Berthold Auerbach
Das Landhaus am Rhein / Band II
Berthold Auerbach

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Dreizehntes Capitel.

Erich und Roland fuhren mit dem Krischer und seiner Frau. Als man an der Gemarkung des Krischers ankam, ließ er anhalten und stieg aus.

»Nein, hier fahre ich nicht,« sagte er. Es schien Mancherlei in der Seele des Krischers zu wirken: die Gerichtsverhandlung, die Gemüthserregung beim Anblick der freien Natur nach wochenlanger Gefangenschaft, die Fahrt im Triumph . . .

Still ging er dahin, er nahm eine Scholle von einem frischgepflügten Felde, trug sie eine Zeitlang in der Hand, dann warf er sie weg.

»Also ich bin unschuldig?« murmelte er vor sich hin. »Wenn ein Armer krank gewesen ist und gesund wird, ist er wieder ein gesunder Armer, weiter nichts . . .«

Auch Erich und Roland waren ausgestiegen und gingen mit den Beiden zu ihrem Hause. Da rief es plötzlich aus dem Weinberge; der Siebenpfeifer kam daher mit der Hellebarde, die der Krischer als Zeichen seines Feldhüteramtes geführt hatte. Er übergab sie dem Krischer und geleitete die Heimkehrenden.

Die Hunde im Hofe bellten und die Vögel in der Stube sprangen hin und her und zwitscherten durcheinander, da ihr Herr wiedergekommen war. Die Schwarzamsel übertönte Alles, denn sie sang: Freut Euch des Lebens – bei der zweiten Zeile aber blieb sie stecken. Der Krischer schaute Alles an, als wenn er eben erst erwache.

Endlich saß die ganze Familie um den Tisch und aß die ersten neuen Kartoffeln, die eine Nachbarin vorsorglich gesotten hatte. Noch nie hatte Roland eine Speise so geschmeckt. Er führte fast allein das Wort; er erzählte, wie er auf seiner Reise zu Erich bei den arbeitenden Frauen am Weinberge Kaffee getrunken habe; mit großem Geschick wußte er den Frauen nachzuahmen und auch dem Winzer, der Amerika kein Geld für Zucker geben wollte.

Roland, der die ihm gestohlene Uhr zurückerhalten hatte, bot sie dem Krischer zum ewigen Angedenken. Dieser aber wollte sie nicht annehmen, selbst nicht, als Erich und der Siebenpfeifer zusprachen.

»Vater, nehmt sie nur,« sagte der eintretende Küfer; er kam vom Hause des Siebenpfeifer, wo er der ältesten Tochter desselben, die er liebte, die Freisprechung seines Vaters verkündet hatte.

Der Siebenpfeifer hänselte den Krischer, daß er sich zu viel Gedanken mache und beständig daran denke, daß man reich sein könne; das sei gar nicht nöthig. Der Mensch sei freilich innen hohl, aber mehr als sich satt essen und seinen Durst löschen, und mehr als gut schlafen könne der Reiche auch nicht, und es käme gar nicht aufs Bett an, in dem man schläft, sondern daß man eben gut schläft, und in der Kutsche fahren, sei reiner Unsinn, auf seinen gesunden Spazierstöcken umhergehen, sei viel besser.

Es war auch vom Erdmännchen die Rede, und der Siebenpfeifer sagte:

»Wenn man einmal das Grab des Nicolas besuchen will, muß man eine Leiter mitnehmen.«

»Warum?« fragte Roland.

»Weil er noch gehängt wird.«

Der Krischer hatte es nicht gern, daß man von bösen Menschen sprach.

Der Siebenpfeifer war wieder die fröhliche Armuth. Er hatte ein Kind nach seinem Hause geschickt und eben, als einige Flaschen Wein kamen, die Fräulein Milch sendete, ertönte Gesang auf dem Hausflur. Die ganze Orgelpfeife kam und bald sangen der Siebenpfeifer und Erich mit.

Erich drängte, daß man sich aus den Heimweg mache. Als man vom Dorfe aus die Hauptstraße ablenkte, kam ein Wagen daher, daraus gewinkt wurde, und die mächtige Stimme des Majors rief:

»Bataillon halt!«

Sie hielten an; im Wagen saß der Major mit der Mutter und Tante.

»Das ist das Einzige, was ich mir jetzt hätte wünschen mögen,« rief Roland. »Herr Major, der Krischer ist freigesprochen, er ist unschuldig!«

Sie stiegen aus, die Mutter umarmte Roland und ihren Sohn, und Erich ging mit seiner Mutter am Arme, die an der andern Seite Roland an der Hand führte, nach der Villa, während die Wagen hinterdrein folgten. Der Major bot der Tante den Arm, aber sie lehnte ihn ab; sie entschuldigte sich, es sei eine Eigenheit von ihr, daß sie sich nie führen lasse.

»Ist eigentlich auch besser . . . Fräulein Milch hält's auch so. Sie werden sie kennen lernen . . . werden gute Freundinnen werden, verlassen Sie sich darauf. Unbegreiflich, woher sie Alles erfährt! Sie hat gewußt, daß Graf Clodwig Sie eingeladen hat. Aber wir haben auch Kriegslist, wir sind ihm zuvor gekommen. Wer das Glück hat, führt die Braut heim, heißt das, man sagt nur so.«

Die Mutter konnte nicht sprechen, das Herz war ihr zu voll.

Auf der Villa war freundlicher Willkomm. Die Cabinetsräthin umarmte und küßte die Professorin; Frau Ceres ließ sich entschuldigen. Als es Nacht wurde, kam auch Sonnenkamp.

Der helle Mond schien, als Erich und Roland die Mutter und Tante nach dem rebenumrankten Häuschen geleiteten. Und hier auf dem Balcon faßte die Mutter nochmals still die Hand Erichs und sagte:

»Wenn Dein Vater Dich sähe, er würde sich mit Dir freuen. Du hast noch Deinen guten und reinen Blick.«


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