Berthold Auerbach
Das Landhaus am Rhein / Band II
Berthold Auerbach

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Vierzehntes Capitel.

Clodwig war von der Sommerreise gebräunt und Bella sah verjüngt aus, und wie sie stolz aufgerichtet mit dem langen Schleppkleide durch Haus und Park ging, hatte sie etwas von einem schönen Pfau.

Roland erzählte von dem auf der Burg gemachten Funde, Clodwig ersuchte ihn, diesen Fund als Grundstock einer Sammlung anzusehen, welche er für sich anlegen solle; er werde in seinem ganzen Leben erfahren, daß er damit Freuden gewinne, denen nicht leicht etwas Anderes gleichkomme. Roland nickte Erich zu, und Clodwig erzählte, daß er auf seiner Reise werthvolle Erwerbungen gemacht, die bald nachkommen würden. Er hatte im Bade mit einem berühmten Alterthumsforscher, der auch ein Lehrer Erichs gewesen, täglich Umgang gepflogen.

Erich holte eine Entschuldigung nach, daß er die Freundlichkeit Clodwigs so sehr vernachlässigt und ihn nicht vor der Abreise besucht habe; aber wieder zeigte sich, daß der Umgang mit Clodwig ein bequemer war, denn als Mann von gesichertem Ansehen und ruhigem Selbstgefühl dachte er an keine Vernachlässigung und hatte keine Spur von Empfindlichkeit.

Die beiden Gatten erzählten, daß sie absichtlich den Umweg gemacht und in der Universitätsstadt übernachtet hatten, um die Mutter Erichs zu besuchen und einen ganzen Tag bei ihr zu bleiben. Wechselsweise ergänzten sie einander in Kundgebung der Friedsamkeit, die man empfunden. Zuletzt ließ Clodwig seiner Frau allein das Wort, denn sie berichtete von dem Leben der edlen Frau.

Sie schilderte die Clavierecke so anheimelnd und wie dort die Professorin vor ihrem Blumenfenster arbeitend saß. An der Fensterwand vor ihr hing das Bild ihres verstorbenen Mannes und ihres Sohnes und darüber unter Glas und Rahmen eine blonde Locke der Großmutter und rechts und links davon die kleinen Pastellbilder der Großeltern.

Es wurde von Gängen berichtet durch das liebliche Thal, von der Ausfahrt nach der berühmten Bergkapelle.

»Und von mir hat sie gar nicht gesprochen?« fragte Roland.

»Von Ihnen fast noch mehr als von ihrem Sohne,« erwiderte Bella.

Sie wendete sich aber wieder zu Erich und konnte nicht müde werden, zu erzählen, wie es so tief anmuthend sei, eine Frau vor sich zu sehen, die nicht in die Welt hinausstrebe und doch die ganze Welt in sich habe.

Clodwig lächelte, denn Bella sprach wieder einmal dieselben Worte, die er gesagt, aber sie setzte aus Eigenem hinzu:

»Ich meine, Sie, Herr Hauptmann, erst ganz zu verstehen, seitdem ich Ihre Frau Mutter wieder gesehen.«

»Wir dürfen aber die Tante nicht vergessen,« fügte Clodwig bei und erzählte, daß er eine alte Bekanntschaft erneuert habe; er erinnerte sich wohl der strahlenden Schönheit von Fräulein Dournay und welches Aufsehen es erregt, daß sie, eine Bürgerliche, bei Hof vorgestellt und in alle Gesellschaften geladen wurde. Davon, daß man sich erzählte, sie und Prinz Hermann, der in jungen Jahren gestorben war, hätten einander schwärmerisch geliebt und daß Fräulein Dournay alle Ehe-Anerbietungen abgelehnt, schwieg Clodwig.

Als man im Garten spazieren ging, sagte Bella zu Erich:

»Sie haben eine schön erfüllte Jugend gehabt, aber Eines fehlt Ihnen.«

»Und das ist?«

»Eine Schwester.«

»Ich möchte glauben, daß sie mir geworden,« erwiderte Erich leise.

Bella schaute eine Weile zur Erde, dann rief sie Roland an, daß er zu ihr komme.

Man fuhr nach der Burg und Clodwig bat im Interesse seines jungen Freundes Roland, daß der Baumeister recht behutsam sein möge, sobald sich die Spur eines weitern Alterthumsfundes zeige.

Die Gesellschaft saß auf einem Vorsprunge der Burg, dort hatte sich der Major einen bequemen Sitz herrichten lassen.

Clodwig ging mit Roland und Bella saß bei Erich. Sie war über Paris gereist und hatte sich die neuesten Moden mitgebracht, aber sie sprach gegen Erich, wie albern wir uns mit so Vielem schleppen.

Ohne sichtbare Veranlassung setzte sie hinzu, wie sehr sie verkannt sei; man glaube, daß sie großen Aufwand liebe, sie möchte aber am liebsten in einem kleinen Fischerhäuschen am Rhein in behaglicher, durchwärmter Stube leben.

»Und wer wird diese Stube heizen?« fragte Erich.

»Sie haben recht, wir dürfen nicht idyllisch sein,« erwiderte Bella.

Eine längere Pause trat ein.

»Sie haben meine Mutter wieder kennen gelernt,« begann Erich, »hätten Sie meinen Vater gekannt, Sie würden auch Freude an ihm gehabt haben.«

»Ich kannte ihn ja. Aber ich danke Ihnen; ich verstehe, wie Sie mir Theil geben wollen an allem Ihrigen.« Sie sagte das in herzlichem Tone, trotzdem aber war ihr Blick seltsam forschend auf Erich geheftet und in schalkhafter Weise fuhr sie fort:

»Es ist Ihnen gewiß aufgefallen, wie ich Sie betrachte. Nun denn, ich sehe, daß ich einen Wunsch Clodwigs erfüllen muß, weil ich meine, daß ich's vielleicht kann. Clodwig wünscht, daß ich Sie zeichne. Ich will es versuchen, ich möchte aber unsern jungen Freund Roland mit dazu nehmen. Herr Roland, kommen Sie hieher,« rief sie, da dieser sich näherte. »Bitte, lehnen Sie sich an das Knie des Herrn Hauptmanns. So . . . recht so . . . legen sie die rechte Hand auf seine Schulter, aber mehr vorwärts. Jetzt noch den Kopf ein wenig nach links. Bitte, sprechen Sie etwas, Herr Hauptmann. Es muß so sein, daß Sie Roland eben etwas mittheilen.«

»Ich wüßte nichts zu sagen,« entgegnete Erich lächelnd.

»Schon genug, ich sehe die Lippenbewegung; es wird schwer sein, aber ich hoffe sie doch zu fassen. Wann wollen Sie mir sitzen?«

Clodwig bat, daß Erich und Roland auf Wolfsgarten zu Gaste sein möchten, bis die Familie zurückkehre, aber Erich lehnte es so freundlich als entschieden ab; er wollte die gemessene Ordnung, die eingesetzt war, nicht zerstören. Clodwig stimmte ihm sofort bei und versprach, mit Bella wieder nach der Villa zu kommen: dort sollte die Zeichnung beginnen und ausgeführt werden. Bella wollte einen Photographen bestellen, um Roland und Erich in der von ihr gewählten Stellung aufnehmen zu lassen, aber Clodwig widerrieth dies, da eine Zeichnung, die man mit Nachhülfe der Photographie mache, immer etwas Steifes behalte; er verwarf überhaupt die Photographie bei menschlichen Figuren, da sie nur die Architektur der Erscheinung und noch dazu in falschen Verhältnissen gebe.

Roland wünschte, daß auch Greif mit auf das Bild aufgenommen würde.

Bella ward verdrießlich; sie hatte in belebtem gesellschaftlichem Treiben gestanden und sollte nun wieder in Einsamkeit leben mit Alterthümern . . . vielleicht waren auch unausgegrabene damit gemeint. Der stolze, gelehrte Hauptmann hatte für jedes kleinste Thun so aufgebauschte Principien und ihr Mann – jetzt zeigte sich die Baufälligkeit des Alters – sobald der Hauptmann etwas sagt, hat er keinen andern Gedanken mehr als den des jungen Mannes.

Ihre Züge hatten plötzlich etwas Verfallenes, sie schienen alle Spannung zu verlieren. Sie merkte das und nahm sich zusammen.

Als Erich beim Abschied ihr die Hand küßte, fühlte er einen Druck gegen seine Lippen, vielleicht aber auch war es Täuschung oder Ungeschicklichkeit. Während er noch hierüber dachte, sagte Roland:

»Mir ist gar nicht wohl gewesen unter dem Betrachten der Gräfin. War Dir's nicht auch so? Und Dich hat sie gar so seltsam angesehen.«

»Das sind Künstlerblicke,« entgegnete Erich; es preßte ihn in der Kehle.


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