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Kammerassessor von Zahn

Von den Offizieren des in Dreil liegenden hannoverschen Infanterieregiments war wohl der Oberleutnant Friedrich von Kennau der beliebtesten einer. Tüchtig im Dienste, stand er bei Vorgesetzten und Kameraden in gleich hohem Ansehen; die Gesellschaft schätzte den vierundzwanzigjährigen stattlichen Soldaten als einen feinen Menschen von taktvoller Geradheit.

Besonders gern schien Herr von Kennau in dem Hause des Regierungsrates von Oller zu verkehren; daß ihn eine besondere Sympathie mit Marie, der achtzehnjährigen Tochter des verwitweten Rates verband, blieb nicht unbemerkt. Der Vater sah es mit Freuden, daß der auch ihm liebgewordene und überdies reiche Offizier um sein Kind warb. Er willigte gern in die Verlobung, die vorderhand noch geheim gehalten werden sollte.

So standen die Dinge, als man am 24. Mai 1830 in einem Gehölze unweit von Dreil den Oberleutnant von Kennau tot auffand; die Pistole lag neben der pulvergeschwärzten Hand. Als die Kunde davon in Dreil sich verbreitete, wollte erst keiner, der den Toten kannte, es glauben, daß der lebensfrohe, von allen Gaben des Glücks überschüttete Offizier Hand an sich gelegt habe; aber der vom Gericht zur Untersuchung bestellte Arzt fand die Kugel, welche den Körper durchbohrt hatte, auf der Rückseite desselben zwischen Weste und Hemd: er stellte fest, daß der Tod, wie ja auch die Lage bestätigte, in welcher man den Leichnam gefunden, durch Selbstmord erfolgt sei.

Das Gericht ordnete eine Untersuchung an, um aufzuklären, was den Unglücklichen in den Tod getrieben habe. Zuerst wurde der Posamentier Friderici, bei dem von Kennau seit zwei Jahren gewohnt hatte, vernommen.

Er sagte aus:

Am 22. Mai, früh um vier Uhr, hörte ich Herrn von Kennau in seinem Zimmer auf und ab gehen. Da ich glaubte, es fehle ihm etwas, so stand ich auf und erkundigte mich, ob ich ihm mit irgendwas dienen könne? Er dankte mir aber mit gewohnter Freundlichkeit. Als ich die Tür seines Zimmers öffnete, sah ich, daß er eben seine Pistole in die innere Tasche des Mantels steckte, den er übergeworfen hatte. Bald darauf ging er die Treppe herunter und zum Hause hinaus. Beim Weggehen öffnete er meine Stubentür und sprach: wenn sein Bursche komme, möchte ich ihm sagen, er solle gleich nach Felswind zu dem Verwalter seines Landguts gehen und ihm melden, daß mittags sechs Personen dort speisen würden. Dieses Auftrags habe ich mich auch erledigt und bis gestern geglaubt, der Herr Oberleutnant sei in Felswind.

Friderici stellte es als durchaus unwahrscheinlich hin, daß sein Mieter, dessen sonnige Lebensauffassung ihm gut bekannt gewesen sei, freiwillig sein Leben geendet habe; wie und durch wen aber der Tod von Kennaus erfolgt sein könne, darüber vermochte er keine Angabe zu machen.

Man verhörte jetzt den Burschen des Oberleutnants. Dieser sagte aus, nach Felswind habe sein Herr wahrscheinlich die Hauptleute Amberg und Keller, den Oberleutnant Stopfel und die Leutnants von Minzing und Triebel eingeladen, mit denen er am häufigsten verkehrte; es sei aber keiner dieser Offiziere auf das Landgut gekommen. Der Untersuchungsrichter fragte den Diener, ob, soviel er wisse, sein Herr Feinde gehabt habe? – Der Bursche konnte keine Auskunft geben.

Auch Regierungsrat von Oller und seine von Schmerz aufs tiefste erschütterte Tochter wurden vernommen, ohne daß sie etwas von Wichtigkeit bezeugen konnten.

 

So wenig bedeutungsvoll alle Angaben, die man ihm gemacht, waren, so erschien es dem Richter doch auch unwahrscheinlich, daß ein Selbstmord vorliege. Er ordnete eine neue, sorgfältige Untersuchung des Toten an. Da stellte sich nun heraus, daß die Kugel, die man bei der Leiche gefunden, wohl zu der Wunde, nicht aber in die Pistole paßte, welche neben Kennaus Hand gelegen, und die man als die seinige festgestellt hatte. Somit war erwiesen, daß Kennau nicht durch eigene Hand gefallen sei.

Wer aber hatte ihn getötet, in welcher Weise war die Tat vollbracht worden? – Der Untersuchungsrichter vernahm die sechs Offiziere, welche der Bursche als Freunde seines Herrn bezeichnet hatte. Sie wurden einzeln verhört, sagten aber alle gleichmäßig aus: Kennau hätte ihnen am 21. Mai wirklich mitgeteilt, er plane für den folgenden Tag eine Landpartie nach seinem Gut Felswind und werde sich die Ehre geben, sie einzuladen. Da sie nichts weiteres von der Sache hörten, auch Kennau nicht mehr sahen, hätten sie geglaubt, der Ausflug unterbliebe. Wie der Tod ihres Kameraden erfolgt sei, wüßten sie nicht.

 

Während dies Verhör stattfand, war eine Gerichtsdeputation zur Haussuchung bei Kennau geschritten. Folgende wichtige Papiere wurden beschlagnahmt:

1. Ein Brief vom 20. Mai 1830, mit den Buchstaben: A. St. unterzeichnet; er enthielt folgende auffallende Stelle:

Ich habe mit dem K.-A. v. Z. gesprochen und ihm deine Erklärungen und Wünsche auf eine deiner Ehre nicht nachteilige Weise bekannt gemacht. Er entfernte sich, um sie dem Baron von L. mitzuteilen. Soeben kommt von Z. wieder und sagt: er könne die Sache in Güte nicht beilegen; es müsse also bei der Verabredung bleiben; er werde mit Kl. sprechen und dir sekundieren. Ich kann es nicht; du kennst meine Gründe. Gott erhalte dich!

2. Ein Billet vom 21. Mai 1830, unterzeichnet »von Z.,« in dem es hieß:

»Ich habe alles besorgt; man erwartet Sie morgen früh viereinhalb Uhr auf dem besprochenen Platze.«

3. Ein Schreiben von Kennaus selbst an Marie von Oller:

Endlich, teuerste Marie! bin ich mit meinen Anordnungen zustande! – mit welchen Anordnungen? höre ich Sie fragen. – Nun, der Mensch kann nicht wissen, was die Zukunft in ihrem Schoße birgt. Man hat mich auf morgen früh zu einem Zweikampf gefordert, zu dem ich, wie Sie sich bei meinen Grundsätzen und meiner innigen Liebe zu Ihnen ohnehin überzeugt halten werden, keine Veranlassung gegeben habe. Ich werde zwar nochmals alles aufbieten, einen Ausweg zu suchen, wenn es ohne Nachteil für meine Ehre nur irgend möglich ist; allein da ich den Erfolg meiner Ausgleichungsvorschläge ebensowenig berechnen kann, als den Ausgang des Duells, so muß ich Ihnen diese Zeilen schreiben, weil ich es für meine unerläßliche Pflicht erachte, Sie für den schlimmsten Fall von meinem Geschick zu unterrichten und Ihnen noch einen kleinen Beweis meiner unbegrenzten Liebe und meiner Erkenntlichkeit zu geben. In dieser Absicht empfangen Sie, teuerste Marie! in der Anlage ein Dokument über 1200 Friedrichsd'or, welche der Rittergutsbesitzer Kliem in Radefeld mir schuldet. Betrachten Sie diese kleine Summe als Ihr wohlerlangtes Eigentum; es ist die einzige, über die ich ohne Zustimmung meiner Lehnsvettern verfügen kann. – Leben Sie glücklich! – Der Gedanke, Sie einst wiederzusehen, wird, wenn ich ja falle, meinen Abschied vom Leben erleichtern! – Danken Sie Ihrem guten Vater für das Wohlwollen, dessen er mich würdigte! – Ich bin zu beklommen, um weiter schreiben zu können! – Bis zum Grab

Ihr Friedrich von Kennau.

Dreil, 21. Mai 1830, nachts 11 Uhr.

Diesem Schreiben lag die in demselben erwähnte Abtretungsurkunde bei, von den Offizieren Amberg und Stopfel als Zeugen unterzeichnet.

Des letzteren Vorname war Anton; der erste Brief war von ihm geschrieben. Der in demselben erwähnte K.-A. v. Z., das war aber, wie der Untersuchungsrichter unschwer erriet, der in Dreil wohnhafte Kammerassessor von Zahn. Hatte doch ein schon vorher als Zeuge vernommener Unteroffizier beiläufig erzählt, er habe am Vormittag des 20. Mai Stopfel und von Zahn in dem Kasernenhofe auf und ab gehen sehen, die, nach ihren Mienen zu schließen, über einen wichtigen Gegenstand sich besprachen. Aber wer die beiden in dem Stopfelschen Briefe gleichfalls erwähnten Personen Kl. und Baron von L. sein könnten, dafür hatte der Untersuchungsrichter keinen Anhaltspunkt. Jedenfalls schienen Hauptmann Amberg, Oberleutnant Stopfel und Assessor von Zahn an der Sache beteiligt; er ließ sie verhaften, was in der Stadt, da alle drei wohl bekannt waren und sich des besten Rufes erfreuten, großes Aufsehen hervorrief.

 

Schon am folgenden Tage, am 31. Mai, sollte dem Gericht Aufklärung werden, wer der geheimnisvolle Baron von L. sei. Es meldete sich nämlich der Wirt des Gasthofs »Zum Kaiser«, der mitteilte, daß ein Baron von Linsmar seit zwei Monaten bei ihm wohne; es sei ihm aufgefallen, daß der Herr Baron, als er von der Verhaftung des Assessors von Zahn hörte, mit dem er verkehrt hatte, plötzlich voller Unruhe erklärte, am selben Tage noch abreisen zu müssen.

Das Gericht zog schleunigst Erkundigungen über diesen Baron von Linsmar ein. Man erfuhr, daß er aus dem Preußischen stammte, in Frankreich erzogen worden war, dann Staatsrecht studiert hatte und in der Hoffnung in Dreil weilte, bei dem Kammerkollegium daselbst eine Anstellung zu finden. Da er von altem Adel und der Sohn reicher Eltern war, hatte er in Dreil in der besten Gesellschaft, und so auch im Hause des Regierungsrates von Oller verkehrt.

Der Untersuchungsrichter begab sich in den »Kaiser«. Kaum hatte er sich dem Baron von Linsmar als Gerichtsperson zu erkennen gegeben, da brach dieser in die Worte aus: »Ich kann mir's schon denken!«

Auf die Frage, was er sich denn denken könne, wurde er immer verwirrter; den Mahnungen des Richters, zu erzählen, was er wisse, konnte er nicht lange widerstehen. Mit bebender Stimme rief er:

»Ja, es ist wahr, ich habe den Oberleutnant von Kennau im Duell erschossen! Aber ich bin zu dem Zweikampf verleitet worden!«

Nachdem er sich etwas gesammelt, berichtete er, wie es zu der Tat gekommen:

Linsmar war, ebenso wie von Kennau und der Assessor von Zahn, beinahe täglicher Gast in dem Hause des Regierungsrates von Oller gewesen. Einmal hatte Kennau zufällig gefehlt. Als der Rat und seine Tochter für einen Augenblick abberufen wurden, benützte der Assessor das Alleinsein mit Linsmar, um diesen vor dem boshaften und hämischen Oberleutnant zu warnen: erst am Tage vorher habe Kennau vor Marie von Oller in unverkennbar spöttischem Tone davon gesprochen, daß Linsmar es zu einer Anstellung in Dreil wohl nicht bringen werde.

Bei dem regen Ehrgefühl des Barons mußten diese Worte in ihm eine Erbitterung gegen Kennau hervorrufen, auf den er ohnehin, da Marie von Oller ihn offensichtlich bevorzugte, ein wenig eifersüchtig war.

Er verließ gleich das Haus des Rats und bat am folgenden Morgen den Leutnant Kleefeld, mit Kennau Rücksprache zu nehmen und sich zu vergewissern, ob er die fragliche Äußerung mit spöttischer Absicht vorgebracht; gäbe der Oberleutnant das zu, so solle ihn Kleefeld in seinem – Linsmars – Namen auf Pistolen fordern. Für den Fall, daß Kennau erklären sollte, es sei ihm fern gelegen, Linsmar beleidigen zu wollen, ließ der letztere ihn bitten, diese Worte auch vor Fräulein von Oller zu wiederholen.

Kleefeld entledigte sich seines Auftrages bei von Kennau. Dieser hörte ihn freundlich an und sagte: Er erinnere sich zwar nicht mehr, in welchen Worten er über den Baron geredet, aber daß ihm jede verletzende Absicht fern gelegen, könne er mit gutem Gewissen beteuern, und da dem so sei, wäre er auch gern bereit, diese seine Äußerung vor Herrn und vor Fräulein von Oller zu wiederholen.

Leutnant Kleefeld kehrte zu Baron von Linsmar zurück, der seinen Bericht mit großer Befriedigung entgegennahm. Noch aber hatte Kleefeld sich nicht verabschiedet, da öffnete sich die Tür, und Assessor von Zahn trat ein.

Als er hörte, wie die Dinge standen, lachte er auf: »Ei, da seht mir doch die kourageusen Herren! Donna Marie läßt den lieben Baron abblitzen, weil Kennau ihm was am Zeuge geflickt, und der liebe Baron – weiß sich vor Rührung ob dem Edelmut seines Rivalen nicht zu fassen!«

Diese Worte verfehlten ihre Wirkung nicht.

In schnell aufflammendem Zorn sandte jetzt sogleich Baron Linsmar den Leutnant Kleefeld wieder zu Kennau und ließ ihn, ohne eine weitere Erklärung abzugeben oder zu verlangen, auf Pistolen fordern; zum Kampfplatz sollte das Wäldchen in der Nähe von Dreil gewählt werden.

Aber ebenso rasch, wie sie gekommen, legte sich die Wut des Barons wieder. Er überlegte, daß Kennau, über den er sich im persönlichen Verkehr nie zu beklagen gehabt, in dem ganzen Streitfall durchaus korrekt gehandelt habe.

Kleefeld kam zurück und teilte mit, daß von Kennau die Forderung angenommen und den Oberleutnant Stopfel, den er wohl zum Sekundanten wählen wolle, zu sich berufen habe. Als Linsmar das hörte, bat er seinen Freund, den Assessor von Zahn, sich sogleich zu Stopfel zu begeben und durch dessen Vermittlung die Forderung rückgängig zu machen. Zahn ging, kehrte aber bald mit der Meldung zurück: Stopfel könne Kennau nicht einmal wieder dazu bewegen, daß er sein früheres Versprechen, vor Fräulein von Oller eine Erklärung abzugeben, erfülle. – In Wahrheit aber (was Linsmar nicht wissen konnte, wie aber später aus der Aussage Stopfels hervorging) hatte Zahn ganz anders gehandelt, als es sein Auftraggeber gewünscht: er war mit der Anfrage zu Stopfel gekommen, ob Kennau sich wirklich schlagen wolle? Linsmar traue ihm keine Kourage zu! Stopfel ersuchte voll Entrüstung den Assessor, dem Baron jeden Zweifel an dem Mute Kennaus zu benehmen; zugleich aber bat er ihn, auf Linsmar einzuwirken, damit dieser seine Forderung zurückziehe: es sei doch frevelhaft, wenn zwei blühende junge Menschen um nichtiger Ursache willen ihr Leben aufs Spiel setzten. Zahn erklärte sich zu dem Versuche, den Baron zu beschwichtigen, bereit; in Wirklichkeit aber machte er durch das, was er Linsmar hinterbrachte, den Zweikampf zur unausweichlichen Notwendigkeit.

 

Der Baron hatte noch Bedenken wegen der gesetzlichen Strafe, die den Duellanten treffe; Zahn beruhigte den Leichtgläubigen: die Behörde pflege die Augen zuzudrücken, es sei nichts zu fürchten. Aber nun weigerte Stopfel sich, bei dem unsinnigen Duell Kennau als Sekundant zu dienen. Da erbot sich Zahn, wiewohl er doch Linsmars Freund war, dem Oberleutnant zu sekundieren, und nun stand dem Zweikampf nichts mehr im Wege.

So kam der 22. Mai heran. Linsmar, sein Sekundant Kleefeld und Zahn waren vor Kennau auf dem Kampfplatz. Der letztere schritt bei seinem Erscheinen rasch auf Linsmar zu und sprach: »Um Ihnen Genugtuung zu geben, Herr Baron, bin ich hergekommen, obgleich ich mir bewußt bin, Sie wissentlich nie beleidigt zu haben.«

Der Baron hätte seinem Gegner gern die Hand zur Versöhnung gereicht, da aber trat Zahn zwischen beide und sagte in gleichgültig-nonchalantem Ton: »Meine Herren, ich habe mehr zu tun, als solche Exklamationen anzuhören: halten Sie sich nicht lange bei der Vorrede auf und wechseln Sie Ihre Kugeln!«

Nun gab es kein Zurücktreten mehr. Eine Distanz von zehn Schritten – Zahn hatte fünf gewünscht – wurde bestimmt, ein dreimaliger Kugelwechsel ausgemacht. Kennau, als der Beleidiger, stellte sich zuerst seinem Gegner. Linsmars Schuß fehlte ihn. Nun hob der Oberleutnant die Pistole; festen Auges und fester Hand zielte er, drückte ab und schoß – wie selbst dem Gegner schien – absichtlich viel zu hoch.

Nun war auch Kleefeld der Ansicht, der Ehre sei genug geschehen, und bat um Abbruch des Duells. Da trat Zahn unter einem Vorwand auf Linsmar zu und sagte flüsternd: »Besser schießen, sicherer treffen, mitten auf den Mann zu halten, da sich ein Baron eine solche Behandlung en bagatelle nicht gefallen lassen kann!« –

Die Gegner standen sich wieder gegenüber. Linsmar zielte sorgsam; wie er selbst dem Untersuchungsrichter sagte: in der festen Absicht zu treffen.

Diesmal sank Kennau zu Boden.

Blut quoll aus dem Körper des Getroffenen. »Laßt mich liegen,« sprach er mit schwacher Stimme, »ich sterbe – rettet euch! – Ich verzeihe Ihnen, Baron – Sie waren Zahns Werkzeug, der –« Die Stimme versagte ihm. Die letzten Worte des Sterbenden, welche der verzweifelte Linsmar noch vernahm, lauteten: »Unglückliche Marie – ich sehe dich wieder!«

Dann noch einige krampfhafte Bewegungen, ein letztes Sich-recken, und der Tod trat ein.

Gleich als der Unglückliche gefallen war, rief Leutnant Kleefeld den Arzt, der, wie Zahn vor Beginn des Duells versichert hatte, in einer in der Nähe gelegenen Waldhütte wartete. Kein Mensch war in der Hütte. Kleefeld machte Zahn die heftigsten Vorwürfe; dieser entgegnete ruhig: »Was hätte es denn auch geholfen, wenn ich einen Arzt herbestellt hätte?«

Nun machte der Assessor den beiden anderen den Vorschlag, um allen mißlichen Weiterungen aus dem Wege zu gehen, einen Selbstmord Kennaus vorzutäuschen. Er legte den Toten, der sich im letzten Zucken auf die Seite gewälzt hatte, auf den Rücken, ließ von Kleefeld des Oberleutnants noch geladene Pistole abfeuern und neben dessen rechter Hand niederlegen; die Finger derselben schwärzte er mit dem Pulver auf der Pfanne von Linsmars Pistole. Endlich verwischten die drei alle Fußspuren im Sand bis auf die des Gefallenen und traten dann den Rückweg an.

Sie verpflichteten sich gegenseitig zur Geheimhaltung der Sache, und Zahn bemerkte: selbst wenn die beiden anderen so schofel wären, zu gestehen, so würde er doch nichts bekennen; eher wollte er sich auf die Folter spannen lassen, eher ein Hundsfott sein, als daß er etwas aussagte! – So trennten sie sich.

Gleich darauf hatte Zahn den Baron wieder aufgesucht und ihm geraten, auf das schnellste nach Italien zu reisen, um vor jeder Gefahr gesichert zu sein. Linsmar schrieb denn auch geängstet seinen Eltern und bat sie um Geld für eine Erholungsreise. Er erhielt die erforderliche Summe am 30. Mai und hätte am folgenden Tage, als er von Zahns Verhaftung hörte, Deutschland verlassen, wäre nicht das Gericht ihm zuvorgekommen.

Der Untersuchungsrichter gewann aus den reumütigen Worten Linsmars den Eindruck, es mit einem im Grunde gutmütigen und harmlosen Menschen zu tun zu haben; der Hauptschuldige war offenbar der Kammerassessor von Zahn. Aber was diesen zu seinem hinterlistigen Spiele veranlaßt hatte, das konnte Baron Linsmar nicht aufhellen. Der Richter ließ ihn ins Gefängnis bringen und vernahm dann den Hauptmann Amberg und den Oberleutnant Stopfel. Der letztere gab zu, von dem Duell gewußt zu haben, er habe sich aber Zahn gegenüber verpflichtet, nichts zu verraten. Amberg stellte nach wie vor jede Mitwissenschaft in Abrede, jenes Schenkungsdokument, das Kennau am Tage vor seinem Tod aufgesetzt, habe er wohl mit unterzeichnet, aber ohne zu ahnen, daß es sich dabei um etwas anderes als um ein gewöhnliches Geschenk handle. Die beiden Offiziere wurden entlassen; dafür aber Leutnant Kleefeld in Haft genommen, dessen Erklärungen denen von Baron Linsmar entsprachen.

 

Dem Untersuchungsrichter kam es nun vor allem darauf an, die Motive, welche Zahn bei seinem Handeln geleitet hatten, kennen zu lernen.

Er befragte zuerst Herrn von Oller und dessen Tochter. Diese wußten nichts anzugeben, als daß ihnen das ganze Wesen Zahns niemals recht gefallen habe. Aber sie konnten den Inhalt einer Unterhaltung mitteilen, die Zahn, nach dem, was der Richter bereits wußte, offenbar dazu benutzt hatte, um das Duell herbeizuführen:

Eines Tages anfangs Mai hatten sich Kennau und Zahn in der Ollerschen Wohnung getroffen; das anfangs gleichgültige Gespräch wandte sich, durch Zahn geleitet, auf Linsmar, dem der Assessor im Laufe der Unterhaltung das Prognostikon stellte: er werde in das Kapitel der alten Kandidaten kommen. – Kennau, ehrenhaft wie immer, verteidigte den Abwesenden, äußerte, daß er ihn für einen sehr gebildeten jungen Mann halte, der längst verdient hätte, eine seinen Fähigkeiten wie seiner Bildung entsprechende Anstellung im Staatsdienste zu erhalten; er schloß mit der an den Regierungsrat gestellten Bitte: derselbe möge doch nicht unterlassen, für Linsmar an geeignetem Orte ein gewichtiges Wort zu sprechen.

Einige Abende später trafen sich der Oberleutnant und der Assessor wieder bei von Ollers; nochmals brachte Zahn die Rede auf den abwesenden Linsmar. Kennau, wie der Regierungsrat und dessen Tochter wohl bemerkten, versuchte an diesem Tage immer wieder, das Gespräch von dem Baron abzulenken. Einigemal auf Umwegen, zuletzt geradezu begann Zahn: Kennau möge ihm doch seine Ansicht über die geistigen Fähigkeiten des Barons und dessen Aussichten im Staatsdienst mitteilen. Kennau schwieg, Zahn aber ward immer hartnäckiger. Um nicht den Schein der Unhöflichkeit zu erwecken, bemerkte endlich der Oberleutnant, daß er wegen der Kürze der Bekanntschaft mit Linsmar sich zu einem Urteil nicht berufen erachten könne.

Übrigens tue es ihm sehr leid, daß die von ihm vor einigen Tagen in der besten Absicht für Linsmar gesprochenen Worte diesem entstellt und verdreht zugetragen worden seien, sodaß er selbst Unannehmlichkeiten deswegen gehabt habe.

Herr von Oller und seine Tochter begriffen sofort, daß Kennau auf Zahn anspielte; sie äußerten sich nun auch höchst mißbilligend über die Weiterverbreitung von in intimem Kreis geführten Gesprächen; ja, der Regierungsrat versicherte, er werde dem ihm recht sympathischen Baron von Linsmar bei nächster Gelegenheit mitteilen, was im Ollerschen Hause wirklich über ihn gesprochen worden sei.

Was dadurch bewirkt wurde, war offenbar, daß Zahn jetzt die Katastrophe beschleunigte, um zu verhindern, daß Linsmar von seinem zweideutigen Verhalten erführe.

 

Der Untersuchungsrichter bezweifelte, auf indirektem Wege etwas über die Ursachen, aus denen Zahns Handeln hervorging, zu erfahren; es blieb ihm nichts übrig, als den Verhafteten selbst zu befragen. Ehe er aber zu dem Verhöre des sichtlich überaus geschmeidigen und gewandten Assessors schritt, zog er noch bei dessen Vorgesetzten, dem Kammerdirektor, Erkundigungen über Zahns Charakter und Wesen ein. Dieser sagte, er halte ihn für einen sehr fähigen und fleißigen Arbeiter, aber im persönlichen Verkehre habe er den Assessor wenig geschätzt: es sei ein boshafter, eitler und zanksüchtiger Mensch.

Von der Bosheit und Streitsucht Zahns hatte der Untersuchungsrichter Beweise; verletzte Eitelkeit konnte den Assessor bei seinen dunklen Plänen geleitet haben. Er ließ sich den Gefangenen vorführen, vorerst nur, um ihn zu beobachten: er teilte ihm nichts von dem mit, was er bereits durch Linsmar wußte, und fragte Zahn nur mit gelassenen Worten, ob er keine Aussage zu machen habe. Der Assessor erklärte in hochfahrendem Tone, er wüßte nicht, was man von ihm wolle; er werde sich gegen die Richter, welche seine Verhaftung veranlaßt, sowie gegen das Gericht, welches sie verfügte, schon Genugtuung zu verschaffen wissen! – Er trug eine solch eherne, undurchdringliche Miene zur Schau, daß der Richter – der sich erinnerte, mit welcher Entschiedenheit Zahn dem Baron und Kleefeld erklärt hatte: er würde nie etwas gestehen – es für klüger hielt, das Verhör abzubrechen und sich erst bis ins einzelne genau zu überlegen, wie der Assessor zum Bekenntnis zu bringen sei.

Ein an sich unbedeutendes Ereignis sollte ihm überaus zustatten kommen. Die Haushälterin Zahns erzählte, als sie vernommen wurde: ihr Herr sei am Morgen des 22. Mai – also am Tage des Duells – früh ausgewesen; nach seiner Rückkehr erzählte er ihr, er hätte einen Spaziergang mit dem Baron von Linsmar gemacht und dabei seinen Siegelring verloren. Als die Haushälterin fragte, wo das denn geschehen sei, erwiderte ihr Herr: das Suchen helfe ja doch nichts, da der Ring an einem Markttag wie heute, wo so viele Landleute zur Stadt kämen, sicher schon längst von irgend jemand eingesteckt worden sei.

Der Richter mutmaßte, wenn Zahn den Ring wirklich an jenem Tage verloren habe, so sei dies wahrscheinlich auf dem Kampfplatz geschehen: er verfügte sofort die genaueste Nachsuchung in dem Hölzchen bei Dreil und setzte eine Belohnung für den Finder aus. Eine arme Taglöhnerin entdeckte denn auch in dem Geäst einer Kiefer einen Handschuh, in dem ein Ring steckte.

Es war offenbar der des Assessors: er trug das Zahnsche Wappen, und die Haushälterin erkannte ihn.

Es lag dem Richter daran, Zahn gleichfalls zur Anerkennung des Ringes zu bringen. Er ermittelte, daß Zahn der Haushälterin am Abend des 21. Mai jenes dem Gericht bereits bekannte Briefchen zur Bestellung an den Leutnant von Kennau gegeben; ferner, daß sie fast in derselben Stunde im Auftrage des Assessors Akten zu dem Kammerpräsidenten habe tragen müssen, denen gleichfalls ein Brief ihres Herrn beigelegt war. Auch diesen Brief verschaffte sich der Untersuchungsrichter; das Schreiben war vom 21. Mai datiert; das Siegel, mit dem es verschlossen gewesen, trug den Abdruck des Wappens im Zahnschen Ringe.

Zahn wurde aufs neue dem Untersuchungsrichter vorgeführt. Dieser fragte ihn, wo und wie er den 21. Mai zugebracht habe? – Der Assessor entgegnete, er hätte eine sehr wichtige Arbeit zu erledigen gehabt, die ihn den ganzen Tag über in seiner Wohnung zurückgehalten habe. Auf die Frage, worin diese Arbeit bestanden, entgegnete er anfangs, er meine, daß er hier über seine Tätigkeit als Staatsdiener keine Auskunft zu geben brauche, bequemte sich aber gleichwohl, seine Beschäftigung wahrheitsgemäß darzulegen. Die weitere Frage, ob er noch am Abend des 21. Mai die bearbeiteten Akten dem Kammerpräsidenten zugesandt, und ob solches mit oder ohne Begleitschreiben geschehen, beantwortete er lächelnd dahin, daß er allerdings ein Briefchen den Akten beigelegt habe; er setzte spöttisch hinzu: »Wohin mag dies führen?«

Nachdem er den an den Kammerpräsidenten gesandten Brief als von ihm geschrieben anerkannt hatte, legte man ihm auch das mit v. Z. unterzeichnete, in der Wohnung Kennaus vorgefundene Billet vor und fragte, ob er nicht selbst einräumen müsse, daß die Schriftzüge beider Briefe von einer und derselben Hand herrührten?

Der Angeklagte antwortete mit Ruhe: »Es gibt viele Schriften, die sich gleich sind. Das bei Kennau gefundene Billet habe ich nicht geschrieben; mag es meinetwegen geschrieben haben, wer da will!« Und als der Richter ganz obenhin bemerkte, daß diesem Billete, um es zu einem Beweisstücke zu machen, nichts als Umschlag und Siegel fehle, fiel ihm schnell Zahn ins Wort: »Das war es eben! – Schriften sind leichter nachzumachen, als Wappen zu stechen! Ich pflege Billets dieser Art jedesmal so zusammenzubrechen und mit meinem Wappen zu versiegeln, wie das Schreiben an den Herrn Präsidenten!«

Jetzt hatte ihn der Untersuchungsrichter, wo er ihn wollte. Er ging darum bereitwillig auf einen anderen Gegenstand über, von welchem Zahn selbst angefangen hatte.

Nachdem nämlich Zahn nochmals die Versicherung, das Billet an den Kammerpräsidenten am Abend des 21. Mai geschrieben zu haben, ungeduldig mit den Worten: »Nun ja, ich hab's ja schon gesagt!« erteilt hatte, fragte er anscheinend in größter Unbefangenheit nach Linsmar: » A propos! Ist wohl der Baron von Linsmar noch hier? Er wollte mir vor seiner Abreise nach Frankreich das ihm geliehene Geld zurückzahlen. Sollte er noch hier sein, so würde es mir pekuniären Nutzen bringen, wenn Sie mich mit ihm sprechen lassen wollten!«

Der Richter bemerkte ebenfalls ganz gleichgültig, Zahn meine wohl denselben Linsmar, der in dem Gasthause »Zum Kaiser« gewohnt habe; dieser sei nicht mehr dort; er habe sich vielmehr schon vor einigen Wochen Pässe für eine Reise in das Ausland geben lassen.

Zahn vermochte seine Freude über diese Nachricht kaum zu verbergen; er stellte sich jedoch verdrießlich: Durch die Abreise des Barons könne er zu Geldverlust kommen; er habe diesem jungen Manne nie recht getraut!

Jetzt wurde ihm der aufgefundene Ring vorgelegt; er erkannte ihn als den seinen, erklärte aber, ihn vor sechs bis acht Wochen dem Baron von Linsmar geschenkt zu haben. Auf die Frage, wie es dann komme, daß er mit diesem Ringe noch am Abende des 21. Mai einen Brief an den Kammerpräsidenten habe versiegeln können? verstummte er. Endlich wagte er es, sich auf Linsmar zu berufen, der ihm, wenn er hier wäre, bestätigen müsse, daß er ihm den Ring geschenkt; er habe mehrere Siegel zu Hause, und mit einem davon sei der Brief an den Präsidenten verschlossen worden.

Nun schien dem Richter der Augenblick gekommen, um dem zu Todesblässe Erstarrenden Linsmar und Kleefeld gegenüberzustellen. Regungslos vor sich hinblickend hörte er an, wie Linsmar ihn der Lüge bezichtigte und erklärte, weder Geld noch einen Ring empfangen zu haben. Jetzt erst hielt der Untersuchungsrichter dem Assessor das ganze gegen ihn gesammelte Material vor, sagte ihm, was Stopfel, Kleefeld und Linsmar gestanden, was im Ollerschen Hause vorgegangen war, wo der Ring sich gefunden hatte. Er mahnte ihn, ein offenes Geständnis abzulegen, da dem Gericht ja doch alles bekannt sei.

Zahn war nicht imstande, zu antworten. Er bat nur weinend und schluchzend den Richter, ihm Zeit zu lassen, und dieser, wohl erkennend, daß Zahn nicht mehr die Kraft habe, weiter Komödie zu spielen, war human genug, ohne weitere Fragen den Elenden ins Gefängnis zurückbringen zu lassen.

Er ließ ihm Papier und Tinte übergeben, und an den folgenden Tagen schrieb Zahn für den Untersuchungsrichter ein Bekenntnis nieder in dem es heißt:

Ich fühle nur zu tief, daß Sie eine Menge von Gründen haben, mich zu verachten, und dieses Gefühl ist mir in meiner jetzigen Lage das peinigendste. Fand ich noch gestern, ehe Sie mich zerknirschten, darin einen schändlichen Triumph, daß ich der letzte sein würde, welcher Geständnisse ablege, so empfinde ich jetzt die tiefste Reue, daß ich nicht der erste gewesen bin, der die Wahrheit sagte. Aber wenn Sie ermessen, welches Los das Gesetz mir bestimmt, dann werden Sie mir gewiß weniger zürnen ... Ich bin Kennaus Mörder; Linsmar war nur das Mordwerkzeug; damit hat der Sterbende selbst den Verzweifelnden getröstet. Ich liebte Marie von Oller! – Sie wird mir fluchen, daß ich ihr den Bräutigam raubte! Ich schwor den Untergang ihm und Linsmar, der bei Ollers ebenfalls lieber gesehen ward als ich; ich habe beide entzweit, das Duell durch Intrigue zustande gebracht. Möchte – so dachte ich – fallen, welcher wollte; der andere müsse fliehen, und (o, ich Tor!) Marie dann die Meine werden ... Überheben Sie mich der Erzählung aller Intriguen, durch welche ich Kennaus Tod herbeiführte. Es wird dem erkennenden Richter genügen, wenn ich Ihnen frei und unumwunden gestehe, daß ich die wohlgemeinte Äußerung Kennaus über Linsmar diesem entstellt zutrug, daß ich es dahin brachte, daß Linsmar Kennau auf Pistolen fordern ließ; daß ich Linsmars Vertrauen, welches er mir dadurch bewies, daß ich den Sühnestifter machen sollte, mißbrauchte; daß ich mich selbst zu Kennaus Sekundanten erbot, um gewiß zu sein, daß das Duell nicht rückgängig werde; daß ich das Billet, das Sie mir vorzeigten, allerdings an Kennau geschrieben, den Baron von Linsmar am 22. Mai früh zum Duell abgeholt und Kennau wirklich sekundiert habe. Ich will eingestehen, daß ich – um dem Duelle einen blutigen Ausgang zu geben – den Abstand nur auf fünf Schritte bestimmt wissen wollte, daß aber Kleefeld dies nicht zugab, und daß ich, vor dem zweiten Schusse, den Baron Linsmar aufforderte, besser zu schießen und, um sicherer zu treffen, mitten auf den Mann zu halten! – – Ich will gestehen, daß ich keinen Arzt zum Duell bestellt habe, obgleich ich Kennau und Linsmar dies glauben machte; ich war zu sehr von der Idee durchdrungen, daß einer auf dem Platze bleiben müsse! – Ich will gestehen, daß ich nach Kennaus Fall den Rat gab, den Getöteten in den Verdacht des Selbstmords zu bringen, und daß wir alles getan haben, was wir zur Erreichung dieser Absicht für gut hielten. Dies gereichte zu unserer Sicherheit und entsprach meinem abscheulichen Plane: Marie von Oller hätte gewiß den Selbstmörder eher vergessen, als den im Zweikampf Gefallenen! – Ich will gestehen, daß ich meinen Handschuh nebst dem Siegelring, um ihn bei unserm Lügenwerk nicht zu beschmutzen, irgendwohin gelegt, vergessen und nicht den Mut gehabt habe, ihn zu suchen. Ich will endlich gestehen, daß ich zur Erreichung meiner Absicht den Baron Linsmar zur Flucht nach Italien zu bestimmen suchte ...

Dreil, im Arresthause, am 7. Juli 1830.

Karl von Zahn.

 

Durch Erkenntnis des Kriminalobergerichts vom 19. August 1830 wurde »der bisherige Kammerassessor Karl von Zahn – geständig und überführt, daß er böslicherweise und zur Erreichung eigennütziger Zwecke das am 22. Mai d. J. zwischen dem Baron von Linsmar und dem Oberleutnant von Kennau sekundierte und als Kennaus Sekundant den Baron von Linsmar arglistigerweise zum Zorne reizte, dem so Gereizten dann die Stelle bezeichnete, wo er den Gegner treffen solle – auf Grund des Duellmandats vom 2. Januar 1708 zur Todesstrafe verurteilt.« Gleiche Strafe sprach das Gesetz über den Leutnant Kleefeld aus, und beider Körper sollten auf dem Richtplatz beerdigt werden. Baron von Linsmar wurde zu zehnjährigem Festungskerker, Oberleutnant Anton Stopfel zu sechswöchentlichem Arreste verurteilt, weil er von dem Duelle Kenntnis hatte und es durch Anzeige bei der Obrigkeit nicht zu verhindern suchte.

 

Das Urteil kam nicht zur Vollstreckung. Durch landesherrliche Verordnung wurde Assessor von Zahn zu zwanzig, Leutnant Kleefeld zu drei, und Baron Linsmar zu acht Jahren Festung begnadigt, dem Oberleutnant Stopfel aber jede Strafe erlassen.

 

Zahn bezeugte wenig Freude, als man ihm die Milderung des Spruches ankündigte. Das Leben biete ihm nichts mehr, sagte er, und er hätte den Tod vorgezogen.

 

Marie von Oller, die seit Juli 1830 das Krankenlager nicht mehr verlassen hatte, starb aus Kummer, ehe der Todestag ihres Verlobten sich zum ersten Male erneuerte.

Goya


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