürfen überhäuft, weil durch die Reden der Schweigle Schande und Spott über den Hof und die ganze Familie gebracht werde. Sie veranlaßten Bernhard, die Ehrenkränkungsklage zu erheben, dann stachelte ihn die Mutter an, dem Mädchen aufzupassen und es durchzuprügeln. Er tat es, weil er hoffte, die Monika dadurch zum Schweigen zu bringen; aber es wurde ihm schwer, denn er hatte das Mädchen lieb. Die Mutter jedoch und der Löwenwirt ließen nicht ab, ihn zu reizen, sie drohten ihm, er müsse vom Hofe und solle nichts vom Vermögen bekommen, und immer deutlicher gaben sie ihm zu verstehen, die Monika müsse aus der Welt. »Schnüre ihr den Hals zu, hänge sie auf, das liederliche Weibsbild, wirf sie in ein Loch, es fragt kein Mensch danach!« so ging das ständige Gewisper seiner Mutter und seines Bruders. Daraufhin war er am Ende in einen Zustand wahrer Verzweiflung gelangt und habe sich entschlossen, entweder sich selbst oder die Monika ums Leben zu bringen.

Schon den ganzen 14. August trug er den Strick in der Tasche. In der Nacht ließ er sich dann von Florenz wecken und ging stracks in die Wohnung der Schweigle. Unterwegs kam ihm der Gedanke, er könne die Monika am besten unterkriegen, wenn sie bei zärtlichem Kosen unter ihm liege; er faßte den Entschluß, sie so zu erdrosseln. Er lockte sie ans Fenster, und unter dem Vorwand, ihr das versprochene Geld zur Abfindung geben zu wollen, aus dem Hause. Sie gingen zusammen den Fußpfad hinan bis zum Walde des Bürgermeisters; er liebkoste sie; an der Stelle, wo man ihren Leichnam gefunden, ließen sie sich nieder und küßten sich. Während er dann mit ihr zusammen auf dem moosbedeckten Boden lag, warf er ihr den vorher schon in eine Schlinge gelegten Strick um den Hals, sprang rasch auf und zog den Strick fest an sich. Das Mädchen griff zu, konnte sich aber nicht losmachen. Das Ende des Stricks schlang er um ein Bäumchen; Monika gab kein Lebenszeichen mehr von sich. Ihm aber graute, er rannte in vollem Laufe heim nach dem Günzberg.

Niemals, sagte Bernhard, sei der Name der Monika Schweigle wieder auf dem Hofe genannt worden. Niemals richtete jemand von den Seinen eine Frage über ihr Ende an ihn. Aber Mutter und Bruder wußten darum doch, daß er der Mörder war. Und von da an begannen beide zu trinken, um im Rausch den Gewissensbissen zu entgehen. Er selbst, so schloß der gebrochen vor dem Richter Stehende, habe oft daran gedacht, sich ums Leben zu bringen, so sei ihm das Dasein zur Qual geworden. Aber durch sein Geständnis sei ihm jetzt die schwere Last vom Herzen genommen, und dafür danke er Gott. –

 

Der Bernhard Knapp, der nach seinem eigenen Bekenntnis so gehandelt hatte, war, wie die Untersuchung ergab, als Knabe und Jüngling von überaus großer Gutmütigkeit gewesen, ein fleißiger, sittsamer Schüler; nie hatten die Dienstboten ein böses Wort von ihm gehört, nie hatte er je eine Spur von Roheit merken lassen – – –

 

Die Hofbäuerin war hartnäckiger als ihr Sohn. Sie leugnete alles. Erst nach mehreren Verhören, erst als Bernhard Knapp ihr ins Angesicht sein Geständnis wiederholte, als er ihre Vorwürfe, ihre Drohungen ihr ins Gedächtnis zurückrief, erst da bekannte sie und nannte sich selbst die Anstifterin der schauderhaften Tat.

 

Nach wenigen Wochen sprachen die Geschworenen zu Bruchsal ihr »Schuldig!« aus. Der Gerichtshof nahm an, daß nicht auf Todesstrafe erkannt werden dürfe: Im Jahre 1848, in dem die Tat geschehen, war die Todesstrafe im Großherzogtum Baden gesetzlich abgeschafft gewesen, und das Gericht war der Ansicht, daß das spätere, diese Strafe wieder einführende Gesetz keine rückwirkende Kraft habe. Beide Angeklagte wurden darum zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt.

Florenz Hirt erhielt wegen wissentlichen Meineides drei Jahre Zuchthaus.

In der ersten Zeit der Gefangenschaft drehten sich alle Gedanken Bernhard Knapps um den Günzberg. Er trug sich mit der Hoffnung, daß sich vielleicht in Jahren die Tore der Strafanstalt ihm wieder öffnen würden, daß er heimkehren könne zu Weib und Kind. Diese Hoffnung gab er auf, als er vernahm, daß seine Frau ihm untreu geworden sei und ein taubstummes Kind geboren habe.


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