Victor Auburtin
Skizzen
Victor Auburtin

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Wir Ebenbilder Gottes

Norderney.

»Mama«, sagte das kleine Mädchen, »den Seestern nehme ich mit nach Hamburg.«

Sie hatte am Strande einen herrlichen smaragdgrünen Seestern gefunden und brachte ihn nun ihrer Mama.

Die Mama blickte von Galsworthys Weißer Affe auf, in dem sie gerade las, und erwiderte: »Du kannst ihn mit nach Hamburg nehmen, mein Liebling, aber erst mußt du ihn totmachen.«

»Wie macht man denn Seesterne tot?« fragte das kleine Mädchen. Darauf wußte die Mama keine Antwort. Es war eine praktische Hamburger Mama, rund und appetitlich. Sie hatte wohl schon zahlreichen Aalen den Kopf eingeschlagen, Karpfen lebendig geschuppt und Krebse gekocht, aber wie man einen Seestern totmacht, die Frage war ihr noch nicht vorgekommen.

Der Oberkellner wußte einen glücklichen Ausweg. Er legte den Seestern auf einen Teller und stellte ihn ans Fenster in die Sonne: »Nun wird er gleich tot sein«, sagte er.

Aber der Seestern war nicht gleich tot. Er krümmte seine Strahlen nach oben, und man sah seine tausend Füßchen. Diese Füßchen bewegten sich langsam und reckten sich, sie suchten nach dem Wasser, sie schrien nach dem Leben, sie flehten um Erbarmen. Aber niemand im Zimmer hatte Erbarmen, außer mir, und ich benahm mich wie ein Feigling und lief weg.

Am Abend war der Seestern nun glücklich tot. Aber jetzt sah er nicht mehr smaragdgrün aus, sondern war weißlich und gräulich geworden, gerade wie die billigen Seesterne, die man in jedem Ansichtskartenladen kaufen kann. Außerdem fing er an, fürchterlich zu stinken. Es war schließlich das Kindermädchen, das ihn nach dem Mülleimer trug.

 


 


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