Josef Baierlein
Der Spruchbauer
Josef Baierlein

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28.

Lenes und des Italieners Zusammenkünfte unter dem Holzbirnbaum wiederholten sich regelmäßig an jedem Abend. Das gleichgeartete Paar traf genaue Verabredungen über die Ausführung des gegen den Spruchbauer geschmiedeten Planes. Bartolo Bonatesta hatte zuerst im Sinne gehabt, denselben von einer Anzahl seiner Brückenarbeiter heimtückisch überfallen und ihm eine tüchtige Tracht Prügel aufsalzen zu lassen; infolge eigenen Besinnens, namentlich aber auf Lenes Zureden war er indessen wieder davon abgekommen. Es war nicht gut, Mitwisser einer solchen Tat zu haben; durch ein einziges vorlautes oder unvorsichtiges Wort konnten Anstifter und Täter verraten werden. Daß aber mit den deutschen Gerichten kein Spaß zu treiben war, wußte der Italiener ganz genau. Zudem hatte Lene heidenmäßig Angst, es könnte in diesem Falle auch ihr Name mit in die Affäre verwickelt werden; denn wenn sie das bewußte Bänkchen hätte drücken 181 müssen, wäre ihrem Ruf ein unauslöschlicher Flecken angehangen.

Aus diesen Erwägungen heraus hatte Bonatesta beschlossen, die Sache allein auf sich zu nehmen. Selbst ist der Mann. Er verriet sich auch gewiß nicht, – weder durch ein Wort, noch durch eine Miene. Dazu war er viel zu gewitzigt; hatte er doch bei seinem landfahrerischen Beruf schon mehr als ein dunkles Werk vollbracht und war noch immer mit heiler Haut durchgeschlüpft.

Und zu fürchten brauchte er sich gar nicht! Stephan und er standen zwar so ziemlich im gleichen Alter und beide waren kerngesunde, kräftige Männer. Während aber der eine, schwerfällig wie alle Bauern, bei jeder Bewegung zuerst überlegte, ob er sich rechts oder links wenden solle, drehte sich der andere behende dreimal um seine perpendikuläre Achse. Ehe Stephan darüber ins klare kam, was man von ihm wollte, hatte ihm der Italiener die Schläge voraussichtlich bereits aufgeladen, um so mehr als der Spruchbauer nach Lenes Schilderung ein Idiot sein mußte, dessen geistige Kapazitäten zu seinen irdischen Gütern im umgekehrten Verhältnis standen.

Somit war es beschlossene Sache, daß der Akkordant das kleine Geschäft allein abzumachen hatte. Aber wenn sich nur schnell auch eine Gelegenheit dazu geboten hätte! Es schien alles 182 verhext; denn nun wiederholten sich für den Italiener die durch fortwährenden Mißerfolg hervorgerufenen Aufregungen und Täuschungen, die er schon einmal hatte durchkosten müssen, als er Lene zu Gefallen ging. Wie er diese nirgends allein angetroffen hatte, so blieben jetzt auch alle seine Bemühungen, dem Spruchbauer den Weg abzupassen, vergeblich. Ob er ihm früh vor Tage oder spät abends auflauerte, erreichte er doch niemals seinen Zweck. Denn Stephan kam entweder gar nicht des Wegs oder aber er befand sich in Begleitung von Dienstboten, so daß er gegen den von Bonatesta beabsichtigten hinterlistigen Überfall gefeit war. Und so verstrich ein Tag nach dem andern. Schon ging die Woche zu Ende und der Italiener hatte noch immer keine Verwendung gefunden für den Knotenstock, den er seit seiner ersten Unterredung mit Lene beständig mit sich herumtrug.

Zu alledem kam noch der fatale Umstand, daß schon am morgenden Sonntag das Erntedankfest gefeiert wurde. Nach der kirchlichen Vesper, also am Nachmittag gegen 3 oder 4 Uhr, begann sodann der Erntetanz, und wenn das von Lene verlangte Werk bis dahin nicht geschehen war, ging dem Bauakkordanten auch der Preis verloren, den sie darauf gesetzt hatte. Denn in dieser Beziehung blieb die Wiesenbauerntochter unerbittlich. Sie 183 wollte zuerst ihre Rachsucht befriedigt haben, ehe sie mit Bonatesta zum ersten Tanz antrat und sich dadurch öffentlich als sein Schatz bekannte. Da halfen alle seine Vorstellungen nichts; um keinen Finger breit ließ sie sich von ihrem Begehren abbringen, wie sie sich bisher auch entschieden geweigert hatte, ihm das Du zurückzugeben, das er gegen sie so schlankweg in Anwendung brachte.

»Aber, Maddalena,« sagte er beim letzten Stelldichein vor dem Erntetanz, »kann denn ich etwas dafür, daß der Kerl mir nirgends allein in den Weg gelaufen ist? Hab ich die Schuld daran?«

»Ich g'wiß auch nicht,« gab sie kurz zurück.

»Ich hasse den Menschen jetzt ja selber, vielleicht noch mehr wie Du. So wütend haben mich die vielen Gänge gemacht, die ich seinetwegen nutzlos unternahm. Aber – –«

»Mir wär' schon 'was eing'fallen, wie der Gischpel 'leicht doch zu seinen Prügeln, und Sie zu Ihrigem Tanz kommen täten – –«

»So sag's, – halte mich nicht lange hin!«

»Zu einer Musik geht der Spruchbauer niemals nicht und drum kommt er auch morgen nicht zum Erntefest. Das macht, er hat einmal ein Pfaff werden wollen und dessentwegen lauft er noch heutigen Tags lieber in eine Kirchen als ins Wirtshaus. Alle Sonntag geht er abends in den 184 Rosenkranz und auch morgen wieder, – da dürfen S' Gift drauf nehmen, so sicher und g'wiß ist das. Und wenn der Rosenkranz aus ist, alsdann glaub' ich, hätten S' die best' G'legenheit, daß S' ihn z'leihen nehmen täten.«

»Aber da treff' ich ihn doch wieder nicht allein,« wandte er ein, »da hätte er ja die anderen Kirchengänger zu Zeugen.«

»Die brauchen S' morgen nicht z'fürchten. Alle jungen Leut' sind bei der Tanzmusik statt im Rosenkranz. Den beten an einem solchenen Tag höchstens die alten Weiber und sonst noch ein paar Betschwestern und die verlaufen sich g'schwind, sobald er aus ist. Denn bis dorthin ist 's schon hübsch finster und da trachten s' alle mit einander nach heimzu. Der Spruchbauerntrottel aber, der geht, seitdem die Hex' von Elsenfeld im Pfarrhof haust, jed'smal nach dem Rosenkranz noch um den ganzen Pfarrhof 'rum und schaut wie verzaubert alle Fenster an. Er wird 'leicht noch einen Blick auffangen wollen von derer Lusch.«

»Woher weißt Du das, Maddalena?«

»Dem Weißbäcken seine Christine, was meine beste Kamerädin ist, hat mir's wieder verzählt. Sie wird halt 'denkt haben, sie könnt' mich recht ärgern damit; jedennoch das gilt mir einen Lacher. – Ich aber tät' meinen, Sie könnten daher morgen Ihr Glück probieren, – wenn die Kirchenleut' 185 nimmer um den Weg sind, und der Spruchbauer alleinig beim Pfarrhof umeinand' geht.«

»Dein Gedanke scheint mir vorzüglich; Du bist ein sehr kluges Mädchen, Maddalena. Und doch habe ich noch ein Bedenken. Es kann sehr spät werden, bis ich morgen mit diesem Geschäft fertig bin. Wie komme ich da zu dem ersten Tanz mit Dir? Die Musik fängt schon um vier Uhr, gleich nach der Vesper an.«

»Dessentwegen lassen S' Ihnen nur kein graues Haar nicht wachsen, Herr Akkordant! Ich halt' Ihnen mein Wort. Denn ich geh' nicht eher auf den Tanzplatz, als bis Sie kommen und mir sagen: Lene, jetzt hat er seinen Tölpelmerks, der miserablige Kerl. – Alsdann geh' ich erst mit Ihnen unten d'Linden und Sie kriegen meinen ersten Tanz.«

»Gut, meine geliebte Maddalena,« sagte der Italiener, dessen Einwand nun gegenstandslos war; »es bleibt dabei.« – – 186

 


 


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