Josef Baierlein
Der Spruchbauer
Josef Baierlein

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29.

Während im Rate der Bösen der soeben erzählte Anschlag ausgeheckt wurde, hatte auch die Spruchbäuerin mit ihrem Sohn eine Unterredung.

»Von Herzen dürfen wir unserm Herrgott dankbar sein für den Segen, den er uns heuer wieder g'spendet hat,« sagte sie. »Stadel und Scheuern sind voll bis unter's Dach, und alles haben wir schön und trocken heim'bracht. Du darfst morgen beim Hochamt schon 'was ordentlich's neinlegen in den Opferkasten, Stephan!«

»Meinst D', Mutter, es langt ein Preußentaler?«

»Ich hab' Dir nichts vorz'schreiben, mein Bub; Du bist der Bauer. Aber in dem Jahr haben wir wirklich eine hauptgute Ernt' g'habt. Da wär' nach meinem Dafürhalten auch ein Zweiguldenstückl nicht z'viel.«

»Alsdann opfer' ich halt zwei Gulden.«

»Und wie willst Du's heuer mit den Dienstboten halten?«

187 »Wie von jeher; da führ' ich keine Änderung nicht ein. Jeder Knecht kriegt sein Trinkgeld und jede Magd ein neues Kopftüchel. Das letztere überlaß' ich Dir, Mutter. Wenn D' morgen aus der Frühmess' heimgehst, kannst beim Kramer gleich so viel einkaufen, wie wir brauchen. Ich versteh' ja doch nichts nicht vom Weiberputz.«

»Das will ich gern auf mich nehmen. Und wie steht's alsdann mit dem Tanzen?«

»Auch da bleibt alles beim alten. Wer zu der Musik unter d' Linden gehen will, darf geh'n. Meine Dienstboten haben sich's sauer werden lassen und haben sich die vielen heißen Wochen her rechtschaffen ab'plagt. Da sollen s' am Erntefest auch ihre Lustbarkeit haben. Drum geb' ich ja den Knechten ein Trinkgeld. Wer aber am Tanzen keine Freud' hat und lieber daheim bleibt, der bekommt dafür ein flottes Nachtessen: die Knecht' ein Bier und G'selchtes, die Weibersleut' Kücheln und einen Kaffee. So hat's mein seliger Vater g'macht und g'rad so halt' ich's auch.«

»Von den älteren Mädeln geht keine mehr zu der Musik; die haben mir's schon g'sagt, daß sie sich auf den Kaffee g'freuen wie nicht g'scheit, und weil auch ein paar Knecht' daheimbleiben werden, und das doppelte Kochen schon viel Schererei macht, vom Küchelbacken gar nicht z'reden, will ich mir für morgen auf d'Nacht halt 188 die Kreszenz b'stellen,« sagte die Bäuerin. »Die kann mir alsdann ein paar Stund' helfen; das heißt,« setzte sie lächelnd hinzu, »wenn's Dir recht ist.«

Fast wäre er in lauten Jubel ausgebrochen.

»O Mutter, – Mutterl!« rief er leuchtenden Auges, »wie herzensgut bist Du! Ich hab's mir ja nicht z'sagen traut; aber Du hast mir halt meinen großen Wunsch von den Augen abg'lesen und ihn erfüllt, eh' ich Dich drum 'bitt hab'. Tausendmal sag' ich Dir Vergeltsgott für diese Wohltat.«

Dabei haschte er nach der Hand der alten Frau und drückte trotz ihres Sträubens seine Lippen darauf.

»Laß doch, laß!« wehrte sie ihm. »Ich hab mir halt 'denkt, wenn ich's nicht auf eine solchene Art und Weis' anstellen tät', alsdann wärst ja Du der einzige im Spruchbauernhof, der am Erntefest seine Freud' nicht hätt'; und wenn ich Dich morgen hätt' traurig sehen müssen, – das wär' mir doch über's Leberl 'krochen. Zudem hab ich mir g'sagt, daß die Kreszenz, beim rechten Licht betracht', doch immer noch unsere Magd ist und dessentwegen an einem solchenen Festabend auch mit an unseren Tisch g'hört. Also – jetzt weißt, was morgen los ist. Wenn ich aus der Frühmess' komm' und noch ehvor ich zum Kramer geh' um die Kopftücheln, mach' ich einen Sprung hinein in den Pfarrhof 189 und bestell' mir die Kreszenz, damit sie sich richten kann für auf den Abend; und wenn Du dann nach dem Rosenkranz das Mädel abholen willst, kannst Du sie gleich herführen in's Haus.«

»Ach Mutterl, ich sag' Dir halt noch einmal von ganzem Herzen Vergeltsgott!« – –

So waren zu gleicher Zeit und in der nämlichen Stunde zwei Pläne ausgedacht worden; der eine hatte zum Urheber wilden Haß und Heimtücke, der andere verdankte inniger Mutterliebe sein Entstehen. So grundverschieden die Quellen ihres Ursprungs waren, mußten sie doch, sobald sie zur gemeinsamen Ausführung kamen, eine Katastrophe vorbereiten, durch deren Wirkung die Hauptpersonen dieser Geschichte mit zwingender Notwendigkeit in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Die beiden Pläne wurden auch mit gewissenhafter Pünktlichkeit durchgeführt, – wenn es nicht als Widerspruch aufgefaßt werden will, auf den Vollzug des einen gewissenlosen Anschlags gleichfalls jenes schmückende Beiwort anzuwenden, – so daß die Entwicklung der Handlung in rascher Aufeinanderfolge, Schlag auf Schlag und mit dramatischer Steigerung der Affekte erfolgte, und der Spruchbauer am Ende aller Enden nicht mehr lange auf das sehnsüchtig erhoffte Zeichen vom Himmel zu warten brauchte. 190

 


 


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