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VII.
Die Wassercur.

65. Kalte Bäder.

In dem Bespeien der Fieberkranken mit Wasser, wie wir es die Medicin-Männer in Victoria ausführen sahen, haben wir bereits eine Form der Hydrotherapie der Naturvölker kennen gelernt, und dass den Anwohnern des Meeresstrandes und der Ufer von Flüssen und Seen auch die segensreiche Wirkung kalter Bäder nicht unbekannt geblieben ist, das wird wohl Niemanden überraschen. Bisweilen scheint man mit diesen Bädern allerdings auch einen rechten Unfug zu treiben und sie in recht unzweckmässiger Weise anzuwenden. In Victoria wenigstens sterben viele junge Leute, wenn sie vom Fieber befallen werden, weil der Medicin-Mann sie veranlasst, drei- bis viermal täglich im Flusse zu baden. Bei den Skagit-Indianern in Columbia sah Holmes einen alten Mann in den letzten Stadien der Schwindsucht klappernd vor Frost nach der Einwirkung eines kalten Bades, das er bei einer Lufttemperatur von 40 Grad Fahrenheit hatte nehmen müssen. Auch die Huatstecos haben viele Pockenkranke verloren, weil sie sie mit kalten Bädern behandelten. Das Gleiche gilt von Mittel-Sumatra.

Die Moquis und die Pueblos wenden keine kalten Bäder an, während sie bei den Pimas, den Nieder-Californiern und den Bewohnern der Insel Saleyer sehr gewöhnlich sind. Die Dacota, Creeks und Chippeways, die Klamath in Oregon und die Flatheads lassen die kalten Bäder direct dem Dampfbade folgen. Die Indianer von Honduras lassen ihre Kranken ein kurzes Flussbad nehmen, und dann müssen sie sich zum Feuer legen. Die Moquis gehen, wenn sie fieberkrank sind, in das kalte Wasser und bleiben darin, »bis sie gesund oder todt sind.« Wir hätten hier also ein Beispiel eines perpetuirlichen Bades. Bei den Winnebagos wird als kaltes Bad »irgend ein natürlicher Fluss oder eine Quelle benutzt, in welche der Kranke in sitzender Stellung gebracht wird, so dass ihm das Wasser bis zum Kinn reicht; oder wenn solch natürliches Bad der Entfernung wegen nicht zu beschaffen ist, so wird der Kranke in Blankets gewickelt, und kaltes Wasser auf ihn gegossen; das wird fortgesetzt, solange es dem Operateur gefällt. Diese Vornahme hat bisweilen einen günstigen Erfolg in Fällen von Fieber; aber gewöhnlicher ist das Resultat eine Congestion zu wichtigen Eingeweiden oder zum Gehirn.«

In ähnlicher Weise pflegen die Dacota-Indianer, die Eingeborenen von Kroë in Sumatra, die Doresen in Neu-Guinea und die Eingeborenen von Süd-Australien bisweilen ihre Kranken kalt zu übergiessen, und in Victoria spritzt ihnen der Medicin-Mann mit den hohlen Händen Wasser über den Körper. Eine die Temperatur herabmindernde Wirkung haben zweifellos auch gewisse Waschungen. Sie werden in Süd-Californien und von den Dacota-Indianern mit gewöhnlichem Wasser ausgeführt; in Victoria und auf Buru, bisweilen aber auch bei den Dacota, werden besondere Pflanzendecocte hierzu verwendet. In Mittel-Sumatra und bei den Aschanti macht man diese Waschungen mit kühlenden oder mit stärkenden Pflanzensäften.

66. Warme Bäder und Trinkcuren.

Ausser den kalten Bädern werden auch bisweilen heisse Bäder in Gebrauch gezogen. Das wird aber nur von den Nez-Percéz und von den Indianern Columbiens gemeldet. Allerdings scheinen sie bei diesen Stämmen ein sehr beliebtes Mittel zu sein.

Auch die Heilwirkung gewisser Thermalwässer ist den Naturvölkern wohlbekannt, wenn sich zufällig solche Heilquellen in dem von ihnen bewohnten Gebiete vorfinden. Es mag hier an die heissen Quellen von Neu-Seeland erinnert werden, welche vielfach von den Eingeborenen zum Baden benutzt werden. Auch die Haidah-Indianer gebrauchen nach Jacobsen mit gutem Erfolge eine warme Schwefelquelle, um sich von syphilitischen Erkrankungen zu befreien. In ähnlicher Weise behandeln die Eingeborenen von Mittel- Sumatra ihre an Krätze und an Hautausschlägen Erkrankten.

Von den Siamesen sagt Bastian: »Kranke in Aynthia baden zur Heilung in dem Theile des Flusses, der bei dem Kloster Prot-Satr vorüberfliesst und die Kräfte des Teiches Bethesda besitzt.« Auch die Perser machen von den zahlreichen Heilquellen in ihrem Lande für Badecuren einen ausgiebigen Gebrauch.

Im Seranglao- und Gorong-Archipel und auf den Babar-Inseln versteht man es, aus bestimmten Pflanzen medicamentöse Bäder für erkrankte Kinder herzustellen.

An diese Badecuren schliesst sich der Gebrauch der Heilwasser für bestimmte Trinkcuren an, wie wir ihn bei den Central-Mexicanern und bei den Buräten vorfinden. Die Ersteren benutzen ein Wasser, welches bei Fiebern eine günstige Wirkung ausüben soll, und die Buräten trinken das Pogromnische Sauerwasser, worüber Pallas Folgendes berichtet: »Die Buräten bedienen sich desselben wider allerley Krankheiten und trinken, nach Vorschrift ihrer Lamen, deren jährlich einige hierher kommen und den Quell mit Gebeten seegnen, gemeiniglich sieben Tage lang, täglich drey bis viermahl zu sieben Schaalen, welche kleinen Spülkummen gleich sind. Sie werden von dem Genuss des Wassers matt und etwas fieberhaft, und viele genesen von allerley Zufällen. Von schädlichen oder gar tödtlichen Wirkungen wissen die Buräten unter sich nichts, und man sieht leicht, dass in ein paar Fällen, welche von den Russen erzählt werden, nur der unmässige Genuss bey vorhergehenden schweren Krankheiten dergleichen habe nach sich ziehen können.«

Noch einer Art der Bäder haben wir zu gedenken, welche vor nicht gar langer Zeit auch bei uns noch eine ziemliche Rolle spielte; ich meine die Thierbäder. Sie bestehen bekanntermaassen darin, dass der Patient das erkrankte Glied in den noch warmen, frisch geöffneten Leib eines soeben geschlachteten Thieres steckt. Nur ein einziges Beispiel für diese Sitte ist mir bei den Naturvölkern bekannt geworden. Dasselbe betrifft die Onkanagan-Indianer in Nord-Amerika. Ein verzweifelter Fall von Schwindsucht wurde von ihnen dadurch angeblich geheilt, dass sie 42 Tage hindurch täglich einen Hund tödteten, ihm den Bauch aufschnitten und die Beine des Patienten in die noch warmen Eingeweide legten. Allerdings wurden gewisse Rindenabkochungen von dem Kranken noch ausserdem gebraucht.

67. Schwitzcuren.

Wir wenden uns jetzt der Besprechung eines Heilfactors zu, welcher in der Therapie und der Gesundheitspflege der Naturvölker eine hervorragende Stellung einnimmt, das ist die künstlich gesteigerte Körperwärme, die Transpiration, das Schwitzen. Auf den Inselgruppen des malayischen Archipels wird dieses vorwiegend dadurch erzielt, dass man den Kranken dicht an das Feuer legt oder dass man sogar unter seiner Lagerstätte ein Schwälfeuer entzündet. Diese Methode spielt auch in der Wochenbettpflege dieser Volksstämme eine bedeutende Rolle und sie ist von mir bereits an anderer Stelle ausführlich besprochen worden. In Dorej und in Mittel-Sumatra wird hierfür auch ein Liegen in der Sonne in Anwendung gezogen.

Die Australneger von Victoria haben eine besondere Methode, um heisse Asche auf den Körper einwirken zu lassen. »Wenn es an den Lenden oder Unterschenkeln sehr schmerzt, so nimmt der Arzt einen guten Haufen vorbereiteter heisser Asche, welche nur von Rinde gemacht ist; der Patient wird auf den Bauch gelegt, und der Arzt reibt höchst unbarmherzig die heisse Asche auf den befallenen Theil, wie ein Schlächter, der Fleisch salzen will; wenn die Lenden und Unterschenkel schmerzen, wird der Kranke bis nahe zu den Knieen in den Berg von heisser Asche gesteckt, indessen der Arzt die befallenen Theile mit heisser Asche reibt. Während dieser Vornahme macht der Arzt seine Beschwörungen, wobei er gelegentlich einen Theil des Staubes mit einem zischenden Geräusche in die Luft schlägt. Wenn er genügend manipulirt hat, wird der Kranke in sein Gewand gewickelt.«

Ein weiteres Mittel, die Transpiration zu erregen, welches vielfach bei den Völkern Amerikas gebräuchlich ist, bildet der Tanz. Wir dürfen hierbei eins aber nicht vergessen; der Tanz dieser Stämme ist nicht wie bei unserem Volke ein Vergnügen, eine Volksbelustigung, sondern er ist fast unter allen Umständen eine rituelle Handlung, ein Gottesdienst. Der Erkrankte selber tanzt nicht mit, als Heilfactor kommt der Tanz nicht in Betracht. Der Medicin-Mann aber und seine Gehülfen müssen sehr häufig Tänze aufführen, wenn sie den Patienten von seinen Leiden befreien wollen. Trotzdem ist der Tanz auch für das allgemeine Volk von einer grossen Wichtigkeit, denn er dient als bedeutsame prophylactische Maassregel. So heisst es bei Bancroft von den Süd-Californiern: »Um das Missfallen der Gottheit abzuwenden und dem bösen Einfluss der Zauberer entgegenzuarbeiten, werden regelmässige Tänze zur Sühne und Abbitte abgehalten, in welchen sich der gesammte Stamm vereinigt.«

Sehr lehrreich ist hierfür die Erzählung eines Klamath-Indianers in Oregon, deren Mittheilung wir Gatschet verdanken. Ich will sie in wörtlicher Uebersetzung hier folgen lassen: »Um zu schwitzen während fünf Tagen sollen wir gehen, um einen Tanz zu haben, die alten Weiber ebenfalls. Ihr sollt gehen zu einem Schmause, um zu essen. Ich fürchte, ich muss machen zu warm. Laut müsst ihr singen; bei fünf Feuern habt ihr zu singen. Ihr, noch dazu, Weiber und Genossen beginnt zu tanzen mit Anstrengung; nach und nach sollt ihr Ueberfluss essen morgen. ›Krankheit will herankommen,‹ der Schamane so sagt, manche Tamánuash-Medicin (zu ihm) ›das ist so,‹ sagt; ›an Pocken, sagt sie, wird leiden (das Volk)‹, die Tamánuash, gerade so sagt sie. Es ist klagend das Volk, all erschreckt durch die Pocken. So der Schamane vor dem Schwitzen spricht: ›Wie viele Esskübel zählst Du? wie viele, schon, Kübel? Zweimal zehn und fünf; so viel zähle ich.‹«

»Diese Anordnungen haben den Zweck, das Volk in dem gemeinsamen Tanzhause zu sammeln zu einem fünf Nächte dauernden Tanze. Der Tanz wird rings um die Feuer ausgeführt mit meistens übermenschlichen Anstrengungen, in der Absicht, eine profuse Perspiration hervorzurufen und dadurch irgend einer Ansteckung durch Krankheit vorzubeugen. Der Beschwörer oder Schamane ist betraut mit der feierlichen Aufführung aller Tänze, von denen die meisten einen religiösen Charakter haben. Diese Art des Schwitzens heisst › Wála‹, während das Schwitzen in einem Temazcalli oder Schwitzhause › Spúckli‹ ist. Der Kiuks ist eingeführt als alle diese Worte sprechend. Die Partikel › Mat‹ bezeichnet die Worte, welche von einem Anderen als dem Erzähler gegeben werden, î'lks ist der volle Tisch, Korb oder Kübel, in welchem die Lebensmittel hereingebracht werden; aber es bezeichnet auch die Nahrung selber und das Tanzfest, bei welchem sie gegessen wird. Fünffach brennend, weil fünf Feuer brennen. Die jungen Männer entkleiden sich während der Feier bis zu den Hüften und beginnen ihren Tanz, nachdem die Weiber einen beendet haben.«

» Yayayá-as (eine Tamánuash-Medicin) bedeutet eine bestimmte Tamánuash-Zauberkraft, welche den Beschwörer inspirirt; der Beschwörer erzählt dem Volke, was die Yayayá-as ihm sagt.«

»Der Kiuks erhält die Begeisterung durch die Yayayá-as nur nach dem Schwitzen; dann kann er dem Volke erzählen, wann die Krankheit kommen will.«

Bei den Dacota und ihren Nachbarn wird bei Krankheiten eine Schwitzprocedur in Anwendung gezogen, welche von den benachbarten Weissen als Grund-Schwitzen oder Bodenschwitzen ( ground-sweat) bezeichnet wird.

»Das wird auf folgende Weise gemacht. Ein kleiner Haufen Klötze wird auf der für die Operation bestimmten Stelle verbrannt. Wenn die Erde noch heiss ist, wird eine Aushöhlung gemacht, um den Körper des Patienten aufzunehmen, in welche er dann gelegt wird, mit der nothwendigen Kleidung, um den Schweiss zu absorbiren, welche über den Körper gepackt und worüber heisse Erde gebreitet wird, während nur der Kopf herausragt. Dieser Process des reichlichen Schwitzens, bei mehr funktionellen Störungen der Gewebe, giebt der capillaren Structur einen solchen Impuls, dass die Deposite schnell entfernt werden.«

Eine ganz ähnliche Maassnahme hatte Hughan bei den Australnegern von Victoria zu beobachten Gelegenheit. »Es wurde ein Loch in den Boden gegraben von ungefähr ein Fuss Tiefe, auf dessen Boden dünne Baumrinde gelegt wurde, und auf das Feuer wurden feuchte Blätter bis zum Rande des Loches gelegt; über dieses Loch stellte sich der völlig nackte Kranke. Der leidende Körpertheil wird unmittelbar über die Blätter gehalten und der Hitze des Feuers ausgesetzt, das einen Dampf aussendet, der nicht entweichen kann, da Opossum-Decken auf das behandelte Individuum gehäuft werden, dem bald der Schweiss aus jeder Pore quillt«.

68. Das Dampfbad.

Die verbreitetste Schwitzprocedur bei den Völkern Amerikas und zugleich die bedeutungsvollste ist aber das Schwitzen im sogenannten Dampfbade, in besonders errichteten Schwitzhütten oder Schwitzhäusern. Diese werden entweder jedesmal für den besonderen Zweck neu aufgeführt, oder es sind ständige Einrichtungen. Das Letztere ist namentlich im centralen Amerika der Fall. Hier sind es auch meistens steinerne Gebäude, bisweilen klein, dass nur ein bis zwei Personen darin Platz finden, bisweilen aber auch gross und geräumig und einer ganzen Anzahl von Menschen gleichzeitig Baum gewährend. In den nördlicheren Gegenden werden die Schwitzhäuser meistens in Form ganz kleiner Hütten errichtet, mehrere Stangen werden in die Erde gesteckt, ihre Spitzen bringt man kuppelförmig zusammen, befestigt sie in dieser Stellung und deckt den ganzen Bau mit dichtem Blattwerk oder mit Büffelfellen zu, so dass nur ein lochartiger Eingang und manchmal eine kleine Luftöffnung freigelassen wird. Den Boden hat man vorher entweder ausgehöhlt oder geglättet. Man wählt für die Errichtung solcher Schwitzhütten für gewöhnlich eine Stelle hart an einem Seeufer oder an einem Fluss oder einem Bache aus, um einestheils das zur Erzeugung des Dampfes erforderliche Wasser bequem bei der Hand zu haben und um andererseits in der Lage zu sein, dem Dampfbade schnell ein kaltes Bad folgen zu lassen.

Fig. 58. Schwitzbad der nordamerikanischen Indianer. Nach einer Zeichnung auf einem Musikbrett der Wabeno. Nach Schoolcraft.

Die Art der Construction dieser für den besonderen Zweck errichteten Schwitzhütten richtet sich bisweilen auch nach bestimmten rituellen Vorschriften; wir kommen darauf noch zurück (Fig. 58).

Die massiv aufgerichteten Schwitzhäuser werden mit einem aztekischen Worte Temescal oder mit dem spanischen Estufa bezeichnet. Stoll schildert sie uns von den Indianern Guatemalas, bei welchen hierfür der Quiché-Name Tuh gebräuchlich ist: »In allen den zahlreichen Dörfern, welche noch indianische Sitte aufrecht erhalten, findet man gewöhnlich hinter dem Wohnhause backofenförmige, halbkugelige Bauten, deren Durchmesser und Höhe mehrere Fuss beträgt. Sie sind aus Stein oder Lehmziegeln gebaut. Die Eingangsöffnung ist so klein, dass ein Mensch eben noch durchkriechen kann. Im Inneren, worin sich dem Eingang gegenüber ein Paar als Herd dienende Steine befinden, wird Feuer angemacht, dessen Rauch durch ein in der Kuppel befindliches Loch entweicht. Gleichzeitig werden drei Schüsseln voll Wasser in den Ofen gestellt, und zwar zwei davon neben das Feuer, damit ihr Wasser sich erhitze, die dritte aber entfernt davon, da ihr Wasser nicht heiss werden soll. Wenn das Feuer abgebrannt ist, so kriechen eine oder mehrere Personen nackend in den Temazcal hinein, löschen die Gluth durch Uebergiessen mit Wasser; der sich entwickelnde Wasserdampf, dessen Entweichen durch Verschliessen des Eingangs und des Kamins verhindert wird, erfüllt den Ofen. Die Badenden haben dünne Zweige irgend welcher Pflanzen bei sich, welche sie in die Schüsseln mit dem heissen Wasser tauchen und womit sie alsdann sich selbst oder Einer den Anderen schlagen, um den Ausbruch des Schweisses zu befördern. In diesem Dampfbad verweilen sie etwa zwanzig Minuten. Das geschilderte Verfahren ist das unter den Pokonchi-Indianern von Tactic übliche, doch glaube ich nicht, dass erhebliche Abweichungen von demselben anderwärts vorkommen. Die halbkugelige Kuppelbaute ist für den Tuh die gewöhnliche, doch kommen auch vierkantige, mit flachem Dach versehene Schwitzöfen vor.« (Fig. 59).

Fig. 59. Schwitzhütte der Indianer von Guatemala. Nach Stoll.

Die grössten Schwitzhäuser finden sich nach Bancroft bei den Pueblos in Neu-Mexico. »Jedes Dorf hat ein bis sechs dieser eigenthümlichen Gebäude. Ein grosser halbunterirdischer Raum ist gleichzeitig das Badehaus, Rathhaus, Berathungshaus, Clubhaus und Kirche. Es besteht aus einer weiten Aushöhlung, deren Dach fast in gleicher Ebene mit dem Erdboden ist, manchmal ein wenig darüber, und getragen wird von dicken Balken oder Pfeilern von Mauerwerk. Rund um die Wände laufen Bänke, und in der Mitte des Estrichs ist ein viereckiger Steinherd für das Feuer. Der Eintritt geschieht mit Hülfe einer Leiter durch ein Loch in der Decke, das gerade über dem Feuerplatze angebracht ist, so dass es zugleich als Ventilator dient und dem Rauch freien Austritt gestattet. Gewöhnlich sind sie von runder Form und von grossen und kleinen Dimensionen. Sie sind entweder innerhalb des grossen Bauplatzes errichtet, oder in den Hof ausserhalb desselben eingegraben. In einigen der Ruinen werden sie gefunden, erbaut auf der Mitte von dem, das einst ein pyramidaler Pfeiler war, und vier Stockwerke hoch. In Jemez ist die Estufa von einem Stockwerk, 25 Fuss breit und 30 Fuss hoch. Die Ruinen von Chettro Kettle enthalten 6 Estufas, jede 2 oder 3 Stockwerke hoch. In Bonito sind Estufas 175 Fuss im Umfange, erbaut aus abwechselnden Schichten von dicken und dünnen Steinplatten.«

In den kleinen Schwitzhütten der nördlicheren Stämme wird die Entwicklung des Dampfes dadurch hervorgerufen, dass Steine glühend gemacht und dann mit Wasser übergossen werden. Bisweilen macht man die Steine neben der Hütte glühend und bringt sie dann erst in die Hütte hinein, in anderen Fällen aber findet die Erhitzung der Steine gleich auf dem Boden der Hütte Statt. Letzteres scheint das häufigere zu sein. Die auf diese Weise hervorgerufene Entwicklung des Dampfes wird als eine ganz gewaltige geschildert, als »wahrhaft erstickend«, und er erzeugt in kurzer Zeit eine sehr hochgradige Transpiration. Die Schwitzhütte der Dacota-Indianer ist nur 3-4 Fuss breit und ebenso hoch; die glühend gemachten Steine haben jeder einzelne ein Gewicht von 3-4 Kilo. Bei den Nez-Percé hat dagegen die Schwitzhütte bei 3 bis zu 8 Fuss Höhe oft einen Durchmesser von 15 Fuss. In einer so kleinen Hütte muss der Patient natürlicher Weise hockend verweilen, während ein Gehülfe ihm die glühenden Steine mit Wasser begiesst.

Fig. 60. Wöchnerin der Rouquouyennes-Indianer im Dampfbade. Nach Crevaux.

Bei den Central-Mexicanern wird der Patient mit den Füssen voran wie in einen Backofen hineingeschoben und er liegt dann, durch eine untergebreitete Matte geschützt, auf den heissen Steinen mit dem Kopfe in der Nähe des Luftloches. In den grösseren Temescali liegen die Schwitzenden mit den Füssen gegen das Feuer gekehrt. Bei den Rouquouyennes-Indianern in Süd-Amerika wird der Patient oberhalb der Steine in einer Hängematte gelagert (Fig. 60). Diese Proceduren werden stets vollständig nackend vorgenommen. Unmittelbar aus dem Schwitzraume mit seiner oft wahrhaft erstickenden Luft stürzen sich die Indianer in das kalte Wasser des benachbarten Flusses.

Im Principe sehr ähnlich ist eine Schwitzvorrichtung, wie sie die Narrinyeri in Süd-Australien bei rheumatischen Affectionen anwenden. »Sie zünden ein Feuer an und machen Steine heiss, wie zum Kochen. Dann machen sie eine Art Gestell aus Stangen und der Kranke wird darauf gesetzt. Unter das Gestell bringen sie einige der heissen Steine und giessen, nachdem sie den Kranken mit Wolldecken bis zum Kopfe eingehüllt und die mit heissen Steinen bedeckte Stelle ebenso abgeschlossen haben, Wasser auf die Steine und der Dampf steigt dann unter den Decken auf und hüllt den Körper der Patienten ein. Diese Behandlungsmethode ist oft sehr erfolgreich.«

In Nord-Californien wird das Feuer im Temescal im Anfange des Winters entzündet und darf bis zum Frühjahr nicht erlöschen. Diese Art der profusen Schweissentwickelung wird gegen allerlei Krankheit angewendet, aber es ist auch eine hervorragend hygieinische Maassnahme, um sich den Körper gesund zu erhalten. Doch das Schwitzhaus dient auch rituellen Zwecken, und keine wichtige politische und religiöse Vornahme, kein Medicin-Tanz, ja nicht einmal die Besichtigung seiner Medicamente seitens des Medicin-Mannes kann vorgenommen werden, ohne dass zuvor die speciell bei der Feier Betheiligten die reinigende und heiligende Einwirkung eines Schwitzbades hätten auf sich einwirken lassen. Darum ist bei manchen Stämmen das Schwitzhaus nur den Auserwählten zugänglich. Weiber dürfen bei den Schastas und einigen anderen Stämmen nur hinein, wenn sie dem ärztlichen Stande angehören. Bei den Pueblos schlafen die Männer im Temescal und die Frauen dürfen ihnen nur das Essen dorthin bringen. Gottesdienste und Rathsversammlungen werden darin abgehalten. Bei den Dacota und den benachbarten Indianern wird die gewöhnliche Schwitzhütte aus vier Pfosten, diejenige für feierliche Vornahmen aus acht Pfosten construirt. In letzterem Falle werden auch acht glühend gemachte Steine hineingebracht. Wenn es sich aber um ein besonders grosses Medicin-Fest handelt, dann sind für die Schwitzhütte neunzig Pfosten und neunzig Heizsteine erforderlich.

Ueber die Schwitzhütten erhielt Gatschet von einer Klamath-Indianerin in Oregon folgenden Bericht: »Das Seevolk hat zwei Arten von Schwitz-Hütten. Zu weinen über einen Todten, sie bauen Schwitz-Hütten, den Boden ausgrabend; sie werden gedeckt, diese Schwitz-Hütten, mit Erde zugedeckt. Eine andere Schwitz-Hütte bauen sie von Weiden, einem kleinen Cajüten-Fenster ähnlich. Blankets breiten sie über die Schwitz-Hütte, wenn in ihr sie schwitzen. Wenn Kinder sterben, oder wenn ein Ehemann Wittwer wird, oder die Frau verwittwet wird, sie weint aus Ursache des Todes, gehen schwitzen viele Angehörige, die er zurückgelassen hat; fünf Tage schwitzen sie dann. Sammelnd die Steine, sie machen sie heiss, sie häufen sie auf (nach dem Gebrauch); diese Steine haben niemals gedient zum Schwitzen. Die Schwitz-Hütte, vor ihr machen sie sie heiss, heiss wenn sie sind, sie bringen zugleich sie hinein, giessen auf sie Wasser, sie besprengen. Sie schwitzen dann mehrere Stunden und wenn sie hinreichend gewärmt sind, so verlassen sie und sie kühlen sich selbst ab, ohne Anzug, nur baden gehen in einen Bach, Fluss oder See dabei. Sie wollen schwitzen für lange Stunden, um sich stark zu machen, so biegen sie nieder junge Fichtenzweige, sie binden zusammen kleine Baumzweige mit Stricken. Von Weidenrinde die Stricke sie machen. Nach Hause gehend häufen sie Steinhügel auf, kleine Steine zur Erinnerung an den Todten, Steine von gleicher Grösse aussuchend.«


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