Josef Baierlein
Der Spruchbauer
Josef Baierlein

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7.

Die Heuer schritten in Reihen hintereinander her, wendeten, wie schon oben beschrieben wurde, mit den Rechen das Grummet auf die andere Seite und breiteten es in dünnen Lagen neuerdings zum Trocknen aus. Bei dieser Beschäftigung hatte es der Zufall gefügt, daß Kreszenz, die von ihrer Firmpatin im Wiesenbauernhof aufgenommene Lehrerswaise, ihren Platz hart hinter Lene erhielt. Freiwillig oder mit Absicht hätte sie ihn sicher nicht gewählt; denn das arme Kind hatte allen Grund, der zungenfertigen Haustochter hübsch weit vom Leib zu bleiben.

Und ebenso gewiß ist es, daß Kreszenz nicht aus bösem Willen, sondern wieder nur zufällig oder höchstens aus Ungeschicklichkeit mit ihrem Rechen den Fuß Lenes berührte. Schmerz konnte letzterer der schwache Stoß kaum verursacht haben; denn sie hatte ja wie neulich zum Holzabladen, so auch heute zum Grummetmachen die knarrenden Lederschuhe angezogen. Wahrscheinlich würde sie über die Kleinigkeit nicht einmal ein Wort 36 verloren haben, wenn sie von jemand anderem gestoßen worden wäre. Als sie sich aber umdrehte und Kreszenz gewahrte, die sie mit großen, erschrockenen Augen ansah, da stieg ihr plötzlich das Blut zu Kopfe. Sie war dem Mädchen spinnefeind, schon von der ersten Minute an, als es ins Haus kam, weil sie dasselbe um seine ernste madonnenhafte Schönheit, hauptsächlich aber um seine prächtigen braunen Flechten beneidete. Mit diesen schweren Haarkronen ließen sich die zwei strohgelben Schwänzchen, welche Lene ihre Zöpfe zu nennen beliebte, allerdings nicht vergleichen.

Kaum hatte sie also die Lehrerswaise erblickt, als sie auch schon begann, Gift und Galle auf dieselbe loszusprudeln.

»Hab' ich mir's doch denkt,« keifte sie, »daß es nur wieder der Trampel ist, der mich so auffischlagt auf meinen Fuß! Gans, einfältige dumme! Nimm halt Deine blinden Glotzaugen in d' Händ, wenn D' sonst nichts seh'n kannst!«

»Verzeih', wenn ich Dir weh 'tan hab',« stotterte das bestürzte Mädchen, »es ist nicht gern g'scheh'n; mit Fleiß hab' ich Dich nicht ang'stoßen!«

»Das mach' dem Simmerl von Luh' weis, Du Lugenmaul, und nicht mir! Denn nur einen Trottel kannst einfangen mit Deinem Getu', Deinem g'schmerzten, aber mich nicht. Ich weiß ganz g'nau, daß D' mir alles z'leid tust, was D' 37 nur vermagst. Und jetzt hast schon wieder 'was gegen mich im Sinn g'habt, hast Dich heimlich herg'schlichen und hast derlusen wollen, was ich mit dem Stephan reden tu. Gelt, ich durchschau' Dich? Ich kenn' Dich durch und durch, Du falsche Katz!«

»Lene, Du tust mir unrecht. Nicht einmal in den Sinn ist mir 'kommen, daß ich Dich und den Herrn Spruchbauer belauschen wollt'. Unser Herrgott soll mein Zeug' sein!«

Stephan fühlte aufrichtiges Mitleid mit dem Mädchen, das seine großen Augen, aus denen langsam zwei schwere Tränen perlten, von seiner erbitterten Feindin hinweg gleichsam hilfesuchend auf ihn richtete. Lene dagegen wurde durch den Anblick der weinenden Magd keineswegs sanfter gestimmt. Unbekümmert darum, daß nicht nur die eigenen Leute in der Arbeit einhielten, um kein Wort des Zanks zu verlieren, sondern daß auch schon die Heuer auf den anstoßenden fremden Wiesen auf das laute Geschrei horchten, fuhr sie fort zu schimpfen:

»Laß mich aus mit Deinen frommen Sprüchen; denn bei Dir ist sogar das erlogen, was Du beten tust. Ich kann meine Muttern wahrhaftig nicht begreifen, warum sie so einen Hadern, den 'leicht der böhmische Wind ins Dorf 'reing'weht hat, einen Unterstand geben mag in unserm Haus. Und wie frech das G'schöpf ist, das herg'loffene! 38 Hast Du's gehört, Stephan, bei Deinem Spitznamen hat s' Dich g'heißen. Per Spruchbauer dischkeriert s' mit Dir!«

Bei dieser Beschuldigung flog ein Zittern durch die schmächtige Gestalt der Geschmähten. Ihr bisher blasses Gesicht färbte sich plötzlich rot bis an die Wurzeln der krausen, über die Stirn herabfallenden Löckchen. Es schien, als wollte sie etwas erwidern; doch Stephan kam ihr zuvor.

»Mach doch aus einer Mucken nicht gleich einen Elefanten, Lene,« sagte er beschwichtigend. »Was schad'ts, wenn das Mädel mich den Spruchbauern heißt? Die anderen Leut' heißen mich ja auch so.«

Damit hatte er aber Öl ins Feuer gegossen.

»Ich glaub' gar, Du willst die Schlampen noch in Schutz nehmen!« zeterte sie. »Das wär ja noch schöner, wenn ich z'rucksteh'n müßt' wegen so einer, der wir 's Gnadenbrot geben. Und wenn sie 's alsdann nur verdienen tät'! Aber das Weibets ist ja so dumm, daß 's brummt. Nicht einmal Grummet zetteln kann 's. Warum? Weil s' nichts g'lernt hat. Drum hält s' auch den Rechen, g'rad wie wenn s' ein Sonnenschirmerl in der Hand tragen tät! – Mach', daß D' mir aus den Augen kommst!« wandte sie sich mit neu ausbrechender Heftigkeit zur schluchzenden, unter der Last der unverschuldeten Vorwürfe fast zusammenbrechenden Kreszenz. »Ich kann Dich nimmer seh'n da auf 39 der Wiesen. Geh' heim und sag' zu meiner Muttern, sie soll Dir die Körb' mitgeben mit dem Bier und Brot zu unserm Vieruhressen, und die tragst uns alsdann da heraus! Zu einer anderen Arbeit kann man Dich ja eh nicht brauchen.« –

Wer war froher, als das arme, so zu Unrecht gescholtene Mädchen! Eilig trocknete sie sich mit der Schürze die Tränen von den schmalen Wangen und dann machte sie, daß sie so schnell als möglich aus dem Gesichtsfeld ihrer Feindin kam. Mit beschleunigten Schritten verließ sie die Wiese.

Für Stephan hatte der peinliche Vorfall wenigstens das eine Gute, daß Lene, nachdem sie ihrem Groll gegen Kreszenz in unwürdigster Weise Luft verschafft, für eine geraume Weile verstummte. Vielleicht verschloß ihr auch der Ärger den Mund, als sie sah, daß der Spruchbauer nach der Entfernung des Mädchens über die Sache kein Wort mehr verlor, dagegen ein paarmal sehr energisch den Kopf schüttelte. Seine Billigung oder Zustimmung zu Lenes rohem Benehmen wollte er damit sicher nicht ausdrücken. Das leuchtete sogar der selbstbewußten, aber in noch höherem Grade bornierten Bauerntochter ein. – 40

 


 


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