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Urbain Grandier

Urbain Grandier wurde als Sohn eines Notars um das Jahr 1600 in einem kleinen Orte der Niedermaine geboren. Die Jesuiten in Bordeaux übernahmen seine Erziehung. Sie waren dermaßen mit ihrem Zögling zufrieden, daß sie ihm in Loudun, einem Städtchen in Poitou, die einträgliche Pfarrei zu St. Peter und außerdem noch eine Pfründe an der dortigen Heiligen-Kreuz-Kirche verschafften.

Der junge Priester war ein schöner, großer Mann, von edler, würdevoller Haltung und mit lebhaften, durchdringenden Augen. Er liebte es, gut gekleidet zu sein, ohne doch wie ein Geck auszusehen. Im Verkehr war er gesprächig, aber in einer Weise, die den feinen Denker und gründlichen Gelehrten erkennen ließ. Als Kanzelredner erwarb er sich rasch einen Ruf; die Predigt, die er beim Tode eines geachteten Schriftstellers jener Tage gehalten, ist im Druck erschienen und rechtfertigt den Ruhm, welchen seine Zeitgenossen ihm zollten.

Die Bettelmönche hatten bis dahin in Loudun und der umliegenden Gegend für die besten Prediger gegolten, und ihr Ruhm war einträglich für ihre Kasse gewesen. Urbain entriß ihnen Ehre und Vorteil zugleich. Er bemühte sich, sie auch aus der Seelsorge zu verdrängen, predigte wider die Brüderschaften und ermahnte die Leute, sich in allen Herzensbedrängnissen lieber an ihre Ortspfarrer zu wenden, welche es aufrichtiger mit ihnen meinten. Auch die Waffen des Witzes brauchte er gegen die Mönche – mit zu gutem Erfolg: Die Karmeliter, vom Volke verspottet, wurden die erbitterten Feinde dessen, der sie lächerlich gemacht hatte.

Dabei war Grandier schon an und für sich als Fremder und Eindringling in Loudun bei gewissen Leuten, die ihm seine Stellung neideten, unbeliebt. Und das Talent, durch Geschmeidigkeit sich seine Gegner zu versöhnen, besaß er durchaus nicht. Mit einem Stolz, der an Übermut grenzte, betrug er sich wider sie; und wenn er einen Sieg erstritten, nützte er seinen Vorteil mit unerbittlicher Härte aus. Auf diese Weise hatte er sich zwei Todfeinde erworben: den Priester Mounier und den Kanonikus Mignon. Ein dritter, nicht minder gefährlicher Gegner kam hinzu. In einem Wortwechsel behandelte Grandier eines Tages den Präsidenten des Steueramtes von Loudun, Barot, mit solcher verächtlichen Geringschätzung, daß die Gelassenheit selbst nicht hätte unempfindlich bleiben können. Barot war sehr reich, er war Mignons Verwandter und hatte in der Stadt Vettern und Basen in großer Anzahl, die alle vor dem gnädigen Oheim und der zu erwartenden Erbschaft auf den Knien lagen. Diese Sippschaft hetzte den halben Ort gegen Urbain auf; er stand fast allein und bewarb sich in seinem Hochmut um keine Verbündeten.

Und doch hätte er sie bei seinem Lebenswandel wohl brauchen können. Er war den Frauen gefährlich und galt für unwiderstehlich. Die Eifersucht minder glücklicher Nebenbuhler, der Haß von Ehemännern und Vätern gegen ihn, der kraft seines Amtes in den Häusern Zutritt und so leicht Gelegenheit hatte, die Weiber zu bezaubern, vermehrte die Zahl seiner Feinde. So hieß es einmal, daß die schöne Tochter des königlichen Prokurators Trinquant sich ihm ergeben und ein Kind von ihm gehabt habe. Der Vater strengte deshalb in blindem Zorn einen Prozeß an, der ihm zu nichts nützte und weder Urbains noch seiner Tochter Schuld ans Licht brachte; aber ihn selbst machte die Klage zum Gespött der Leute. Den Fehltritt der Tochter hätte Trinquant vielleicht, diese Folge konnte er Urbain nie vergeben.

Verfehlungen in seinem Verkehr mit Frauen hat sich Grandier sicher zuschulden kommen lassen, nur pflegte man im allgemeinen über solche Vergehungen von Geistlichen damals nicht allzu streng zu urteilen: sagte man doch selbst dem zu Grandiers Zeit ersten Manne Frankreichs, dem Kardinal Richelieu, nach, daß er für Frauenreiz nicht unempfindlich sei! – Wenn übrigens Grandier seine Schwäche nicht eingestand, so geschah das kaum aus heuchlerischen Motiven: man fand unter seinen Papieren eine geistvoll geschriebene Abhandlung »Gegen das ehelose Leben der Priester«.

 

Seine Feinde, die sich bei Barot versammelten und durch den Advokaten Menuau – der Urbain im Verdachte des Umganges mit seiner Geliebten hatte – verstärkt wurden, ließen durch zwei schlechte Kerle bei den Gerichten eine Klage gegen den Priester erheben, weil er keine Religion besitze, niemals sein Brevier lese, mit Weibern und Mädchen Unzucht getrieben und sogar in seiner eigenen Pfarrkirche einer Frau Gewalt angetan habe. Während dieser Prozeß gegen Urbain vor dem Richter Chauvet schwebte, gefiel sich einer seiner Gegner, Durhibaut, darin, bei gemeinschaftlichen Bekannten mit den gehässigsten Schimpfworten gegen den Priester loszuziehen. Urbain hörte davon, und als er eines Tages im Chorhemd nach seiner Kirche ging, um das Hochamt abzuhalten, und Durhibaut auf der Straße antraf, stellte er ihn – gewiß sehr unpassend für den Augenblick – zur Rede. Statt zu antworten, schlug ihm Durhibaut mit dem Rohrstock mehrmals über den Kopf.

Urbain eilte nach Paris, warf sich dem Könige zu Füßen und flehte für diese einem Priester zugefügte Beleidigung um Genugtuung, die ihm auch der entrüstete Monarch versprach. Bevor dieser neue Prozeß verhandelt wurde, brachten seine Gegner es fertig, die Klage gegen ihn selbst vor das geistliche Gericht zu bringen. Grandier wurde vor diesem als ganz verworfener Mensch gebrandmarkt; durch die Behauptung, er maße sich bischöfliche Gewalt an, gelang es, auch den Bischof von Poitiers, Urbains nächsten Vorgesetzten, gegen ihn einzunehmen. Urbain mußte zwei Monate in einem düsteren, feuchten Gefängnisse, in das ihn der Prälat werfen ließ, schmachten, indes die Zeugen vor dem geistlichen Gerichte furchtbare Dinge gegen ihn aussagten; und so sicher waren die Verbündeten ihres Erfolges, daß sie schon, mit Erlaubnis des Bischofs, einen der Barot'schen Vettern in den Besitz von Grandiers Pfründe setzten.

Jetzt aber rief der Beklagte das Pariser Parlament an, und nach dessen Entscheidung kam der Prozeß wieder vor die weltlichen Richter. Und als aufs neue Chauvet die Untersuchung führte, gaben viele Zeugen ganz andere Antworten, als die, welche die geistlichen Richter zu Protokoll genommen hatten; einige widerriefen geradezu und bekannten freiwillig, sie wären, besonders vom Prokurator Trinquant, bestochen worden, um falsches Zeugnis abzulegen. Ja, es fanden sich untrügliche Beweise, daß man bei dem geistlichen Gerichte Dinge zu Protokoll gebracht, die den Zeugen niemals in den Sinn gekommen waren: Zwei Priester beteuerten feierlich, man habe ihre Aussage durch und durch verfälscht.

Den Anklägern hatte der Prozeß viel Geld gekostet, und er versprach, wie nun die Sachen standen, wenig Erfolg mehr. Keiner der vielen Ehemänner und Liebhaber der des Umgangs mit Grandier bezichtigten Frauen war zu einer Aussage gegen diesen zu bewegen. Obgleich der Bischof von der Kanzel herab die, welche von seinen Freveltaten etwas wüßten, aufforderte, sich dem Gericht zu melden, erschien niemand. Am 25. Mai 1631 wurde Urbain Grandier von den gegen ihn erhobenen Anklagen freigesprochen.

Seine Feinde sollten noch mehr beschämt werden. Der Erzbischof von Bordeaux, der Vorgesetzte des Bischofs von Poitiers, untersuchte, als man bei ihm Berufung einlegte, die Sache selbst nochmals, und sprach Urbain Grandier von allen ihm zur Last gelegten Verbrechen völlig frei, setzte ihn wieder in sein Amt ein und überließ es ihm, auf Schadenersatz zu klagen.

Der Erzbischof war ein umsichtiger Mann. Er erkannte die Gefahr, welche dem vereinzelten Priester mitten unter so erbitterten Feinden drohte. Er gab ihm den freundlichen Rat, seine Pfründe zu vertauschen und versprach, ihm anderswo, in Anerkennung seiner ausgezeichneten Fähigkeiten, eine angemessene Stellung zu verschaffen. Urbain Grandier lehnte das Anerbieten ab. Er wollte seinen Feinden trotzen. Möglich auch, daß eine zärtliche Neigung es ihm schwer oder unmöglich machte, von Loudun fortzugehen.

Aber er tat noch mehr. Recht um seine Gegner zu reizen, hielt er bei seiner Rückkehr nach Loudun einen förmlichen Triumphzug und trug dabei einen Lorbeerzweig in der Hand. Seine Freunde bedauerten diese Überhebung, seine Feinde sannen auf neue Möglichkeiten, ihre Rache zu kühlen.

Das Parlament hatte die Entscheidung über die Klage Urbains gegen Durhibaut vertagt, bis gegen den ersteren selbst erkannt worden war. Jetzt sorgte Grandier mit allem Eifer dafür, daß der Prozeß gegen seinen Beleidiger zu Ende geführt wurde, er erlangte auch ein günstiges Urteil, das er unnachsichtlich vollstrecken ließ. Durhibaut mußte einen öffentlichen schimpflichen Verweis mit entblößtem Kopfe anhören und ward zu verschiedenen Geldbußen und zur Zahlung aller Kosten verurteilt. Auch damit noch nicht zufrieden, schickte Urbain sich an, feine geheimen Angeber und Widersacher beim Parlament zu verfolgen, und strengte Entschädigungsklagen gegen sie alle an. Vergebens warnten ihn seine Freunde, vergebens malten sie ihm aus, daß er sich schutzlos in einem Lager aufs äußerste erbitterter Feinde befinde, die er nicht unnötig reizen möge.

Er hörte nicht auf sie und schleuderte so selbst die Fackel in den Scheiterhaufen, der ihn verzehren sollte.

 

Einige Jahre vor diesen Begebenheiten hatte sich in der Stadt Loudun ein Ursulinerinnenkonvent gebildet. Das Kloster war noch arm, obwohl junge Damen aus den ersten französischen Familien sich darin als Nonnen hatten aufnehmen lassen. Die Priorin, ein schönes junges Mädchen, war die Tochter eines Marquis von Cose und nahe verwandt mit dem Staatsrat von Loubardemont. Es befanden sich unter den Nonnen Basen des allmächtigen Richelieu, des Erzbischofs von Bordeaux und anderer vornehmer Männer. Dennoch waren die Mittel der Konventsmitglieder so beschränkt, daß sie als Kloster ein gemietetes Privathaus benützen und ihren Lebensunterhalt durch die Aufnahme und den Unterricht von weiblichen Zöglingen gewinnen mußten.

Ihr erster Beichtvater, Moussant, ein kluger, aufgeklärter Geistlicher, starb. Bald darauf hörte man, in dem Hause der Nonnen ginge es um: es sei der abgeschiedene Geist des Beichtvaters, der keine Ruhe finden könne. Einige der jüngeren Nonnen und Kostgängerinnen belustigte das Gerücht, und sie beschlossen, es zu einem Spaße zu benutzen. Sie standen des Nachts heimlich auf und ließen Türen und Fensterladen klappern, rutschten Stühle hin und her und rollten Fässer. Die Wirkung aus ihre Mitschwestern war so aufmunternd, daß sie in ihrem Spiele immer dreister wurden. Sie stiegen aufs Dach, vom Dach aus auf die Oberböden, gingen von da in die Schlafkammern der Kostgängerinnen und trieben allerhand tollen Spuk, so daß der Glaube unter den geängsteten Nonnen Wurzel faßte, der Geist dringe durch festverschlossene Türen. Das Gespenst aber hatte einen Bundesgenossen in der fünfzehnjährigen Pensionärin Marie Aubin, welche – wie sie später selbst erzählte – nachts, wenn die anderen schnarchten, heimlich den Riegel zurückschob, um den Geisterbesuch einzulassen. Nachher vermehrte sie den Schrecken ihrer Mitschwestern, indem sie mit entsetzlichen Gebärden sich wimmernd in ihren Betten begrub, sobald das Gespenst eingetreten war. Diesen unschuldigen Anfang hatte die späterhin weltberühmte Historie von den Besessenen von Loudun, woran man damals freilich bald nicht mehr erinnern durfte, wenn man einigen Respekt vor Kerker und Scheiterhaufen hatte. Marie Aubin beteuerte aber noch im Alter von fünfundsechzig Jahren, daß die Geschichte so und nicht anders begonnen habe.

Es traf sich nun, daß einer der oben erwähnten Geistlichen, der Kanonikus Mignon, zum Nachfolger Moussauts erwählt wurde. Er war ein kluger Mann, und es gelang ihm bald, das Vertrauen der Nonnen zu gewinnen. Da stellte es sich denn heraus, daß es sich bei dem Spuk im Kloster durchaus nicht bloß um kindische Spielereien gehandelt hatte. Nachdem Mignon lange und wiederholt mit der Priorin und zwei oder drei anderen Nonnen gesprochen, kam er zur Erkenntnis, daß diese in allem Ernst vom bösen Feind besessen seien, und wacker mühte er sich nun, durch Beschwörung der Nonnen zu ermitteln, durch wessen Schuld der Teufel Macht über sie erlangt hatte.

Auf das Gerücht vom Treiben des Höllenfürsten hin erschien plötzlich der Kanonikus Barre aus Chinon in feierlicher Prozession an der Spitze seiner Pfarrkinder vor den Toren von Loudun. Fünf Meilen war er zu Fuß gewandert, um seinem Konfrater in dem heiligen Werke der Beschwörung der Unglücklichen beizustehen.

Gegen zwölf Tage mühten sich nun beide insgeheim um die Besessenen; dann aber schien ihnen die Zeit gekommen, die Qualen der Unseligen dem frommen Volke vor Augen zu führen. Sie holten dazu die Genehmigung des Bischofs von Poitiers ein und machten dem Amtmann der Landschaft, Wilhelm von Cerisey, und dem Richter Chauvet Anzeige von zwei im Ursulinerinnenkloster ohne allen Zweifel vom Teufel besessenen Nonnen. Beide wurden aufgefordert, von Amts wegen eine Sache zu untersuchen, welche das größte Aufsehen erregen müsse.

Die zwei obrigkeitlichen Personen begaben sich ins Kloster, an dessen Türe sie Mignon, in Chorhemd und Stola, empfing. Nach seinem Berichte waren die armen Nonnen vierzehn Tage lang von Gespenstern und fürchterlichen Erscheinungen sehr geplagt worden, und endlich hatten die bösen Geister sich in den Leibern der Priorin und zweier Nonnen festgesetzt. Zwar habe er mit Unterstützung des Kanonikus Barre und einiger Karmeliter den bösen Geistern dermaßen durch Beschwörungen zugesetzt, daß sie acht bis zehn Tage lang von ihren Opfern abließen, allein in der vergangenen Nacht seien sie zu der Priorin und einer Laienschwester zurückgekehrt, und beide wären in diesem Augenblick in vollem Maße besessen. So viel er ermittelt, sei diese neue Besessenheit infolge eines Paktes zustande gekommen, dessen Abschluß durch einige Rosen beurkundet worden sei. Das Symbol des früheren Teufelsbundes wären drei schwarze Dornen gewesen. Der höllische Geist, der sich der Priorin bemächtigt, heiße Astaroth, der in der Laienschwester Zabulon.

Schon wollten die Beamten wieder fortgehen, da Mignon ihnen sagte, die armen Mädchen schliefen in diesem Augenblicke. Aber eine Nonne kam schnell heruntergelaufen und teilte mit: sie seien aufgewacht, und ihre Anfälle hätten wieder begonnen. Man verfügte sich in eine obere Kammer, wo sieben Betten standen; in einem lag die Priorin, in einem anderen die Laienschwester. Die übrigen Nonnen, der Kanonikus Rousseau und der Wundarzt Manouri waren zugegen.

Die Priorin galt für ein überaus schönes Mädchen; kaum aber hatte sie die beiden Beamten erblickt, da entstellten sich ihre Züge so, daß ihr Aussehen gräßlich und fürchterlich ward. Sie quickte wie ein junges Schwein und warf sich wie eine Rasende im Bett herum. Mignon steckte zwei Finger in ihren Mund, ohne Furcht, vom Teufel gebissen zu werden; und nach verschiedenen Beschwörungsformeln, die den höllischen Geist zum Gehorsam zwingen sollten, begann er mit dem Teufel im Leibe der Priorin ein Verhör. Folgende Fragen und Antworten – nach dem Brauch bei Beschwörungen in lateinischer Sprache – folgten einander zur nicht geringen Verwunderung der Beamten:

Frage: » Propter quam causam ingressus es in corpus hujus virginis?« (Aus welcher Ursache bist du in den Leib dieser Jungfrau gefahren?)

Die Stimme: » Causa animositas.« (Aus Haß.)

Frage: » Per quod pactum?« (Unter welchem Bundeszeichen?)

Die Stimme: » Per flores.« (Blumen.)

Frage: » Quales?« (Was für Blumen?)

Die Stimme: » Rosas.« (Rosen.)

Frage: » Quis misit?« (Wer sandte sie?)

Die Stimme: » Urbanus.«

Dieses Wort ward mit einigem Stocken ausgesprochen, als würde das Geständnis nur durch die gewaltigste Anstrengung des Beschwörers hervorgelockt.

Frage: » Dic cognomen!« (Nenne den Zunamen!)

Die Stimme: » Grandier.«

Auch dieser Name kam nur wie nach großer Überwindung heraus.

Frage: » Dic qualitatem!« (Nenne seinen Stand!)

Die Stimme: » Sacerdos.« (Priester.)

Frage: » Cuius ecclesiae?« (An welcher Kirche?)

Die Stimme: » Sancti Petri.«

Diese Worte kamen ebenfalls nur schwer aus dem Munde der Besessenen.

Frage: » Quae persona attulit flores?« (Was für eine Person hat die Blumen gebracht?)

Die Stimme: » Diabolica!« (Eine teuflische!)

Nach dieser letzten Antwort kam die Priorin wieder zu sich und verlangte etwas zu essen. Die Beamten besprachen sich am Fenster mit dem Beschwörer und meinten, er hätte die Besessene auch nach der Ursache des teuflischen Hasses befragen sollen. Mignon entschuldigte sich damit, daß ihm jede vorwitzige Frage verboten sei.

Als man darauf der Laienschwester, gleichfalls einem sehr schönen Mädchen, das sich nicht minder gräßlich verdrehte, dieselben Fragen vorlegte, machte sie mit der Hand eine abwehrende Bewegung und rief: »Der andern, der andern!« Ihr Teufel mußte sich, vermutet man, nicht so sicher im lateinischen fühlen, um auf acht Fragen in dieser Sprache immer die passende Antwort finden zu können.

Der Vorfall wurde genau zu Protokoll genommen, wobei sich ergab, daß derselbe schon früher mehrmals sich ganz genau ebenso ereignet hatte, und zwar in Gegenwart des königlichen Prokurators Trinquant.

Spötter sagten, wenn der Teufel überhaupt Latein verstehe, so dürfe man doch annehmen, daß er es gewiß besser rede, als die Priorin, die wie ein Kind aus der Abcschule geantwortet habe. Man meinte, die Priorin habe gerade geschwiegen, als ihrem Teufel das Latein ausgegangen; drum hätte nicht mehr nach dem Grunde des Hasses gefragt werden können. Auch begriff man nicht, weshalb man zu der Beschwörung gerade die Karmeliter, Urbains Hauptfeinde, zugezogen, und fand es seltsam, daß wenige Tage zuvor sämtliche bekannte Gegner des Priesters sich in Trinquants Hause versammelt hatten.

Auch die beiden Beamten schienen vom Zweifel angesteckt. Als sie am folgenden Tage wieder ins Kloster kamen, stellten sie Mignon vor, daß bei dem Aufsehen, welches die Sache errege, es durchaus nötig werde, die Beschwörungen künftighin nur in Gegenwart der Obrigkeit und durch Teufelsbanner, welche von ihr erwählt seien, vorzunehmen; Mignons Eigenschaft als Beichtvater der Nonnen und als allbekannter Feind Urbains mache ihn beim Publikum verdächtig. Mignon schien ganz willig, den Befehlen der weltlichen Obrigkeit nachzukommen. Für ihn trat nun Barre auf und berichtete von unerhörten Dingen, welche ihm die arme Priorin bei einer Beschwörung unter vier Augen vertraut hatte. Demnach waren nicht weniger als sechs Teufel in ihrem Leibe, die alle Urbain Grandier hineingeschickt. Dieser habe sowohl die Rosen als die Dornen über die Gartenmauer werfen lassen, und von da an sei der Teufelsspuk losgegangen.

Als die Beamten an einem der nächsten Tage zu den Besessenen traten, konnten sie an der Priorin wieder heftige Zuckungen wahrnehmen, sie streckte die Zunge heraus, geiferte und schäumte. Als Barre sie fragte, wann der Teufel abziehen werde, antwortete sie » cras mane!« (morgen früh), wußte aber auf die andern Fragen nicht recht Bescheid zu geben, und stammelte endlich das Wort » finis!« (Ende). Die Spötter meinten, daß der eine der sechs Teufel, der an der Reihe zu antworten gewesen, sein Latein nicht recht inne gehabt und dem Kanonikus deshalb einen Wink habe geben wollen, aufzuhören. – Man stellte der Priorin späterhin das Ziborium, das Behältnis, in dem sich die Hostie befindet, auf den Kopf; als dann gewisse Heilige genannt wurden, fuhr sie in furchtbarem Schmerz zusammen. Barre befahl ihr, wie Herz und Seele, so auch ihren Körper in die Hand Gottes zu geben; sie antwortete: der Teufel habe ihn in seiner Gewalt, und sie besitze keine Herrschaft mehr darüber. Erst nach geraumer Zeit kam sie wieder zu sich, ihr Gesicht wurde heiter und ruhig, sie sah den Beschwörer lächelnd an und sagte, der Satan sei nicht mehr in ihr. Von allem, was mit ihr vorgenommen worden war, wollte sie nichts wissen. Doch gab sie genaue Auskunft darüber, wie sie zum ersten Male verhext worden sei. Es sei abends um zehn Uhr gewesen, sie wäre schon im Bette gelegen. Da hätte etwas ihre Hand ergriffen, diese geöffnet, drei schwarze Dornen hineingelegt und die Hand wieder zugedrückt. Weder sie noch die anwesenden Nonnen hätten etwas gesehen, aber die drei Dornen wären zu ihrem Schrecken in der Hand geblieben, und alle andern hätten sie drin erblickt.

Wie zur Bekräftigung ihrer Aussage tobte und kratzte es in dem Augenblicke hinter der Wand, eine Katze schoß aus dem Kamin und fuhr mit wenigen Sätzen auf einen Betthimmel. Der böse Feind schien in eigener Person gegenwärtig. Viele zitterten und wurden blaß, andere wollten fliehen; doch rissen zwei Beherzte das furchtbare Untier von seinem Sitze herunter, legten es aufs Bett der Priorin, und Barre griff den Teufel mit den kräftigsten Beschwörungsformeln an. Seine Bannflüche rührten aber die Katze wenig, sie blieb ruhig und freundlich auf dem Bette liegen, als hätte sie schon oft diesen Platz inne gehabt. Endlich kam man zur Überzeugung, daß das friedliche Tier niemand anders als die alte Hauskatze war.

Um zu ernsteren Dingen zurückzukehren, verbrannte man einen Strauß weißer verwelkter Rosen, welche das Zeichen des zweiten Paktes gebildet hatten. Die Anwesenden zogen mit aller Kraft die Luft in die Nasen; zu ihrer großen Verwunderung hinterließen aber die Rosen nicht den geringsten infernalischen Gestank.

 

Anfänglich hatte Urbain Grandier die Beschwörungen als eine lächerliche Komödie betrachtet, die mit Schimpf und Schande für ihre Urheber endigen werde. Als er aber den Ernst sah, mit dem man verfuhr, übergab er am 12. Oktober 1632 dem Amtmann eine Schrift, worin er die ganze Sache als einen von Mignon ins Werk gesetzten Betrug darstellte; er wies darauf hin, daß er Mignon schon in einer anderen Sache der giftigsten Lästersucht überführt hatte. Drum trug er darauf an, daß man jede der angeblich Besessenen an einem abgesonderten Ort in sorgsame Aufsicht und Verwahrung nähme und sie dann befrage; wenn man fände, daß eine Beschwörung nötig sei, so solle man Teufelsbanner von anerkannter Ehrlichkeit, und nicht so verdächtige Leute wie Mignon und seine Anhänger damit beauftragen. Der Amtmann verwies den Priester an den Bischof von Poitiers.

Aber dieser wollte weder Urbain empfangen, noch dessen schriftliche Beschwerden entgegennehmen. Urbain erkannte, welch fürchterliches Ungewitter sich über seinem Haupte zusammenzog. Der Bürgermeister von Loudun selbst, ein Edelmann namens René de Silli, reich, von großem Einfluß, unter dem besondern Schutz des Kardinals Richelieu stehend, schlug sich zur Partei seiner Feinde. In seiner Bedrängnis gab nun der Verfolgte eine neue Klage bei der weltlichen Obrigkeit ein, beschwerte sich über ihm zugefügte Beschimpfungen und erbat sich den Schutz des Königs. Der Amtmann entschied, daß seinem Gesuch willfahrt und männiglich untersagt werden solle, ihm irgendwie zu nahe zu treten.

Mignon protestierte feierlich hiergegen: er erkenne die Gerichtsbarkeit des Amtmanns in dieser Sache nicht an. Grandier sei Priester und Kanonikus so gut als er, beide gehörten in einen Sprengel und könnten daher keinen andern Richter haben als ihren gemeinschaftlichen Bischof. Er scheue das Licht einer gerichtlichen Untersuchung nicht und sei bereit, sich im Gefängnis dem Gericht zur Verfügung zu stellen, und fordere seinen Gegner auf, ein gleiches zu tun.

Der Amtmann, ein verständiger und pflichtgetreuer Beamter, ließ sich, solange keine höheren Rücksichten ihn hemmten, durch die Wut der Gegner des Priesters nicht abhalten, mit Umsicht und Gerechtigkeit die ärgerliche Sache zu untersuchen. Ihm und allen Vernünftigen mußte es auffallen, daß der Kanonikus Barre am 12. Oktober bei der Beschwörung den Beamten versprach: wenn sie am folgenden Tage wiederkämen, würde der Teufel verständlicher als sonst reden. Wie konnte der Beschwörer Ereignisse voraussehen, die von der Laune des Teufels abhingen?

Am nächsten Tage ließ Barre die Beamten eine Stunde in einem gegenüberliegenden Hause warten, angeblich weil die Nonnen in der Vorbereitung auf die Kommunion begriffen wären. Inzwischen rückte er, gegen das Verbot der weltlichen Behörde, dem Teufel in den Besessenen allein zu Leibe, und dabei war es ihm gelungen, wie er behauptete, den Höllenfeind auszutreiben. Der Amtmann drückte ihm sein Befremden aus über die Kühnheit, die Obrigkeit eine Stunde warten zu lassen und während dieser Zeit dem Befehle derselben entgegenzuhandeln, was den Verdacht des schändlichsten Betrugs erregen müsse. Barre hatte keine andere Entschuldigung, als daß alles, was er getan, auf die Verherrlichung des göttlichen Namens abziele. Er versprach dafür in acht Tagen eine große Begebenheit, die allen Zweifel entfernen würde.

Aber der Teufel war ungehorsam, oder, wie manche meinten, ungelehrig, er zeigte sich nicht allein acht Tage, sondern einen ganzen Monat lang nicht. Erst am 22. November meldete er sich wieder. Als aber der Amtmann dem Kanonikus Barre ausdrücklich verbot, die Besessenen über Dinge zu befragen, die zu Grandiers oder eines andern Schaden gereichen könnten, protestierte Barre feierlich gegen diese Anmaßung der weltlichen Obrigkeit und erklärte, daß er nur von seinen geistlichen Vorgesetzten Befehle zu empfangen habe. Und zugleich wies er einen Auftrag des Bischofs von Poitiers vor, wonach die Beschwörungen fortzusetzen seien.

Die ganze Sache artete jetzt in einen versteckten Kampf zwischen der bürgerlichen und der geistlichen Obrigkeit aus. Der Amtmann verordnete, daß Grandiers Gesuch nachgegeben werde, und die Priorin sowie die Laienschwester, jede für sich, in ein Bürgerhaus zu sorglicher Beaufsichtigung gebracht werden solle. Niemand als die Beschwörer und auch diese nur in Gegenwart anerkannt rechtlicher und bei der Sache unbeteiligter Personen, dürften zu ihnen gelassen werden. Aber die Priorin erklärte, sie sei der Gerichtsbarkeit des Amtmanns nicht unterworfen, der Bischof sei ihr Richter, sie dürfe ihre Klausur nicht verlassen, wenn nicht ihr geistlicher Oberer ihr Dispens gebe. Angesehene Männer und Frauen, welche im Kloster Verwandte hatten, drohten, den Beamten selber zu belangen, wenn er seinen ungerechten Befehl ausführen lassen wolle. Dieser mußte daher vorderhand seine Absicht aufgeben und erst ein neues Verfahren über die Rechtmäßigkeit seines Vorgehens einleiten.

Inzwischen wurde mit den Beschwörungen in der bisherigen Weise und in Gegenwart der Beamten fortgefahren, ohne andere Resultate, als daß das Latein des Teufels immer verdächtiger wurde. Barre forderte einmal die Priorin auf: » Adora Deum tuum, creatorem tuum!« (Bete deinen Gott an, deinen Schöpfer!) und sie erwiderte: » Adoro te!« (Ich bete dich an!); als er aber schnell fragte: » Quem adoras?« (Wen betest du an?) antwortete sie statt des Akkusativs » Jesum Christum« den Nominativ » Jesus Christus!« – »Das ist ein Teufel, der nicht viel Grammatik im Kopf hat!« rief ein Beisitzer des Gerichts, und andere meinten, das sei doch auch für den Teufel zu schlechtes Latein. Die Schwester Klara, die besessene Laienschwester, rief unterdessen fortwährend »Grandier! Grandier!« auch stieß sie so unflätige Reden aus, daß billigerweise niemand an einer Anwesenheit des Teufels bei dem schönen Mädchen zweifeln konnte. Mit dem Latein ihres Teufels sah es aber auch sehr böse aus. Auf die Frage »Durch welchen Bund ist der Teufel in dich gefahren?« antwortete sie: » Duplex!« (Zweifach!), was keinen Sinn gab. Ein andermal, als man den Teufel nach Grandiers Stand fragte, antwortete er: » Curatus«. Er machte aus dem französischen » Curé« ein lateinisches Wort, das wenigstens auf der Oberwelt nicht existierte. Als man wissen wollte, unter welchem Bischof dieser Grandier die Tonsur erhalten habe, antwortete der Teufel ganz treuherzig: » Nescio!« (Ich weiß es nicht!) Da es mit dem Latein so schlecht ging, forderte der Amtmann den Beschwörer auf, er solle den Teufel zwingen, alles das griechisch zu wiederholen, was er lateinisch so schlecht beantwortet; aber Barre mochte ihn noch so furchtbar bedräuen, er wollte kein griechisches Wort von sich geben, und als er heftiger in ihn drang, kam die Nonne sehr bald wieder zur Besinnung; der Teufel war dem Griechisch entlaufen.

Einmal brachte der Teufelsbanner der Besessenen eine Hostie in den Mund und verbot dem höllischen Geist, sie zum Erbrechen zu reizen. Der Teufel gehorchte, und der Pfarrer ließ die Gequälte dreimal Wasser trinken. Ein Schottländer, Stracan, der Direktor des Kollegiums von Loudun, verlangte, der Teufel solle das Wort »Wasser« auf schottisch sagen. Die Priorin antwortete, was dem Teufel oft aus der Verlegenheit half: » Nimia curiositas!« (Das ist eine vorwitzige Frage!) Dennoch bestand man auf der Forderung Stracans. Der Teufel wollte nun ohne Zweifel antworten: » Deus non vult!« (Gott will nicht!), aber er versprach sich und rief: » Deus non volo!« (Der Gott ich will nicht!) Barre konnte dies schlechte Latein nur damit entschuldigen, daß er sagte, die Forderung, der Teufel solle auch schottisch sprechen, sei doch allzu töricht. Aber wer von Beschwörungen etwas verstand, der wußte, daß das Vermögen, fremde Sprache zu reden, und von Dingen, die in den entferntesten Ländern vorgingen, im Augenblick, da sie sich begeben, Kenntnis zu haben, das untrüglichste Merkmal der Besessenheit seien. Darauf verwies man Barre. Er stellte es nicht in Abrede, versicherte auch, der Teufel verstünde recht gut die schottische Sprache, er wolle nur diesmal nicht schottisch sprechen. Er könne aber noch weit schwierigere Dinge, als schottisch reden; so solle er auf der Stelle, wenn es den Herren gefällig sei, alle geheimen Sünden des Herrn Amtmanns herzählen. Dem Beamten war dies jedoch nicht gefällig, da er stark vermutete, daß der Teufel alles mögliche Stadtgeklätsch zum Vorschein bringen würde. Dagegen meinten andere, der Böse könne sich durchaus nicht weigern, hebräisch zu reden, da er diese Sprache bei seinem langen Leben sich jedenfalls müsse gut angeeignet haben. Aber selbst das einfache Wort »Wasser« zauderte der Höllenfeind, hebräisch zu nennen. Die Nonne stockte, und endlich sprach sie mit leiser zitternder Stimme einige Worte, von welchen alle näher Stehenden behaupteten, sie hätten gelautet: » Ah! je renie!« (Ach, ich widerrufe!) Aber ein Karmeliter, der in einem entfernten Winkel gestanden, versicherte, sie hätte gesagt: » Zaquacq«, welches ein hebräisches Wort sei und soviel bedeute als: »Ich habe Wasser ausgeschüttet!« Was beweist, daß nicht nur der Teufel, sondern auch der Karmeliter vom Hebräischen nicht viel verstand.

 

Die weltliche Behörde durchschaute wohl den ganzen Anschlag, aber mehr und mehr stand sie dem Treiben im Kloster machtlos gegenüber. Die Sache fing indessen an, in ganz Frankreich Aufsehen zu erregen. Die Königin, begierig, die Wahrheit über den Fall zu erfahren, sandte ihren Almosenier Marescot nach Loudun, damit er die Angelegenheit aufs gründlichste untersuchen solle. Die weltlichen Beamten fürchteten, daß dieser Geistliche sich leicht durch Mignon und Barre könne gewinnen lassen; trotz des Protestes der Nonnen wollten sie daher auch der bevorstehenden neuen Beschwörung beiwohnen. An der Pforte des Klosters erklärte ihnen aber eine Nonne, man werde sie nicht einlassen; denn sie hätten in der Stadt ausgesprengt, die ganze Besessenheit sei nichts als Betrügerei und Verstellung. Das mußten die ersten Gerichtspersonen in ihrer eignen Stadt auf offener Straße sich sagen lassen! – Nun kam Barre in voller priesterlicher Kleidung, den Almosenier an der Seite, und sagte: er werde den Beamten nicht verweigern, hereinzukommen, aber selbst tun, was ihm beliebe; er sei ein ehrlicher Mann, kenne die Pflichten eines Beschwörers und werde sich durch die obrigkeitlichen Personen nicht zu irgendwelchen Fragen bestimmen lassen. Der Amtmann gab zornig Antwort, und ein ärgerliches Gezänk entstand vor dem Eingang zum Kloster. Endlich entfernten sich die Beamten mit der ohnmächtigen Verwarnung: Barre solle sich nicht unterstehen, irgendeinen Menschen, wer es auch sei, zu verunglimpfen. Barre schrie ihnen nach, sie hätten ihm nichts zu befehlen, und warf die Klostertüre hinter sich zu.

Urbain sah ein, daß seine Gegner auf Grund der von ihnen veranstalteten Gaukeleien zu vernichtenden Schlägen gegen ihn ausholten. In dieser höchsten Not wandte er sich an seinen früheren Beschützer, den Erzbischof von Bordeaux, der gerade in einer Abtei unweit Loudun weilte. Der Kirchenfürst schickte auch auf Grandiers Bitte seinen Arzt in die Stadt, um die Besessenen zu untersuchen. Mignon, Barre und die übrigen kannten den überlegenen Geist des Prälaten zu gut, um es auf eine neue Beschwörung ankommen zu lassen: der Arzt wurde mit Aufmerksamkeit empfangen, er konnte aber nichts untersuchen, denn man kam ihm gleich mit der trostvollen Nachricht entgegen, daß alle besessenen Nonnen wunderbarerweise mit einem Male von den höllischen Geistern verlassen worden seien.

Urbain Grandier traute dem Frieden nicht, er bat aufs inständigste den Erzbischof, falls in Zukunft wieder eine Nonne vom Teufel besessen werde, durch unbescholtene Personen eine genaue Untersuchung vornehmen zu lassen. Der Prälat willfahrte seinem Gesuch und erließ am 27. Dezember 1633 eine eingehende Verordnung:

Zwei von ihm ernannte Patres hätten fürderhin zusammen mit Barre die Beschwörungen vorzunehmen. Die Besessenen sollten aus dem Kloster fortgenommen und in ein besonderes Haus gebracht werden. Keine andere Gesellschaft dürfte bei ihnen bleiben, als eine unverdächtige, vom Teufel nicht angefochtene Nonne. Drei der geschicktesten katholischen Ärzte sollten sie behandeln und genau untersuchen, ob die angebliche Besessenheit in der Einbildungskraft, im dicken Blute und in schlechten Säften ihren Ursprung habe, oder ob Bosheit und Betrug hinter der Sache steckten. Sollten aber wirklich übernatürliche Merkmale sich zeigen – sprächen die Besessenen laut aus, was ein Beschwörer dem anderen ins Ohr sage – wüßten sie von Dingen, die sich im Augenblick in weiter Ferne zutrügen – könnten sie, wenn man sie in fremden Sprachen anrede, in Sätzen von acht bis zehn Wörtern der betreffenden Sprache Antwort geben – hätten sie endlich, mit gebundenen Händen und Füßen auf einer Matratze auf der Erde liegend, das Vermögen, ohne jemandes Beihilfe sich in die Luft zu heben und eine geraume Zeit sich dort schwebend zu erhalten: wenn einer dieser Fälle einträte, alsdann erst solle man zur Teufelsbeschwörung schreiten. Bei Strafe des Bannes wurde jedem Priester untersagt, mit den Besessenen zu reden oder sie anzurühren. Um aber auch den Gegnern der Teufelsbanner den Mund zu stopfen, wurde allen Ungeweihten mit Ausnahme des Amtmannes und des Richters verboten, den Beschwörungen beizuwohnen. Bei der bekannten Armut der Ursulinerinnen wollte übrigens der Erzbischof aus seinem eigenen Beutel alle Ausgaben, welche die Isolierung und die Untersuchung der Besessenen erforderten, bezahlen.

Diese eingehende Verordnung des Erzbischofs bewirkte, was alle Beschwörer nicht vermocht. Sämtliche Teufel in den Leibern der Nonnen verhielten sich still, oder sie waren entflohen. Es war aus mit der Besessenheit in Loudun. Barre ging still nach seiner Pfarrei zurück, ebenso taten die anderen Geistlichen, die sich mittlerweile eingestellt hatten. Die Nonnen blieben ruhig in ihren Zellen.

Viele Eltern nahmen ihre Töchter aus dem zu schlechtem Ruf gelangenden Kloster; neue Schülerinnen kamen nur sehr spärlich. Für den Fall, daß die Nonnen darauf gerechnet hatten, durch die bei ihnen geschehenden Wunder ihrer Anstalt zu Macht und Ansehen zu verhelfen, sahen sie sich bitterlich enttäuscht.

So endete die Komödie. Das Trauerspiel konnte beginnen.

 

Kardinal Richelieu ließ die Festungen und Burgen im Inneren des Königreichs schleifen, damit die trotzigen Feudalherren und die aufsässigen Gouverneure der Provinzen an ihnen keinen Stützpunkt mehr gegen die Regierung fänden. Louduns Zitadelle befand sich unter der Zahl derer, welche abgetragen werden sollten. Der Staatsrat von Loubardemont, die dienstfertigste und geschmeidigste von Richelieus Kreaturen, wurde aus diesem Anlaß nach Loudun geschickt. In allen Gesellschaften mußte er die ärgerliche Geschichte von den besessen gewesenen Nonnen hören; ihm um so verdrießlicher, als seine eigene Verwandte, die Priorin, dabei eine besonders anstößige Rolle spielte. Grandiers Feinde wußten alle Schuld daran, daß die Sache einen so häßlichen Anschein gewonnen, auf diesen zu wälzen, und Loubardemont, der in seiner Nichte sich selbst beleidigt fühlte, schloß sich den zu des Priesters Untergang Verbündeten an. Um die Autorität des Erzbischofs von Bordeaux zu übergipfeln, mußte eine höhere Autorität gewonnen, Richelieu selbst mußte ins Spiel gezogen werden.

Das war leicht zu machen. Der große Staatsmann konnte durch keinen Widerstand, durch keine Schwierigkeiten aus der Ruhe gebracht werden, wohl aber durch Satiren und Schmähschriften. Als Richelieu einst seiner Gegnerin, der Königin-Mutter, weichen mußte und in Ungnade gefallen, war eine beißende Satire gegen ihn erschienen, »Die schöne Schusterin von Loudun« betitelt. Richelieu war darin als girrender Schäfer lächerlich gemacht, der in einer schwachen Stunde einer Geliebten manche nicht eben rühmliche Geschichten aus seinem Leben erzählt. Der Kardinal hatte sich vergebens bemüht, den Verfasser des Schriftchens zu ermitteln; desto entschlossener war er, sich an dem Spötter zu rächen. Durch Vermittlung der »grauen Eminenz«, des berühmten Kapuzinerpaters Joseph – alle Kapuziner waren gegen Grandier erbittert – wurde Richelieu die erste Mitteilung: es sei nicht allein ausgemacht, daß Urbain Grandier der Verfasser jener Schmähschrift sei, sondern auch, daß er in heimlichem Verkehr und Schriftwechsel mit des Kardinals Feindin, der Königin-Mutter, stehe. Eine bekannte Frau niederer Herkunft aus Loudun, die Hamon, welche sich des vollen Vertrauens der Königin erfreue, sei die Mittelsperson, und sie habe dem Priester im Auftrage der hohen Dame alle die kleinen Geheimnisse mitgeteilt, welche die Würze jener Satire ausmachten. Richelieus Gemüt war durch diese Nachricht so gut vorbereitet, wie nur die Verbündeten es wünschen konnten. Nun kehrte Loubardemont von seiner Mission zurück und hinterbrachte dem Kardinal die entsetzlichsten Dinge von den Besessenen in Loudun, Dinge, die er alle mit eigenen Augen angesehen habe. Es sei unzweifelhaft, daß Grandier ein Erzzauberer wäre, der die armen Nonnen mit teuflischer Bosheit gequält und noch immer weiter quälen werde, wenn nicht endlich die Obrigkeit mit Kraft und Entschiedenheit dem Unwesen steuere.

Richelieu, nie unentschlossen, war es gewiß nicht, wo es einen verhaßten Feind zu verderben galt. Er schien auch zu den Maßregeln, die er sogleich ergriff, vollkommen durch das, was aus Loudun gerade jetzt wieder ruchbar wurde, berechtigt; denn sobald Herr von Loubardemont von dort abgereist war, kamen alle durch den Erlaß des Erzbischofs von Bordeaux verjagten Teufel zurück und brachten noch Gesellschaft mit. Außer der Priorin und der Schwester Klara waren jetzt auch fünf weitere Nonnen besessen, sechs von teuflischen Anfechtungen geplagt und drei direkt behext. So aber hatte das Übel in der Stille um sich gegriffen, daß auch außerhalb des Klosters, in der Stadt, sechs Mädchen besessen und zwei behext waren; alle Beichtkinder des Kanonikus Mignon. Auch in Chinon, Barres Pfarrei, hatten sich zwei Teufel bei zwei Betschwestern einquartiert.

Da mußte wohl Richelieu helfen. Der geheime Rat erteilte dem Herrn von Loubardemont den Sonderauftrag, dem Kanonikus Grandier und seinen Mitschuldigen den Prozeß zu machen, wegen Zauberei, Bundes mit dem Teufel und all seiner anderen Verbrechen. Dabei solle er sich durch keinen Widerspruch, durch kein Protestieren und Appellieren, von wem oder an wen es sei, irre machen lassen; vielmehr wurde ihm völlige und unbeschränkte Macht über die Person Grandiers erteilt, und alle Behörden waren angewiesen, ihm nötigenfalls mit bewaffneter Macht beizustehen. – Der Erzbischof von Bordeaux war so ausgeschaltet.

Mit dieser Verfügung erschien Herr von Loubardemont am 6. Dezember 1633 ganz in der Stille in der Vorstadt von Loudun; nur Grandiers Feinde erhielten Nachricht und Zutritt. Einem Gerichtsbeamten wurde der Auftrag, Grandier am nächsten Morgen in aller Frühe zu verhaften. Dieser, ein Herr de la Grange, stand dem Komplotte fern. Er fand Mittel, den Priester zu warnen. Grandier dankte ihm für seine Großmut, erklärte aber: er vertraue auf seine Unschuld und auf Gottes Barmherzigkeit und werde nicht fliehen.

Die Verhaftnahme war ein Fest für seine Gegner. Sie erfolgte gerade, als Urbain in die Messe gehen wollte; alle Beteiligten hatten sich eingefunden, um sich an der Demütigung ihres Feindes zu weiden und zugleich den Beamten zu überwachen, dem man doch nicht recht traute. Grandier wurde nach dem Schlosse in Angers gebracht, in dem er vier Monate lang ohne Verhör blieb. Er beschäftigte sich mit dem Niederschreiben religiöser Betrachtungen. Die wirklichen Vergehungen, deren er sich schuldig gemacht, bekannte er seinem Beichtvater, dem Kanonikus Bacher, der sich nachmals gedrungen fühlte, Zeugnis für ihn abzulegen; natürlich, ohne damit Eindruck auf die Richter zu machen.

 

Die Gefangennahme Grandiers war dem geltenden Rechte nach ungesetzlich: Es lag keine auf eine Untersuchung hin gefertigte Klageschrift gegen ihn vor; in die Anklage wurden überdies Beschuldigungen einbezogen, von denen Grandier schon früher losgesprochen worden war. Aber gerade dies Überspringen der gesetzlichen Formen lag in der Absicht seiner Feinde. Die Verfolgung sollte den Anschein gewinnen, als ginge sie vom König selbst aus, um Urbains Verteidiger abzuschrecken, seinen Widersachern Mut zu geben.

 

Während man Grandier in Angers festhielt, wurde sein Haus eifrig nach Schriftstücken untersucht, die man gegen ihn ausspielen konnte. Aber das einzige, was einigermaßen brauchbar erschien, waren zwei Blätter mit Versen sehr freien Inhalts – übrigens nicht von Urbains Hand herrührend – und die schon erwähnte Abhandlung gegen das Zölibat, welche er, zur Beruhigung ihrer Gewissensskrupel, einer ungenannten Freundin gewidmet hatte. Unter den Schriften konfiszierte man aber auch alle Dokumente, welche zu seiner Verteidigung hätten dienen können, trotz des Widerspruchs seiner Mutter und seiner übrigen Angehörigen. Bei dem Verhör der Zeugen wurde in einer merkwürdigen Art verfahren. Der königliche Prokurator Richard schlich sich um Mitternacht in ein Haus, um zwei Weiber zu verleiten, gegen Grandier Zeugnis abzulegen und Dinge vorzubringen, die er ihnen angab. Sein eigener Schwiegersohn, der Advokat Fournier, der im bevorstehenden Prozesse die Stelle des Anklägers vertreten sollte, war darüber so entrüstet, daß er sein Amt niederlegte. Andere Schritte, von Grandiers Bruder, der jetzt Gerichtsrat in Loudun war, zu seiner Verteidigung unternommen, dienten zu nichts. Loubardemont ging ganz offen nur mit den Feinden des Verklagten um und suchte dem unbilligen Verfahren nicht einmal mehr einen Schein des Rechts zu geben. Er hörte auf keinen Widerspruch, zerriß die ihm eingereichten Beschwerden, ja, verbot den Gerichtsdienern bei Strafe, dergleichen Schriften ferner anzunehmen. Er vernahm alle Zeugen in Gegenwart von Grandiers Feinden, ließ, was sie zugunsten desselben aussagten, nicht protokollieren und stieß Drohungen gegen sie aus, wenn sie bei ihren Äußerungen beharrten.

Der Bischof von Poitiers nützte die Macht, welche die Furcht vor Richelieu ihm gab, um alle im Erlaß seines Vorgesetzten, des Erzbischofs von Bordeaux, gegebenen Bestimmungen aufzuheben. Von den Kanzeln herab ergingen Mahnreden, worin die angeblichen Verbrechen des Angeschuldigten (den man dabei gegen allen Brauch mit Namen nannte) mit den schmutzigsten Ausdrücken bezeichnet wurden; an die Gemeindeglieder erließ man den Befehl, anzugeben, was sie von der Sache wüßten. Am 2. Februar 1634 wurde Grandier selbst von Loubardemont und dem Stellvertreter des Bischofs, Demourant, in Angers vernommen. Sieben Tage dauerte das Verhör, und der Verklagte widersprach sich nicht ein einziges Mal; was er einräumte, war lediglich die Autorschaft der Schrift gegen das Zölibat. Loubardemont reiste dann auf zwei Monate nach Paris, ließ den Prozeß ruhen und den Angeschuldigten wieder ohne Verhör im Gefängnis schmachten. Bei seiner Rückkehr brachte er wieder einen Beschluß des geheimen Rats mit, durch welchen aufs neue alle und jede Berufung gegen sein Verfahren verboten und allen Gerichtshöfen aufs strengste untersagt wurde, sich in den Prozeß zu mischen.

Loubardemont, nunmehr unumschränkter Herrscher über Urbains Schicksal, ließ ihn nach Loudun bringen und in einem seinem Todfeinde Mignon gehöriges Haus einsperren, wo er Tag und Nacht durch die listige Frau eines Gerichtsdieners belauscht wurde. Was er redete und tat, ward von dieser den besessenen Nonnen hinterbracht, deren diabolische Kenntnisse auf diese Weise um ein Bedeutendes anwuchsen. Alles war jetzt wohl vorbereitet, und es kam nunmehr nur darauf an, der ganzen Sache zu guter Letzt doch einen gewissen Anstrich von Wahrheit und Gerechtigkeit zu geben.

Die besessenen Nonnen – es waren jetzt schon ihrer neun – wurden drum dem Scheine nach isoliert; in Wirklichkeit standen sie nach wie vor in andauerndem Verkehr mit den Beschwörern. Alle Beschwerden Grandiers, der das erfuhr, waren vergebens. Die ebenfalls zum Schein hinzugezogenen Ärzte waren unwissende Dorfbarbiere, Charlatans und anrüchige Charaktere. Einer von ihnen, Manouri, war Mignons Neffe und der Schwager einer Besessenen. Der zur Beschaffung der Arzneien für die Nonnen von Loubardemont bestellte Apotheker Adam aber war einer der früheren Ankläger Grandiers, und als solcher wegen Verleumdung durch das Parlament zur Kirchenbuße verurteilt worden. Adam, wie später erwiesen wurde, gab den Nonnen anstatt beruhigender Mittel solche, die Verzückungen erregen.

Bei der wiederaufgenommenen Zeugenvernehmung machten Freunde Grandiers Loubardemont einen seltsamen Vorschlag. Man erinnerte ihn an einen Fall aus der Geschichte der Kirchenväter. Der heilige Athanasius war auf dem Konzil zu Tyrus von einem Weib angeschuldigt worden, sie vergewaltigt zu haben. Athanasius hatte sie nie gesehen; ein Freund von ihm, der Priester Timotheus, setzte auf eigene Weise die volle Unschuld des Heiligen ins hellste Licht. Als das Weib vor der ganzen Versammlung erschien und seine Anklage öffentlich wiederholte, stand Timotheus auf und redete sie mit lauter Stimme an: »Was, du unterfängst dich, mich zu beschuldigen, dir die Ehre geraubt zu haben?« – »Ja, du und kein anderer hast mir Schmach angetan!« rief das Weib und gab zugleich Umstände, Zeit und Ort an. Die heilige Versammlung brach in ein lautes Gelächter aus, und damit war die Untersuchung beendet. – Grandier konnte, da keine von den in Frage kommenden Nonnen ihn je gesehen hatte, ein ähnliches Probestück wagen. Mehrere mit ihm gleichgekleidete Priester sollten den Besessenen sich zeigen; so werde die Wahrheit und des Angeklagten Unschuld sich klar herausstellen. Der Vorschlag, der für Grandier unter den obwaltenden Umständen von den mißlichsten Folgen hätte werden können, ward jedoch nicht angenommen.

Die öffentlichen Beschwörungen hoben nun wieder an. Ein Franziskaner, der Pater Lactantius, spielte von nun an die Hauptrolle dabei. Er hatte mehrere Tage mit den Besessenen in einem Hause gewohnt. – Da er wußte, wie wenig Latein der Teufel der Priorin verstehe, befahl er ihm, immer nur französisch zu antworten. Man hielt dies für eine unangemessene Höflichkeit gegen ein Wesen, das auf gar keine Zuvorkommenheit Anspruch zu machen hätte, zumal da der Teufel alle Sprachen müsse reden können. Lactantius aber erklärte, der Teufelsbund sei in diesem Falle nun einmal auf die Art geschlossen, daß Satan nicht lateinisch sprechen dürfe, auch gäbe es höllische Geister, die unwissender wären als der dümmste Bauer.

Wie die Rotte der Teufel in den Besessenen, so mehrte sich auch die Zahl der Beschwörer; von allen Seiten kamen sie herbei. Sie alle vertraten die Meinung: ein Teufel, der gehörig beschworen werde, sei gezwungen, die Wahrheit zu sagen. Zum Teil mögen sie das ehrlich geglaubt haben. Hier, wie im ganzen Prozesse, läßt sich nicht deutlich erkennen, wo der Aberglaube endet und der Betrug anfängt, jedenfalls mußten die Folgen des von den Teufelsbannern aufgestellten Satzes für den Angeklagten furchtbar werden.

In nicht weniger als vier Kirchen fanden jetzt die Beschwörungen statt, und jeder der Geistlichen, der in den Teufelspraktiken erfahren war, bearbeitete fleißig die auf seinen Anteil gefallenen Besessenen. Von den Ärzten und Apothekern wurden während des Prozesses sechsundzwanzig Berichte zu den Akten gegeben, alle mit dem Resultate: die Dinge, die sie gesehen, wären übernatürlich und widersprächen allen Grundsätzen der Heilkunde. –

Grandiers Wächterin hatte eines Tages bemerkt, daß er sich beim Brotschneiden am linken Daumen geritzt hatte. Die Priorin brachte daraufhin ein Stückchen Papier mit einem Tropfen Blutes zum Vorschein, als Zeichen eines neuen Paktes, durch den Urbain den Teufel Asmodi wieder mächtig in ihr gemacht habe. Loubardemont stürzte sogleich nach Grandiers Gefängnis, konnte aber kaum die geringe Verletzung an der Hand des Verhafteten entdecken. Indessen erinnerte sich der Teufel bei dieser Gelegenheit durch den Mund der Priorin, daß er an Urbains Leibe fünf verschiedene Male angebracht habe, die denselben an den betreffenden Stellen ganz unempfindlich machten. Man zog Grandier aus, verband ihm die Augen und schor ihm alle Haare am ganzen Körper ab. Der Wundarzt Manouri benutzte ein Eisen, das an einem Ende rund, am andern spitzig war. Wollte er zeigen, daß Grandier an einer Stelle des Leibes durch des Teufels Macht unverwundbar sei, so brauchte er das runde Ende: so viel er auch stieß, das Fleisch widerstand und drängte das Eisen zurück. Sollte ein Ort empfindlich sein, so wußte er mit Taschenspielergeschicklichkeit das Eisen in der Hand umzuwenden, und stach dann mit dem spitzen Teile durch das Fleisch bis auf die Knochen. Wenn das unglückliche Opfer vor Schmerz aufschrie, so zog der Wundarzt den richtigen Schluß, Urbain sei an der betreffenden Stelle empfindlich geblieben. Zu diesem barbarischen Schauspiele waren Zuschauer zugelassen worden. Alle waren von Mitleid erfüllt, Loubardemont blieb ruhig.

Das nächste Werk des Teufels war die Entdeckung, daß auch Urbains Bruder, der Gerichtsrat, ein Zauberer sei. Der Unglückliche wurde daraufhin eingezogen und bis zum Ende der Tragödie im Gefängnis behalten. Urbain beizustehen, war er so glücklich verhindert. –

Die sieben Teufel in der Priorin – so viel waren jetzt in dem einen schwachen Leibe des schönen jungen Mädchens – gelobten oft etwas, das sie nachher nicht halten konnten.

Der Teufel Beherit erdreistete sich eines Tages, zu versprechen, er würde dem Herrn von Loubardemont sein kleines Käppchen vom Kopfe nehmen und es so lange in der Luft frei schwebend erhalten, als man Zeit brauche, ein Miserere zu beten. Der Tag oder vielmehr der Abend, da das geschehen sollte, kam heran. Viele Kerzen strahlten durch das Dunkel der alten Kirche, Herr von Loubardemont saß unruhig auf seinem Stuhle, aber wie auch der Pater Lactantius den Beherit beschwor – die Kappe blieb auf dem Kopfe Loubardemonts ruhig sitzen. Hieran hatte der Teufel Beherit keine Schuld, vielmehr einige junge Leute, denen es auffiel, daß der Stuhl des Herrn von Loubardemont gerade unter einer der Gewölböffnungen stand, durch welche man die Kronleuchter herabließ. Sie waren unbemerkt hinaufgeschlichen und hatten sich um das Loch herumgestellt. Als der Diener des Teufels mit einem langen Pferdehaar und Angelhäkchen ankam, ließ er sich durch die unerwartete Anwesenheit der nicht bestellten Wächter verscheuchen, und drum konnte sich die Kappe nicht vom Platze rühren.

Ernsthafter schien es zu werden mit der Austreibung der drei Teufel Asmodi, Gresil und Haman aus dem Leibe der Priorin. Pater Lactantius hatte dieses heilige Werk auf den 20. Mai versprochen. Alle drei Teufel sollten bei ihrem Abzug eine Wunde in der linken Seite der Besessenen, ein Loch in ihrem Hemde, eins in ihrem Unterleibchen und eins in ihrem Gewande zurücklassen. Die Stellen, wo die Wunden vorbrechen würden, wurden im voraus angegeben, ihre Länge sollte der einer Stecknadel gleichkommen. Es würde alles ohne jegliche äußere Beihilfe hergehen, versprachen die Beschwörer dem nach den bisherigen Vorfällen doch mißtrauisch gewordenen Publikum. Der merkwürdige Auftritt fand denn auch in der Heiligen-Kreuz-Kirche in Gegenwart einer ungeheueren Menge von Zuschauern statt. Die drei Teufel wurden zwei Stunden lang durch Kreuz- und Querfragen in französischer und lateinischer Sprache geängstigt, bis sie sich endlich, als die mächtigsten Beschwörungsformeln ertönten, zum Aufbruch rüsteten. Die Priorin war zuvor von den Sachverständigen genau daraufhin untersucht worden, ob sie an der angegebenen Stelle keine Wunde habe, ob sich kein Riß in ihrem Hemde, und in den Falten ihrer Kutte kein Messer befinde. Alles dies vor den Augen von Hunderten, wo nicht tausenden von Zuschauern. Die Priorin wand sich darauf unter gräßlichen Zuckungen zu einem Knäuel, bis die drei Teufel heraus waren. Dann atmete sie, wie aus einem Traume erwachend, tief auf, sank aber sogleich wieder, die Arme über der Brust kreuzend, zusammen, ächzte schwer und zog plötzlich die Hand, die auf dem rechten Busen gelegen, mit blutigen Fingerspitzen hervor. Man fand ihr Leibchen und Gewand an zwei, das Hemd an drei Orten zerrissen, und unter der linken Brust eine blutige Stelle; allein die Wunden gingen kaum durch die Haut, die größte hatte nur die Länge eines Gerstenkorns. Ein Gemurmel lief durch die Zuschauer, das nur zu deutlich Zweifel verriet. Entschieden erhob einer derselben Einspruch, freilich ein Protestant, Marcus Duncan, ein schottischer Edelmann und berühmter Arzt, Professor der Philosophie und Vorsteher des Kollegiums der Protestanten zu Saumur; noch in der Kirche tadelte er das Verfahren; denn gegen die Verheißung des Beschwörers waren die Arme der Besessenen nicht auf den Rücken gebunden worden. Alle Unbefangenen waren der Überzeugung, daß die Priorin sich selbst mit leichter Mühe die unbedeutenden Wunden, entweder mit einer verborgenen Messerspitze geschnitten, oder mit dem Nagel gekratzt habe. Loubardemont selbst mußte ausrufen: »Das hinkt!« In die Akten ließ er indes die Austreibung der Teufel als durch die Wundenmale erwiesen aufnehmen.

Marcus Duncan aber ließ, sobald er nach Saumur zurückgekehrt war, ein Buch: »Wider die Besessenheit der Ursulinernonnen zu Loudun« drucken, in dem er seine Zweifel an der ganzen Sache, freilich vom Standpunkte der Zeit aus, niederlegte. Da sein eigener König Jakob I. Werke über das Verfahren gegen Hexen mit gründlicher Gelehrsamkeit geschrieben hatte, war es nicht zu verlangen, daß er die ganze Dämonenlehre und den Glauben von der sichtbaren Macht des Teufels auf die sterblichen Menschen verwerfen solle; er begnügte sich damit, in diesem einen Falle die Anwesenheit und Tätigkeit der bösen Geister zu bestreiten. Eines seiner Argumente, warum die drei Teufel nicht durch die Wunden und die Löcher in der Kleidung davongegangen sein könnten, war sehr vernünftiger Art. Zuvörderst sahen jene Öffnungen im Leibchen und Hemd aus, wie wenn sie geschnitten wären. Der Teufel, wenn er davongeht, hinterläßt aber in der Regel Brandmale und nicht solch feine Öffnungen; und wenn er sich seines natürlichen Feuers enthielte, so würde er in seinem Schmerz und Unmut doch eher kreuz und quer reißen, als wie mit einem Federmesser oder einer Schere schneiden. Ferner aber waren die Löcher in den Gewändern und dem Hemd weit größer als die Wunden, so daß es den Anschein hatte, als wären die Teufel eher in den Leib hinein- als aus ihm herausgezogen: Eine Kugel verliert an Kraft, je weiter sie dringt, und selbst der Teufel mußte doch den physischen Gesetzen unterworfen sein! Wenn er also den Körper, aus dem die Angst ihn hinaustrieb, nicht zerrissen hatte, sondern durch ein unbedeutend kleines Loch ins Freie geschlüpft war, bedurfte er durchaus nicht dieser großen Öffnungen in Hemd und Kleid. Vielmehr war ein solch unnützer Kraftaufwand des Teufels bei seiner derzeitig doch offenbar niedergedrückten Gemütsstimmung durch nichts zu erklären, zumal man annehmen könnte, daß der Teufel, einmal im Freien, gar nicht mehr nötig gehabt, die Kleider zu zerstören, sondern auf bequemere Weise unter Rock und Hemd hindurch entwischen konnte. Duncan setzte sich dieser Schrift wegen den heftigsten Verfolgungen des mächtigen Loubardemont aus, nur sein ebenso einflußreicher Gönner, der Marschall von Brezé, konnte ihn schützen.

Da indessen auch unter der katholischen Bevölkerung in Loudun sich allgemeines Mißvergnügen über die dummen Teufel verbreitete, beschloß Pater Lactantius am folgenden Tage, ihre Ehre zu retten. Er fragte den Balaam, einen der vier im Leibe der Priorin gebliebenen höllischen Geister, warum Asmodi und die anderen beiden durch ihn vertriebenen Teufel gerade in dem Augenblicke ausgefahren seien, als Gesicht und Hände der Besessenen nicht sichtbar gewesen wären, so daß die Ungläubigen Grund gefunden hätten, zu zweifeln. »Darum ist solches geschehen,« antwortete der Teufel, »damit der größte Teil der Zuschauer in seinem Unglauben und seiner Herzenshärtigkeit verharre.« Dies gab dem Beschwörer den erwünschten Text, um den Anwesenden ins Gewissen zu reden: wenn sie sich ernst fragten, sei ihr eigener Unglaube und ihre Unbußfertigkeit der eigentliche Grund, weshalb die Teufel ihnen allen so wenig Achtung bei ihren Antworten bezeugten. – Sagten also die Teufel richtig aus, so war das ein Wunder, durch welches Gott seine Macht verherrlichen wollte, mißlang etwas, so war nicht der Teufel, sondern der Unglaube der Zuschauer daran schuld.

Es war verbreitet worden, daß sechs der stärksten Menschen nicht imstande wären, eine Besessene festzuhalten. Der Schotte Duncan allein, der wiederum zugegen war, faßte die rechte Hand der Priorin, und sie konnte nur an der linken Körperhälfte ihre Besessenheit zeigen. Der Beschwörer befahl ihr, sich umzudrehen. Sie antwortete unwillig: »Ich kann nicht, er hält mir ja den Arm!« – »Laßt ihr den Arm frei,« rief der Pater. »Wie sollen denn Verdrehungen zum Vorschein kommen, wenn Ihr sie festhaltet?« – Duncan rief mit lauter Stimme: »Wenn sie den Teufel im Leibe hat, muß sie stärker sein als ich!« – »Ein wie guter Philosoph Ihr auch sein möget,« entgegnete Lactantius, »so ist das doch ein falscher Schluß; denn ein Teufel außerhalb des menschlichen Leibes ist viel stärker als Ihr, aber ist er in einen menschlichen Körper eingezogen, dann sind seine Kraftäußerungen der Stärke der Person angemessen, in der er sich befindet!« –

Mitte Juli kam der Bischof von Poitiers selbst nach Loudun, um durch seine Anwesenheit den Beschwörungen die höchste Weihe zu geben. Nicht um die Besessenen zu untersuchen, sei er gekommen, erklärte der Prälat, sondern um alle, die noch zweifelten, zu überführen. Es ward von ihm schon als erwiesen vorausgesetzt, daß Grandier ein Zauberer sei; und von dieser Zeit an durfte sich niemand mehr merken lassen, daß er irgendwelchen Zweifel hege, wenn er nicht Gefahr laufen wollte, für Grandiers Mitschuldigen gehalten zu werden. Wer so unvorsichtig war, seinen Unglauben zu verraten, ward mit scheuem Auge betrachtet, man mied ihn wie einen, der im Banne lag.

 

An einem heißen Sommertage endlich ward Grandier selbst in der Heiligen-Kreuz-Kirche den Besessenen gegenübergestellt. Er benahm sich mit der vollen Würde eines christlichen Priesters, als man ihm allerhand Gegenstände vorlegte, welche die Bundeszeichen sein sollten, durch deren Kraft er seine Teufel in die Leiber der Nonnen gejagt hätte. Ein solches Bundeszeichen fiel, was allgemeines Entsetzen erregte, erst eine Weile später inmitten der Versammlung aus dem Haar der Priorin. Durch ein anderes sollte Grandier den Beheret verhindert haben, sein Wunder zu tun und die Kappe Loubardemonts in die Luft zu heben. Urbain antwortete ruhig, ihm seien alle diese Gegenstände fremd. Wenn es wirklich in der Welt ein Ding gäbe, das man einen Bund mit dem Teufel nenne, so verstehe er wenigstens nichts davon.

Nun kamen die Besessenen, elf an der Zahl, in das Chor der Kirche, und mit ihnen ein Schwarm von Kapuzinern, Karmelitern und Franziskanern. Die Mädchen, sobald sie den Pfarrer erblickten, liefen auf ihn zu, bezeigten ihre Freude, ihn zu sehen, nannten ihn ihren Meister und machten tausend Affensprünge um ihn her. Lactantius mahnte mit feierlicher Stimme die Umstehenden, zerknirschten Herzens die Wunder mit anzusehen, die Gott, zur Glorie seiner Kirche, durch die leibhaftigen Teufel bewirken werde; zugleich forderte er sie auf, für die Erlösung der armen Nonnen zu beten.

Eine höchst merkwürdige Zeremonie begann nun. Lactantius wandte sich an Urbain: »Du bist zurzeit noch geweihter Priester. Deine Pflicht erfordert daher, zur Mehrung der Ehre Gottes, die Besessenen zu beschwören, damit ihre Qual endlich aufhöre. Versuch es, wenn der hochwürdige Bischof dir die Erlaubnis gibt, und den Bann, in dem du liegst, so lange aufheben will!«

Der Bischof nickte Gewährung, Grandier empfing die Stola und das Ritual, warf sich vor dem Bischof auf die Knie, küßte seine Füße und erhielt von ihm den Segen. Man sang Veni Creator. Grandier wollte mit der Beschwörung bei der Schwester Katharina den Anfang machen. Aber die übrigen Besessenen plärrten zu furchtbar. Der Versuch bei anderen wurde auf dieselbe Weise vereitelt. Er wollte die Priorin griechisch anreden, aber sie lachte: »Ei, wie fein du bist! Du weißt doch, daß die erste Bedingung in unserem Vertrage war, daß wir niemals griechisch sprechen sollten!« – Endlich erbot sich die Besessene, zu antworten, in welcher Sprache er wolle. Aber als er zu fragen begann, erhoben alle anderen Nonnen wieder ein solches Geschrei und Geheul, krümmten sich, stürmten auf Grandier los, schrien, er wäre der Urheber ihrer Leiden und drohten, ihn zu erwürgen, so daß man dem Anschein nach Mühe hatte, sie von ihrem mörderischen Vorsatze abzubringen.

Grandier verriet nicht die geringste Furcht. Fest sah er die Besessenen an, beteuerte, er sei an diesen Auftritten unschuldig, und bat Gott, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Er flehte darauf inständigst den Bischof und die Beschwörer an, sie möchten zur Verherrlichung der göttlichen Ehre und zur Befestigung des Ansehens der Kirche den Teufeln befehlen, ihm auf der Stelle den Hals umzudrehen, als sicherstes Zeichen, daß sie Macht über ihn hätten, was sie ja fertig bringen müßten, ohne daß die Nonnen ihn mit ihren Händen berührten. Allein man ging nicht darauf ein, um nicht das Ansehen der Kirche den listigen Anschlägen des Höllenfürsten bloßzustellen, da dieser vielleicht im voraus sich dem Pfarrer verpflichtet, sein Leben nicht anzutasten.

Die Teufelsbanner geboten darauf den Teufeln Stillschweigen und verbrannten im Kohlenbecken alle eingebrachten Bundeszeichen. Ein Augenzeuge schreibt über die ganze gräßliche Szene: »Es ist unmöglich, all das mit Worten auszudrücken, was damals in die Sinne fiel. So viele Furien machten auf Augen und Ohren einen Eindruck, der gewiß nicht seinesgleichen gehabt hatte. Wohl war keiner von allen Anwesenden, dessen Seele von Furcht und Erstaunen frei geblieben wäre.«

Grandier allein blieb kaltblütig und sang ruhig mit der Gemeinde die Gebete. Als die Besessenen aufs neue auf ihn losstürmen wollten, um ihn zu erdrosseln oder wenigstens zu zerkratzen, sprach er einfach: »Ich bin weder euer Meister noch euer Knecht. Aber wieso kommt es, daß ihr mich in dem Augenblick erdrosseln wollt, in dem ihr mich für euern Herrn erklärt?« – Diese Gelassenheit steigerte nur die Wut der Besessenen. Sie schleuderten ihm ihre Pantoffeln an den Kopf. »Das sind ja Teufel, die sich ihre Hufeisen abreißen!« rief er in bitterem Hohne. Es bedurfte aller Anstrengung der Zuschauer, um den Mänaden ihr Opfer zu entreißen und Urbain ungefährdet ins Gefängnis zurückzubringen.

Bei einer der nächsten Beschwörungen erklärte der Teufel in der Priorin, er werde am folgenden Tage diejenigen Ungläubigen, die an der Wahrheit des Besessenseins zweifelten, bis an das Gewölbe der Kirche schleudern. Der Abbé Guillet, der zugegen war, schwieg dazu still. Am anderen Morgen aber rief er in der Kirche mit lauter Stimme: er glaube nicht allein nicht an die Besessenheit, sondern lache aus ganzem Herzen über den angeblichen Teufel und fordere ihn auf, seine Drohung an ihm zu erfüllen. Der Teufel tat dies zwar nicht, aber Herr von Loubardemont suchte ihn wenigstens einigermaßen zu vertreten und wollte den frechen Ketzer in Verhaft nehmen lassen. Der Abbé mußte nach Italien fliehen, wo er sich unter den Schutz des französischen Gesandten, des Marschall d'Estrée, begab.

Der Teufel erlitt noch verschiedene andere Demütigungen; als er begann, die scheußlichsten Beschuldigungen gegen Einwohner und Einwohnerinnen der Stadt, die nicht zum Komplotte gehörten, laut werden zu lassen, wurde der Unwille im Publikum so groß, daß Loubardemont am 2. Juli 1634 an allen Straßenecken eine Ordonnanz des Inhalts anschlagen ließ: Jedermann, wes Standes er auch sei, werde untersagt, von den Nonnen und den anderen von bösen Geistern besessenen Personen oder auch von den Beschwörern selbst übel zu reden, wo es auch sei und auf was für Art es geschehe, bei 10 000 Livres Geldbuße, oder nach Befinden auch bei Leibesstrafe.

So konnten die Teufelsbanner ungescheut die größten Albernheiten verüben und mit augenfälliger Willkür vorgehen. Einzelne unter ihnen sah man mit der auf ihr Los gefallenen schönen Besessenen Lustreisen aufs Land machen, offenbar um in der reinen Luft und der Frische des Waldes die Kranken zu kurieren. Niemand wagte etwas dagegen zu sagen.

 

Aber fast schien es jetzt, als sollte durch die Besessenen selbst die Aufdeckung des Komplotts erfolgen. Die Schwester Klara, eines Tages zu den Beschwörern in die Kirche gebracht, fing dort bitterlich an zu weinen und erklärte frei und öffentlich: alles, was sie seit vierzehn Tagen gesagt, sei Lüge und Lästerung; es wäre ihr vom Pater Lactantius, von Mignon und den Karmelitern vorgeschrieben worden, und wenn man ihr nur Schutz und Sicherheit verspreche, wolle sie noch mehr ans Licht bringen.

Satan ist mächtig, hieß es. Schwester Klara ward augenblicklich fortgebracht und zu Hause so lange bearbeitet, bis sie zum Widerrufe reif schien. Als man sie aber wenige Tage darauf abermals in die Kirche führte, um die Rolle der Besessenen weiter zu spielen, verfiel sie zum zweitenmal in Reue. Durch ihr Beispiel aufgemuntert, überkam auch Schwester Agnes ein heroischer Mut. Sie legte laut Zeugnis ab, daß sie Grandier fälschlich angeschuldigt, und bat alle Anwesenden flehentlich, sie aus der schrecklichen Gefangenschaft zu erlösen, unter deren Sündenlast sie erliege. Die Beschwörer wollten ihr das Abendmahl aufzwingen. Sie sträubte sich: sie sei zu der heiligen Handlung nicht ruhig genug. Man drang ihr die Hostie auf. »Eben der Böse ist es, der diesen Widerstand in ihr erregt!« rief der Beschwörer. Die armen Mädchen sahen, daß sie auf keine Hilfe zu rechnen hätten; sie überließen sich ihrer Verzweiflung und riefen laut: sie wüßten wohl, was ihnen bevorstände, und daß man sie unmenschlich mißhandeln werde, weil sie das Geheimnis ausgeplaudert; aber sie wollten Gott und der Wahrheit die Ehre geben, möge daraus werden, was da wolle. »Der Teufel redet aus ihnen!« riefen die Beschwörer und schafften die beiden Nonnen eiligst fort.

Nun aber fiel die Priorin selbst in Gewissensangst. Am Tage nach einem ihrer furchtbaren Wutausbrüche, in denen sie Grandier zur Zielscheibe der entsetzlichsten Vorwürfe gemacht, lief sie im Hemd, mit bloßem Haupt, einen Strick um den Hals und eine Kerze in der Hand, in den Hof des Klosters, blieb daselbst beim heftigsten Regen zwei Stunden stehen, und als endlich die Tür des Sprechzimmers geöffnet wurde, wo ein Beschwörer eine andere Nonne verhörte, stürzte sie hinein, fiel ihm zu Füßen und schrie: sie wolle das Unrecht büßen, das sie begangen: sie habe Grandier unschuldig angeklagt. Sie lief darauf in den Garten, knüpfte den Strick an einen Baum und hätte sich erhängt, wären nicht die übrigen Nonnen noch zu rechter Zeit herbeigeeilt.

So schien es fast, als solle ein Rückschlag eintreten, als staue der Strom des Unsinns und der fanatischen Wut an einer Gegenströmung. Aber es war zu spät. Wohl versicherte noch eine andere Besessene aus der Stadt namens Mogret, während die Teufelsbanner sie bearbeiteten, Grandier sei unschuldig, sie bitte Gott um Vergebung, daß sie einen Mann der Zauberei beschuldigt, von dem sie nichts Unrechtes wisse. Aber Loubardemont lachte, der Bischof versicherte, dies sei ein neuer Kunstgriff des Menschenfeindes, die Herzen der Ungläubigen mehr und mehr zu erhärten, um so eine ganze Reihe von neuen Triumphen zu feiern.

Man hielt jetzt, vielleicht, um weiteren Enthüllungen vorzubeugen, die Zeit für gekommen, um die Untersuchung abzuschließen. Ein Gericht zur Fällung des Urteils wurde eingesetzt, das seine erste Aufgabe darin erblickte, die frühere Untersuchung durch den Richter von Loudun anzugreifen. Man versuchte alles mögliche, diesen Beamten selbst zu verdächtigen, um die Glaubwürdigkeit seiner Protokolle im früheren Verfahren abzuschwächen. Der Kanonikus Barre verstand es, aus den Besessenen in seiner Gemeinde Chinon herauszupressen, daß nicht nur Grandier, sondern auch der Richter der Zauberei schuldig sei. Als man aber in Loudun davon hörte, wo man den Beamten als einen Menschen von der peinlichsten Rechtschaffenheit kannte, war die Empörung so groß, daß selbst Loubardemont nicht gegen ihn vorzugehen wagte.

Überhaupt wurde in Loudun der Groll gegen die Beschwörer und Loubardemont größer und größer. Unter Glockenklang versammelte sich am 8. August 1634 die gesamte Bürgerschaft auf dem Rathause und setzte eine Denkschrift an den König auf, worin in der entschiedensten Weise gegen den Mißbrauch, welchen die Beschwörer getrieben, Einspruch erhoben wurde. Es seien Fragen aufgeworfen worden, die nichts anderes zum Zwecke hätten, als die besten Familien der Stadt zu beschimpfen. Auf die Aussage einer einzigen Besessenen hin sei Herr von Loubardemont in die Wohnung einer Dame gedrungen und habe alles durchwühlt, um Zauberbücher zu finden. Andere Damen habe er erst in der Kirche aufgerufen und dann zu Hause bei verschlossenen Türen sich nackt ausziehen lassen, um zu untersuchen, ob sie nicht Hexenmale an sich hätten. Der von den Beschwörern aufgestellte Satz, daß der richtig beschworene Teufel die reine Wahrheit sagen müsse, stünde im Widerspruch zu der Lehre Jesu Christi und seiner Apostel und sei durch die Kirchenväter und die Sorbonne verdammt. Sie baten, daß ihnen gestattet werden möge, wie es das Recht zulasse, gegen das geübte Verfahren an das Gerichtsparlament zu appellieren.

Ob die Eingabe bis zu den Augen des Königs kam, wird nicht gesagt; jedenfalls wurde beim Schall der Trompeten – um so zu dem Glockenklang vom Stadthaus ein Gegenstück zu bieten – eine Verordnung verlesen, worin das Verlangen der Stadtversammlung für unberechtigt und als Versuch erklärt wurde, den Pöbel zum Aufruhre anzureizen. Dem Amtmann und den Schöppen ward untersagt, irgendeine weitere Versammlung zu gestatten, worin über Sachen beratschlagt werde, die zum Falle Grandier gehörten. Richter über die Beschwörer sei allein das für die Sache von Loubardemont eingesetzte Gericht, an das man sich mit allen etwaigen Klagen zu wenden habe.

 

Es war jedem, auch Grandier selbst, ganz klar geworden, welchen Ausgang das Verfahren nehmen würde. Der Tag, an dem das Urteil gefällt werden sollte, kam heran. Die Richter hatten sich durch allerlei religiöse Zeremonien darauf vorbereitet; öffentliche Prozessionen waren abgehalten worden, man hatte die Sakramente ausgestellt, kurz, nichts war vergessen, um wenigstens dem niederen Volke die Meinung beizubringen, bei der ganzen Angelegenheit handele es sich lediglich um das Heil der Kirche.

Im Karmeliterkloster fand die feierliche Sitzung statt, in welcher – Grandier war nicht zugegen – der Spruch des Gerichts verkündigt werden sollte.

Er lautete:

Da Urbain Grandier des Verbrechens der Zauberei und vieler anderen Vergehen, begangen an den Ursulinerinnen der Stadt Loudun und an verschiedenen Laien, überführt ist: so verurteilen wir ihn, mit bloßem Haupte, einen Strick um den Hals, in der Hand eine brennende Kerze, vor der Türe der St. Peterkirche und der Ursulinerinnenkirche auf den Knien Gott, den König und die Obrigkeit um Verzeihung zu bitten; demnächst auf einen Scheiterhaufen geführt, an einen Pfahl gebunden und mit allen noch vorhandenen Zeichen des teuflischen Bundes, sowie der Handschrift der von ihm verfaßten Abhandlung wider das Zölibat, lebendig verbrannt zu werden; seine Asche sei in die Luft gestreut. Seine Güter fallen dem König anheim, bis auf den Betrag von 150 Livres, der dazu verwendet werden soll, eine Kupferplatte zu kaufen, auf welche gegenwärtiges Urteil zu stechen ist; die Tafel soll in der Kirche der Ursulinerinnen an einem erhabenen Orte zum ewigen Andenken aufgehängt werden. Ehe aber dieses Urteil vollstreckt wird, soll Grandier auf die ordentliche und außerordentliche Folter gebracht werden, damit er seine Mitschuldigen angebe.

Sobald dies Urteil unterzeichnet war, sandte Loubardemont Leute, um den Gefangenen abzuholen, und zugleich einen Wundarzt. Es war nicht der grausame Manouri, der Urbain so unmenschlich bei Aufsuchung seiner Hexenmale gequält, es war ein fremder Arzt, aber Manouri war gleichfalls anwesend. Als Urbain ihn erblickte, rief er: »Kommst du, Henker, um mir vollends das Leben zu nehmen? Hast du nicht genug meinen Leib gemartert? Nun, zerfleische mich ganz!« Der Wundarzt mußte dem Gefangenen alles Haar auf dem Kopfe, im Gesicht und am ganzen Leib abscheren. Als aber einer der Richter, der zugegen war, verlangte, er solle ihm auch die Augenbrauen abnehmen und die Nägel wegreißen, erklärte der Chirurg, keine Gewalt auf Erden solle ihn dazu zwingen; zitternd bat er Urbain um Vergebung, daß er Hand an ihn legen müsse. »Ich glaube gern,« sagte Urbain, »daß Ihr der einzige seid, der noch Mitleid mit mir hat.«

Nachdem man Urbain die Kleider abgerissen, ihn noch einmal am ganzen Leibe zerstochen und dann in einen schmutzigen Kittel eingehüllt hatte, wurde er in das Gerichtshaus gebracht, um den Wortlaut des Urteils vorgelesen zu bekommen. Auf den Stühlen der Richter saßen jetzt vornehme Damen, die sich zu diesem Schauspiele gedrängt, Loubardemonts Gattin obenan. Die galanten Richter standen hinter den Lehnen der Sessel, Loubardemont selbst saß auf dem bescheidenen Stuhle des Gerichtsschreibers. Der mächtige Zauberer kniete jetzt mit gebundenen Armen, in alte Lumpen gehüllt, blaß, abgemagert, entstellt, ein Bild des Erbarmens vor dem Kreise stolzer Schönheiten und bezauberte keine mehr. Mit einem Fußtritte stieß ihm der Gerichtsschreiber den Hut vom Kopfe, den er nicht selbst abnehmen konnte. Der Pater Lactantius und die Franziskaner beschworen den Teufel in Luft, Erde und in dem knienden Sünder selbst. »Wende dich um, Elender, und bete den Kruzifixus an!« rief dann der Schreiber. Grandier tat es ehrerbietig. Die Augen gen Himmel verrichtete er ein stilles Gebet. Der Gerichtsschreiber verlas das Urteil und zitterte. Grandier zitterte nicht. Ohne die geringste Gemütsbewegung hörte er seinen Spruch, dann redete er die Richter an: »Bei Gott dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist und bei der gebenedeiten Jungfrau bezeuge ich, meine Herren, daß ich niemals ein Zauberer gewesen bin, niemals heilige Orte und Sachen entweiht habe, nicht mehr von Zauberdingen weiß, als das, was die Heilige Schrift davon sagt, die ich stets gepredigt habe. Nie hatte ich einen anderen Glauben als den unserer heiligen Mutter, der katholischen apostolischen römischen Kirche. Ich entsage dem Teufel und all seinem Wesen, ich bekenne meinen Erlöser und bitte ihn, durch sein Verdienst die Vergebung meiner Sünden zu erlangen. Euch aber, gnädige Herren, bitte ich um Milderung meiner Strafe, damit meine Seele nicht in Gefahr komme, in Verzweiflung zu fallen.«

Zwei Stunden nach der Urteilsverkündigung hatte Loubardemont eine geheime Unterredung mit ihm; wenn er Mitschuldige nenne, könne seine Strafe gemildert werden. »Ich habe keine Mitschuldigen, da ich selbst unschuldig bin,« antwortete Grandier.

Sogleich nach dieser Unterredung schritt man zur Folterung. Man schnürte mit Stricken, so fest es nur irgend ging, zwei starke Bretter um die Beine Urbains. Hierauf wurden mit einem großen Hammer Keile zwischen Beine und Bretter eingetrieben: erst vier Keile bei der ordentlichen, hinterher acht Keile bei der außerordentlichen Folter. Loubardemont schienen die Keile, die der Henker benützte, nicht stark genug. Er schalt ihn und drohte ihn zu strafen, wenn er nicht stärkere herbeischaffe. Mit vielen Schwüren beteuerte der Scharfrichter, er habe keine stärkeren Keile. Die Franziskaner und Kapuziner begannen die Marterwerkzeuge zu beschwören. Ja, um den Wollustkitzel ihrer Grausamkeit zu entschuldigen, behaupteten sie, es sei dem Teufel ein leichtes, einem unheiligen Weltmenschen wie dem Scharfrichter zu widerstehen; sie rissen ihm daher den Hammer aus der Hand und hämmerten selbst mit voller Kraft auf die Keile ein. Grandier sank mehreremals vom Schmerz übermannt in Ohnmacht. Verdoppelte Schläge erweckten ihn wieder. Seine Henker ließen nicht eher nach, als bis beide Beine vollständig zerschmettert waren. Keine Verwünschung, keine Klage kam aus dem Munde Urbains. Man forderte aufs neue, er solle bekennen. Er wiederholte, daß er außer seinen früheren Vergehungen, die er gebeichtet und gebüßt, nichts einzugestehen habe. Als man darauf in ihn drang, wenigstens die Namen der Frauen anzugeben, mit denen er Umgang gepflogen, konnte kein Schmerz, keine Drohung ihn dazu verleiten.

In einem Zimmer des Rathauses legte man ihn mit seinen zerschmetterten Beinen auf Stroh. Unter den Umstehenden sah er einen Augustiner und erbat sich ihn zum Beichtvater. Man schlug es ihm ab. Er bat um den Pater Grillau, einen Barfüßler. Auch dieser wurde ihm verweigert. Man wies ihm zwei seiner Peiniger, die Kapuziner Claudius und Tranquillus an. Die verschmähte er. Er wollte lieber seinem Schöpfer als seinen Henkersknechten beichten.

So blieb er drei bis vier Stunden liegen, ohne daß sich jemand um ihn kümmerte. Es war vier Uhr abends, als die Büttel ihn auf eine Tragbahre legten und aus dem Gerichtshause brachten. An der Türe desselben versicherte er noch einmal dem Kriminalleutnant, daß nichts sein Gewissen drücke. »Soll ich Gebete für Euch sagen lassen?« fragte der gerührte Beamte. »Ich bitte Euch darum,« sagte Urbain. Man gab ihm eine Kerze in die Hand, die er küßte. Unbefangenen Blickes grüßte er die Umstehenden und bat, wen er kannte, ihn ins Gebet einzuschließen. Vor St. Peter angekommen, wo er dem Urteil zufolge niederknien und Abbitte leisten sollte, konnte er sich seiner zerschmetterten Beine nicht mehr bedienen. Er fiel auf den Leib und wartete ohne Ungeduld, bis man ihn aufhob.

Unter dem Scheiterhaufen angelangt, bat er die Mönche, seine Begleiter, um den Kuß des Friedens. Der Platz war mit Zuschauern angefüllt, die aus allen Provinzen, ja aus fernen Ländern gekommen waren, um den schon lange vor dem Urteil angekündigten Flammentod des furchtbaren Beschwörers mit anzusehen. Kaum konnten die Gerichtsdiener für die Beamten Platz machen.

Ein Flug Tauben flatterte um den Scheiterhaufen, den der Pöbel vergebens zu verscheuchen suchte. Aber auch eine große Schmeißfliege summte in einem fort um Grandiers Haupt. Ein Mönch erklärte dem Volke: Beelzebub heiße auf hebräisch der Fliegengott. Die Schmeißfliege sei der Teufel, der den Verbrecher auf der Reise in die Hölle begleiten werde.

Mit einem eisernen Ringe ward nun Grandier an den Pfahl befestigt. Die Mönche fragten den Gerichteten zum letzten Male, ob er noch nicht in sich gehen und bekennen wolle; als er aber andauernd seine Unschuld beteuerte, suchten sie ihn eiligst zum Schweigen zu bringen.

Der Kriminalleutnant hatte Urbain zweierlei versprochen: Es solle ihm gestattet werden, zum Volke zu sprechen; ferner, er werde erwürgt werden, bevor man den Scheiterhaufen anzündete. Um beide Hoffnungen wurde Grandier betrogen. Als er sprechen wollte, spritzten ihm die Beschwörer so viel Weihwasser ins Gesicht, daß er kein Wort hervorbringen konnte. Er machte einen neuen Versuch zu reden, da sprang ein Mönch hinzu und küßte ihn zu wiederholten Malen so heftig, daß Urbain den Mund nicht öffnen konnte. »Das war ein Judaskuß!« stöhnte das Opfer. Die Mönche umdrängten ihn und hielten ihm ein eisernes Kreuz vor den Mund. »Küsse es, küsse es!« schrien sie laut, daß das Volk es hörte; aber sie zerstießen Grandier mit dem schweren Eisen das Gesicht und verwundeten ihm die Lippen, so daß er nicht mehr sprechen konnte.

Grandier ergab sich jetzt in sein Geschick, er bat nur noch stammelnd die Zuschauer um ein Salve-Regina und ein Ave-Maria.

Auf den Wink des Leutnants wollten jetzt die Büttel mit dem dazu bestimmten Strick den Zauberer erdrosseln. Aber der Strick war zu kurz. Die Mönche hatten so viele Knoten hineingemacht, daß er nicht mehr brauchbar war. Ein zweiter fehlte. Die Franziskaner, die Karmeliter, die Dominikaner brüllten: »Feuer! Feuer!«

»Ist's das, was man mir versprochen hat?« rief Grandier zu dreien Malen. Er griff selbst nach dem Strick und wollte sich eine Schlinge um den Hals legen. Pater Lactantius fuhr ihm mit einem brennenden Strohwisch unter das Gesicht: »Willst du noch nicht dem Teufel entsagen? Es ist höchste Zeit! Du hast nur noch einen Augenblick zu leben!« – »Ich kenne den Teufel nicht; Gott verleihe mir Barmherzigkeit!« rief Grandier.

Der rasende Mönch übernahm nun selbst das Amt des Henkers. Vor den Augen des Opfers zündete er den Scheiterhaufen an. »Ach, Pater Lactantius,« sprach Urbain, »wo bleibt die Liebe? Es ist ein Gott im Himmel, der dich und mich richten wird!« Jetzt schrie das Volk selbst den Bütteln zu: »Erdrosselt ihn!« Es war zu spät. Die Flammen nahmen überhand, die Büttel konnten nicht mehr zu ihm dringen, » Deus, ad te vigilo, miserere mei, Deus!« (Gott, auf dich vertraue ich, erbarme dich meiner, Gott!) das waren seine letzten Worte.

Er war an einemTage, dem 18. August 1634, verurteilt, gefoltert und hingerichtet worden.

 

Die Geschichte der Besessenen von Loudun ist mit Grandiers Tode nicht zu Ende. Die Ursulinerinnen hatten an ihren Besessenen eine reiche Einnahmequelle gefunden. Die Beschwörer sammelten für sie. Es galt als Gewissenssache, den armen, vom Teufel geplagten Nonnen beizuspringen. Jeder Fremde, der nach Loudun kam, mußte ihrem Kloster ein Geschenk machen. Die Beschwörer erhielten vom Könige selber ein außerordentliches Jahresgehalt von 4000 Livres.

Die Mönche fanden nun nachträglich noch eine Abschrift des Paktes, den Urbain mit dem Satan geschlossen. So lautete er:

»Ich Endsunterschriebener erkenne dich, mein Herr und Meister Luzifer, als meinen Gott an und verspreche dir zu dienen, solange ich lebe. Ich entsage jedem anderen Gott und Jesu Christo, allen Heiligen, der apostolischen Kirche mit all ihren Sakramenten und Gebeten. Auch verspreche ich dir, so viel Böses zu tun, als ich nur kann, und so viel Personen wie nur möglich zum Bösen verführen. Das Original dieses Paktes liegt in der Hölle in einem Winkel der Erde, in Luzifers Kabinett. Unterzeichnet Grandier, mit seinem Blute.« –

Reisen nach Loudun wurden Mode, man wollte die Besessenen sehen, den Beschwörungen beiwohnen. Die Priorin wurde noch immer von vier Teufeln geplagt, deren Austreibung die letzte große Tat der Beschwörer war. Richelieus Vertrauter, der Pater Josef, half dabei in eigener Person. Als einer der letzten Teufel ausfuhr, ließ er dafür in der linken Hand der Priorin den Namen JOSEF in großen lateinischen Buchstaben zurück. Ein paar Ärzte behaupteten zwar, als sich daraufhin an der Hand eine Geschwulst bildete, der Name könne statt mit höllischem Feuer ebensogut mit gewöhnlichem Ätzwasser eingebrannt sein.

Mehr noch als die Wunder mehrten sich aber die ärgerlichen Vorfälle; denn auch manche vornehmen Spötter verfehlten nicht, nach Loudun zu kommen. Ein Graf von Lude erklärte den Beschwörern, er wolle sich überzeugen, ob gewisse Reliquien, die seit uralter Zeit im Besitz seiner Familie wären, auch echt seien: sie müßten dann unbedingt auf die Besessenen eine Einwirkung haben. Die Teufelsbanner gingen mit Vergnügen auf eine Probe ein, sie setzten die Büchse mit den Reliquien auf den Leib einer Besessenen, in der daraufhin der Teufel ganz furchtbar tobte. Sie ward im Augenblick wieder ruhig, als man die Büchse wieder fortnahm. »Gnädiger Herr, Ihr werdet wohl nicht weiter an der Echtheit Eurer Reliquien zweifeln,« sagte lächelnd der Beschwörer. – »So wenig wie daran, daß das Weib wirklich besessen war,« entgegnete der Graf und öffnete die Büchse. Einige abgekämmte Haare mit Pomade und Federn waren darin. »Gnädiger Herr, warum spottet Ihr unser?« – »Ei, Herr Pater,« erwiderte der Graf, »warum spottet Ihr Gottes und der Welt?«

Aber auch ein tragischer Epilog sollte der Geschichte Urbain Grandiers nicht fehlen. Schon als – gerade vier Wochen nach seiner Hinrichtung – der Pater Lactantius unter entsetzlichen Schmerzen starb, wollten viele im Volk die göttliche Strafe erkennen und behaupteten, Grandier habe auf dem Scheiterhaufen noch den Pater binnen vier Wochen vor das göttliche Gericht geladen. Aber der Ausgang eines der Hauptpeiniger, des Pater Tranquillus, der im Jahre 1638 in offenkundiger Verzweiflung und unter Ausstoßung der entsetzlichsten Gotteslästerungen endete, machte allgemein solchen Eindruck, daß die Kapuziner es für nötig hielten, eine Flugschrift über seinen Tod herauszugeben. Sie erklärten darin, daß ein Trupp Teufel sich des Tranquillus bemächtigt und ihm am Ende den Garaus gemacht habe, die Seele aber sei den Klauen der Unholde entronnen. Auf seinen Grabstein setzten sie folgende Inschrift:

»Hier ruht Pater Tranquillus von St. Regny, Prediger des Kapuzinerordens. Als Beschwörer bewies er so viel Mut, daß es die Teufel nicht länger aushalten konnten, und ihn auf Antrieb der Zauberer durch viele Qualen ums Leben brachten, am letzten Mai 1638.«

Das Ende dieses Mannes bewirkte mehr, als alle Vernunft gekonnt hatte. Die Teufelsaustreibung verlor ihr Ansehen. Nur ein paar weltliche Besessene gingen noch zu den Beschwörungen. Fragte man sie beim Hingehen, ob sie noch den Teufel in sich hätten, so antworteten sie: »O ja, Gott sei Dank!« Einige alte Betschwestern wohnten allein noch der Austreibung des bösen Feindes bei und seufzten wohl, daß sie nicht ebenso begnadet seien wie die Besessenen. Schließlich entzog die Regierung den Teufelsbannern ihr Jahrgehalt, und damit hörte das Spiel von selber auf.

Von Mignons Ausgang erfahren wir nichts, ebensowenig etwas von dem Loubardemonts; auch ohne seine Mithelferschaft im Falle Grandier wäre dieser aber dem Gericht der Geschichte verfallen: er war es, der – wieder im Auftrage Richelieus – etwa zehn Jahre nach Grandiers Tod durch eine bewußte Fälschung den Günstling des Königs, den jungen Cinq Mars, dazu brachte, sich des Landesverrats schuldig zu bekennen, so daß man den Unbesonnenen zum Tode verurteilen konnte. – Der Wundarzt Manouri ist, wie Pater Tranquillus, Gewissensbissen erlegen. Er kam eines Nachts von einem Kranken, einige Bekannte begleiteten ihn mit einer Laterne. Als sie um eine Straßenecke bogen, rief Manouri plötzlich: »Ach, Grandier, bist du das? Was willst du?« Er zitterte am ganzen Leibe. Mühsam führten ihn seine Begleiter über die ödliegende Straße nach Hause. Er redete irre, immerfort von Grandier und mit ihm. Einige Tage später starb er aus Furcht vor Gespenstern.

Auch ein mitleidenswerteres Opfer hatte früher schon Grandiers Tod gefordert. Der Richter Chauvet, der vergeblich für die Wahrheit eingetreten war, und den darum ja eine Besessene schon der Zauberei verdächtigt hatte, geriet nach Grandiers Ende so in Angst, man werde jetzt auch noch ihn verurteilen, daß er wahnsinnig wurde und es sein Leben über blieb.

Goya


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