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Die Feder im Bart

Das war Herr Thedel Unverzagt,
Der Ritter von Walmode.
In alten Büchern ist viel gesagt
Von seinem Leben und Tode.
Er hatte von des Teufels List
Viel Ungemach zu leiden
Und starb als Ritter und guter Christ
In Livland unter den Heiden.
Und wenn ich des Helden Lebensgang
Zu Ohren ganz euch brächte,
So dauerten drei Tage lang
Die Mären und drei Nächte.
Nur eine bleibt euch nicht gespart;
Sie heisst: Die Feder in dem Bart.

Im Lande Braunschweig Herzog war
Herr Heinerich der Leue.
Dem diente manches liebe Jahr
Herr Thedel in grosser Treue,
Und weil er, was sein Herr begehrt,
Vollbrachte allerwegen,
So war dem Herzog lieb und werth
Der unerschrockene Degen.
Er liess an seinem Stuhl ihn steh'n
Und thät ihm reiches Gut zu Lehn
Und manches Kleinod geben. –
Doch hat das Glück ein Haus gebaut,
Der gelbe Neid in's Fenster schaut
Und siedelt sich daneben.

Der Herzog Heinrich sass beim Mahl
Und liess den Wein sich munden.
Herr Thedel war in's Wiesenthal
Geritten mit Falk und Hunden.
Da sprach der Herr: »Mir dient ein Mann,
Den alle Sänger feiern,
Wie keinen zweiten ich gewann
In Braunschweig, Sachsen und Baiern.
Er hat mit dem wüthenden Heer gejagt,
Kein Teufel macht ihn zittern. –
Es lebe Herr Thedel Unverzagt,
Der beste von allen Rittern!«

Nun sass vom Herzog nicht zu fern
Ein Neidhart in der Runde,
Der trat heran zum Sitz des Herrn
Und sprach mit höhnischem Munde:
»Herr Thedel, der Held von selt'ner Art,
Ich wette, ist auch zu schrecken.
Lasst morgen früh in Euren Bart
Eine weisse Feder stecken,
Und wenn Herr Thedel Unverzagt
Die Feder auszuziehen wagt
Mit seiner Hand, der kecken,
So schnappt und beisst ihm nach der Hand –
Ich setze meinen Kopf zum Pfand,
Es fasst ihn jäher Schrecken.«
Herr Heinrich sprach dem Schelmen Dank
Und freute bass sich auf den Schwank.

Der Herzog schritt im Morgenschein
Zur Kirche Gott zu loben.
Er trug im Bart ein Federlein
Herrn Thedel zu erproben.
Der Ritter sah's und neigte sich
Die Feder zu entflechten;
Da schnappte Herzog Heinerich
Dem Helden nach der Rechten,
Herr Thedel aber gab sogleich
Dem Herzog einen Backenstreich
Und, glaubt mir, keinen schlechten.

Drob hat Herr Heinrich nicht geklagt;
Er sprach: »Bei Christi Wunden!
Du bist der Thedel Unverzagt,
Jetzt hab' ich's selbst empfunden.
Gieb mir die Hand und schweige still.
Wer meinen Thedel schrecken will,
Der ist nicht recht bei Sinnen.
Mir ward zum Lohn, was mir gebührt,
Doch wer mich zu der That verführt,
Der packe sich von hinnen!«


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