Josef Baierlein
Der Spruchbauer
Josef Baierlein

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18.

Lene biß sich auf die Lippen. Sie hätte es lieber gesehen, wenn Stephan ihre bedingungslose Aufforderung, zwischen ihr und Kreszenz eine Wahl zu treffen, etwas weniger gelassen aufgenommen hätte. Seine augenscheinliche Ruhe machte sie unsicher, weil sie sich vergeblich fragte, was der unberechenbare Mann wohl wieder im Schilde führe. Auch seine nächsten Worte brachten ihr keine Aufklärung.

»Lene, sag' mir einmal, kann 'was auswerden, wenn es noch gar nicht ang'fangen hat?«

»Wie meinst Du das?« fuhr sie ihn an. Nach ihrer Auffassung konnte die sonderbare Frage doch unmöglich in Beziehung zu dem soeben stattgehabten Gespräch stehen.

»Weil Du halt vorhin g'sagt hast, zwischen uns Zweien wär' alles aus, wenn ich die Kreszenz nicht augenblicklich fortschaffen tät'. Und Da möcht' ich schon recht gern wissen, was denn eigentlich b'stehen soll zwischen mir und Dir. Dabei könntest 109 mir auch gleich sagen, wo und wie alles ang'fangen hat. Ich kann mich nämlich an gar nichts nicht erinnern. Wird 'leicht meine Gischpelei dran schuld sein.«

Lene wechselte die Farbe. Das zornmütige Rot ihrer Wangen machte einer tiefen Blässe Platz, die sich bis auf die zitternden Lippen erstreckte. Die Überraschung war zu groß gewesen.

»Du red'st aber g'spassig daher,« antwortete sie kleinlaut. »Du mußt doch selber wissen, daß wir im ganzen Dorf als ein künftig's Ehepaar gelten.«

Er lachte gerade hinaus.

»Was die Leut' nicht alles aus ihren Fingern 'raussaugen!« rief er mit unverhohlenem Spott. »Ich und die Wiesenbauerntochter ein Paar! Das tät' z'sammenpassen, wie eine Faust auf's Aug'. Nein, nein, so 'was gibts wahrhaftig nicht und in alle Ewigkeit nicht. Ich bin nur froh, daß Du selber vorhin von demselbigen Punkten z' reden ang'fangen hast; so sind wir doch einmal zu einer gegenseitigen Aussprach' 'kommen. Denn als rechtschaffener Mann muß ich Dir ein für allemal erklären, daß ich mir niemals keine Hoffnung auf Dich und Dein Heiratsgut g'macht hab'. Dich verlang' ich nicht, weil wir zwei nicht z'sammpassen 110 täten, und Dein Heiratsgut brauch' ich nicht, weil ich selber viel reicher bin als Du. Ich hab' auch bei Deinigen Eltern nicht ang'fragt um Dich, und ebensowenig hab' ich Dich einmal bitt', Du möchtest meine Hochzeiterin werden. Weil also zwischen uns noch gar nichts ang'fangen hat, kann auch nichts auswerden. Meinetwegen bist Du also ganz frei, Lene, und ungeniert und an nichts 'bunden.«

»Du willst ein rechtschaffener Mann sein?« brauste sie auf. »Ein grundschlechter Mensch bist, wenn das alles Dein Ernst ist. Du mußt wissen, daß zwischen meinen Leuten und Deiner Mutter schon die ganze Heirat festg'macht ist. Du mußt wissen, daß solchene Sachen nicht verborgen bleiben können, sondern daß die Leut' im Dorf seit Wochen davon reden! Und jetzt willst mich sitzen lassen? Ich soll's G'spött' werden für alle meine Kamerädinnen? Das wär ein wahrhaftig's Spitzbubenstückl! Wegen was bist alsdann so oft in unser Haus 'kommen, wenn nicht wegen mir?«

»Wegen Dir, Lene? Nein; da bist irrig dran. Ich bin nur zu euch 'gangen, wenn Dein Vater nach mir g'schickt hat, um ihm mit 'was ausz'helfen. Dabei hab ich freilich auch Dich ang'schaut, weil ich das meiner Muttern versprochen hab'. Aber, wie g'sagt, ich hab' g'funden, daß wir zwei 111 nicht z'sammpassen, – nicht auf tausend Stunden Wegs.«

Das Mädchen legte auf diese wiederholte Erklärung hin ihrem überschäumenden, in eigentliche Wut ausartenden Zorn keine Zügel mehr an. Sie setzte sich über alle Rücksichten hinweg und überhäufte den Spruchbauer mit einer Flut von Schimpfworten, so gemein und unflätig, daß sie nicht wiedergegeben werden können. Und während sie wetterte, schmähte und den Fluch des Himmels auf Stephan, seine Mutter und sein Haus herabbeschwor, verzerrte sich ihr ohnehin unschönes Gesicht zu einer so widerlichen, abstoßenden Fratze, daß der Beschimpfte im stillen Gott dankte, weil es ihm gelungen war, alle Beziehungen zu einer solchen Unholdin endgültig zu lösen.

Die ganz rabiat gewordene Lene ließ es sich aber an Schmähungen allein nicht genügen. Sie verstieg sich auch zu Drohungen, und es konnte keinem Zweifel unterliegen, daß dieselben durchaus nicht scherzhaft gemeint waren.

»An allem meinem Unglück und an der Schand', die mich erwarten tut, ist aber nur die Elsenfelder Schulmeisterstochter schuld,« zeterte sie mit geiferndem Mund. »Kaum ist Dir die scheinheilige Packldirn' vor d'Augen 'kommen, warst auch schon verschossen in sie und z'letzt hast 112 Du s' mir zum Trotz sogar unter Dein Dach aufg'nommen. Ein sauberer Haushalt, wo der ledige Meister und sein Schatz beisamm' loschieren! Ist das ein Christentum? Aber was kann man anderes verlangen von Leuten, die allen Glauben verloren haben, daß sie sich nicht einmal mehr vor Hexen fürchten, sondern denselbigen Unterstand geben? Jedennoch – 's gibt noch rechtschaffene Christenmenschen auf der Welt, und ich schwör's, daß ich dem Schkandal ein End' mach'. Alle braven Weiber im Dorf hetz' ich auf; allen verzähl' ich's, wie schlecht Du an mir g'handelt hast wegen derer gottvergess'nen Elsenfelder Kreatur, und alle miteinander müssen s' ihr ins G'sicht speien und den Hexenbalg mit Besen aussitreiben aus unsriger G'meind'.«

Je mehr Lene sich erboste, desto ruhiger und kälter wurde Stephan.

»Tu' halt, was D' nicht lassen kannst,« sagte er gleichmütig; »ich red' Dir nicht 's g'ringste ein dessentwegen. Weil D' aber wohl selber einseh'n wirst, daß wir zwei nichts mehr z'verhandeln haben miteinander, wollen wir im Frieden auseinandergeh'n. B'hüt Dich Gott, Lene!«

»Geh' zum Satan, – Tropf, eiskalter!« schrie sie dem sich Entfernenden nach, »und bild' Dir nur ja nicht ein, ich hätt' Dich etwan gern gehabt! 113 Keine Minuten lang nicht. Die Wiesenbauernlene kriegt noch andere Liebhaber g'nug. Die kann lachen über so einen g'schmerzten Halbnarren, wie der Spruchbauer einer ist.«

Da Stephan bereits im Haus verschwunden war und von ihrer kreischenden Stimme nicht mehr erreicht werden konnte, mußte Lene wohl oder übel endlich mit ihren Schimpfereien aufhören. – – 114

 


 


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