Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

.

»Und hier hast du Amalek, den Hohenpriester« (S. 24).

II.
Die Probe

.

Der Mundschenk füllte alsbald die zwei Schalen und die der Freunde des Königs, welche sich wieder an den Tisch setzten.

»Ich habe keine Geschichte«, erwiderte der Gallier. »Ich bin nicht von der Art der Griechen und der Makedonier, die stets immer selbander ausziehen, der eine, um Schwertstreiche auszuteilen, der andre, um dessen Heldenthaten zu erzählen. Ich habe dir schon gesagt, daß mein Vater Astarakos hieß. Ich, Pendragon, bin sein dritter Sohn. Von meinen zwei Brüdern ging der jüngere nach Italien, um dort sein Glück zu suchen. Er teilte nach rechts und links seine Hiebe aus und ist dadurch Fürst oder, wie die Griechen sagen, Tyrann einer großen am Meeresufer gelegenen Stadt geworden.«

»Wo ist die Stadt?« fragte Alexander.

– »Ich weiß es nicht.«

– »Und das Meer?«

– »Ebensowenig. In meinem Lande kümmert man sich nicht um dergleichen Dinge. Die griechischen Kaufherren von Massilia sagten mir, er habe einen Palast, Pferde, Sklaven, Wein, goldgefüllte Kisten und was drum und dran hängt. Zum Beweise brachten sie meinem Vater drei Perlenhalsbänder für meine drei Schwestern und eine Silberstatue des Teutates, die er dem Tempel dieses Gottes zu Tolosa weihte. Die Statue wog dreitausend Pfund. Das ist alles, was ich von meinem Bruder weiß.«

– »Und der ältere?«

– »Der? Sein Los war ein ganz andres. Er ging nach Afrika und nahm Dienste bei den Kaufherren von Karthago, welche Krieg führten in Sizilien. In diesem fruchtbaren, mit Wein, kostbaren Stoffen und allem Schönen reich gesegneten Lande wollte er sich niederlassen und andre Landsleute kommen lassen, aber der karthagische Anführer Himilko ließ ihn während eines Festessens ermorden.«

– »Und du?«

– »Ich? Je nun, ich sollte zu Hause bleiben, um die Familie fortzupflanzen, und geriet in eine schreckliche Wut, als mein Vater mir den Tod meines Bruders mitteilte: »Pendragon, sagte er, du gehst zu Schiffe nach Karthago; dort wirst du dem Mörder deines Bruders den Kopf abschlagen und dann wiederkommen.«

»Ich antwortete: »Vater ich werde ihm den Kopf abschlagen, aber nicht wiederkommen. Deine Töchter werden Männer nehmen und dir andre Kinder schenken; ich aber will mir mit der Schärfe meines Schwertes ein Königreich erobern.« – Er billigte meinen Plan, und ich reiste nach Karthago. In der Verkleidung eines massilischen Kaufmanns begegnete ich eines Abends dem Himilko, der mitten unter seinen Freunden, nichts ahnend, am Hafen spazierte. Ich sprach zu ihm: »Ich bin Pendragon, der Bruder des von dir Gemordeten; nimm deinen Lohn dafür.« Und ich hieb ihm mit einem Streiche meines Schwertes den Kopf ab.

»Hierauf sprang ich in ein Boot. Dreißig Schiffe mit je fünfzehn Ruderreihen machten sich zu meiner Verfolgung auf, aber die Nacht war schon angebrochen; ich konnte zwischen meinen Feinden, die mich auf hoher See verfolgten, hindurchgleiten und kehrte nach Karthago, wo niemand mich erwartete, zurück; dort steckte ich Himilkos Haus, das schönste in Karthago, wo er selber der reichste und mächtigste Bürger war, in Brand. Ich wartete am Morgen, bis die Thore der Stadt geöffnet wurden und der Eingang frei war, dann bemächtigte ich mich eines Pferdes – nicht desjenigen, das du hier siehst, es war ein andres – sprengte hinaus ins freie Feld und bewarb mich um die Gastfreundschaft der Bewohner von Utika, die glücklicherweise mit den Karthagern gerade Krieg führten.

»Sie nahmen mich freundlich auf und stellten mich an die Spitze ihrer Armee. Ich benutzte diese Stellung, um meinen Feinden eine Schlacht zu liefern und ihrer vier oder fünf Tausend zu töten. Leider boten die karthagischen Kaufherren den Uticensern den Frieden und eine große Geldsumme an, wenn sie mich ausliefern würden. Die von Utika nahmen an – denn bei diesem elenden Pack gilt, wie bei den andern, weder Wort noch Recht; glücklicherweise wurde ich noch zur rechten Zeit gewarnt von der Tochter eines Suffeten, die ich heiraten wollte und welche diesen Verrat verabscheute. Ich sprengte, das Schwert in der Faust, im Galopp durch die Reihen derer, die mich ergreifen wollten, tötete ihrer zwei, machte fünf oder sechs kampfunfähig und stürzte mich in einen tiefen Wald mitten in die Schluchten des Atlas, wo die Löwen hausen und niemand mich zu verfolgen wagte. Von hier drang ich nach Ägypten vor, bald zu Fuß, bald zu Pferde, bald allein, bald im Anschluß an eine Karawane.

»Als ich an die Thore von Alexandria gelangte, der von dir auf der Insel Pharos gegründeten Stadt, erfuhr ich, daß du gegen Persien aufgebrochen seist, und ich faßte den Plan, dich aufzusuchen. Ein arabischer Scheich in der syrischen Wüste, den ich mir dadurch verpflichtet hatte, daß ich seinen Feind in einer Schlacht tötete, gab mir sein Pferd; er behauptete, es sei das Kostbarste, was er habe und, wenn er eine Tochter hätte – er hatte ihrer siebzehn, aber alle waren längst verheiratet – so würde er sie mir noch dazu gegeben haben. Was das Pferd betrifft, das Nadjed heißt und nicht über vier Jahre alt ist, so hat seit jenem Tage es niemand bestiegen als ich selber: der Scheich empfahl es mir mit Thränen in den Augen, wie wenn es sein eigner Sohn gewesen wäre. Ich that einen Schwur, daß, solange ich lebte, niemand es besteigen, zügeln oder satteln sollte ...«

– »Nicht einmal ich?« fragte lächelnd Alexander.

»Auch du nicht, noch irgend ein andrer Mensch«, erwiderte mit fester Stimme der stolze Pendragon ... »Übrigens, laß es einen deiner Diener versuchen – zum Beispiel den dort, den du Perdikkas nennst und der dir zur Rechten sitzt.«

Der so abschätzig beurteilte Perdikkas erhob sich, wenn auch ungern, um nicht das Gespött seiner Freunde zu werden.

Da wandte sich Pendragon gegen sein Pferd und sagte:

»Nadjed, du siehst deinen künftigen Herrn! wenn er dich besteigt, so wirst du ihm bis zu deinem Tode dienen.«

Ich weiß nicht, ob Nadjed die Anrede des Galliers verstand, aber im gleichen Augenblick stieß es ein zweites Wiehern aus, so wild und schrecklich, daß viele hundert Pferde, welche an Pflöcke gebunden waren, ihre Seile zerrissen und sich blindlings auf die Ebene stürzten, als hätten sie den Ruf ihres Führers vernommen.

Perdikkas stand regungslos vor Entsetzen und wagte seinem Gegner nicht ins Gesicht zu sehen. Dagegen erwartete ihn Nadjed, indem er seinen langen Schweif bewegte und mit dem rechten Fuß ungeduldig den Boden stampfte.

Alexander hatte Mitleid mit seinem Freunde.

»Setze dich Perdikkas«, sagte er, »und du, Pendragon, laß sehen, wie du dies Wunderpferd besteigst.« –

Der Gallier näherte sich dem Pferde, sah es mit einem unaussprechlich sanften Blick an und sagte zu ihm: »Nadjed, mein Bruder!«

Das Pferd neigte das Haupt und rieb es gemächlich an der Schulter Pendragons, als ob es ihn liebkosen wollte. Dieser sagte:

»Nadjed, mein Bruder, zeige ihnen, wer du bist und wer ich bin! ...«

Dann schwang er sich, ohne die schwarze wallende Mähne des schönen Tieres zu berühren, mit einem Satze auf seinen Rücken und sagte zum König gewandt:

»Alexander, Sohn Philipps, bevor eine Stunde um ist, bringe ich dir Nachricht von Dareios.«

Im gleichen Augenblick drückte er sanft seine Kniee gegen die Seiten des Pferdes und sprengte in dreifachem Galopp dem persischen Feldlager zu.

»Es ist ein Spion«, sagte Perdikkas, »er ist gekommen, um unser Lager auszukundschaften und dem Feinde Bericht darüber abzustatten.«

Der größere Teil der Anwesenden stimmte bei. Alexander selber schien zu schwanken.

»Was thut's am Ende?« sprach er ... »Übrigens liegt im Blick dieses Galliers ein Zug von Stolz und Kühnheit, der zum Charakter eines Verräters nicht stimmen will.«

Und ohne sich um den Gallier, wenigstens dem Anschein nach, weiter zu kümmern, diktierte er mir für morgen den Schlachtbefehl.

Aber nach kaum einer halben Stunde ließ sich von seiten der Perser ein fürchterliches Geschrei vernehmen. Wir gewahrten in der Ferne eine Staubwolke, aus welcher allmählich, je näher dem makedonischen Lager um so deutlicher, die Gestalt des Galliers Pendragon heraustrat. Tausende von Reitern verfolgten ihn und warfen Tausende von Speeren nach ihm; unsre Wachen rückten vor, um seine Flucht zu beschützen, aber er drang hindurch wie der Blitz, kam bis auf drei Schritte vor Alexander, hielt Nadjed an, der ganz bedeckt mit Staub und Schaum sich unbeweglich wie eine Bildsäule auf seinen vier Füßen aufrecht hielt, und warf vor die Füße des Königs ein langes weißes Pack, das mit einem langgedehnten Seufzer zur Erde fiel.

Zugleich sprang er vom Pferd und sagte:

»Alexander, Sohn des Philipp, hier hast du das Siegel des Königs Dareios.«

Dann wandte er sich Hu dem Pack, welches nur noch seufzte.

»Und hier hast du Amalek, den Hohenpriester der Chaldäer und seinen ersten Minister.«

Alexander trat auf ihn zu, umarmte ihn und sagte:

»Pendragon, du bist ein Tapferer.«

»Ich weiß es wohl«, sagte der Gallier.

»Wir wollen Freunde sein im Leben und im Tod.«

»Gern. Wenn du zu einem Freunde sagst, er sei ein Tapferer, so weiß man, daß du dich darauf verstehst und nicht eifersüchtig sein kannst.«

Der König hörte lächelnd dieses übelgedrechselte aber aufrichtig gemeinte Kompliment an.

Er fragte nun, mit dem Finger auf Amalek deutend:

»Wo hast du ihn aufgegriffen?«

Hier kratzte sich der Gallier verlegen im Haar:

»Im Zelt des Königs Dareios.«

»Was that er dort?«

»Er schnarchte.«

»Wie?« fragte Alexander voll Staunen. »Im Zelte des Königs selber?«

»Und sogar auf dessen Bett.«

»Das ist ja ganz absonderlich.«

»Freilich«, sagte Pendragon, »aber es ist wahr. Gerade dieser Umstand hat mich irre geleitet. Er schnarchte so königlich, daß ich ihn für den König selber hielt. Ich faßte ihn, setzte ihn wie einen Mehlsack auf Nadjed und bringe ihn dir. Übrigens kannst du ihn fragen und wirst von seinem Begegnis mehr erfahren als ich selber.«

Während dieser Unterredung hatte Amalek seine Besinnung wiedergefunden, und da er sich dem großen König der Makedonier, dem berühmten Alexander, dem Eroberer des halben Asiens gegenüber sah, warf er sich mit dem Angesicht in den Staub und sagte:

»Großer König, ich bin zu antworten bereit.«

»Vor allem«, sprach der Eroberer, »stehe auf!«

Amalek gehorchte, und mit gebeugtem Haupt, die Arme kreuzend und die Hände in die Ärmel seines langen Rockes tauchend, erwartete er die Fragen.

Er war eine hohe Greisengestalt mit weißem, ehrwürdigem Bart, schwarzen lebhaften und schlauen Augen, kühn, stolz und demütig zugleich (der Stolz wohnte im innersten Grunde, die Demut auf der Oberfläche).

Alexander fragte:

»Wer bist du?«

Der Greis antwortete:

»Ich bin Amalek, der Knecht der Knechte Baals.«

»Du weißt, mit wem du sprichst?«

»Ja, Herr, zum größten der Könige, wenn er die Befehle Baals ausführt.« »Und wenn er es nicht thut?« fragte der Makedonier.

Amalek erwiderte mit feierlicher Stimme:

»Wenn er es nicht thut, so kann er immer noch siegen, denn Baal gestattet bisweilen seinen Widersachern eine Zeitlang zu triumphieren; aber das Glück des Gottlosen zerfließt und verliert sich wie ein Bach im mesopotamischen Wüstensand. Sein Schwert wird zerbrochen, sein Helm zerspellt, sein Harnisch durchstochen werden, sein Leib, des Grabes entbehrend, wird die Beute der Wölfe, der Raben und der Geier sein, seine Mutter und seine Schwestern werden erwürgt, seine Gattin zur Sklavin gemacht, seine Kinder an den Füßen gefaßt und an den Felsen zerschmettert werden, sein Volk und sein Name werden vom Erdboden verschwinden, denn es gibt nur einen Gott, Baal, und wer seine Stimme gegen ihn erhebt, den wird Baal mit seinem Blitze treffen und seine Gebeine zu Staub zermalmen.

»Und wenn ich Baal gehorche, was wird dann sein?«

»Du wirst der Herr der Erde werden, und dein Reich wird keine andere Grenze haben als den Ozean. Um den Menschen zu befehlen, muß man Baal gehorchen.«

Ich beobachtete den Chaldäer, wie er, die Augen zum Himmel erhebend, dort das Schicksal und die Zukunft Alexanders lesen zu wollen schien. In der That, der mächtigere der beiden war nicht der König, sondern der Priester.

»Du weißt, Amalek, daß ich dir den Kopf abschlagen oder dich den Löwen zum Zerfleischen vorwerfen kann?«

Jener antwortete stolz:

»Versuch' es, wenn du Götter und Menschen gegen dich bewaffnen willst.«

Diese kühne Antwort reizte nicht, wie ich es erwartet hatte, den Stolz des Makedoniers; im Gegenteil, er reichte ihm die Hand zum Zeichen der Freundschaft und sagte:

»Ich wollte dich nur auf die Probe stellen.«

Amalek entgegnete:

»Mit der Peitsche stellt man die Sklaven, mit Gold die freien Männer auf die Probe; aber Chaldäas Priester kennen und fürchten nur den Willen Baals.«

Alexander sprach hierauf:

»Wer lehrt mich diesen heiligen Willen kennen?«

»Ich!« antwortete Amalek. »Und weil ich wußte, daß du der Auserwählte Baals bist, bin ich dir entgegengekommen, um dir den Sieg zu melden und um dir zu sagen, wem du ihn verdankst.«

Hier mußte der Gallier laut lachen.

»Entgegengekommen! ...« sagte er. »Amalek prahlt. Ich habe ihn meinem Nadjed wie einen Sack aufgeladen, und er stöhnte unterwegs wie eine alte Tigerkatze, welche ihren Vater oder ihre Mutter verloren hat.«

Amalek blickte ihn von der Seite an und erwiderte:

»Es war der Wille Baals.«

.

Das Pferd setzte über den Tisch und faßte die Schulter des Perdikkas mit den Zähnen (S. 30).

»Das läßt sich hören«, sagte Alexander; »aber du, Pendragon, sage uns zuvor, was du gethan hast, und Amalek wird uns dann beweisen, daß es der Wille seines Gottes war.«

»Gern«, erwiderte der Gallier, »aber zuvor, großer König, laß meine Schale füllen, denn in dieser Wüste bekommt man Durst, und wir sind schrecklich gesprengt, Nadjed und ich, um dir einen Dienst zu erweisen.«

Alexander lächelte und gab seinem Mundschenk ein Zeichen, der sogleich zwei Schalen, so groß wie gewöhnliche Krüge, mit Chierwein füllte.

Pendragon und sein Pferd tranken sie, jeder die seinige, auf einen Zug aus.

»Die Sache verhält sich also«, sagte der Gallier. »Nadjed kann es so gut wie ich selber bezeugen, und Nadjed hat noch nie gelogen.«

Jetzt brachen die Freunde Alexanders in ein lautes Lachen aus und Perdikkas, der sich für die durch den Gallier erlittenen Beleidigungen rächen wollte, hielt sich die Seiten und rief:

»Wenn Nadjed sprechen könnte, er würde gerade so lügen, wie ...«

Ich glaube, er wollte sagen: »Wie sein Herr ...«

Aber er fand keine Zeit dazu, denn Pendragon warf ihm einen so fürchterlichen Blick zu, daß ihm das Wort in der Kehle stecken blieb, als wäre diese bei einem eisigen Wind eingefroren.

»Wie du«, unterbrach ihn der Gallier, »wie du, Perdikkas, der Schmerbauch, Perdikkas der Klotz, der dicke Hoplit mit zwei Tatzen, der ihrer vier haben und das Gepäck in der Nachhut tragen sollte, statt sich als Herr an der Spitze der Phalanx aufzuspielen.«

Dann, zu seinem Pferde sich wendend, sprach er:

»Nadjed, sieh einmal diesen Perdikkas an.«

Nadjed sah ihn an.

»Es ist das zweite Mal, daß er dich verhöhnt.«

Jetzt richtete sich Nadjed auf seinen Hinterfüßen auf und stieß ein zorniges Gewieher aus, seinen Blick auf den Makedonier gerichtet.

»Das erste Mal«, fuhr der Gallier fort, »wollte er dich reiten, als ob ein Pferd wie du dazu geschaffen wäre, von einem Esel wie er geritten zu werden.«

Hier ging Nadjed auf Perdikkas zu mit einer so drohenden Miene, daß alle Anwesenden Zeichen des Schreckens von sich gaben. Alexander, der einige Schritte entfernt stand und den thessalischen Kundschaftern Befehle erteilte, kehrte sich nicht um und merkte kaum, was in seiner Nähe vorging.

»... Das zweite Mal«, fuhr der Gallier fort, »erfrechte er sich zu sagen, daß, wenn du sprechen könntest, du lügen würdest wie er selber!«

Bei den Worten »du lügen würdest«, that Nadjed, ohne Zweifel durch den Ton und den Blick seines Herrn belehrt, denn ich kann nicht glauben, daß er den Sinn der Worte genau verstanden habe, einige Schritte vorwärts; seine Augen funkelten, die Nüstern sprühten Feuer, seine Mähne flatterte, mit einem Sprung setzte er über den Tisch, der ihn von dem Makedonier trennte, und faßte wie ein Löwe die Schulter des Perdikkas mit den Zähnen.

Ein lauter Schrei entfuhr den Anwesenden.

Alexander drehte sich um und sprach mit strengem Tone:

»Pendragon!«

Aber schon hatte der Gallier seinem Pferde ein Zeichen gegeben, die Beute fahren zu lassen.

Nadjed verstand ihn und gehorchte; Perdikkas wurde von seinen Freunden ohnmächtig aufgehoben und in sein Zelt getragen, wo Philippos, der Leibarzt des Königs, ihm einen ersten Verband machte und, nach herrschendem Brauch, erklärte, daß die Wunde schwer, sehr schwer, äußerst schwer sei, und daß Perdikkas unter andern Händen als den seinigen unfehlbar die Ufer des Styx würde gesehen haben, daß aber, da er zur rechten Zeit noch gerettet worden sei und verpflegt werde, wie er (Philippos) zu verpflegen verstehe, er (Perdikkas) mit einem sechswöchigen Aufenthalt im Lazarett und mit Beobachtung einer strengen Diät davonkommen werde.

»Ach! ach! diese leidige Diät!« rief der Verwundete aus, der, seit er sich in Asien befand, sich angewöhnt hatte, täglich zwei Krüge Kreterwein zu trinken, jeden zwei Fuß hoch und unten zwei Fuß breit.

»Was für armselige Geschöpfe wir sind!« sagten, um ihn zu trösten, seine beiden Freunde Seleukos und Lysimachos, indem sie ihn, der eine an den Füßen, der andre am Kopfe faßten und forttrugen. »Wer hätte diesen Morgen geglaubt, daß du auf eine sechswöchige Wasserkur angewiesen sein würdest?«

»Ach! das Leben ist ein zerbrechliches Gefäß!« fügte Lysimachos mit einem Seufzer hinzu.

»Es zu zerbrechen, ist leider leicht!« fuhr Seleukos in weinerlichem Tone fort.

»Oh!« rief Perdikkas, »ich dürste nach Rache, Rache, Rache!«

»Auf Wiedersehen, armer Freund, wir wollen auf deine Gesundheit trinken«, sagten Lysimachos und Seleukos zum Abschied.

Und sie hielten Wort bis zum Morgen des folgenden Tages. Da wurden sie durch Trompetenschall erinnert, ihren Posten einzunehmen und ihre Krieger in Schlachtordnung aufzustellen.

.


 << zurück weiter >>