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Der Wilde.

Die Traube ist blau, der Apfel roth,
Die Blätter welken und bleichen.
Die bunten Vögel zwingt die Noth
Zu wandern und zu streichen;
Sie schwärmen um das Grafenschloss
Im leichten Federhemde,
Und morgen zieht der ganze Tross
In nebelgraue Fremde.

Es stehen Zwei im Gartengrund,
Die halten sich fest umfangen.
Er küsst ihr Augen, Stirn und Mund
Und die Thränen von den Wangen.
»Fahrwohl du allerärmste Braut,
Du Schönste unter der Sonnen!
Doch wenn ihr Nest die Schwalbe baut,
Wenn der Garten tönt von Vogellaut,
Ist all dein Leid zerronnen.
Ach, wenn ich wäre ein Königssohn
Und hätt' ich Leute und Mannen,
Ich zöge heran mit Drommetenton
Und trüge dich siegend von dannen.
Ein Hof, ein Schild, ein Ritterhelm
Ist all mein Gut und Erbe.
Ich muss dich stehlen wie ein Schelm,
Es glücke, oder ich sterbe.
Wenn linder Wind von Süden weht
Und frei die Brunnen rauschen,
Wenn der Apfelbaum in Blüthe steht,
Dann sollst du horchen und lauschen,
Und hörst du einer Fiedel Klang
Und deines Ritters Weise,
Dann, Traute, zögere nicht lang,
Dann scheuche deine Sorgen bang
Und rüste dich zur Reise.
Fahrwohl! Mein Rösslein stampft den Grund
Und scharrt den Sand der Haide.
Gott segne dich zu jeder Stund,
Du liebe Augenweide!« –
Der Ritter sprach's und schied geschwind.
Im Garten stand des Grafen Kind
In grossem Herzeleide.

Der Winter kam, der Winter verrann,
Es schmolz der Schnee zu Bächen,
Der Apfelbaum zu treiben begann,
Die Knospen wollten brechen.
Die Störche kehrten vom Morgenland,
Die Schwalben kamen gezogen.
Des Grafen Tochter horchend stand
Am hohen Fensterbogen.

Da klangen Hörner im Herrenschloss
Statt sanfter Fiedelsaiten,
Und durch die Thore hoch zu Ross
Zwei Ritter sah sie reiten.
Sie kamen gezogen in reichem Staat,
In Röcken scharlachrothen. –
»Herr Graf, Herr Graf, der Eidam naht!
Wir sind des Königs Boten.
Er zieht heran wie der Wüstenwind
Vom heissen Land der Mohren,
Will Hochzeit halten mit Eurem Kind,
Das er zur Braut erkoren.
Wir bringen der jungen Königin
Als Gaben reiches Geschmeide,
Gesteinte Gürtel und Baldekin
Und Kleider von lybischer Seide.
Wir sind geeilt wie Vogelflug
Die Kunde Euch zu tragen.
Den König aber mit seinem Zug
Erwartet in sieben Tagen.« –
Die Degen sprangen auf den Sand,
Man zog die Rosse zu Stalle,
Die Gäste führte an der Hand
Der Graf in seine Halle.

Nun rührt die Hände Tag und Nacht
Das emsige Gesinde.
Es mischt sich alte Goldespracht
Mit jungem Laubgewinde,
Und Zelte werden ausgespannt,
Und bunte Fahnen prangen.
Es gilt den König von Mohrenland
Mit Ehren zu empfangen.
Soweit die lichte Sonne scheint,
Ist keiner gewaltiger und reicher. –
Die Braut des Königs aber weint,
Und täglich wird sie bleicher.

Der Apfelbaum in Blüthe stand;
Am Fenster sass die Schöne,
Sie sass und lauschte unverwandt.
Wann klingen Geigentöne?
Da ritt ein Fiedelmann heran
Auf einem starken Rosse.
Er war gebräunt wie ein Zingan,
Mit bunten Kleidern angethan
Und hielt am Herrenschlosse.
Die Fiedel tönte süss und lind;
Da kam in hellen Haufen
Vom Klang gelockt das Ingesind
Der Burg heran gelaufen.
Es kam herbei, was Zöpfe trug,
Das Fräulein und die Zofe,
Der Herr des Schlosses aber frug:
»Wer spielt in meinem Hofe?
Der Spielmann kommt zur rechten Zeit;
Ich will ihn pflegen und ehren.
Er soll der Gäste Fröhlichkeit
Durch seine Weisen mehren.
Steig' ab vom Ross und komm' herein
Und raste von der Reise!
Ich lasse dir schenken den besten Wein
Und reichen die beste Speise.«
Der Fiedler aber sprach: »Mit Gunst,
Ich muss von hinnen traben,
Doch eine Probe meiner Kunst
Sollt Ihr, gefällt's Euch, haben.«
Und zu der Geigensaiten Klang
Der Spielmann diese Weise sang:
Oweh, du weisse Taube
Umkreist vom Rabenschwarm!
Sie birgt sich scheu im Laube
Und spricht in Leid und Harm:

»Mein Lieb, wann kehrst du wieder
Auf blauer Wolkenbahn ?
Wann rauscht dein Glanzgefieder,
Wann kommt mein wilder Schwan?«

Getrost! Er schwingt die Flügel
Und regt sie ohne Ruh',
Trägt über Thal und Hügel
Dich sonnigen Ländern zu.

Er nahm die Geige von dem Kinn
Und setzte ab den Bogen,
Und aufwärts zu der Lauscherin
Die schnellen Blicke flogen.
Die Jungfrau kannte nur zu gut
Des jungen Fiedlers Weise;
In hohen Wellen ging ihr Blut,
Und bebend sprach sie leise:
»Nun hilf mir, dass ich armes Kind
Mit meinem Lieb entrinne,
Und mache die Wächter taub und blind,
Du allgewaltige Minne!« –
Zum Fiedler aber sprach der Graf:
»Hab' Dank für Spiel und Lieder.
Du bist der erste, den ich traf,
Dem Herrengunst zuwider.
Dich lockt nicht Gold, nicht Speise an,
Noch süsser Saft der Traube.
So fahre hin, du wilder Schwan,
Und hole dir deine Taube.« –
»Habt Dank,« der Spielmann freudig rief,
»Herr Ritter hochgeboren!«
Er neigte sich im Sattel tief
Und gab dem Ross die Sporen.

Frau Minne hat eine starke Hand
Und tausend listige Räthe. –
Der reiche König aus Mohrenland
Kam einen Tag zu späte.
Zum Gott der Heiden schrie er laut,
Als er vernahm die Märe,
Dass über Nacht die Königsbraut
Spurlos verschwunden wäre.
»Ein Engel hat sie fortgeführt,«
So ging im Volk die Sage.
Vergebens ward ihr nachgespürt,
Der Heidengott blieb ungerührt
Von des Betrognen Klage.
Da hiess er blasen das Muschelhorn
Und gab dem Pferd die Sporen
Und ritt davon in schwerem Zorn
In's heisse Land der Mohren.
Ich weiss nicht, ob er späterhin
Sich eine Mohrenkönigin
Zur Trauten hat erkoren.

Indessen ritten durch den Tann
Auf unbetretnen Wegen
Die Schöne und der Fiedelmann
Dem Minneglück entgegen.
Sie ritten die Nächte in Eil' und Hast
Selbander auf einem Pferde,
Sie hielten Tags im Dickicht Rast
Und ruhten an der Erde;
Und schlief der Ritter, so wachte die Maid
Mit Augen falkenhelle,
Und zwang die Schöne die Müdigkeit,
So wachte ihr Geselle. –
Es war bereits der zwölfte Tag
Den Flüchtigen verstrichen;
Das Schloss in weiter Ferne lag,
Und Angst und Sorgen wichen.
Auf einer blumenreichen Au
Im wilden Forst gelegen
Gedachte der Ritter mit seiner Frau
Der Mittagsrast zu pflegen.
Es labte sie der Felsenborn
Mit seinen kühlen Fluthen,
Ihr Zeltdach war der Hagedorn,
Darunter sie traulich ruhten.
Die Jungfrau lag im weichen Moos,
Der Ritter hielt ihr Haupt im Schooss. –

Es war zur fröhlichen Maienzeit,
Und Blüthen rieselten nieder,
Die Vögel trugen ihr Hochzeitskleid
Und sangen Minnelieder,
Die Bienen schwärmten sonder Ruh'
Um blühende Heckenrosen;
Da fielen die müden Augen zu
Der schönen Heimatlosen.

Der Bäume Kronen bog der Wind,
Er wehte stärker und rauher.
Da fuhr empor des Grafen Kind
Geschüttelt von kaltem Schauer.
Sie fand das Ross am Baume steh'n,
Daran es war gebunden;
Die Sonne wollte untergeh'n,
Der Ritter war verschwunden.
Sie spähte mit den Aeuglein hell
Den Flüchtling zu entdecken.
»Nun komm hervor, mein Trautgesell,
Und lass dein loses Necken!
Es scharrt die Mähre mit dem Huf;
Was zögerst du, mein Trauter?«
Vergebens hallte der Jungfrau Ruf,
Ihr Herz schlug immer lauter.
Sie hob der zarten Stimme Schall,
Dass weit der Wald ertönte,
Umsonst. – Der Berge Wiederhall
Das Leid der Armen höhnte.
Da flossen ihre Thränen heiss
Und netzten die Wangen, die blassen;
Sie rang die Hände zart und weiss
Und jammerte, und schluchzte leis:
»Oweh, ich bin verlassen!
Hat wer ein Leid dir angethan,
Oder hast du mich betrogen?
Bist du gestorben, mein wilder Schwan,
Oder bist du mir entflogen?«

Die Sonne ging durch's goldene Thor
Zur Ruhe hinter die Hügel,
Da raffte sich die Magd empor
Und löste des Rosses Zügel.
Sie schürzte sich das Schleppgewand
Und thät den Zaum ergreifen;
Da sah sie von der rechten Hand
Verschwunden den Fingerreifen.
Es war der köstlichste Edelstein
Gefügt in Goldgeschmeide,
Doch däuchte der Verlust ihr klein
In ihrem grossen Leide. –
Im Walde wurden die Eulen wach,
Es fiel der Thau, der kühle,
Die Jungfrau ritt dem Wasser nach
Und kam geleitet von dem Bach
Zu einer stillen Mühle.
Dort hielt sie an, und aus der Thür
Der alte Müller trat herfür.
»Ach Meister, lasst mir Aufenthalt
Und Obdach bei Euch werden.
Ich habe verloren im wilden Wald
Mein Liebstes auf der Erden.
So lasst mich dienen Euch als Magd
Und meine Hände rühren,
Und wollet morgen, wenn es tagt,
Mein Ross zu Markte führen,
Und was man bietet Euch als Sold
Für Sattelzeug und Mähre,
Das nehmt und kauft mir Fadengold
Und Seide, Nadel und Schere.
Und so mir Euer milder Sinn
Will Kost und Obdach geben,
Ich bring' Euch reichlichen Gewinn
Mit Nähen, Sticken und Weben.« –
Der Müller nahm in's Haus die Maid
Und that nach ihren Worten.
Sie sass in stiller Einsamkeit
Und wirkte Binden und Borten,
Sie stickte manches Prachtgewand
Mit Blumen und goldenen Ranken,
Und auf die nimmermüde Hand
Viel heisse Thränen sanken.

Verstrichen war ein volles Jahr,
Die Veilchen blühten am Bache,
Es kam zurück der Schwalben Schaar.
Der weise Meister Adebar
Stand klappernd auf dem Dache.
Da sprach der greise Herr des Lands,
Der Herzog zu den Seinen:
»Mir wird der Maiensonne Glanz
Nicht allzu oft mehr scheinen.
Drum will ich reiten zum Waldeshag
Mit meinem Ingesinde,
Noch einmal halten Hofgelag
Im Grünen unter der Linde.« –
Sie ritten aus dem Fürstenbau
Und zogen über die Haide.
Bei ihrem Herren ritt die Frau
Im grünen Sattelkleide. –
Im Felde lag der Sonnenglast,
Die Lüfte waren schwüle;
Da lud der Herzog sich zu Gast
Am Waldbach in der Mühle.
»Komm Mägdlein, nimm das Büffelhorn
Und füll' es mir am Lauterborn,
Dass ich den Gaumen kühle.« –
Die Jungfrau lief zum Brunnen schnell
Und that, wie ihr geheissen
Und reichte ihm den Labequell
Mit ihrer Hand, der weissen.
Da sah die Fürstin staunend an
Die Magd im Bauernkleide.
»Wie bist du schön und wohlgethan!
Dein Hals ist weisser als ein Schwan,
Dein Haar ist weich wie Seide,
Und königlich gehst du einher.
Sag' an, wer bist du und woher?« –
Da sprach die gottverlassene Magd:
»Ach, Fürstin hochgeboren,
Ich hab' dem Himmel sei's geklagt,
Den, der mir Treue zugesagt,
Im wilden Wald verloren.
Es hat mich aus Barmherzigkeit
Der Müller aufgenommen,
Sonst wär' ich allerärmste Maid
Im Walde umgekommen.
Nun weil' ich hier und sticke um Geld
Gewänder, Gürtel und Binden.
Es ist kein Leid in Gottes Welt
So gross wie meines zu finden.« –
Da sprach die Herrin zu der Maid:
»Dein Wesen zeugt von Adel.
Du sollst nicht länger im Mägdekleid
Dich mühen mit Faden und Nadel.
Verlassen sollst du das Wiesenthal
Und dich zu Hof begeben,
Sollst sitzen in meinem Frauensaal,
Gewänder und Gürtel weben
Und unterweisen als Meisterin
Die Frauen im Nähen und Spinnen.«
So sprach die milde Herzogin
Und führte die Magd von hinnen. –
Nun trägt die Schöne ein Prachtgewand
Und lehrt die dienenden Maide.
Sie regt die nimmermüde Hand
Und stickt mit Gold und Seide,
Sie spinnt und webt und denkt zurück
An ihr verlorenes Minneglück
In grossem Herzeleide.
Und wieder ritt am frühen Tag
Der Herzog über die Haide,
Er wollte halten im grünen Hag
Ein fröhliches Gejaide.
Es folgte ihm ein bunter Tross
Von Rittern und von Schalken,
Die Hunde bellten, es schnob das Ross,
Nach Beute schrieen die Falken.
Und als sie kamen an Ort und Stell,
Die raschen Jägersleute,
Da lösten sie vom Seile schnell
Die ungeduldige Meute.
Die Bracken rannten ungestüm
Waldein mit spürenden Nasen,
Sie scheuchten auf ein Ungethüm
Und jagten es über den Rasen.
In weiten Sätzen sprang's einher
Und wies die Zähne und Klauen,
Es war kein Wolf, es war kein Bär
Und greulich anzuschauen.
Am Haupte trug es zottig Haar;
Jetzt stand es auf zwei Beinen
Und warf der heulenden Hunde Schaar
Mit Aesten und mit Steinen.
»Ein wilder Mann, ein wilder Mann!«
So schrieen die Waidgesellen
Und drangen hastig in den Tann
Das Ungethüm zu fällen,
i Der Wilde aber lief waldein
Gelenkig und behendig.
Da rief der Herzog: »Schonet sein
Und fangt ihn mir lebendig!«
Da ward das selt'ne Wild umstellt
Von Jägern und von Hunden,
Nach harter Gegenwehr gefällt,
Gefangen und gebunden. –
Der Herzog sprach: »Bei Jesus Christ,
Es ist ein Mannsgebilde!
Vielleicht, dass er zu heilen ist,
Der unglückselige Wilde.
Es macht der arme, zottige Mann
In mir das Mitleid rege.
Aufführt den Wilden mir hindann,
Dass ich daheim ihn pflege!«
So sprach der Herr und stieg zu Ross,
Sie koppelten die Meute
Und führten nach dem Herrenschloss
Die selt'ne Jägerbeute. –
Dort schlössen sie den Wilden ein
Den Frauen wohl verborgen,
Und weise Aerzte pflegten sein
Mit Bädern und mit Arzenei'n
Am Abend und am Morgen.
Sie schoren Haare ihm und Bart
Und labten ihn mit Speise;
Da liess er von der Thiere Art
Und ging nach Menschenweise.
Es ward des Armen Hirn und Mark
Allmählig wieder heil und stark,
Die Sprache kam ihm wieder,
Doch ging er traurig stets einher
Und härmte sich und seufzte schwer
Und schlug die Augen nieder.

Im Schlosshof stand ein Vogelhaus
Gefügt aus Draht und Balken.
Dort ging er täglich ein und aus
Und wartete die Falken.
Da sprach der Herr verwundert schier:
»Verstehst du Falken zu tragen,
So sollst du werden mein Falkonier
Und Reiher und Enten jagen.« –
Am nächsten Morgen ritt ein Zug
Von Jägern in's Gefilde.
Am Riemen einen Sperber trug
Auf seiner Faust der Wilde,
Und als er eine Elster fand,
Warf er ihn schreiend von der Hand. –
Es griff das schnelle Federspiel
Den Vogel mit der Klaue,
Und samt der Beute niederfiel
Der Sperber auf die Aue.
Der Falkner aber riss in Wuth
Die Elster von der Erde,
Zerfleischte sie und trank ihr Blut
Mit grimmiger Geberde.
Da ging Geflüster durch den Tross:
»Er ist noch nicht bei Sinnen.« –
Der Wilde aber stieg zu Ross
Und zog mit den Andern von hinnen.
Nicht lang, so blinkte aus Schilf und Rohr
Ein blauer, klarer Weiher,
Und in die Lüfte stieg empor
Ein schimmernder Silberreiher.
Den beizte der Wilde waidgerecht,
Geschickter konnte es keiner.
Da sprachen Jäger und Jägerknecht:
»Er ist wie unsereiner.«

Am selben Abend sass im Saal
Bei reicher Tafelweide
Der Herzog und sein Ehgemal
Und Ritter, Frauen und Maide.
Gekommen war ein Fiedelmann,
Der seine Künste zeigte,
Geschichten und Abenteuer spann
Und lustig sang und geigte. –
Da kam heran der Falkonier
Und lauschte an der Thüre.
»Herr Herzog«, sprach er, »gönnet mir,
Dass ich die Saiten rühre.
Ich hab' vordem mit Sang und Klang
Wohl manches Herz bezwungen.
Versagt mir's nicht; ich hab' so lang
Den Bogen nicht geschwungen.« –
Der Spielmann auf des Herren Wink
Thät ihm die Fiedel geben.
Der Wilde hob die Geige flink
Und liess den Bogen schweben.
Es klang so lind, es klang so weich
Wie Wind in Schilf und Halmen,
Es klang so voll, es klang so reich
Wie Orgelton und Psalmen,
Es klang wie wilder Wasserfall,
Wie rauschende Stromesschnellen,
Wie Minnelieder der Nachtigall,
Wie rieselnde Waldesquellen,
Und wie ein sterbender Windhauch leis
Verklangen die Töne, die reinen,
Und aus der lauschenden Frauen Kreis
Vernahm man leises Weinen. –
Da sprach der Herr: »Das lob' ich mir.
Du kannst der Künste viele,
Ein Meister bist du im Beizen schier,
Ein Meister im Saitenspiele.
So banne dir den schweren Muth
Mit sanftem Klang der Geige,
Dass nicht auf's Neue das wilde Blut
Zu Haupt und Hirn dir steige.
Du hast zerfleischt in wilder Gier
Die Elster auf der Haide.
Sag' an, was that das Federthier
Dem wilden Mann zu Leide?« –
Der Falkner sprach': »Durch Eure Huld
Genas der Freudenarme.
Seid milde, Herr, und übt Geduld.
Ein Elstervogel trägt die Schuld
An meines Herzens Harme.
Es fliegt mein wacher Geist zurück
Zu sonnigen, seligen Tagen.
Lasst Euch die Mär von meinem Glück
Und meinem Jammer sagen:

Es zog durch Wald und Auen
Ein Ritter hoch zu Ross.
Die schönste aller Frauen
Sein starker Arm umschloss.

Er ritt in Hast und Eile
Und sprengte durch das Land,
Als würden tausend Pfeile
Den Flüchtigen nachgesandt.

Es war am zwölften Morgen
Und müde Ross und Mann,
Da ruhten sie verborgen
In einem wilden Tann.

Er liess die Mähre grasen
Im kräuterreichen Hag,
Und auf dem weichen Rasen
Die Schöne schlafend lag.

Und wie er seine Traute
Bewachte unverwandt,
Er einen Ring erschaute
An ihrer weissen Hand.

Aus gelbem Golde lachte
Ein sonnenheller Stein;
Er zog das Kleinod sachte
Der Magd vom Fingerlein.

Im Lichte thät er wenden
Den edlen Adamas;
Da fiel aus seinen Händen
Das Ringlein in das Gras.

Und eh' der Ritter wieder
Den Fingerring erfasst,
Stiess eine Elster nieder
Vom hohen Tannenast.

Sie thät behend ergreifen
Den lichten Edelstein
Und trug den Fingerreifen
Mit schnellem Flug waldein.

Der Ritter sprang im Schrecken
Empor vom Boden jach
Und lief durch Hag und Hecken
Dem frechen Räuber nach.

Der aber strich zum Horste
Im Dickicht gut versteckt.
Dem Ritter blieb im Forste
Die Elster unentdeckt.

Er schalt des Vogels Tücke
Und schmähte laut den Dieb,
Dann lenkte er zurücke
Den Fuss zu seinem Lieb.

Er schritt wohl eine Stunde,
Er lief in Angst und Hast;
Am blauen Himmelsrunde
Die Sonne ging zur Rast.

Es zogen Sternenbilder
Still wandelnd ihren Weg;
Der Wald ward immer wilder
Und dichter das Geheg.

Da ward ihm sterbensbange,
Er schlug sich vor die Stirn,
Da zog des Wahnsinns Schlange
Sich ringelnd um sein Hirn.

Oweh, du weisse Taube,
Umkreist vom Rabenschwarm !
Sie birgt sich scheu im Laube
Und spricht in Leid und Harm:

»Mein Lieb, wann kehrst du wieder
Auf blauer Wolkenbahn?
Wann rauscht dein Glanzgefieder,
Wann kommt mein wilder Schwan?

Oweh, du weisse Taube!
Den Himmel rufe an.
Es zuckt gelähmt im Staube
Dein armer, wilder Schwan.«

Der Wilde schweigt. – Da hallt im Saal
Ein Schrei aus Frauenmunde.
»Vorbei, geendet ist die Qual;
O dreimal selige Stunde!« –
Es bricht sich durch die Staunenden Bahn
Die schönste der dienenden Maide.
»Willkommen, willkommen mein wilder Schwan!
O süsse Augenweide,
O Herzenstrost, o Seelenlust!
Nun scheiden wir beide vom Harme.«
Sie ruft's und stürzt an des Wilden Brust
Und schlingt um ihn die Arme. –
Da blieb kein Auge unbethaut,
Da weinten und schluchzten alle.
Dann aber durchbrauste Jubellaut
Des Schlosses weite Halle.


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