Berthold Auerbach
Spinoza
Berthold Auerbach

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21. Mikrokosmus

Ein Herz, das sich gewöhnt, alle stürmischen Wallungen niederzuhalten, gleichmäßige Bewegung und eine Mittelstimmung zu gewinnen, die ebenso fern ist von stumpfer Unbewußtheit, wie von den schneidenden Gegensätzen in Jubel und Trauer, ein solches Leben gerät nicht auf schwindelnde Höhen oder in dunkle Abgründe, die den teilnehmenden Beschauer bald mit bangem Entsetzen über drohenden Untergang, bald mit stiller Befriedigung über gewordene Rettung erfüllen.

Unser Held hat sich nicht verloren in der Liebe zu einem Mädchen, und doch ist sein bestes Leben dabei gefährdet. Er hat schließlich mit niemand zu kämpfen als mit sich selbst, mit angeborenen und anerzogenen Beziehungen. Solcher geräuschlose Kampf erheischt aber noch weit mehr das Aufbieten der innersten Kraft, es fehlt der faßbare Gegensatz, der die Tapferkeit steigert.

Es wird kein sichtbares Reich verändert mit Erhebung und Fall unseres Helden, aber ein Geistesreich mit weitgebietender Macht steht in Frage. In der stillen schmucklosen Dachstube der Kalverstrat zu Amsterdam soll sich's entscheiden.

Arbeit und stilles Sinnen ist es allein, was wir belauschen müssen. Am frühen Morgen treffen wir unseren Philosophen wach an der Werkbank. Er hat heute schon wieder, wie Frau Gertrui sagt, »dem Tag in die Augen gegriffen«: er lächelt still zu dieser Bemerkung, vielleicht deutet er sie anders. Ruht das Rad und der Stift, dann ist's totenstill im Raume, die Welt ist abgeschieden.

Was spannt sein Antlitz nur heute und warum starrt er so oft nach der Fensterecke?

Er wohnt doch nicht so einsam als wir vermuteten, am unbemerkten Ort hat er eine Stubengenossin in selbstgebauter Zelle, für deren täglich Brot er ebenfalls zu sorgen hat; seht, da hat er eine Fliege erhascht, nun holt er sein Mikroskop, geht nach dem Fenster und wirft das erbeutete Tier in das Spinngewebe. Wir wollen auch durch das Mikroskop schauen, vielleicht gelingt es, den Betrachtungen des Philosophen nachzugehen: »Sieh, wie die einsam lebende Spinne aus ihrem Versteck hervorspringt. Trotz ihrer acht Augen muß ihr Gesichtssinn kümmerlich sein, denn sie weicht nicht aus, wenn man ihr einen Gegenstand nähert; sie muß aber eine feine Empfindung haben, denn sie spürt die leiseste Berührung ihres Netzes. Oder hätte sie vielleicht gar noch einen lebendigen Zusammenhang mit dem aus ihr Abgelösten? Sieh, wie sie sich behende auf die zappelnde Beute wirft, sie mit ihren langen haarigen Beinen umklammert, sie herzt und mit ihrem mächtigen Rüssel abküßt. So recht, wehr dich, das ist brav, aber das Netz, das Netz, husch, durch ist sie; jetzt schlägt sie die Hinterfüße auf dem Rücken übereinander und rüstet sich zur Flucht. Vergebens! der linke Flügel ist zerrissen, sie kann nicht fort und da verfolgt sie schon die Heißhungrige; jetzt packt sie sie auf und schleppt sie zurück in ihre Behausung. Nun ist's aus, sie knickt ihr die Füße ab und umspinnt sie mit ihrem feinen Gewebe, da hat sie den Kopf vom Rumpfe getrennt und saugt nun durstig die Eingeweide aus. Welche behagliche Ruhe im Genusse! wie sie sich labt, bald eine Pause macht, und dann wieder frisch drauf los nagt; ob sie wohl weiß, daß es eigentlich eine höhere vorsorgende Macht war, die ihr die gebratene Taube in den Mund fliegen ließ? Gewiß, die Spinne denkt jetzt, das ganze Fliegengeschlecht sei ihretwegen erschaffen, und alles sei nur insofern gut, als es von der Fliegennatur an sich hat und den Bauch der Spinnen füllen kann. Jetzt sieht sie auf mich, ob sie mich wohl anbetet, oder ob der Wind und der Scheuerbesen ihre Götzen sind, weil sie erfahren hat, daß sie ihr Gehäuse zertrümmern können? So, jetzt ist sie fertig, da liegt nur noch das leere Skelett, und nun kriecht sie tiefer in ihr Versteck zurück, ihre Arbeit ist zu Ende, denn sie hat sich gesättigt.« Der Philosoph legte das Mikroskop weg, griff nach der vor ihm liegenden Bibel, schlug das 30. Kapitel der Sprüche Salomonis auf und las: »Zweierlei verlange ich von dir, die wollest du mir nicht weigern ehe denn ich sterbe: Trug und Lüge laß ferne von mir sein; Armut und Reichtum gib mir nicht, gib mir nur das nötige Brot.« »Vier sind klein auf Erden und sind doch gar klug. Die Ameisen, ein Volk ohne Stärke, bereiten sich im Sommer ihre Speise. Die Kaninchen, ein Volk ohne Macht, setzen in Felsen ihr Haus. König hat der Heuschreck nicht, und allesamt ziehen sie in Haufen aus. Die Spinne webt mit ihren Händen und wohnt in den Palästen der Könige.«

Die Bibel erklärt in ihrer Weise die Natur und ihre Triebe, die Menschengeschichte und ihre Vertilgungskriege. Überall ein endlos sich aneinanderreihender Vernichtungskampf, die Gewalt herrscht in der Natur, sie betätigt sich unschuldig und im Reiche der Natur ist Macht und Recht eins, und die Menschen haben Gesetze festgestellt zur Wahrung gegeneinander und das Gesetz hat seine Kraft wiederum nur in der ihm botmäßigen Gewalt, des Menschen Gotteskraft aber ist, selber sich Gesetz zu sein, im Bewußtsein seine Natur zu fassen, die ihm den Frieden mit sich und der Welt gebietet. Im Namen der gegebenen Gesetze, göttlicher und bürgerlicher, verdammen und morden wiederum Taufende einander, und was sie verbinden sollte, scheidet sie. Wird es möglich sein, die Macht des inneren Gesetzes zur Tugend und Liebe festzustellen? ...

Freuen wir uns, daß wir gerade heute so glücklich waren, Spinoza ungestört zu treffen, denn gestern hatte er einen gar schweren Kampf zu bestehen. Frau Gertrui kam mit einem Kehrbesen zur Tür herein, als er eben über den Kampf einer fetten Schmeißfliege mit der Spinne hellauf lachte.

»Haben die Juden auch den Glauben, daß die Spinnen Glück bringen?« fragte sie. »Ihr seid doch sonst so säuberlich, und daran das gerade Gegenstück von dem seligen Herrn Magister, daß ich meine wahre Freude daran hab'. Ich will die Spinnen ja nicht umbringen, Gott bewahre, nur vertreiben will ich sie. Ich muß mich ja schämen vor den vornehmen Herren, die zu Euch kommen; was werden die denken? Das muß eine schöne Hauswirtin sein, die scheuert ja nicht einmal die Spinngewebe weg.«

Es gibt für eine schmucke Holländerin, in ihrem Bedacht auf blanke Sauberkeit des Hauses, nicht leicht etwas, das sie feindlicher verfolgte, als eine Spinne. Nur sehr widerwillig ließ Frau Gertrui ihrem Scheuereifer Grenzen setzen. Es half nichts, daß der Philosoph erklärte, wie die Spinnen für sich sehr auf Reinlichkeit halten, und sie war selbst da noch nicht beruhigt, als Spinoza ihr versicherte, er wolle allen seinen Besuchern erklären, daß er der Erhalter der Spinngewebe sei; sie blieb dabei, er sei kein echter Holländer, weil er in einem Zimmer wohnen könne, in dem ein Spinngewebe sei. –

Sehen wir indes, wie er den heutigen Tag beschließt. Bis es Nacht ist, arbeitet er, und dann bannt er seine ausgearbeiteten Gedanken auf das Papier. Kopf und Hände hat er heute sehr angestrengt, er fühlt das Bedürfnis der Ansprache, er nimmt die Lampe in die Hand und geht hinab zu seinen Hausleuten. Wie er in die Stube tritt, sitzen Klaas und Gertrui mit gefalteten Händen hinter dem Tische, ihr Enkel Albert Burgh liest aus der Hauspostille den Abendsegen vor. Spinoza setzte sich in eine Ecke bis das Gebet zu Ende war, dann rückte er auch an den Tisch und sprach mit seinen Hausleuten über dies und das. Klaas klagte, daß die neuen Moden alles verderben, die Knopfmacher verlören auch nach und nach das Brot, weil man immer weniger und immer kleinere Knöpfe trage. Spinoza hatte für alles einen Trost, und die Leute fühlten sich gar behaglich bei seinen Reden.

»Sagt mir doch einmal,« fragte Klaas, »wie kommt's, Ihr seid doch noch nicht so bei Jahren und seid auch noch wenig in der Welt herumgekommen, wie kommt's, daß Ihr so bald und so gut wißt, wie's dem gemeinen Mann ums Herz ist? Ich bin gleich in den ersten acht Tagen mit Euch gewesen, als ob wir schon einen Scheffel Salz miteinander gegessen hätten.«

Spinoza erklärte, daß das menschliche Herz unter allen Verhältnissen dasselbe sei, und daß, wer nur sich selber wahrhaft kenne, auch die Regungen des Herzens in anderen und unter anderen Verhältnissen richtig auffassen und beurteilen könne.

»Wenn Ihr so redet,« sagte dann Frau Gertrui, »ist mir's so sonntäglich zu Mute, wie wenn ich eine Predigt hörte; gerade so wie Ihr hat der selige Domine Plancius in der oude Kerke gepredigt. Nicht wahr Klaas, ich hab's schon oft gesagt: unser lieber Herr von Spinoza hat so ein christliches Gemüt, der hat auch gar nichts von einem Juden an sich, er ist gar nicht wie die anderen Juden und er ist auch kein Jud?«

»Geert, wenn dein Maul in Gang kommt, da raspelt's fort, kommt's gescheit oder dumm,« sagte Klaas, »Ihr dürft's ihr nicht übelnehmen, es ist nicht bös gemeint.«

»Ihr wißt schon, wie ich's mein', ich sag' nur, Ihr seid nicht wie die Juden sind, so – so – nun, Ihr wißt schon, wie ich's mein'.«

»Jawohl, und ich bin auch nicht im entferntesten bös.«

»Jeder bleibt bei seinem Glauben,« sagte Klaas, »und wer rechtschaffen und brav ist, kann in jedem Glauben selig werden; alle Menschen sind Gottes Kinder.«

»Aber du bist des Teufels Kind,« sagte der kleine Albert, der bis jetzt ruhig zugehört hatte, zu Spinoza, »du hast ja unseren Heiland gekreuzigt und kommst in die Höll'.«

Klaas langte über den Tisch herüber und wollte dem Knaben eine Ohrfeige geben, Frau Gertrui und Spinoza hielten ihn davon ab.

»Dummes Kind,« sagte die erstere, »das hat dieser Herr nicht getan, das haben andere getan, die ihren Lohn schon lang erhalten haben.«

Spinoza nahm den Jungen, der sich anfangs sehr dagegen sträubte, auf den Schoß, und erklärte ihm: daß das kein Verbrechen sein, ein Jude zu sein, da ja Christus selber und die Apostel Juden gewesen wären; allerdings hätten die Juden nicht recht daran getan, Christum ans Kreuz zu schlagen, es sei ihnen auch übel genug ergangen, und man müsse nicht ewig für frühere Fehler büßen. »Mit Verlaub,« sagte Klaas, »Ihr habt nicht ganz die richtige Ansicht; unser Heiland mußte den Kreuzestod sterben, weil es ihm so vorherbestimmt war von Gott dem Vater, und er nur so der Erlöser für uns werden konnte.«

»Selbst nach dieser calvinistischen Ansicht,« entgegnete Spinoza, »wären die Juden doppelt unschuldig. Du mußt nie glauben, lieber Albert, daß Gott einen Menschen auf ewig verdammt –«

Auch über diese letzte Äußerung hatte er noch eine Kontroverse mit Klaas zu bestehen, und besonders über die Bibelstelle: »Des Menschen Sohn geht zwar dahin, wie von ihm geschrieben stehet; doch wehe dem Menschen, durch welchen des Menschen Sohn verraten wird. Es wäre ihm besser, daß derselbige Mensch nie geboren wäre.« (Matth. 26, 24.) Der Streit glich sich aber wiederum gütlich aus.

»Warum hast du denn keinen großen Bart?« fragte Albert, Spinoza furchtsam das Kinn streichelnd, »in deiner Heimat haben ja alle Männer lange Bärte.«

»In meiner Heimat? Woher glaubst du denn, daß ich gebürtig bin?«

»Aus Jerusalem, oder bist du vielleicht gar aus Nazareth? O erzähle mir doch auch etwas davon, ach! da muß es schön sein.«

»Ich bin nicht aus Kanaan, lieber Junge, ich bin hier in Amsterdam geboren wie du.«

»Du lügst, du bist ja ein Jud'; nicht wahr, Großvater, die Juden kommen alle aus Kanaan?«

»Schon lange nicht mehr; sie sind seit undenklichen Zeiten bei uns, und wenn der Heiland wieder erscheint und das Tausendjährige Reich gründet, führt er sie alle wieder nach Palästina.«

»Dann möcht' ich auch ein Jud' sein, ich möcht' auch mit.«

»Sei du froh, lieber Junge, daß du keiner bist,« sagte Spinoza; »das Tausendjährige Reich läßt schon lange auf sich warten.«

»Wie hat dein Vater geheißen?«

»Binjamin.«

»Aber doch nicht Jakobs jüngster Sohn? Das war ein schöner Mann der Jakob, ich würde mich schämen, ihn zum Urahn zu haben; der hat ja seinen Bruder Esau und seinen Schwiegervater Laban betrogen, und seine Nachkommen haben den Ägyptern ihr Gold und Silber gestohlen.«

»Seid doch so gut und gebt dem Jungen, auf meine Gefahr, ein paar tüchtige Maulschellen,« sagte Klaas.

»Mit nichten,« entgegnete Spinoza, »das ist ein kleiner Bibelheld; aber vergiß nicht, mein Kind, weder von dem ägyptischen Golde noch von der Kreuzigung Christi haben die Juden mehr etwas; du mußt immer bedenken, daß die Apostel auch Juden waren –«

»Geert, mach, daß der Junge jetzt ins Bett kommt, sonst wird man heute nicht fertig mit ihm.« Das war einmal eine höchst vernünftige Rede von Klaas Ufmsand.

Spinoza erhielt nur mit knapper Not eine Hand von dem kleinen Albert, küssen durfte er ihn aber um alles in der Welt nicht. Spinoza pflog noch lange ein trauliches Gespräch mit Meister Klaas, bis dieser immer häufiger und unverhohlener gähnte, und man endlich voneinander schied. –

»Du kommst heute gerade zu einer Kapitalexekution,« sagte Spinoza eines Mittags zu dem eintretenden Oldenburg, »siehst du, da in dem Schächtelchen hab' ich die Folioausgabe einer Kreuzspinne schon seit mehreren Tagen ausgehungert, und dort hab' ich eine andere mit leerem Magen; ich habe auch diplomatisches Talent, ich will einen Vertilgungskrieg zwischen ihnen anfachen.«

Er füllte eine Schüssel halb mit Wasser, schraubte einen flachen Teller von der Werkbank, stellte ihn in die Schüssel und setzte die beiden Spinnen auf die bleierne Insel. Ein jeder der Zuschauer bewaffnete sich mit einem Mikroskop.

»Siehst du,« sagte Spinoza, »wenn es einen von der Welt unabhängigen, über ihr schwebenden oder äußerlichen Weltgeist gäbe, ebenso wie wir hier müßte er den Kämpfen auf der Erde zuschauen.«

»Wir müssen den beiden Parteien Namen geben,« sagte Oldenburg, »die Kreuzspinne heiße Alexander und die andere Darius; sieh, Alexander sendet seine Vorposten weithin aus; Darius flieht, aber es geht nicht, das Meer schließt ihn ein. Jetzt ruhen sie beide, aber Alexander erhebt sich, er dringt vor; sieh, wie er seine Arme um den Gegner schlingt, aber er wehrt sich wacker; jetzt heben sie einander empor, wie sie sich fassen und drücken, wie sie die Rüssel aneinander haken: wenn ich nur die Augen recht sehen könnte; brav! Alexander liegt unten, aber seine langen Arme stoßen gewaltig gegen die schuppige Brust des Gegners, nun hat er sich aufgerafft, sieh, wie er den Feind mit frischem Mute würgt; das Unterliegen war wohl nur szythische Kriegslist, nun gilt's; o weh! es ist aus, sie lassen ja einander gehen.«

»Sei ruhig,« sagte Spinoza, »das ist nur ein Friedensschluß, und wär' er auch bei allen Göttern beschworen, sie brechen ihn wie die Menschen, sobald sie wieder Kraft zu neuem Kampfe gesammelt haben. Hab' ich nun nicht recht, wenn ich behauptete, alles käme nur auf den Standpunkt und auf die Unterstützung der Pupille an? Wenn die Büffelherde sich den grimmen Tiger so lange auf den Hörnern gegenseitig zuschleudert, bis er zermalmt vor ihr liegt, so ist es nichts Größeres als dieser Kampf hier; nichts ist an sich groß und nichts an sich klein, nur weil es uns so erscheint, wollen wir's dazu machen. Wären die Menschen nicht von einer höheren Vernunft gezügelt, und ließen sie sich von ihren leiblichen Leidenschaften allein beherrschen, sie vertilgten einander ebenso wie diese Tiere hier.«

»Wahrlich! diese Kämpfe sind so groß als die der Menschen; wenn im Kriege tausend Feuerschlünde brüllend den Tod aussenden, wenn der Boden dröhnt und die Schwerter blitzend dreinschneiden und sich im Menschenblute berauschen, da fühlt man sich so groß in der Todesverachtung, so allmächtig im Aufgebot der Kräfte, man glaubt die Welt aus ihren Angeln heben zu können; und was ist's? ein kleiner Ameisenhaufen streitet sich zwischen Grashalmen –«

»Der ewige Friede hat schon sein menschliches Ende gefunden,« unterbrach ihn Spinoza, »sieh, jetzt wetzen sie die Waffen, nun mutig drauf los!«

Die beiden Freunde sahen nun ohne ein Wort zu reden der Katastrophe des Kampfes zu; Oldenburg hatte den Parteien nicht die rechten Namen gegeben, denn die Kreuzspinne wurde nach geringem Widerstände von der anderen mit Haut und Haar aufgefressen. Darius wurde im Triumphe auf der bleiernen Insel in sein Königszelt, das er sich aus dem eigenen Leibe gesponnen, zurückgetragen. »Das gewöhnliche Leben hat doch gar manchen gang und gäben Ausdruck von tiefer Bedeutung,« sagte Oldenburg, »von zweien, die sich mit unerbittlichem Hasse verfolgen, sagt man, sie seien sich spinnefeind.«

»Dein Herr und Meister Cartesius,« sagte Spinoza, »hätte von dieser Spinne auch manches lernen können, dann hätte er wahrscheinlich auch keine unrichtigen Beweise für eine an sich wahre Sache beigebracht. Er will die Existenz Gottes auch daraus beweisen: weil wir, die wir eine Idee von ihm haben, doch wirklich existieren. Er nimmt hiezu zwei Axiome. Erstens: was das Größere und Schwierigere bewirken kann, kann auch das minder Große und minder Schwierige bewirken; zweitens: es ist größer die Substanz zu schaffen und zu erhalten, als die Attribute oder die Eigenschaften der Substanz. – Ich weiß nicht, was er damit sagen will; was nennt er denn leicht und was schwierig? Nichts kann absolut an sich, sondern nur in Betracht seiner Ursache leicht oder schwierig genannt werden. Wir brauchen kein anderes Beispiel, nimm nur diese Spinne hier; mit leichter Mühe spinnt sie ein Gewebe, das die Menschen nur mit der größten Mühe weben könnten: die Menschen dagegen können gar vieles auf die leichteste Art machen, was vielleicht den Engeln unmöglich ist. Was läßt sich also unbedingt leicht oder schwierig nennen? Es wäre nach dieser Weise wohl denkbar, daß der Mensch Existenz habe, ohne daß solche Gott notwendig zugesprochen werden müßte. Die Existenz Gottes läßt sich aber, wie wir schon einmal besprochen haben, aus der innersten Notwendigkeit und Folgerichtigkeit seiner Idee beweisen.«

Spinoza hatte hierüber noch eine weitläufige Erörterung mit Oldenburg.

Wir haben indes schon lange genug in dem Hause des Klaas Ufmsand verweilt, und warten lieber, bis wir unseren Benediktus zu Olympia begleiten können. Da geht's gleich aus einem ganz anderen Tone.


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