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Frau Venus in Byzanz.

Mit Gold bekleidet tausend Dächer
Die heisse Sonne von Byzanz,
Und Palmen spreizen ihre Fächer
Und baden sich im Sonnenglanz.
Aus stillen Gärten steigen Düfte
Vom blüthenschweren Rosendorn,
Und kühlend streichen Meereslüfte
Vom goldnen Horn.

Wo in's Gefild die Strasse leitet,
Dem Markte fern und dem Bazar
Ein schlanker Knabe einsam schreitet
Mit lichtem Aug und gelbem Haar,
Vom Abendland herzugetragen
Hat ihn das Meerschiff durch die Fluth;
Er kehrt zurück in wenig Tagen
Und führt von hinnen reiches Gut.
Jetzt überschlägt er froh und heiter
Im Geist den köstlichen Gewinn
Und wandelt sacht die Strasse weiter,
Denkt nicht, wohin.
A.u.S. ??? Da hemmt des Jünglings Schritt ein Garten
Von süssem Rosenduft umweht.
Ein Thor von goldnen Helleparten
Mit beiden Flügeln offen steht.
Im Grünen stehen traumverloren
Die Heidengötter rings umher,
Hier Aphrodite schaumgeboren
Und Ares dort mit Schild und Speer.
Der Satyr lauscht aus Myrtenhecken,
Die Nymphe schlummert im Jasmin,
Tritonen ruh'n am Marmorbecken,
Und Wasser sprudelt der Delphin.
Auf buntem Sandweg buhlt die Taube,
Es schlägt sein Rad der stolze Pfau,
Und schimmernd steigt aus dunklem Laube
Ein Säulenbau.

Und wie der Fremde durch die Gänge
Mit leichten Schritten vorwärts dringt,
Vernimmt er plötzlich Lautenklänge,
Und eine süsse Stimme singt:

O Sonne am Himmelsbogen,
Wie ist dein Ziel so fern!
Wann tauchst du in die Wogen?
Wann funkelt der erste Stern ?
Schon schlagen die Nachtigallen
Im stillen Lorbeerwald,
Und müde Blüthen fallen. –
Geliebter kommst du bald?

Ich schmücke mein Haar mit Kettchen,
Mit Perlen und edlem Gestein,
Mit duftigen Rosenblättchen
Bestreu' ich das Lager mein.
Ich lausche, ob durch die Gemächer
Der Schritt des Trauten schallt;
Die Sonne vergoldet die Dächer. –
Geliebter kommst du bald?

Es lauscht der Fremde mit Entzücken
Und steht mit vorgeneigtem Leib.
Und sieh, da beugt vor ihm den Rücken
Zum Gruss ein altes Mohrenweib.
Sie deutet nach des Hauses Schwelle
Und spricht: »Die Herrin wartet dein,«
Und geht, der freudige Geselle
Mit raschen Schritten hinterdrein.
Er steht im hohen Marmorsaale
Und mustert staunend Glanz und Glast.
Da tritt mit einer vollen Schale
Ein schöner Knabe vor den Gast.
Die weisse Stirn in braunen Wogen
Das nardenduft'ge Haar umspielt;
Dem Knaben gleicht er, der mit Bogen
Und Pfeil nach Menschenherzen zielt.
Der Fremde trinkt, und Gluth des Feuers
In allen Adern er verspürt,
Und froh des künftigen Abenteuers
Folgt er dem Knaben, der ihn führt.
Ein Tuch wie Morgennebel luftig
Der schöne Führer lächelnd hebt,
Und eine Wolke rosenduftig
Dem fremden Gast entgegen schwebt.
Er sieht vom Abendschein umflossen,
Mit Schleiern leicht umhüllt den Leib,
Auf Tiegerhäute hingegossen
Das schönste Weib.

Ihr Haar umwallt in dunklen Strähnen
Das marmorbleiche Angesicht,
Ein Schimmer blinkt von ihren Zähnen,
Als sie mit süsser Stimme spricht:
»Ach, lange bist du fern geblieben,
Doch, dass du kommst, ich habs gewusst,
Denn in den Sternen steht's geschrieben,
Dass du mich endlich finden musst.«
Und ihre feuchten Augen blinken
Ruchlos und wieder kinderfromm.
Wer widerstände solchem Winken? –
»Geliebter komm!«

Im Garten schlagen Nachtigallen,
Und lauter rauscht der Wasserstrahl,
Am dunklen Abendhimmel wallen
Die Silbersternlein ohne Zahl.
Auf Haus und Garten ist gesunken
Der Schleier, den die Nacht sich spann.
Die schönste Frau küsst minnetrunken
Ein sel'ger Mann.

Die Sonne kam und ging zur Rüste,
Die Zeit verstrich wie Vogelflug.
Wann kehrt das Schiff zur heim'schen Küste,
Das nach Byzanz den Fremden trug?
Es zieht und zerrt am Ankertaue
Und sehnt sich nach der off'nen See.
Sein Herr vom Netz der schönen Fraue
Umstrickt vergass das Heimatweh.
Im ersten Dämmerschatten eilt er
Zum Marmorhaus im Gartenhag;
Bei seiner holden Trauten weilt er
Die Nacht und träumt von ihr bei Tag.
Und Baldekin und Purpurseide
Bringt er als Liebesgaben dar
Und schmückt mit Perlen und Geschmeide
Ihr dunkles Haar.

So warf er in der Minne Bronnen
Mit voller Hand das reiche Gut,
Bis seine Habe war zerronnen
Wie Schnee in heisser Sonnengluth.
Er trat in grossem Herzeleide
Vor seine Frau und sprach das Wort:
»Du meiner Augen süsse Weide,
Fahr' wohl! Zur Heimat zieh' ich fort.
Mein schnelles Schiff ist segelfertig,
Und morgen trägt's das off'ne Meer.
Du harre mein und sei gewärtig
In kurzer Frist der Wiederkehr.
Jetzt bin ich arm, doch komm' ich wieder
Beladen mit ererbtem Gut;
Das leg' ich dir zu Füssen nieder,
Dazu mich selbst mit Leib und Blut.
Könnt' ich den Meeresschaum, den weissen
Zertheilen wie das Fischgeschlecht,
Die Perlenkrone wollt' ich reissen
Der Meerfrau aus dem Haargeflecht.
Und wenn ich Adlerflügel hätte,
Auf zum Orion schwäng' ich mich
Und raubte seine Sternenkette
Für dich, für dich.«

»Ein Männerschwur,« versetzt die Holde,
»Sieht aus wie Stahl und reisst wie Flachs;
Der Männer Treue gleicht dem Golde,
So rühmt ihr, und sie schmilzt wie Wachs.
Doch meinst du's ernst mit deinen Schwüren,
So gieb, du Trauter, mir ein Pfand.
Komm, lasse mich zu Munde führen
Zum Abschied deine rechte Hand.«
Sie sprach's, und ohne Arg zu wähnen
Der Jüngling ihr die Rechte gab.
Ein jäher Schmerz. – Mit scharfen Zähnen
Biss sie den kleinen Finger ab.
Sie saugt das Blut mit ihrem Munde
Und weint auf die versehrte Hand.
Dann pflegt sie liebevoll die Wunde
Und birgt den Finger im Gewand.
»Wohl«, spricht sie, »mag der Wunde brennen,
Ich selber leide grössre Pein;
Doch ob uns sieben Meere trennen,
Jetzt halt' ich dich, jetzt bist du mein.
Fahrwohl! Ich wahre dir indessen
In steter Treu dein Minneglück.
Das Wundmal wehrt dir das Vergessen;
Du kehrst zurück.«

Das Meerschiff trug zum heim'schen Sunde
Den jungen Kaufherrn durch die Fluth.
Verflogen ist der Schmerz der Wunde,
Doch nicht der Minne heisse Gluth.
Die lässt ihn ruhen nicht und rasten,
Er bietet all sein Gut zu Kauf
Und füllt das Schiff mit goldnen Lasten
Und lenkt nach Süden seinen Lauf.
Das Fahrzeug fuhr mit gutem Winde,
Schon rauscht im Griechenmeer der Kiel,
Und fröhlich jauchzt das Schiffgesinde
Entgegen dem erstrebten Ziel.
Die blauen Wellen spiegeln wider
Der Prachtgebäude reichen Kranz,
Die Anker sinken rasselnd nieder. –
Gegrüsst Byzanz!

Nun rührt vom Abend bis zum Morgen
Die Schaar der Knechte Fuss und Hand,
Bis alles Schiffgut wohl geborgen
Und aufgestapelt ruht am Land.
Dann wählt die köstlichsten der Gaben
Von seinem Gut der Kaufherr aus
Und sendet sie durch Botenknaben
Der schönen Herrin in das Haus.
Er selber aber steigt zu Rosse
Mit reichen Kleidern angethan
Und reitet nach dem Marmorschlosse
Die alte, wohlbekannte Bahn.
Geöffnet sind des Thores Flügel,
Ein schwarzer Diener grüsst den Gast
Und hilft ihm aus dem Silberbügel
Und führt den Jüngling zum Palast.
Der aber eilet dem Geleite
Voraus mit ungeduld'gem Lauf
Der Nebelvorhang rauscht zur Seite. –
Herz jauchze auf!

Da steht die liebe Augenweide
Im weissen, schimmernden Gewand,
Um Hals und Brust das Prachtgeschmeide,
Das ihr der Buhle hat gesandt.
Das Haar umwallt in dunklen Strähnen
Ihr marmorbleiches Angesicht,
Ein Schimmer blinkt von ihren Zähnen;
Sie neigt sich vor dem Gast und spricht:
»Wie deute ich die reichen Spenden,
Mit denen Ihr mich, Herr, bedenkt,
Die Schätze, die mit vollen Händen
Ein Fremder einer Fremden schenkt?« –
»O«, ruft er, »trübe nicht die Stunde
Durch Scherz, du meines Lebens Glück!« –
Sie aber spricht mit ernstem Munde:
»Ihr irrt Euch Herr«, und tritt zurück.
Aus seinen Wangen weicht die Farbe,
Er streckt nach ihr die rechte Hand
Und bebt und ruft: »Sieh diese Narbe!
Bin ich dir jetzt noch unbekannt?« –
Da hebt das Weib als wie aus Träumen
Erwacht die Hand zur Stirn empor,
Und aus dem Busen ohne Säumen
Zieht sie ein seltsam Ding hervor
Und legt es vor den Jüngling nieder.
Der starrt von jähem Schreck gerührt
Auf eine Handvoll Fingerglieder
Wie Schlüssel an ein Band geschnürt.
Sie weist auf die verkrümmten Finger
Und bricht in helles Lachen aus.
»Nun Freund, betrachte dir die Dinger
Und nimm, was dir gehört, heraus.«
Da steht entsetzt der Schreckensbleiche,
Von seinen Lippen gellt ein Schrei:
»Entweiche Teufelin, entweiche!
Gott steh' mir bei!«

Da zucken Flammen, sprühen Funken,
Und krachend folgt ein Donnerschlag.
Die Marmorhalle ist versunken,
Verschwunden ist der Gartenhag.
Der Jüngling sieht im Mondenschimmer
Auf öden Feldern sich allein,
Er hört der Eule Klaggewimmer,
Und Schauer rüttelt sein Gebein.

Er ist darnach noch lange Jahre
Im fremden Land umhergeirrt,
Er kehrte heim mit weissem Haare
Als Greis verarmt und sinnverwirrt.
Die Hörer lauschten mit Ergetzen
Der Schauermär des Morgenlands,
Erzählte er von seinen Schätzen
Und von der Venus in Byzanz.


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