Josef Baierlein
Der Spruchbauer
Josef Baierlein

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26.

Richtig ist, daß die Art, wie Bartolo Bonatesta seine Werbung um Lene einleitete, und wie er ihr meuchlings eine Liebeserklärung anhängte, sehr wenig Erbauliches darbietet. Wer den erzählten Vorgang aber als unmöglich oder auch nur als unwahrscheinlich bezeichnen wollte, würde dadurch zu erkennen geben, daß ihm das Leben auf dem platten Lande und die Verhältnisse, wie sie dort mitunter sich abwickeln, fremd sind. Man darf eben nicht vergessen, daß die geschilderte Szene sich in keinem Salon abspielte, sondern in einer Bauernstube, und daß die Akteure keine Städter waren mit verfeinerten Sitten, sondern ein im Grunde roher Mann, der sich auf den hohlen Schliff seiner oberflächlichen sogenannten Bildung etwas zugute tat, und ein derbes Landmädchen, das ohne viel zu prüfen, dem Ansporn ihrer naturwüchsigen, weder durch eigene noch fremde Zucht im Zaum gehaltenen Instinkte mit allzugroßer Willfährigkeit Folge leistete. – –

164 Das Rendezvous hinter dem Wiesenbauernhof fand also zur verabredeten Zeit statt. Wir verlieren nicht viel, wenn wir, ohne den vollständigen Verlauf desselben wortgetreu wiederzugeben, uns auf das hauptsächliche Ergebnis des heimlichen Zwiegesprächs und die dabei getroffenen Abmachungen beschränken.

Es sei daher nur kurz erwähnt, daß Lene die stürmischen Schmeichelworte, die Beteuerungen und Schwüre des Italieners, welcher ihr eine Leidenschaft vorheuchelte, von der sein Herz nichts wußte, und die einzig und allein ihrem Gelde galt, mit gierigem Ohr in sich einsog. Es tat ihr wohl, daß jetzt ein Mann von bestechenden Eigenschaften um ihre Liebe und Erhörung bat, nachdem sie kurz vorher von einem andern verschmäht worden war, welcher nach ihrer Meinung dem weltgewandten Italiener nicht einmal das Wasser reichen durfte. Indessen behielt sie trotz des Bannes, mit welchem des Akkordanten glatte Zunge sie zu umstricken wußte, doch soviel kühle Überlegung, daß sie sich durch keine feste Zusage, durch kein verpflichtendes Versprechen band. Sie ließ zwar durchblicken, daß sie dem Herrn wohl gut wäre; aber so eilig wie er es wünschte, sich als seine ausgesprochene Geliebte vor der Welt zu bekennen, ging doch nimmermehr an. Es gab da zu viele Wenn und Aber. Zuerst mußte man wissen, wie Vater und Mutter sich 165 zum Verlöbnis mit einem Eisenbahner stellten; denn sie sei ein braves Mädel und werde niemals gegen den Willen ihrer Eltern heiraten. Dann müßten auch Vereinbarungen wegen Sicherung ihres Vermögens getroffen werden; ferner müßte man erfahren, wo sie nach der Verheiratung ihre gesetzliche Heimat bekäme – ach, es gab da noch so viel zu bedenken und zu überlegen, daß sie sich zu einem sofortigen Ja nicht entschließen könne. Der Herr Bauunternehmer möchte sich daher mit dem Gedanken beruhigen, daß es mit einer förmlichen Verlobung doch nicht so sehr pressiere, sowie daß er sie – bis zur Hinwegräumung aller Hindernisse – im stillen immerhin als seine künftige Hochzeiterin betrachten dürfe.

Doch damit war Herrn Bartolo Bonatesta wenig gedient. Sein Begehren stand darauf, Lene zu einer Kundgebung, zu einem Schritt zu verleiten, durch welchen sie das Liebesverhältnis zu ihm öffentlich vor dem ganzen Dorfe eingestand. Nur wenn dies geschah, konnte er mit Sicherheit darauf rechnen, daß die Macht bäuerlichen Brauchs und Herkommens, sowie die Gewalt der uralten Sitte mithelfen würden, bei Lenes' Eltern etwaige Bedenken und Vorurteile gegen ihn zu zerstreuen, so daß sie ihm das Mädchen und ihr Vermögen anvertrauten. Daß es für reiche Bauersleute ein immenses Opfer bedeutete, ihre 166 Tochter an einen landfahrenden Eisenbahner zu verheiraten, auch wenn derselbe Bauunternehmer mit einigen Mitteln war, darüber gab sich der Italiener keinem Zweifel hin.

Deshalb bestürmte und beschwor er das Mädchen wiederholt, ihm doch sofort das Jawort zu schenken; er bezeichnete sich als das unglücklichste Geschöpf unter der Sonne, wenn er keine Erhörung fände, und nannte Lene kaltherzig und grausam, weil sie ihn so lange zappeln lasse.

»Die Sach' ist doch nicht in's Wasser g'richt',« gab sie auf seine Vorwürfe zur Antwort. »Wir kennen ja einander erst seit heunt in der Fruh', und da können wir uns nicht schon, mir nichts Dir nichts, fest bandeln. Warten wir halt die Zeit ab; die Zeit bringt Rosen. Ich bin ja nicht einmal noch überzeugt, daß Sie 's mit Ihrer Lieb' auch ernst meinen, und Gott weiß, wie vielen Mädeln Sie schon das Nämliche vorg'schwefelt haben, wie mir.«

»Maddalena – meine teuerste Maddalena!« perorierte er, »was glaubst, was denkst Du von mir? Solch einen schwarzen Verdacht hast Du gegen mich? O nein, noch niemals habe ich ein Mädchen geliebt, wie Dich. Verlangst Du Beweise – ich will sie Dir geben. Deinetwegen vollbringe ich das Menschenmögliche und das Unmögliche. Wenn Du den Mond am Himmel von mir 167 forderst, so steige ich hinauf und hole ihn; und wenn Du haben willst, daß ich mit dem Satan raufe, so reiße ich ihn aus der Hölle heraus und bringe ihn vor Dein Angesicht.«

Lene überlief es eiskalt bei diesen Versicherungen, die den Italiener, weil nur bodenlos läppisch, zu gar nichts verpflichteten und ihm doch in den Augen des urteilslosen Mädchens ein gewaltiges Relief verliehen. O wie sehr mußte sie von diesem Manne geliebt werden, wenn er ihretwegen derartige Heldentaten vollbringen wollte! Der war wirklich imstande, ihr zulieb blindlings zu tun, was sie befahl!

Da zuckte plötzlich ein Gedanke in ihr auf; – unheimlich, mit grellem Licht zündete er hinein in den finstersten Winkel ihrer Seele, wo der Haß aufgespeichert lag, der an ihrem Herzen fraß, ihr wilder Haß gegen den Spruchbauer. Ach, seufzte sie tief aufatmend in sich hinein, dieser Mensch da, der mit dem Teufel anbinden will, um meine Liebe zu gewinnen, der wird mich rächen! Der wird meinen Feind züchtigen für die Schmach, die er mir angetan, indem er meine Hand zurückwies, obwohl ich selbst sie ihm angeboten hatte. Nur ein Wort kostet es mich, ein einziges armseliges Wort, und ich komme zu meiner Rache. Soll ich es sprechen?

168 Noch einen Moment lag ihr guter Engel im Streit mit dem bösen Geist, der ihr den abscheulichen Gedanken eingeblasen hatte. Noch zögerte sie. Aber die Einflüsterungen des bösen Dämons klangen so verlockend und verheißungsvoll! Das Bild, wie sie ihren Haß betätigen konnte, wirkte so faszinierend! Mit einem jähen Ruck wandte sie ihr vor seelischer Erregung bleich gewordenes Gesicht voll dem Italiener zu, und – der gute Engel verhüllte weinend sein Haupt.

»Nun gut,« sagte sie mit bebender Stimme; »alsdann hätt' ich halt eine Prob' für Ihnen.«

»Wirklich, Maddalena? Du willst in der Tat meine Liebe auf die Probe stellen?« fragte er halb erfreut, halb bestürzt, da er keine Ahnung hatte, welche Prüfung ihm auferlegt werden könnte.

»Weil S' so viel in mich 'neing'red't und mir selber Beweis' versprochen haben, daß Sie's aufrichtig meinen mit mir, so will ich's halt einmal wagen.«

»Und was soll ich tun? Was verlangst Du von mir? Sprich! Jeder Wunsch von Dir ist ein Befehl für mich.«

»Nun alsdann, Herr Akkordant, den Mond vom Himmel 'runter will ich nicht, und mit dem Satan aus der Höll' 'raus möcht' ich gleich gar nichts z'schaffen haben. Ich hätt' halt ein anderes 169 Anliegen, und wenn S' das zu meiner Z'friedenheit ausführen – –«

»Was geschieht dann, wenn ich etwas zu Deiner Zufriedenheit vollbringe?« fragte er lauernd, weil sie mitten in ihrer Rede nachdenklich einhielt.

»–– alsdann können wir weiter dischkerieren über denselbigen Text,« schloß sie den Satz.

»Was soll das heißen, Maddalena?«

»Das bedeut', daß ich heunt über acht Tag beim Erntefest den ersten Landler mit Ihnen tanz' – sobald das Bewußte g'schehen ist.«

»Ah!« sagte er, während seine Brust vor freudiger Überraschung sich wiegte, »den ersten Tanz beim Erntefest? Du weißt doch, daß man diesen nur mit seinem erklärten Schatz tanzt?«

»G'wiß weiß ich das, – aber, was liegt mir dran, was d' Leut' von mir denken! Wenn nur z'erst das Bewußte g'schehen ist.«

»So rede! Was muß ich tun, um den hohen Preis zu gewinnen, den Du versprichst?«

»Ich hab' einen Feind,« sagte sie stockend, – »ein Mensch hat mich so arg beleidigt, daß ich's demselbigen Tropf, dem eiskalten, nicht einmal in seinem Sterbstündl verzeihen kann.«

»Ist's möglich! So ein schönes, vortreffliches Mädchen kann einen Feind haben? Hat es wirklich jemand gewagt, Dich zu beleidigen, meine Maddalena?«

170 Daß er sich verstellte, gehörte mit zu seiner Rolle. Er wußte ja ganz genau, von wem sie redete.

»Ja – der Spruchbauer – Stephan Niedermaier schreibt er sich – das ist mein bitterster Feind. Kennen S' den?«

»Wie sollt' ich ihn nicht kennen? Komme ich doch, so oft ich bei der Bausektion etwas zu tun habe, in sein Haus. Aber was hat Dir der Bauer zuleid getan, Maddalena? Er gilt sonst, wie ich mir erzählen ließ, überall für einen friedliebenden Mann.«

»Ein Trottel ist's, ein versimpelter Maulaff,« platzte sie heftig heraus; »ich kenn' dasselbige Mannsbild jetzt besser. – Aber was er mir an'tan hat, der Spruchbauer, das g'hört nicht daher. G'nug, wenn ich sag', daß er mein Todfeind ist. Und wer diesem meinem Todfeind einen Denkzettel versetzt, daß er vierzehn Tag' keinen Knochen mehr g'spürt im ganzen Leib, und daß ihm sechs Wochen die grünen und blauen Fleck' nicht vergeh'n auf seinem Buckel, – – der kriegt meinen ersten Tanz beim Erntefest. – So, Herr Akkordant, das wär' jetzt meine Bedingnis.«

Über Bonatestas Züge huschte ein häßliches Lächeln. Er hatte ein schwereres Werk, eine viel gefährlichere Aufgabe erwartet.

»Ist das alles, Maddalena?«

171 »Natürlich muß die ganze G'schicht' in Verschwiegenheit abg'macht werden. Denn wenn der Kerl einen Zeugen finden tät', alsdann wär's g'fehlt. Wenn er auch ein Halbnarr ist, zum G'richt ging' er doch und tät' Ihnen verklagen, und 'leicht käm' ich etwan auch noch auf's Bankl.«

»Sei ganz ohne Sorgen, Maddalena! Du darfst Dich auf mich verlassen. Ich verspreche Dir, Deinen Feind so zu traktieren, daß Du zufrieden sein kannst. Wir Eisenbahner haben Erfahrung in dergleichen Geschäften.«

»Und noch 'was! Unter vier Augen dürfen Sie 's ihm schon sagen, daß die Prügel der Dank sind von der Wiesenbauern-Lene für dasselbige, was er ihr nächst g'sagt hat am Gartenzaun. Der Gischpel soll's seinem Rückgrat anmerken, daß ich ein gutes Gedächtnis hab.«

»Dein Wunsch soll buchstäblich erfüllt werden, Maddalena. Und wenn alles bestens gelungen ist, – – –?«

»Alsdann bleibt's bei dem, was ich Ihnen versprochen hab',« ergänzte sie seine unausgesprochene Frage gleich durch die bejahende Antwort. –

Was halten die Leser von dem sauberen Paar? Wenn sie denken, wegen dieser Zwei brauche man die Hand nicht umzukehren, denn die eine sei des anderen wert, so haben sie vollkommen recht. – – 172

 


 


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