Josef Baierlein
Der Spruchbauer
Josef Baierlein

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24.

Der Italiener hatte seine Wohnstätte in einem Hause an der Dorfgasse aufgeschlagen, welches dem Wiesenbauernhof schräg gegenüber lag. Da er bei seiner Hauptbeschäftigung, der Aufsicht über die ihm untergebenen Arbeiter, noch hinlänglich freie Zeit behielt, um sich im Nebenamt nach einer reichen Frau umzuschauen, war sein Augenmerk schon von seinem ersten Eintreffen in Schattendorf an darauf gerichtet gewesen, sich auch hier nach den Mädchen mit der größten Mitgift zu erkundigen.

In dieser Hinsicht konnte ihm nun nicht verborgen bleiben, daß der Wiesenbauer zu den reichsten Grundbesitzern der Gemeinde zählte, daß er neben zwei unerwachsenen Töchtern auch eine bereits heiratsfähige, nämlich die Lene, besaß, und daß diese ihrem künftigen Hochzeiter bare zehntausend Gulden mitbrachte. Da für Herrn Bonatesta das bare Geld die Hauptsache bildete, weshalb es ihn wenig kümmerte, ob das Mädchen selbst hübsch oder garstig war, so wäre Lene freilich eine sehr erwünschte Partie für ihn gewesen. Aber – es gab da einen großen Haken.

149 Die Ankunft des Italieners fiel gerade in jene Zeit, wo Lene die Angel nach dem Spruchbauer ausgeworfen hatte und noch in der Selbsttäuschung lebte, ihre Heirat mit ihm stehe schon vor der Tür. Vorwitzig und voreilig hatte sie ihre Hoffnung auf eine baldige Verlobung mit Stephan schon als vollendete Tatsache aufgefaßt und als solche herumkolportiert. Sie galt daher überall im Dorf für die Hochzeiterin des Spruchbauern und diese Annahme erhielt scheinbar auch ihre Bestätigung durch den regen Verkehr, welchen letzterer mit dem Wiesenbauernhof unterhielt. Daß Stephan recht ungern und immer nur auf Einladung von Lenes Vater Besuche im Nachbarhaus machte und dort bei allerlei ländlichen Arbeiten mithalf, konnten ja die Leute nicht wissen.

Unter solchen Umständen erschien Lene dem Italiener als ein zwar leckerer, jedoch unerreichbarer Bissen. Mit einem Großgrundbesitzer zu konkurrieren, war von vornherein ein aussichtsloses Unterfangen; der Abstand zwischen einem solchen und ihm, dem landesfremden Eisenbahn-Akkordanten, der seine Zelte heute da, morgen dort aufschlug, erwies sich als zu groß, als geradezu unüberbrückbar. Ja, wenn Lene ganz frei gewesen oder wenigstens an einen Burschen von minder schwerwiegenden Qualitäten gebunden gewesen wäre, dann hätte Bartolo Bonatesta kein 150 Bedenken gehabt, als Bewerber um ihre Hand mit in die Schranken zu treten, aber unter dergestalt gelagerten Verhältnissen – – Schwamm drüber!

Plötzlich bekam jedoch die Angelegenheit ein anderes Aussehen. Eines schönen Tages verbreitete sich schnell wie ein Lauffeuer durch Schattendorf die Kunde, mit dem Spruchbauer und der stolzen Lene sei es nichts mehr, ja, es sei von allem Anfang an nichts gewesen, und die Wiesenbauerntochter habe nur geflunkert, daß sie schon bald das reichste und fürnehmste Weib im Dorfe würde. Jetzt sitze sie daheim, heule und flenne wie nicht gescheit und speie Feuer gegen den Spruchbauer, seine Mutter, sein Haus und seine selige und noch lebende Verwandtschaft. Denn sie selbst hätte, was reputierliche Mädchen doch niemals täten, eingestanden, daß er ihr den Laufpaß gegeben habe, nicht aber sie ihm. Es geschehe der hoffärtigen Putzdocken schon recht! Was sie nur damit meine, daß das Elsenfelder Schulmeistermädel eine Hexe sei und ihr den Hochzeiter mittelst eines Zaubertranks abspenstig gemacht habe? Nun, das werde sich mit der Zeit wohl auch noch ausweisen.

Natürlich blieb die merkwürdige Neuigkeit auch dem Italiener nicht lange verborgen, und als geweckter Mensch begriff er sofort, daß jetzt die günstige Stunde für ihn geschlagen hatte. Wenn die reiche Bauerntochter vor Schmerz über die 151 erlittene Enttäuschung so von Sinnen war, daß sie ihr Herzeleid in die vier Winde hinausschrie und es dem Dorfklatsch preisgab, dann brauchte sie ohne Zweifel milden Trost in ihrer Verlassenheit und Bartolo Bonatesta hatte den besten Willen, ihr jede erwünschte Tröstung zu gewähren.

Als praktischer Mann schickte er sich denn sofort an, Lene regelrecht zu belagern. Doch das ging verhältnismäßig schwer. Denn es ist uns bekannt, daß Lene sich außer dem Hause kaum mehr sehen ließ und nur innerhalb desselben wie ein Gespenst von einer Stube in die andere lief. Um aber geradeswegs einen Besuch im Wiesenbauernhof zu machen, dazu mangelte dem Bauunternehmer jeder Anlaß. Er hatte bis zur Stunde die ganze Familie links liegen lassen und das Mädchen nicht einmal bei zufälligem Begegnen gegrüßt, geschweige ein Wort mit ihr gesprochen. So lange sie für des Spruchbauern Verlobte galt, hatte er jede Bemühung um sie als nutzlos angesehen, und er war nicht darnach geartet, Zeit und Mühe an nutzlose Dinge zu verschwenden.

Jetzt lag die Sache freilich anders, aber jetzt rächte sich auch seine bisherige Vernachlässigung; denn nun fand er so geschwind, wie er es wünschte, keinen Anknüpfungspunkt. Mit Lene allein glaubte er allerdings leicht fertig zu werden; die wollte er schon kirre machen. Aber es war ihm 152 doch recht ärgerlich, daß er sie nirgends allein traf. Er bekam sie überhaupt niemals zu Gesicht, obwohl er ihr jeden Morgen und Feierabend und so oft seine Arbeiter ihre Ruhepausen hielten, zu Gefallen ging. Die fortwährende Erfolglosigkeit so zahlreicher Gänge machte ihn manchmal derart verdrießlich, daß er, hingerissen von seinem südlichen Blut, das Mädchen in die Hölle hinein verwünschte. In den Momenten solch ingrimmigen Jähzorns wäre er auch vor einem Gewaltstreich nicht zurückgeschreckt, wenn er Aussicht gehabt hätte, damit zu seinem Ziel zu kommen.

Während nun Bartolo Bonatesta mit fieberhafter Ungeduld auf eine Gelegenheit wartete, Lene zu begegnen und mit ihr bekannt zu werden, trug sich auch der Spruchbauer noch immer mit der sehnsüchtigen Hoffnung, recht bald des ihm von seiner Mutter versprochenen Zeichens vom Himmel gewürdigt zu werden. – – 153

 


 


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