Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

.

Sie sprach Zaubersprüche und zog seltsame Figuren in den Sand (S. 76).

VIII.
Die Schlacht bei Arbela

.

Im gleichen Augenblick gab uns der Ferge, der sich wieder auf die Erde gelegt hatte, mit der Hand ein Zeichen, daß wir schweigen sollten und daß er in der Ferne ein großes Geräusch vernehme.

In der That gewahrten wir am Horizont eine Staubwolke, welche sich langsam über der Ebene erhob, und hörten ein tausendfältiges, verworrenes Geschrei durch die Luft hallen.

Auch ich legte das Ohr auf die Erde und horchte; ich unterschied deutlich den schweren und regelmäßigen Schritt einer Truppe von Fußsoldaten, welche ihre Lanzen gegen ihre ehernen Schilde stieß. Das waren die Argyraspiden, die Kernschar der makedonischen Phalanx, die alten Genossen Philipps und Alexanders. Niemand hatte bisher vor ihnen standhalten können, weder die Athener bei Chäroneia, noch die Thebaner vor den Mauern ihrer eignen Stadt, noch die griechischen Söldner beim Übergang über den Granikos, noch die Perser in den Engpässen von Issos. Sie marschierten tausend Mann stark in der Front und sechzehn in der Tiefe, in vollkommener Ordnung, bedeckt mit schweren Helmen, bewaffnet mit achtzehn Fuß langen Speeren, die des ersten Gliedes gesenkt, wie der Kopf des Stiers, der mit seinem Horn einen Stoß versetzen will, die des zweiten Gliedes ein wenig höher, und so die übrigen bis zum sechzehnten Glied, welches den Berggipfel zu bedrohen schien.

Wenn man diese ungeheure Masse sich bewegen sah, so konnte sie einem vorkommen wie ein Drache, dessen Schuppen in der Sonne glänzen und dessen scharfe Zähne alle Kreatur bedrohen. Wie oft hatte ich gesehen, wie die Phalanx in der Ebene vorrückte, mitten unter den zahlreichsten Armeen, wie sie wuchtig in das Gewühl eindrang, alles auf ihrem Marsche niederwarf und den Sieg an sich riß ...!

Wenn sie erschien, gingen der Schrecken, die Flucht und der Tod vor ihr her, gleich drei unbezwinglichen Göttern, und zeichneten ihnen den Weg vor. Gewiß, ich kenne sie zu gut, um nur auch einen Augenblick am Sieg Alexanders zu zweifeln.

Ich sagte also zu Amalek:

»Das ist der Mittelpunkt, um den die Schlacht sich dreht. Alles andre mag weichen, die Phalanx weicht nicht.«

Nun entwickelte ich, weil ich es besser als jedermann wußte und schon oft gesehen hatte, den Schlachtplan der beiden Armeen, die Angriffsmethode Alexanders und das Glück, das ihn gewöhnlich in allen seinen Unternehmungen begleitete.

Die schöne Drangiane hörte mir aufmerksam zu, was mich nicht wunderte, denn wir Athener alle sind, wie man sagt, bei unsrer Geburt der Pallas Athene geweiht, der Göttin der Weisheit und Beredsamkeit; aber ich sah auch, daß sie sich gegen ihren Vater neigte und ihn auf Chaldäisch etwas fragte, was ich nicht verstand.

Amalek hörte sie ernst an, zog die Augenbrauen zusammen, wie wenn die Frage ihm mißfallen hätte, und fragte endlich:

»Was macht jetzt Pendragon, wißt Ihr es?«

Bei dieser Frage war ich anfangs verlegen, denn wie konnte ich alle die Zwischenfälle einer Schlacht erraten? Mancher, der rechts gehen will, ist gezwungen links zu gehen; ein andrer, der vorrücken will, weicht zurück, ein dritter, der darauf zählt, einen zweiten Kranz zu erringen, verliert den ersten und zugleich das Leben.

Ich antwortete indessen:

»Er sollte den Angriff auf dem rechten Flügel mit den verlornen Söhnen leiten. Jetzt befindet er sich ganz gewiß im Handgemenge.«

Bei diesen Worten hob die Tochter des Hohenpriesters ihre Augen gen Himmel und richtete ohne Zweifel ein Gebet an Baal, den Gott ihrer Väter.

Ihre Amme Arachosia warf sich auf die Erde und murmelte Worte, welche vielleicht Zaubersprüche waren, denn sie zog plötzlich mit ihrem Stab seltsame Figuren in den Sand und erhob sich, indem sie die folgenden Worte sprach:

.

Er sprang vom Pferd mit dem Rufe: »Herr, seid Ihr es?« (S. 78).

»Drangiane, meine Tochter, ein großes Glück ist im Anzug ... und vielleicht auch ein großes Unglück; aber das Glück wird über das Unglück Meister werden. Sei ruhig, du wirst Königin werden!«

Zu gleicher Zeit schien es, als ob die Götter diese Weissagung bestätigen wollten; die Staubwolke, welche man am Horizont sah, näherte sich uns, und wir sahen einen gewaltigen Trupp Reiter auf der Flucht, die sich in der Richtung gegen uns zu retten suchten.

»Das«, sprach Amalek, »ich kenne sie an ihren ehernen Helmen, an ihren mit Eisen beschlagenen Holzkeulen, an ihren linnenen Harnischen, sind die Reiter aus Assyrien und Chaldäa. Sie werden in mir den Nachfolger und Erben Assurs anerkennen.«

Gleichwohl hieß er uns, aus Vorsicht, uns alle einschiffen: vor allem Drangiane, dann Arachosia, den Fergen, seine Frau, seine Kinder, mich und den Juden Samuel. Er selber blieb trotz den Bitten seiner Tochter und den unsern am Ufer.

»Ich bin ihrer sicher«, sagte er, »und durch sie werde ich erfahren, wie die Sachen stehen. Ihr, haltet euch bereit, das Schiff flott zu machen, wenn Alexanders Soldaten in der Verfolgung zu nahe kommen sollten.«

Wirklich kamen drei oder vier der am besten Berittenen in scharfem Galopp gesprengt und schienen vor einem furchtbaren Feind zu fliehen. Hinter ihnen her, aber auf weite Entfernung und in großer Unordnung, kam ein zahlreicher Trupp von Reitern. Der Erste, dem Amalek gegenüber trat, hielt erschrocken an und sprang vom Pferd mit dem Rufe:

»Herr, seid Ihr es?«

Amalek erwiderte ernst:

»Du siehst es.«

Der chaldäische Reiter fuhr fort:

»Man hatte uns gesagt, Ihr wäret verschwunden ...«

– »So ist es.«

– »Dareios habe Euch ermorden lassen ...«

– »Ich bin gestern gefangen genommen worden, oder vielmehr ich habe meine Tochter Drangiane, welche Kriegsgefangene im Lager Alexanders war, geholt und wir haben die Flucht ergriffen, sie und ich mit einigen Freunden die du hier siehst.«

Der Chaldäer begann nachzudenken:

»Ah! wenn wir hätten wissen können ...«

– »Was würdet ihr gethan haben?«

– »Wir wären Euch überall hin gefolgt, Herr, anstatt an der Schlacht teilzunehmen unter unsern gemeinsamen Feinden.«

– »Es ist noch jetzt Zeit«, erwiderte Amalek. »Du, bleibe jetzt hier. Ich gehe, um deine Gefährten zusammenzubringen. ... Verfolgt man euch noch immer?«

– »Ach, Herr«, sprach der Chaldäer, »wer kann es wissen? Beim ersten Anprall stürzte sich das Korps der verlornen Söhne auf uns, als wollte es uns verschlingen, an seiner Spitze ein großer Gallier, schön wie ein Gott; er sprengte zwanzig Schritte vor allen andern daher und stieß einen Kriegsruf aus, der schrecklicher war als der eines Löwen. Alles ergriff vor ihm die Flucht, sobald er sich zeigte, und hielt ihn für den allmächtigen Baal in eigner Person ...«

– »Und so seid ihr hier?«

– »Ja, Herr, so sind wir hier.«

Bei diesen Worten konnte Samuel und ich mich des Lachens nicht enthalten, angesichts des geringen Widerstandes, den die chaldäische Reiterei dem Pendragon leistete. Und doch hatten wir Unrecht. Ein Weiser hat einmal gesagt: »Mancher war tapfer an einem Tage, an einem andern ergriff er die Flucht.« Überdies begünstigten die Götter zweifellos den Pendragon, und die Götter haben ihre geheimen Pläne, welche sie den Sterblichen verbergen.

Was Arachosia betrifft, so hörte ich sie, während der Hohepriester seine Schar sammelte und das Losungswort gab, zu Drangiane sagen:

»Meine Tochter, beruhige dich. Es ist der Befehl Aldebarans, daß Pendragon der größte König und du die schönste Königin werden sollst.«

Der Chaldäer näherte sich uns und erzählte, was er von der Schlacht gesehen hatte:

»Ich befand mich auf dem linken Flügel des Heeres«, sagte er, »und zwar von Anfang an, der Großkönig Dareios war im Zentrum mit den Großen Persiens, Susianas und Mediens, und Mazäus befehligte den linken Flügel mit der Reiterei der Parther, Baktrier und Sogdianer. Man erwartete das Signal zur Schlacht, als beim Heere Alexanders, das lange vor uns in Schlachtordnung aufgestellt war (allerdings ist es auch viel weniger zahlreich) die Trompeten das Zeichen zum Angriff gaben.

In demselben Augenblick stürzte sich Alexander mit den Thessaliern auf Dareios. Aber kaum hatten wir begriffen, was er thun wollte, als der Gallier, der sich bei der Vorhut der Makedonier auf dem rechten Flügel befand, sich mit solchem Ungestüm auf uns warf, daß wir nur Zeit hatten, einmal unsre Pfeile abzusenden, nicht aber, ihn mit dem Schwert zu empfangen. In wenig Augenblicken ergriff alles die Flucht. Baal, der Gott der Schlachten, war gegen uns.«

Als der Chaldäer in seinem Berichte so weit gekommen war, kam der alte Amalek zurück und führte einige tausend Mann mit sich, die sich auf seinen Ruf vereinigt hatten.

»Es ist aus mit dem Reiche der Perser«, sagte er. »Dareios ist nun geflohen und hat die Krone weggeworfen. Alexander eilt ihm nach und verfolgt ihn. Jetzt ist es unsre Aufgabe, nach Babylon zurückzukehren und mit dem Sieger Frieden zu schließen.«

Da begannen die Frauen zu schluchzen und zu weinen, wie am Tage des Leides.

Amalek dachte einen Augenblick nach, stieg wieder in den Kahn und befahl seinen Reitern, ihm auf dem linken Ufer des Tigris bis zur Brücke von Rages zu folgen, die sich sechs Stunden weiter unten befand und die sie beordert wurden abzubrechen, nachdem sie sie überschritten hatten.

Diese bewegliche Brücke, welche an mehrere bewaldete Inselchen angehängt war, war der einzige Weg, den man nehmen konnte, um vom Osten her nach Babylon zu gelangen. Überall sonst hätte man müssen schwimmend über einen tiefen, breiten und reißenden Strom setzen, oder, wie es einige der Landeseinwohner machten, mit Luft gefüllte Schläuche bis zum andern Ufer vor sich her stoßen und sich von ihnen über Wasser halten lassen, was für Fußgänger möglich, für Pferde und Reiter aber unmöglich war.

.


 << zurück weiter >>