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Liebe

Goya

Violante du Château

Um die Wende des siebzehnten Jahrhunderts standen in der Stadt Toulouse zwei Freunde bei der ganzen Bevölkerung in hohem Ansehen, das sie durch ein tätiges und tugendliches Leben wohlverdient hatten. Der eine hieß Peter Arias Burdeus; er stammte aus Spanien und war Augustinermönch und Doktor der Theologie. Seine aufrichtige Frömmigkeit und die erbaulichen Predigten, die er zu halten pflegte, hatten ihm die Liebe aller Gläubigen gewonnen. Sein Freund war der Rat Wilhelm von Gayraud; er stand dem Amthofe der Stadt vor, und seine Ehrlichkeit und Unbestechlichkeit wurden allenthalben gepriesen. Sechzig Jahre zählte er jetzt, und sein Freund, der Priester, war kaum jünger; die beiden gingen einem rühmlichen Greisenalter entgegen – da übermannte sie zugleich die Leidenschaft zu einem Weibe und führte sie ins Verderben.

Es geschah nämlich, daß eine Portugiesin von verführerischer Schönheit, des Namens Violante du Château, sich in Toulouse mit den Ihren niederließ. Ihr erster Anblick schon entzündete ein Feuer in dem Busen der Freunde; was an Ehrsamkeit in ihnen, das ward verdrängt durch das Verlangen, die Holdselige zu besitzen. Das Merkwürdigste aber war, daß die beiden nicht, wie es unter solchen Umständen gemeiniglich der Fall ist, in Eifersucht sich entzweiten und Todfeinde wurden; sondern sie blieben sich zugetan wie zuvor.

Sei es nun, daß ihre so starke Liebe das Herz der Schönen rührte, sei es, daß sie ihr mehr zu bieten hatten als jüngere, aber unbemitteltere Verehrer – die Freunde erlangten, wonach ihr Sinn stand. Das verstohlene Glück eines Augenblicks genügte ihnen aber bald nicht mehr; sie wollten dauernd und ungestört mit der Angebeteten verkehren können. Bei dem Stande derselben, bei ihrer eigenen Stellung in Toulouse war dies aber nicht möglich; so gerieten die Liebhaber auf den Gedanken, Violante zu vermählen, um sie besuchen zu können, ohne von Argwohn verfolgt zu werden. Ihre Wahl fiel auf einen jungen Advokaten namens Romain, aus dem Städtchen Gimont, zehn Wegstunden von Toulouse. Violante und Romain zeigten sich der Ehe geneigt, die beiden Freunde wetteiferten, eine stattliche Mitgift zusammenzubringen, und die Hochzeit wurde gefeiert.

Aber die Liebhaber sahen sich bitterlich enttäuscht. Sie hatten bestimmt darauf gerechnet, Romain bewegen zu können, sich in Toulouse niederzulassen; der aber bestand darauf, mit seiner Gattin nach Gimont zurückzukehren.

Der Rat Gayraud begleitete als guter Freund des Gatten die jungen Eheleute und brachte einen Monat bei ihnen zu. Er mußte erkennen, wie zwischen den beiden von Anfang an ein gereiztes Verhältnis bestand, vor allem, weil Violante, die sich in das kleinbürgerliche Leben des Städtchens nicht finden konnte, den Zorn ihres Mannes durch spöttische Bemerkungen über dessen Verwandte erregte.

Der alte Gayraud kam zerrissenen Herzens nach Toulouse zurück. Bekümmert teilte er dem Mönche mit, wie sehr ihre teure Violante unter der rauhen Härte ihres tyrannischen Gatten zu leiden habe; und am Ende war der Mönch fast noch entrüsteter als der Rat. Sie festigten gegenseitig die Überzeugung in sich, daß sie das Unglück der Geliebten unmöglich ruhig mit ansehen dürften, daß sie diese um jeden Preis von dem groben Gatten befreien und wieder nach Toulouse bringen müßten. Und am Ende schien ihnen kein anderes Mittel tauglich, um zum Ziele zu kommen, als der Mord.

Sie schwankten zwischen Gift und Dolch. Zuletzt entschlossen sie sich, Romain unter irgendeinem Vorwand nach Toulouse zu locken und ihn da überfallen und erschlagen zu lassen. Der Mönch übergab sogleich seinem Freunde hundert Dukaten, um die Mörder zu besolden.

Dem Rate gelang es alsobald, einen jungen Studenten aus guter Familie, namens Candolas, sowie den Sachwalter Esbaldit für die Tat zu gewinnen; er übergab ihnen einen Teil des Geldes als Vorschuß. Dann schrieb er Romain, es gäbe eine wichtige Sache in Toulouse zu verhandeln, in der er ihn mit einem Auftrag betrauen wolle.

Romain reiste ohne das geringste Mißtrauen sogleich ab und wurde von dem Rate in freundlichster Weise aufgenommen. Am selben Tage noch wurde zu seinen Ehren ein glänzendes Mahl veranstaltet.

Der Mönch, Candolas und Esbaldit waren die übrigen Gäste. Nach dem Essen entfernte sich Burdeus; auch die beiden anderen zogen sich zurück, weil sie, wie sie sagten, einen Spaziergang machen wollten. Der Rat unterhielt sich noch einige Zeit mit Romain, und als er annahm, daß die Mörder ihre Vorbereitungen getroffen hätten, führte er ihn unter irgendeinem Vorwand zu einer Hintertür hinaus, die auf ein stilles Gäßchen ging. Candolas und Esbaldit standen bereit und stürzten sich auf ihr Opfer, das sie mit siebzehn Dolchstichen niederstreckten.

Sogleich verbreitete der Rat mit entsetzten Mienen, er sei von Dieben überfallen und seines Geldbeutels beraubt worden; den Advokaten Romain, der ihnen Widerstand zu leisten wagte, hätten die Übeltäter ermordet. Sogleich begaben sich die Häscher an den Ort, wo das Verbrechen geschehen war. Esbaldit begegnete ihnen unterwegs und fing, als er sie erblickte, zu laufen an. Natürlich erregte das Verdacht; der Sachwalter wurde verfolgt und verhaftet.

Davon hörte der Mönch; er fühlte sich in Toulouse nicht mehr sicher und entfloh nach einigen Tagen mit dem jungen Candolas. Zuerst ging er nach der protestantischen Stadt Tonneins, dann nach Milhaud, und von da nach Nîmes. Man ließ den beiden nachsetzen – wahrscheinlich hatte Esbaldit schon einige Andeutungen fallen lassen – sie wurden gefangen genommen und nach Toulouse zurückgebracht.

Der Mönch gestand sein Verbrechen und gab den Rat als Mitanstifter der Tat und Candolas und Esbaldit als die Totschläger an.

Burdeus ward zum Tod verurteilt. Als man ihn zum Schafott führte, bat er, daß man vor dem Tore seines Klosters anhielte. Mit Tränen in den Augen flehte er die Mönche um Verzeihung an, weil er ihrem frommen Rufe geschadet, und mahnte sie, ein christliches Leben zu führen. Auf der Richtstätte wurde ihm, nachdem er ein inbrünstiges Gebet verrichtet, der Kopf abgeschlagen und sein Leib gevierteilt. Dies geschah am 9. Februar 1609.

Der Rat Gayraud, den man gefänglich eingezogen hatte, leugnete verstockt. Man brachte ihn auf die ordentliche und außerordentliche Folter, ohne ihm ein Geständnis abzwingen zu können. Da drohte ihm der Vorsitzende des Gerichts, an seiner Statt seinen jungen achtzehnjährigen Sohn auf die Folter spannen zu lassen, und nun gestand er. Ihm ward darauf derselbe Spruch wie dem Mönch Burdeus, und am 12. Februar erlitt er seine Strafe. Candolas und Esbaldit wurden an den beiden folgenden Tagen hingerichtet.

Am 16. Februar mußte die schöne Violante, weil sie die Veranlassung zum Verbrechen gewesen, ihr Haupt auf den Block legen.


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