Victor Auburtin
Skizzen
Victor Auburtin

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Der Dieb

Wenn ich umziehe – was durchschnittlich alle halben Jahre einmal stattfindet –, wenn ich umziehe, wird mein Mobiliar und die ganze Zimmerflucht auf einen Handkarren geladen. Also unter anderem das Tintenfaß, die Zigarrenkiste, die Bibliothek, die aus einigen Reclambänden besteht, und der Käfig mit den weißen Mäusen. Den Karren schiebt dann mein Freund, der Wachtmeister, in die neue Wohnung. Bei schlechtem Wetter und wenn es bergauf geht, helfe ich selber ein wenig schieben.

 

»Man sollte«, so sagte ich vor der neuen Wohnung zu dem Wachtmeister, »man sollte den Karren hier nicht so allein stehenlassen, es könnte einer etwas stehlen.«

»Ach was, von den Sachen stiehlt Ihnen niemand etwas«, erwiderte der Wachtmeister und lachte; und wir beide gingen in das Haus und ließen den Wagen unbeaufsichtigt stehen.

Da kam der Dieb und nahm zwei Kartons von dem Karren weg. Er nahm einen schweren Karton und sagte sich: Darin hat er seine Silbersachen. Und er nahm einen leichten Karton und sagte sich: Darin hat er die Effekten. Und verschwand mit den beiden Kartons um die Ecke der Prachtstraße.

 

Der schwere Karton enthielt meine Steinsammlung. Das heißt alle die kleinen Stücke Schiefer, Sandstein und Kalk, die ich auf der Reise in den Gebirgen abgebrochen habe und die für mich von bedeutendem Werte waren.

In dem leichten Karton befand sich eine Kollektion von Familienphotographien: die Tante mit der Kaffeekanne, der kleine Bubi im Kinderwagen und zwölf Liebhaberaufnahmen unserer Hauskatze, die schon vor vielen Jahren gestorben ist.

Das Gesicht, das der Dieb machte, als er den Karton öffnete und die zwölf Photographien der Hauskatze erblickte, dieses Gesicht möchte ich gesehen haben. Und ebenso möchte ich wissen, was er mit allen diesen Sachen anfangen wird.

Die Bilder der Katze kann er sich ja mit Reißnägeln an der Wand befestigen; und wenn er nur ein wenig Gemüt besitzt, wird er seine Freude daran haben, weil sie ein sanftes und gutes Tier gewesen ist. Aber die Steine sind sehr unbequem; wohin man sie auch legt, sie machen Staub und Schmutzerei.

Hoffentlich kommt er nicht auf den Einfall, die Steine wegzuwerfen; denn es ist polizeilich verboten, Steine wegzuwerfen, und ich möchte nicht, daß er Unannehmlichkeiten hat.

 


 


 << zurück weiter >>