Ludwig Bechstein
Wanderungen durch Thüringen
Ludwig Bechstein

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Saalfeld.

Die Frage: »Wohin nun heute?« beschäftigte bei guter Zeit des folgenden Wandertages die Freunde. Saalfeld sollte erreicht werden, und zwei Wege boten sich dar. »Wir könnten,« schlug Otto vor, »von dem nahen Ernstthal aus zur Rechten den Rennsteig betreten, der uns über den Berggipfel des hohen Schoss bis über Spechtsbrunn führen würde, von wo wir dann in nördlicher Richtung nach Gräfenthal, einer Meiningischen Stadt von 200 Häusern, von düsterer Bauart in einem engen Thale, in der nur das Schloss, der Wespenstein, und die Hämmer im felsigen Zoptegrunde malerisch gelegen sind, gelangen würden. Auf diesem Wege würde sich, namentlich in der Nähe von Spechtsbrunn, mancher Blick auf den Frankenwald gewähren, den östlichen Theil des Thüringer-Waldes, über dessen Gebirgskamm ebenfalls der Rennsteig zieht. Wählen wir hingegen den Weg zur Linken, so schreiten wir nicht minder eine gute Strecke auf dem Rennsteige fort, kommen noch durch sehenswerthe Fabrikorte und gehen beträchtlich näher.« »Wohlauf und ohne Präliminarien!« rief Wagner lebhaft aus. »Führe uns, und wir folgen Dir, unserm Anführer, der uns bis jetzt noch nicht anführte. Der heitere Himmel grüsst uns verheissend: Guten Tag! Vorwärts ist die Losung!« –

Bald umrauschte der Bergwald die Wandergefährten; belebende Morgenfrische überwehte vom Ost her den Kamm des deutschen Binnengebirges und förderte der Reisenden raschen Gang. Diese erreichten bald das Dorf Igelshieb, von 2570 Fuss Meereshöhe, welches mit dem Kirchdorfe Neuhaus und dem tiefer liegenden Glashüttenwerke Schmalebuche nur einen Ort zu bilden scheint. Hohe Wildzäune um Kartoffelland, dürftige Gärten und Wiesen, und Häuser, ganz mit Bretern oder Schiefer bekleidet, verkünden die Waldnatur; einsame Fichten stehen vereinzelt zwischen den nicht minder zerstreuten Häusern und Hütten; man ist den Quellen der Steinach so nahe, die dem Main- und Rheingebiete zuströmt, als denen der Lichte, die, mit der Saale durch die Schwarza vereint, in die Elbe fällt. In Neuhaus, wo es viele Glasperlenbläser gibt, wurde ein kunstreicher Mann besucht, Michael Greiner, der auch physikalische und chemische Instrumente, Thermometer, Aräometer u. dergl. fertigt; seine Stube war vom schmetternden Schlage vieler Finken durchschallt, und fast in allen Häusern, an denen man vorbeikam, hingen Vogelbauer mit Gimpeln, Kreuzschnäbeln, Finken und Drosseln, deren Gesang gar manches Leben verschönt, das auf dieser Höhe einförmig genug mit dem Verfertigen von Holzwaaren für die Sonneberger Fabriken oder mit Glasperlenmachen sich abspinnt. Die drei Nachbarorte liegen malerisch über dem Thale der Lichte, in welches die Hochstrasse sich hinabsenkt. Ein belebter Weg leitete die Wanderer an Pochwerken und Massenmühlen der Porzellanfabriken vorbei und durch die Dörfer, denen das Thalflüsschen seinen Namen gab, bis nach Wallendorf. Dort streckt sich ein Arm der Kunststrasse wieder an einer der blühendsten Porzellanfabriken bergempor, während ein anderer dem Grunde folgen heisst, welcher in das romantische Schwarzathal einmündet. Ueber eine rauhe Landstrecke, die weder ein romantisches, noch ein malerisches Interesse darbot, schritten die Freunde, fast ermüdend, auf den Marktflecken Reichmannsdorf zu. Als Otto diesen Namen nannte, warf Lenz scherzend die Frage auf: »Hat der Ort von reichen Männern den Namen?«

»Der Sage nach, allerdings«, erwiederte der Befragte. »Noch ragt dort zur Linken der Goldberg empor; einhundert und zwei und zwanzig Gruben teuften in einem Umkreise von anderthalb Meilen den Bergsegen aus. Mit goldnen Kegeln und Kugeln spielten die Einwohner und liessen einen Sachsenherzog, der ihr Bergwerk besehen wollte, auf einem goldnen Stuhl einfahren. Ueberhaupt betreten wir jetzt ein Gebiet, darin Geschichte und Romantik sich weilender niedergelassen, als das, welches wir von Vessra aus bis hierher durchzogen; der höchste Theil des Waldes hat keine Frühzeit, weil erst spät Ansiedelungen Statt fanden. Von nun an führe ich Euch raschen Ganges von Bild zu Bild, von Anschauung zu Anschauung, bis wir in Naumburg anlangen, und hoffe, dass Euch das noch zu Schauende für manche Anstrengung, für manchen ermüdenden Marsch entschädigen und belohnen soll. Das Reichmannsdorfer Goldbergwerk ward verflucht von einer Mutter, deren Sohn, ein Bergknappe, wegen angeblicher Veruntreuung gehenkt wurde, und das Werk erlag. Statt des Goldes wird jetzt nur noch auf Eisenstein gegraben, dessen ergibigste Grube, Zufälliges Glück genannt, an dem romantisch bedeutsam anklingenden Venusberge liegt.« Im Gasthause, wo die Wanderer rasteten, erkundigte sich Otto angelegentlich bei einigen Einwohnern, woher dem Berge wohl dieser Name gekommen? Niemand wusste es, der Mund der Sage blieb ihm diesesmal verschlossen.

Um Saalfeld nicht allzuspät und von langer Wanderung ermüdet zu erreichen, wurde in Reichmannsdorf ein Fuhrwerk genommen, das die Reisenden rasch über den Bergrücken trug, wo sich in der Nähe des Oertchens Hohe-Eiche eine herrliche Fernsicht in das obere Saalthal und auf die Höhen des Vogtlandes aufthat. Dann sank die Hochstrasse in das Dörfchen Arnsgereuth und ein kleines Seitenthal der Saale, worauf noch bei guter Zeit Saalfeld, eine der ältesten, berühmtesten und merkwürdigsten Städte Thüringens, erreicht wurde.

Während der Fahrt schon hatte Otto Veranlassung genommen, seinen Begleitern das Wichtigste aus Saalfelds Geschichte anzudeuten. Saalfeld war uralter Grenzsitz der Thüringer, auf einem Feld an der Saale, stets bedroht von den östlichen Nachbarn, Sorben und Wenden. Das werdende Städtlein besser zu schützen, liess Karl der Grosse, der Tradition zufolge, die Sorbenburg erbauen, deren malerische Trümmer noch heute Stadt und Gegend ziert; doch konnte sie den Völkerstrom nicht auf lange dämmen, und das Heidenthum feierte hier einen grossen Sieg über das Christenthum; Slawen unterjochten die Thüringer. Von der weilenden Niederlassung der Eindringlinge zeugen noch die zahlreichen Ortsnamen mit der Endung auf itz am rechten Saalufer. Doch nach mehren Jahrzehenden bemächtigte sich König Ludwig der Deutsche dieser östlichen Provinz, Saalfeld wurde königliche Villa, und dort theilten Ludwigs Söhne ihr Vatererbe. Von Herzogen der sorbischen Mark als Statthaltern und Schirmvögten des Landes beherrscht, hob sich der Ort immer mehr; Kaiser Heinrich der Finkler festete die Stadt durch Mauern und Gräben, und oft besuchten die deutschen Könige ihre Pfalz daselbst. Späterhin wechselte Stadt und Gegend durch Schenkung, Kauf und Vererbung vielfach die Oberherren, erstere wurde Besitzung der Pfalzgrafen von Aachen, der verwiesenen Polenkönigin Richza, des Erzbischoffs Hanno von Cöln, der eine berühmte Benedictiner-Abtei hier gründete und es an seine Nachfolger in dem geistlichen Amte vererbte, von denen Stadt und Land unter Kaiser Friedrich Barbarossa wieder zum Reiche kam. Nur kurze Zeit unter den deutschen Königen, wurde Saalfeld an Cöln zurückgegeben, und zwar von Philipp von Schwaben, während dessen Nebenbuhler Otto IV. mit Stadt und Land den Thüringer Landgrafen Herrmann, den Sängerfreund, belehnte. Die Stadt wurde zum Erisapfel, und da sie von dem Landgrafen nichts wissen wollte, sondern dem geistlichen Herrn anhing, wurde sie zum Sodomsapfel – ein Aschenhaufen. Herrmann erstürmte sie und brannte sie nieder. Dennoch kam sie hernach von Neuem durch Philipp an das Erzstift Cöln, und abermals, nach jenes Ermordung durch den Wittelsbacher, an Otto IV., der sie für eine Reichsstadt erklärte. An die Grafen von Schwarzburg verpfändet und später als Reichslehen blieb Saalfeld lange Jahresreihen unter diesem mächtigen Grafenstamme, wurde dann markgräflich-meissnisch, hierauf erst churfürstlich-, dann herzoglich-sächsisch, und wechselte so vielfach die Herrscher aus dem sächsischen Regentenhause, dass deren Aufzählung am andern Ort, als in einem Geschichtswerk, ermüden kann, bis das Land selbstständiges Herzogthum unter einem Sohne Ernst des Frommen wurde. Nach den Verheerungen des dreissigjährigen, den Drangsalen des siebenjährigen Krieges, zum letzten Male zum Kriegsschauplatz unter Napoleon geworden, unterwarf dieser nach seinen berühmten Siegen 1806 das Herzogthum dem französischen Gouvernement. Mit Coburg später vereinigt, bildete es einen wesentlichen Theil des Herzogthums Sachsen-Coburg-Saalfeld, worauf der Theilungsvertrag zu Hildburghausen am 12. Novbr. 1826 das Fürstenthum Saalfeld mit dem Herzogthum Meiningen-Hildburghausen vereinigte.

Otto's Begleiter waren ganz entzückt über die schöne Gegend, die sich im Glanze eines sonnenhellen Nachmittags vor ihnen aufthat, als sie in den malerischen, ausgebreiteten Thalkessel einfuhren, den die Saale dort bildete. Es ist einer der reizendsten Punkte des Saalthales, das der grösste Fluss Thüringens in mäandrischen Windungen durchfluthet. Stattlich überragt das Schloss mit seinem Thurme die Niederung; hinter diesem zeigt sich das Stift Graba, die Gegend mit schmückend, und im Umfange der Ringmauer Saalfelds heben sich die Thürme der Stadt, die hohen Thorwarten und die Thurmsäulen der Sorbenburg empor. Alles vereinigt sich, Saalfeld den Charakter einer alten Stadt zu geben, so viel es auch unter seinen 660 Häusern neue und freundliche, meist zweistockige, zählt. Ueber den sehr regelmässigen, geräumigen Markt liess Otto den Wagen an dem im spätem gothischen Geschmacke gebauten Rathhause vorbei nach dem Anker lenken, Saalfelds bestem Gasthof und dabei einem ziemlich alten Gebäude, von dem er sogleich den Freunden eine historische Anekdote erzählte, die als Sage bei Saalfelds Einwohnern forterbte: »Der deutsche Krieg zog mit erschütternden Wehen über dieses Land, Niederländer und Spanier unter Karl V. und Herzog Alba verheerten die Gegend; dann wurde die Schlacht bei Mühlberg geschlagen und Churfürst Johann Friedrich vom Kaiser gefangen nach Saalfeld geführt. Der fürstliche Gefangene, von dem sein treuer Lucas Kranach nicht wich, hatte seine Custodie in einem thurmartigen Gemache dieses Hauses; da befiel ihn mit einemmale eine unsägliche Angst und Beklemmung; sehnlichst verlangte er nach frischer Luft, Kranach bat den Kaiser, Erlaubniss zur Gewähr dieser Bitte zu geben, erhielt sie, und kaum athmete der Churfürst nicht mehr die drückende Schwüle seines Gefängnisses, als dieses mit Donnergepolter zusammenstürzte.«

Es war noch nicht so spät am Tage, um nicht eine Wanderung durch die Stadt gemächlich antreten zu können. Otto machte die Freunde im Vorbeigehen auf das alte, in einer Strasse stehende, herzogliche Schloss aufmerksam, das jetzt die Münze enthält, und bemerkte, dass Saalfeld in den frühesten Zeiten schon Münzstadt gewesen. Die Hofapotheke, ein ganz alterthümliches Gebäude im byzantinischen Style, früher Rath- und Kaufhaus, hat von ihrer architektonischen Zier Manches durch Neubauten eingebüsst.

Bewundernd standen die Freunde vor Saalfelds schönster Zierde, der ganz im gothischen Styl erbauten St. Johanniskirche, die zunächst aussen umwandelt wurde. »Dieser schöne Bau«, berichtete Otto, »soll fast ganz vom Ertrage des Reichmannsdorfer Goldbergwerks bestritten worden sein. Prächtig ist das westliche Portal mit dem Hochbilde des Weltgerichts und darüber die Kolossalsäule des Schutzpatrons, welcher knieend, Heil flehend für Stadt und Kirche, dargestellt ist. Hier seht Ihr eine Steinkanzel, auf welcher einst Tezel seinen Ablass verkündete, und Reste alterthümlicher Fresken. Die Heiligenbilder auf diesen Consolen sind herabgestürzt, am Fusse der einen aber erblickt Ihr das Heringsmännchen, Wahrzeichen und Grenzbild. Bis zu diesem soll die Grenze der thüringischen Mark gegangen sein; anderes Bildwerk an den Kragsteinen zeigt verstümmelte Jagdscenen.«

Eingetreten in das Kirchenschiff, überraschte die grosse und wohlerhaltene Glasmalerei der drei hohen Chorfenster, deren brennende Enkaustik den Glanz und die Prachtliebe wie die Frömmigkeit des Mittelalters abspiegelt. Holzschnitzereien und Epitaphien, Wappen und allerlei Bildwerk zieren das Innere, und mit besonderer Aufmerksamkeit weilte Wagner vor einem Altarbilde in der Sacristei, das aus der besten Zeit stammt.

Durch mehre der gutgebauten Strassen führte Otto die Freunde zu der alten Barfüsserkirche, der sogenannten Münzkirche, dem höchsten Gebäude der Stadt. Ein Kloster (jetzt das Gymnasium) schloss sich an dieselbe an, in welches nach seiner Aufhebung eine Zeitlang die Münzstätte verlegt wurde. In dem öden, als Fruchtmagazin benutzten Bau führte Otto seine Begleiter auf hohen Treppen empor, diese sahen weder etwas Schönes, noch Merkwürdiges, bis er sie zur Decke des ehemaligen Kirchenschiffes blicken liess, wo ein herrliches Deckengemälde, umgeben von Apostelbildern in Stuck, in dreifacher Abtheilung sich zeigte. Kühn und grossartig gedacht und lebendig ausgeführt, wurde dieses Bild von einem Maler, Ritter aus Gotha, unter Ernst dem Frommen, welcher die Kirche wiederherzustellen gedachte, geschaffen. Die Dreieinigkeit und Sendung Jesu, eine Vision aus der Apokalypse, und das Gloria der Engel sind die Gegenstände, die der Maler zum Vorwurf wählte und die den Kenner entzücken.

Der Schein der späten Sommersonne übergoss noch hell genug die malerischen Trümmer der Sorbenburg, dass Wagner sie mit dem nahen Schlösschen Kitzerstein (Köditzerstein, weil das Dorf Köditz ihm gegenüber liegt) zeichnen konnte, bevor ein Gewitter, das über dem Walde von Norden heranzog und sich mit einem tüchtigen Wind und derbem Schlagregen bald darauf entlud, die Wanderer vertrieb und sie ein sicherndes Obdach suchen liess. Von vier hohen Thürmen dieser uralten Veste, welche, durch Mauern verbunden, die Trutz- und Schutzwehr des Thüringer Landes bildete, stehen nur noch zwei. Wohlerhaltene Kellerräume darunter sind noch vorhanden und benutzt.

»Wie wunderbar dieser einfache, gigantische Bau absticht gegen jenes Schlösschen!« bemerkte Lenz; »es steht mit seiner ragenden Giebelbedachung und halbgothischer Geziertheit da wie ein Stutzer aus dem Mittelalter neben einem greisen Heidenkönig aus der Aera Karls des Grossen.« –

»Die alten Saalfelder zogen weise die Sorbenburg, auch der hohe Schwarm genannt, in ihren Mauerring«, bemerkte Otto; »aber der Kitzerstein tritt ausfordernd aus derselben, als wenn er sich zugleich eitel in der unter seinem Felsabhange vorbeifliessenden Saale spiegeln wollte.« – Das rasch aufziehende Wetter brach los, weitere Mittheilung schleunig hemmend; doch ging es so schnell vorüber, wie es gekommen war, und schauerte bald nur in einzeln fallenden Tropfen und kühlem Wehen nach; das Meiste davon zog am Walde und über ihn hin. Die Freunde konnten ihre Wanderung fortsetzen und bald an die Saalbrücke gelangen, in deren Mitte eine ehemalige Kapelle mit einem merkwürdigen in Stein gehauenen Gehülfenbilde steht. Der legendenkundige süddeutsche Maler erkannte dasselbe alsbald für ein Bild der heiligen Kümmerniss, die der Heidenkönig, ihr Vater, mit schändlicher Liebe verfolgte, der auf ihr Flehen ein männlicher Bart wuchs, und die der Vater, weil sie standhafte Christin blieb, kreuzigen liess. Das Bild stellt das Mirakel dar, wie sie am Kreuze einem armen Citherspieler einen ihrer goldnen Schuhe schenkt. »Das ganz männliche Aeussere der Gestalt«, sprach Otto, »hat eine spätere Hand verleitet, Salvator mundi dem Stein einzumeiseln; übrigens ist einst dieses Bild als wunderthätig verehrt worden.«

Reizend ist von der Brücke die Aussicht. Das Schloss und die Stiftskirche vom Grabe liegen imponirend nah; auf- und abwärts des Stromes erblickt man gutgebaute Dörfer und Fabrikgebäude, und malerisch hinter einander aufragende grüne Waldberge schliessen in weit ausgedehntem Ringe die alte Stadt ein. Vom schöngebauten Thurme des Schlosses wehte die grünweisse Flagge, ein Zeichen, dass der Landesherr Saalfeld mit seinem Besuch erfreute, durch den fast in jedem Jahr einmal die Oede des stattlichen, geräumig wohlgebauten, ehemaligen Residenzschlosses verscheucht wird.

Den kurzen Rest des Abends brachten die Touristen auf dem Zeh'schen Felsenkeller in guter Gesellschaft zu, unter der auch hier der Führer liebe Freunde und Bekannte wiederfand, die seine Begleiter über Stadt und Umgegend noch näher unterhaltend zu belehren vermochten. Da wurde denn auch ausführlich der Bergwerke gedacht, die in der frühern Zeit äusserst blühend waren, so dass einmal 800 Bergleute in Saalfeld wohnten, und das Revier 24 Gold- und Silbergruben enthielt. Der deutsche Krieg und noch mehr der dreissigjährige übten auch hier, wie überall, den nachtheiligsten Einfluss auf die blühenden Gewerke. Jetzt wird nur wenig noch auf Silber und Kupfer gebaut; der rothe Berg liefert jedoch an Eisen erfreuliche Ausbeute. Saalfeld hat ungemein viel Handelsverkehr mit dem Thüringerwalde, eine beträchtliche Holzflösse, viel Feldbau und Viehzucht; von den trefflichen Brauereien zeugte der Gerstennektar, der den Fremden wie den Einheimischen mundete. –

Der folgende Morgen lockte mit blauem Himmel und hellem Sonnenstrahl zeitig in das Freie. Die Freunde beschlossen, auf Otto's Rath, Saalfeld und seiner himmlisch schönen Gegend noch einige Stunden zu widmen. Der freundliche, noch im französischen Styl angelegte und wohlerhaltene Schlossgarten ward in der Frühe durchwandelt; er enthält ein gutes Orangeriehaus mit vielen exotischen Gewächsen, darunter eine Ceder vom Libanon und einige mittelalterliche Monumente, Reste jener Benedictiner-Abtei, auf deren Fundamenten das Schloss erbaut ist. Die heitern Fernsichten, die man von dem Schlossgarten aus erblickt, lockten zu einem weitern Ausflug, und Otto wählte aus guten Gründen zu dessen Ziel den rothen Berg. Ein höchst anmuthiger Weg über das Blaufarbenwerk und die Schmelzhütte, gegenüber die Stadt mit dem vollen Anblick ihrer hochalterthümlichen Ruine, führte über Köditz und an vielen Mühlwerken vorbei, immer an dem romantischen Ufer des reizenden Stromes hin. Immer schöner gestaltete dieser sich bei Obernitz und Reschwitz, wo die Felsenwände des rothen Berges das Ufer einengen, die Saale zwingen, einen Umweg zu machen, und malerisch und grotesk zum Thonschiefergebirge des jenseitigen Ufers grüssen. Auf einer Felsenbrücke, die kühn den Fluss überspringt, und auf dem Gipfel eines Steinkegels, den die Wellen rings umspühlen, genossen die Besuchenden die paradiesische Aussicht, weckten durch Schüsse das Echo in den Felsenschluchten, stiegen zu einem einsiedlerisch gelegenen Hüttchen herab und erfreuten sich am rauschenden Katarakt eines der Saale mit ungestümer Eile zustürzenden Baches.

»Ja, Dein Thüringen ist ein schönes, reizendes Land!« riefen anklingend in der idyllischen Einsiedelei, wohin eine jugendliche Hebe Flaschen und Becher trug, die Freunde ihrem Führer zu, »und dieser Gegend zumal gebührt der Preis vor vielen andern Gegenden Deiner lieben Heimath, die so reich ist an Erinnerungen der Vorzeit, so thatkräftig in der Gegenwart!«

Vom höchsten Punkte des Berges liessen die Freunde rings in der Gegend umher die Blicke fliegen, und wechselnd auf dem alten Bau des Wetzelsteins, dem grauen Schlosse Obernitz, der Bergruine Könitz, den nahen Halden und Häusern der schwunghaft betriebenen preussischen Bergwerke bei Gross- und Klein-Kamsdorf und Gossewitz, den fernen Orten und Burgen, dem herrlichen Amphitheater des Gebirges und auf der von hier aus gesehen gross und stolz daliegenden Stadt ruhen, bis sie den Rückweg antraten, um bald darauf zwar Saalfeld, aber noch nicht seiner mit Recht preisenswerthen Gegend Valet zu sagen. Im Hinabsteigen vom rothen Berge bemerkte Otto noch, dass auf ihm im dreissigjährigen Kriege General Banner mit 40,000 Mann Schweden und ihren Hülfsvölkern einen ganzen Monat lang kampfgerüstet lagerte, während in und um Saalfeld der Erzherzog Leopold Wilhelm von Oesterreich mit mehr als 50,000 Kaiserlichen ihm gegenüber stand.

 


 


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