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Der Ritter vom Hühnernest.

k Es rauschen und schäumen die Wogen,
Darüber die Wolken zieh'n;
Ein Schifflein kommt gezogen
Geschwind wie ein Delphin.
Ein Jüngling steht am Steuer
In ritterlicher Wehr,
Der fährt auf Abenteuer
Nach Cypern über das Meer.

Dort sass ein reicher König,
Der übte grosse Gewalt;
Die Insel war ihm fröhnig,
Er selbst war grau und alt.
Doch wie die Blüthenranke
Die morsche Weide umspinnt,
So hegte den Greis das schlanke,
Lenzfröhliche Königskind.
Er sprach zu seinem Kinde:
»Ich spüre der Krone Wucht.
Es treibt mit schnellem Winde
Mein Lebensschiff zur Bucht. /k
Dir lass' ich all mein Erbe,
Die Leute und das Land.
Wer aber, wenn ich sterbe,
Hält über dir die Hand?
Den ich als Sohn begrüsse,
Das sei der beste Mann.
Nun höre, du Liebe, Süsse,
Was schlaflos ich ersann.
Ich lasse ein Lanzenrennen
Durch alle Reiche melden;
Dann mag ich selbst erkennen
Den ersten aller Helden,
Und wer von den edeln Gästen
Nicht aus dem Sattel wich,
Dem geb' ich als dem Besten
Die Krone, das Land und dich.«

So hat der König gesprochen,
Zufrieden war's die Magd.
Da ward auf zwanzig Wochen
Das Hoffest angesagt.
Aus deutschem und wälschem Lande
Die Ritter waren geladen
Und zogen nach Cyperns Strande
Auf wogenden Wasserpfaden.

Und jeder wähnte eitel
Zu ernten den reichen Lohn
Und fühlte auf seinem Scheitel
Den goldenen Reifen schon.
Ach, wie so manchen bitter
Die gleissende Hoffnung betrog! –
Nun wisst ihr, was den Ritter
Nach Cyperns Küste zog.
Er kam aus nordischen Gauen;
Herr Heinrich hiess der Held,
Die Augenweide der Frauen,
Der Schreck der Feinde im Feld.

Es trieb durch die Wasserwüste
Den Kiel der Seewind scharf,
Bis dass an Cyperns Küste
Das Schiff die Anker warf.
Da stieg aus schwankem Boote
Der Ritter und sah mit Lust
Erglänzen im Sonnenrothe
Die Zinnen von Famagust.
Er sprach: »Mein Knapp, nun laufe
Mit flinken Füssen voraus,
Zwei starke Rosse kaufe
Und miethe ein Herberghaus;
Und ist's geschehen, so eile
Zu deinem Herrn alsbald.
Ich harre dein derweile
Allhier im grünen Wald.«

An einem kühlen Bronnen
Herr Heinrich rastend sass.
Es spielten im Glast der Sonnen
Die Würmlein in dem Gras,
Um Hyacinthen flogen
Die Falter, die ruhelosen,
Und summende Bienen sogen
An wilden Veilchen und Rosen.
Da schwang vom Ast sich nieder
Ein Vöglein in den Klee.
Es schimmerte sein Gefieder
Wie frisch gefallener Schnee.
Es liess sein Stimmlein schallen
Wie Silberglocken rein
Und aus dem Schnabel fallen
Zu Boden einen Stein.
Dann flog's zum Waldesdunkel,
Der Ritter aber fand
Den köstlichsten Karfunkel
Und nahm ihn in die Hand.
Er hielt dem Licht entgegen
Das Kleinod, roth wie Blut;
Da ward dem jungen Degen
So wundersam zu Muth,
Als zögen des Steines Flammen
Durch Mark ihm und Gebein.
Es schmolz sein Leib zusammen,
Er wurde winzig klein.
Er thät sich niederbücken
Zum Wasserspiegel klar
Und sah mit hohem Entzücken,
Dass er ein Vogel war.

Da hob er sich geschwinde –
Ihn dünkte leicht die Last –
Er flog empor zur Linde
Und wiegte sich auf dem Ast,
Er strich mit Schwalbenschnelle
Hoch über der Zweige Gitter,
Dann flog er wieder zur Quelle
Und wandelte sich zum Ritter.
Er barg den Stein, den rothen
Und pries des Himmels Huld
Und harrte seines Boten
In freudiger Ungeduld.

Nicht lang, so scholl durch die Bäume
Des kommenden Knappen Ruf;
Er führte am Gezäume
Zwei Rosse von starkem Huf.
Da ward dem jungen Degen
Mit Stahl umhüllt die Brust.
Er ritt dem Glück entgegen
Durch's Thor von Famagust.

An's Fenster liefen die Frauen
Und manche waidliche Maid
Den fremden Ritter zu schauen
Im abendländischen Kleid,
Und manche dachte im Stillen:
»O wäre der Ritter mein!
Ich möchte ihm zu Willen
In allen Stücken sein.«

Hoch wallte die bunte Fahne
Vom Königsschloss im Wind.
Dort stand auf hohem Altane
Das schöne Königskind,
Und als sie von der Zinne
Sich beugte niederwärts,
Da sandte ihr Frau Minne
Den schärfsten Pfeil in's Herz.
Dann fuhr ein Strahl, ein zweiter
Dem Ritter in die Brust;
Da ward der junge Streiter
Sich süsser Qual bewusst.
Er sprengte fort im Sturme,
Dass Schild und Speer erklangen.
Die Jungfrau stieg vom Thurme
Mit hochgerötheten Wangen.

Sie sass am Fensterbogen
Im Frauengemach allein.
Da kam herein geflogen
Ein weisses Vögelein;
Das schwebte um die Wände
Und flatterte ohne Ruh'.
Da schlug die Magd behende
Das Bogenfenster zu
Und nahm vom Haupt die Kogel
Mit Perlen reich gestickt
Und warf sie über den Vogel
Mit weissen Händen geschickt.

Hilf Himmel! Wie blassten die Wangen
Dem Kind mit einem Schlag,
Als unter dem Schleier gefangen
Ein junger Ritter lag.
In Ohnmacht sank sie nieder –
Der Schreck war gar zu jach –
Doch rief der Ritter sie wieder
Mit süssen Küssen wach,
Und als sie am Gefieder
Den fremden Vogel erkannte,
Da bebten ihre Glieder –
Gar heiss die Minne brannte –

Da schlang die Liebeswunde
Um seinen Hals den Arm;
Da schieden zur selben Stunde
Die zwei von allem Harm.

Ich kann euch nicht vermelden,
Wie lang die schöne Magd
Geherzt den jungen Helden
Und was sie sich gesagt.
Die Zeit verrann den beiden,
Als trüge sie fort der Wind.
Am Ende sprach beim Scheiden
Das schöne Königskind:

»Der Himmel wolle es wenden,
Dass du der Sieger bist
Und aus des Vaters Händen
Empfängst, was dein schon ist.
Und sollte den Preis erwerben
Ein andrer Mann als du,
Viel lieber möcht' ich sterben
Als ihm gehören zu.«
Sie nahm aus ihrem Schreine
Von Golde einen Kranz,
Drein blitzten Edelsteine
Von wunderbarem Glanz.

»Wie dieses Gold so lauter
Ist meine Treu' zu dir,
Und hefte den Kranz, du Trauter,
An deinen Helm als Zier,
Auf dass ich morgen im Gaden
Erkenne den theuern Mann
Und aller Heiligen Gnaden
Für ihn erflehen kann.«
Sie küsste sanft den Ritter,
Ihr schöner Leib erbebte,
Und aus dem Fenstergitter
Ein weisses Vöglein schwebte.

Es schritt zur Tafelweide
Herr Heinrich in den Saal.
Er trug das Prachtgeschmeide
Am Helm von blauem Stahl.
Da sassen die Herrn und tranken,
So Heiden wie Christenritter,
Romanen, Gälen und Franken
Und Mohren und Moskowiter;
Es mischten sich vlämische Laute
Mit sarazenischem Ton
Wie damals, als man baute
Den Thurm von Babylon.

Ein Fremder kam geschritten
Mit sporenklirrendem Fuss;
Aus Böheim war er geritten,
Und böhmisch war sein Gruss.
Der Kranz von Gold und Steinen
Ihm in die Augen stach,
Darauf der Fackeln Scheinen
In bunten Lichtern sich brach.
Er trat heran zu schauen;
Da ward Herrn Heinrich kund,
Dass der aus Boheims Gauen
Auch gutes Deutsch verstund.
»Herr Bruder«, sprach der Fremde,
»Wie sehr ich Euch beneide!
Ihr tragt ein Waffenhemde
Von Azagauger Seide,
Drein glänzen Kalzedone
Und mancher bunte Opal.
Ich bin des Schmuckes ohne
Und gehe in rostigem Stahl.
Auch blieben Ring und Kette
Mir armen Ritter versagt.
Hei, wenn ich das Kränzlein hätte,
Das Ihr am Helme tragt!
Es däucht mich fast zu schwere
Für Euren Helm als Zier.
Bei Eurer Frauen Ehre,
Herr Bruder, schenkt es mir.«

Da sprach Herr Heinrich milde:
»Nichts kleines Ihr begehrt.
Das goldne Kranzgebilde
Ist mir gar lieb und werth.
Doch weil Ihr meiner Minne
Gedacht zur rechten Zeit,
So nehmt Euch zum Gewinne
Das köstliche Geschmeide
Da thät der Andre greifen
Begierig nach dem Raube
Und band den goldnen Reifen
Auf seine Eisenhaube.

Drob sah Herrn Heinrich sauer
Sein alter Knappe an
Und sprach in Groll und Trauer:
»O Herr, was habt Ihr gethan!
Ihr konntet leicht versagen
Den Kranz dem schlauen Schelm.
Nun sprecht, was wollt Ihr tragen
Als Zeichen auf Eurem Helm?«

Da sprach der Ritter zum Knappen:
»So wähl' ich ein Hühnernest;
Das will ich tragen als Wappen
Und Zeichen beim Königsfest.«

Es lachte der junge Degen
Und schaute fröhlich drein.
Die Liebste sah ihm entgegen
Aus jedem Becher Wein.

Die Banner im Winde wallen
Und flattern von Thurm und Dach,
Drommeten und Hörner schallen
Und dumpfer Schildekrach.
Es sitzt bei dem König, dem greisen
Sein Kind im Purpurzelt.
Heut gilt's. Wer wird sich erweisen
Als allerbester Held?
Wer wird erstreiten die Krone,
Die Krone und das Land?
Wem wird zum süssesten Lohne
Der jungen Königin Hand?

Die Jungfrau sah mit Zittern
Den wilden Waffentanz.
»Hilf Himmel von allen Rittern
Dem einen mit goldenem Kranz!«
Doch diesmal war der Himmel
Und seine Heiligen taub,
Denn jählings flog vom Schimmel
Der Ritter in den Staub.
Der ihn gebracht zum Weichen,
Der sass im Sattel fest;
Er trug am Helm als Zeichen
Ein schnödes Hühnernest.
Dann schwenkte er zur Seiten
Das Ross zu neuem Ritte
Und stach vom Pferd den Zweiten,
Dem Zweiten folgte der Dritte.
Es hielt nicht einer von allen
Dem Hühnerneste Stand,
Sie mussten sämmtlich fallen
Und küssen Staub und Sand.
Da weinte die Jungfrau bitter
Und stöhnte und schluchzte leis.
Vom Hühnernest der Ritter
Gewonnen hatte den Preis.

Der König liess ihn laden
Vor seinen goldnen Thron
Und sprach zu ihm in Gnaden:
»Willkomm mein starker Sohn!
Du hast erstritten das Beste,
Da kann kein Zweifel sein.
Herr Ritter vom Hühnerneste,
Mein Kind, mein Reich ist dein.
Nun tritt heran du Süsse
Und löse mein Wort geschwind.« –-
Da warf sich vor die Füsse
Dem Sieger das Königskind.
»Herr Ritter, habt Erbarmen!«
Zu flehen sie begann.
»Mich hielt in seinen Armen
Bereits ein andrer Mann.
Dem hab' ich zugeschworen
Mein Herz und meine Hand.
Den Sieg hat er verloren,
Ihr warft ihn in den Sand;
Den Euer Speer mir raubte,
Dem halt' ich die Treue fest.« –
Da nahm Herr Heinrich vom Haupte
So Helm wie Hühnernest
Und thät die Magd umfangen
Mit starken Armen geschwind
Und küsste von den Wangen
Die Thränen dem treuen Kind.

»Den Kranz, den ich getragen,
Ein schlauer Mann erschlich.
Nicht durft' ich die Gabe versagen;
Er mahnte mich, Frau, an dich.
Da musst ich den Wunsch ihm stillen,
Ihm reichen das köstliche Gut,
Und hätt' er um deinetwillen
Geheischt mein Leben und Blut,
Ich hätte beides gegeben
Um deinetwillen hin,
Denn lieber als mein Leben
Bist du mir, Königin.«


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