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XVIII.

Herr Newton war sehr überrascht, als er am Abend der Vorstellung nach Hause kam und Semona dort vorfand. Ein Brief des Herrn Pendel, den er frühzeitig am folgenden Morgen erhielt, gab ihm Aufklärung über die Ursache von dem Erscheinen der Afrikanerin in seinem Hause, und beauftragte ihn, dieselbe für Rechnung des Herrn Pendel bestmöglichst und baldigst zu verkaufen und zwar weit von hier, damit der Zufall sie ihm niemals wieder vor die Augen bringen möge. Vor Tisch begab sich Newton wie gewöhnlich nach der Börse, um den laufenden Geschäften dort nachzugehen, namentlich aber, um sich nach einer Gelegenheit zum Verkauf Semona's umzusehen, da ihn Pendel so sehr um dessen Beschleunigung gebeten hatte. Nach wiederholter vergebener Anfrage bei verschiedenen Kapitalisten, welche Plantagen im Süden besaßen, wurde ihm mitgetheilt, daß der Kapitain eines Wallfischfahrers eine Negerin zu kaufen suche, der mit seinem Schiffe habe in Norfolk einlaufen müssen, weil dasselbe auf der Fahrt von Newyork bedeutende Beschädigung erlitten. Er lasse das Fahrzeug in Norfolk ausbessern und wäre mit dem Dampfschiff hierhergekommen, um noch verschiedene Gegenstände für seinen Schiffsbedarf einzukaufen, so wie zugleich sich umzuhören, ob er eine ihm zusagende Negerin erstehen könne, die er für den Dienst in seiner Kajüte zu besitzen wünsche.

Newton erfragte den Aufenthaltsort des Kapitains, dessen Name Baker war, und fuhr dann sogleich nach dem ihm bezeichneten Gasthaus an der Point, wo er denselben auch antraf.

Kapitain Baker war ein alter wettergebräunter gutmüthiger Seemann, dessen Familie in Newyork wohnte und der schon seit vielen Jahren die Südsee befahren und von dort manche reiche Ladung mit Thran, Fischbein und Wallroßzähnen geholt hatte. Der Antrag Newton's, ihn mit einer ausgezeichneten Negerin zu versehen, war ihm sehr willkommen, und er versprach ihm, im Laufe des Tages in seinem Hause vorzusprechen, um die Sclavin in Augenschein zu nehmen.

Gegen Abend stellte sich der Kapitain auch bei dem Sclavenhändler ein, Semona wurde ihm vorgeführt und der Handel wurde zu Tausend Dollar abgeschlossen. Am folgenden Morgen lieferte Newton die Negerin an Bord des Dampfschiffs, welches zur Fahrt nach Norfolk bereit lag, an Kapitain Baker ab, und eine Stunde später schnaubte das Fahrzeug mit diesem und der Sclavin der offenen Chesapeake Bay zu.

Semona saß zusammengekauert an der Spitze des Schiffs zwischen dem dort aufgerollt liegenden Tauwerk, in ein Gewand von grobem weißen Baumwollenzeug gekleidet, arm, verlassen und allein, mit dem schmerzlichen Glück im Herzen, welches das kurze Wiedersehen des Geliebten dort zurückgelassen hatte. Sie hielt ihren thränenschweren Blick auf die hohen Kuppeln der Kitchen, auf die über der Stadt hoch emporragenden rothen Schrotthürme, auf die dort zum Himmel aufstrebende weißmarmorne Washingtonssäule geheftet, so lange sie das Auge noch erfassen konnte; denn dort, in deren Nähe weilte ja Buardo, der Geliebte ihres Herzens, das einzige Band, welches sie noch an ein Leben voller Leiden, voller Schrecken fesselte. Bald aber war das letzte Zeichen von Baltimore vor ihren sehnsüchtigen Blicken verschwunden, und die schönen grünen Ufer der Bay stiegen zu beiden Seiten des dahinbrausenden Dampfers über den krystallenen schaukelnden Wogen empor. Semona hatte kein Auge, kein Herz für alle die prächtigen Bilder, die eilig und in stetem Wechsel an ihr vorüberzogen, es stand nur ein Bild lebendig und herzlieb vor ihrer traurigen Seele und jeder Stoß der Schiffsmaschine entfernte sie weiter von dem theuren Manne, der dies liebe Bild in ihr geschaffen hatte.

Der Tag schwand, die Sonne neigte sich und noch Niemand hatte sich um die verlassene Semona gekümmert; da trat ihr neuer Herr zu ihr und nahm sie mit sich vor die Küche, wo er sie mit Speisen und mit einer Kanne voll heißen Kaffee versehen ließ.

Die Sterne funkelten und blitzten, als das Dampfschiff Norfolk erreichte und der Kapitain Baker seine Sclavin Semona an das Land führte. In nicht großer Entfernung von dem Landungsplatz lag Baker's Schiff, Oneida genannt, an einem Werfte befestigt und hob seine segellosen ungeheuren Masten gegen den dunkeln Himmel empor. Der Kapitain erstieg den hohen Bord des Fahrzeugs und lieh der Sclavin seine Hand, dasselbe zu erklimmen. Alles war dort zur Ruhe gegangen, nur der Wachtposten schritt auf dem Verdeck auf und nieder und erwiederte freundlich den Gruß seines Kapitains. Baker zündete eine Lampe für Semona an, bezeichnete an dem Eingang in die Kajüte ein kleines Gemach als ihr Zimmer, wünschte ihr, gut zu schlafen und begab sich selbst zur Ruhe.

Semona sank auf dem engen Lager nieder, welches sich in der Wand des Stübchens befand und schaute in die kleine trübe Flamme der Lampe, die auf dem hinter der Thür angebrachten und als Tisch dienenden Brett stand. Sie dachte an Buardo heiß und innig und hing mit glühendem Verlangen an seinem geliebten Bilde, welches vor ihrem geistigen Auge stand. Sie sah ihn, sie sah ihn immer deutlicher, immer lebendiger vor sich, sie fühlte es, auch er mußte jetzt sehnsüchtig an sie denken, es war ihr, als lege sich sein Arm um ihren Nacken, als fühle sie seinen Athem, seine Lippen; die Sehnsucht wollte ihr das Herz zerreißen, sie streckte ihre Arme nach ihm aus, als könne sie ihn erfassen und sank dann, ihr Gesicht mit den Händen bedeckend, auf ihrem Lager zurück.

»Ach, Buardo!« seufzte sie, »warum gab ich Deiner Bitte vor unserm Abschied von unserm Vaterlande nicht nach und verließ mit Dir ein Leben, welches uns Beiden nur lebendigen Tod gebracht hat!«

Sie weinte während der ganzen Nacht, der Schlaf wollte sich ihrer nicht erbarmen. Wieder einen andern Herrn, wieder eine andere Stätte, und wohin wollte man sie nun führen? Auch nicht einmal dieselbe Erde sollte sie mit Buardo mehr bewohnen, Meere sollten sie von ihm trennen – ach, könnte sie doch jetzt mit ihm sterben, damit sie zusammen in das Jenseits gingen! Rastlos, ohne Trost, ohne Hoffnung verbrachte sie die Nacht, und der neue Tag fand sie noch in Thränen.

Kapitain Baker rief sie in die Kajüte, um sie mit den Arbeiten bekannt zu machen, die sie von nun an übernehmen sollte. Er war freundlich und mild gegen sie, versprach ihr, daß sie es recht gut bei ihm haben sollte und zeigte ihr an, daß er im Laufe des Tages mit ihr in die Stadt gehen wolle, um für sie Kleidungsstücke und sonstige Bedürfnisse einzukaufen, deren sie auf der Reise benöthigt sein würde; denn dieselbe könnte vielleicht erst nach zwei Jahren beendet werden. Die freundlichen Worte und der gutmüthige Ton, mit dem der Kapitain zu ihr redete, thaten Semona wohl, und sie versprach ihm, Alles nach ihren besten Kräften zu thun, um seine Zufriedenheit zu erwerben.

Sie deckte nun den Tisch, wartete ihrem Herrn beim Frühstück auf, reinigte nachher die Kajüte, säuberte die Mahagoniholzwände von Staub und putzte die Messingbeschläge. Dann nahm sie Baker mit sich in die Stadt, kaufte einen großen Vorrath von Gegenständen für ihren Bedarf ein und machte ihr mehrere kleine Geschenke, unter denen auch eine Bibel und ein Gebetbuch waren.

Semona fand sich schnell in ihre neue Lage und unterzog sich gern den sehr vielen kleinen Beschäftigungen, die ihr während des ganzen Tages oblagen, weil die Arbeit sie davon abhielt, sich ihrem Gram, ihrer Verzweiflung zu überlassen. Von früh am Morgen bis spät Abends herrschte auf dem Schiffe und um dasselbe reges Leben, denn nicht allein die aus einigen vierzig Mann bestehende. Schiffsmannschaft war an der Ausbesserung des Fahrzeugs beschäftigt, es arbeiteten noch einige fünfzig Schiffszimmerleute daran, welche im Dienste des reichen großen Schiffsbauers standen, der die Reparaturen an der Oneida übernommen hatte. Derselbe besaß außer diesem Werfte noch mehrere andere, weiter am Wasser hinunter gelegene; wo noch verschiedene kleinere Fahrzeuge ausgebessert und wo zwei ganz neue Schiffe von ihm erbaut wurden. Er hielt eine Menge weißer und freier schwarzer Arbeiter in seinen Diensten, besaß aber selbst gegen dreißig Sclaven, die er sämmtlich zu Schiffszimmerleuten herangebildet hatte. Mehrere Male des Tages kam er auf die Oneida, um die Arbeit zu überwachen und wurde dann stets vom Kapitain Baker eingeladen, mit ihm in der Kajüte einen frischen Trunk zu nehmen und eine Cigarre zu rauchen.

Der Mond begann sich zu füllen und stand schon während der ganzen Nacht am Himmel, als die Arbeit an dem Schiffe ihrem Ende nahete. Es war an einem sehr hellen Abend, Kapitain Baker hatte sein Abendbrod verzehrt, da trug er Semona auf, in die Stadt zu gehen und bei verschiedenen Kaufleuten Gegenstände abzuholen, die er Nachmittags von ihnen gekauft hatte. Sie eilte auf der Seite der Straße, welche im Schatten der Häuser lag, schnellen Schrittes vorwärts, um baldmöglichst auf das Schiff zurückzukehren, als sie einen Negermann bemerkte, der mit der Zimmermannsart auf der Schulter, wie es schien in Gedanken versunken, an der andern Seite der Straße langsam hinschritt. Der breitrandige lackirte Seemannshut hielt das Mondlicht, in dem der Mann ging, von dessen Gesicht ab, dennoch zuckte es wie ein freudiger Schreck durch Semona's Nerven, als sie den ersten Blick auf den Fremden that. Seine Gestalt war die Buardo's, sein Gang glich dem seinigen in jeder Bewegung, ja, er hatte den Hut ebenso gesetzt, wie es Buardo zu thun pflegte. Semona zitterte am ganzen Körper, sie mußte dem Fremden in das Antlitz schauen! Mit bebenden Schritten glitt sie über die Straße, jetzt war sie dicht hinter dem Manne, es flog ihr siedend heiß durch die Glieder, noch einen Schritt, sie blickte zu dem Fremden auf. »Großer Gott, Buardo, Buardo, mein Buardo!« rief sie und schlang ihre Arme um den Geliebten.

»Semona!« schrie dieser mit unterdrückter halberstickter Stimme, und zog die glückliche, die überselige Geliebte schnell zwischen den Häusern hin und in den Schatten mächtiger Platanen, die sich aus einem Garten erhoben.

Es war ein Wiedersehen, wie wohl das zweier liebenden Seelen nach dem Tode, denn Beide hatten für dieses Leben alle und jede Hoffnung aufgegeben, sich wieder zu begegnen. Thränen und Küsse erstickten lange Zeit die Worte der Glücklichen, und selbst noch, als sie sich sagten, wie das Geschick sie Beide hier nach Norfolk geführt hatte, unterbrachen sie sich oft in ihrer Mittheilung, und gaben sich wieder schweigend der Seligkeit ihres Beisammenseins hin.

»Ich gehe mit Dir in See, Semona, oder ich sterbe; lebend ohne Dich zurückbleiben kann ich nicht,« sagte Buardo in stürmischer Aufregung.

»Und ich gehe nicht ohne Dich auf das Meer hinaus, mein Buardo! Trennen sollen uns die Menschen nun nicht wieder, bleibt doch der Weg aus diesem Leben uns Beiden offen,« sagte Semona, und schmiegte sich mit zärtlicher Innigkeit an die Brust des geliebten Mannes.

Die Zeit mahnte zum Abschied, Buardo begleitete Semona auf ihrem Geschäftsgang, führte sie dann in die Nähe der Oneida zurück, und schied von ihr mit dem Versprechen, ihrer hier am folgenden Abend zu harren.

So lang war der Negerin noch nie in ihrem Leben ein Tag geworden, als der folgende, und kaum hatte der Kapitain sein Abendbrod genossen und Semona hatte die Kajüte wieder aufgeräumt, als sie ihren Herrn um die Erlaubnis; bat, sich eine Stunde nach der Stadt zu begeben, um, wie sie sagte, eine Bekannte zu besuchen. Baker bewilligte es ihr mit Freuden und rief ihr noch lachend nach:

»Davonlaufen wirst Du mir wohl nicht, denn einen bessern Herrn möchtest Du schwerlich finden!«

Semona winkte ihm freudig ihren Dank zu und sprang bald darauf durch das helle Mondlicht über das Werft ihrem Glück entgegen. Derselbe Schiffbauer, welcher die Oneida ausbesserte, hatte Buardo von dem Virginischen Sclavenhändler auf dessen Durchreise nach Richmond gekauft, und ihn bei einem der beiden, im Bau begriffenen Fahrzeuge an einem andern Werfte an die Arbeit gestellt, um ihn zum Zimmermann auszubilden.

Ueber eine Woche verstrich noch, ehe die Oneida segelfertig war, und jeder Abend brachte den wiedervereinigten Afrikanern einen Himmel voll Wonne.

Buardo war entschlossen, die Reise mit Semona zusammen anzutreten, er hatte zu diesem Zweck alle nöthigen Vorrichtungen getroffen, und mit der Geliebten alle Verabredungen beendet. Der letzte Abend vor der Abreise kam, noch einmal eilte Semona zu dem harrenden Buardo, noch einmal wurde Alles abgeredet, und dann schieden sie, um sich auf immer wiederzufinden, und zusammen zu leben, oder zusammen zu sterben.

Es war heute noch sehr früh, als Semona auf ihr Schiff zurückkehrte, und Buardo, anstatt nach Hause zu gehen, sich an ein entfernt liegendes Werft begab, dort ein kleines Segelboot bestieg, das Leinen an dem schwanken Mast entfaltete, und vor dem steifen Südwind, der sich erhoben hatte, der Mündung des Jamesflusses in die Bay zusteuerte. Es war eine prächtige Nacht, das Mondlicht tanzte und blitzte auf den hier schon salzigen Wogen, und der Nachen strich mit nickendem Segel rauschend durch den, im Silberlicht glänzenden Schaum, der unter seiner Spitze emporbrauste. Buardo hielt immer die östliche Küste im Auge, die ihm Anfangs durch waldige Höhen bezeichnet wurde, die sich aber bald abdachte und sich nur noch durch einzelne Bäume und Büsche verrieth.

Der Morgen graute, das Licht des Mondes verblich und der neue Tag zog in rosiger Pracht am Himmel auf. Buardo hatte den Ausfluß in die offene Bay erreicht, und steuerte der flachen, kaum sichtbaren Landspitze zu, um welche der Weg zur Oneida nach dem Ausgang in den Ocean lag. In dem vom Seewasser durchspülten Gras hielt er den Nachen an, und nahm ein Fernglas aus seiner Tasche hervor, um die unabsehbare Wasserfläche des Jamesflusses zu überwachen. Das Fernglas hatte er seinem Herrn mit Widerstreben genommen, er bedurfte dasselbe zu seiner Rettung, und die Weißen hatten ihm ja so viel im Leben genommen! Dann öffnete er den Beutel mit Lebensmitteln und stärkte sich zu der Anstrengung, die ihm bevorstand.

Noch hatte die Sonne ihren Lichtgruß nicht über die Erde gesandt, als Buardo weit hinter sich über der Wasserfläche ein Segel aufsteigen sah, welches sich rasch vergrößerte. Er hatte das Glas vor dem Auge, er erkannte deutlich die Segel der Oneida, entfaltete abermals das Leinen seines Schiffchens, und steuerte nun in die offene Bay hinaus dem Ausgang nach dem Ocean zu. Verschwunden war bald jede Spur von einer Küste, doch die hohen Segel der Oneida hielt Buardo im Auge, legte nun den Mast seines Bootes nieder, und ergriff die Ruder, um sich möglichst genau in den Weg des heraneilenden Schiffes zu bringen, und doch dessen Mannschaft sein Boot nicht durch das Segel zu verrathen. Noch lagen einige Meilen zwischen ihm und dem Wallfischfahrer, der nun in gerader Richtung auf ihn zugesteuert kam, als Buardo seine Jacke und seine Schuhe von sich warf, sich in dem Nachen niederbeugte und einen hölzernen Pflock aus dessen Boden herauszog, so daß das Wasser durch die Oeffnung in das Schiff sprudelte und dasselbe in wenigen Minuten füllte. Es versank unter Buardo's Füßen und nun lag er schwimmend auf den grünen gewaltigen Wogen. Jetzt sollte sein Schicksal entschieden werden; machte die Oneida eine leise Wendung zur Seite, so war er rettungslos verloren; denn die Strömung trieb dem Ocean zu, und menschliche Kräfte reichten nicht hin, dieselbe zu bekämpfen. Er griff weit aus, und sah von der Spitze jeder Woge das Ziel seiner Anstrengung, welches sein Lebensglück ihm entgegentrug, näher zu sich herankommen. Noch war die Oneida wohl eine halbe Meile von ihm entfernt, als er zu seinem Schrecken gewahrte, daß sie doch wahrscheinlich zu weit an seiner linken Seite vorüberziehen werde, als daß die nach ihm ausspähende Semona ihn würde erkennen können. Er nahm jetzt alle Kraft zusammen, um die Wogen schneller zu übersteigen, doch mit jeder Minute erkannte er mehr die Wahrscheinlichkeit, daß man ihn nicht gewahren würde. Schon war das Schiff seitwärts mit ihm in gleicher Richtung, als er den Hut vom Kopfe nahm und ihn so hoch über sich schwang, als er sich mit dem Arm über dem Wasser erheben konnte. Jetzt ward er gesehen; das Fahrzeug wandte sich nach ihm zu, und bald konnte er die Männer über der Brüstung gewahren, die sich vorbereiteten, ihm Taue zuzuwerfen. Rauschend kam die Oneida jetzt auf ihn zugeschossen, die letzte Woge trug ihn nach ihr hin, und Buardo war an ihrer Seite. Vier Taue flogen zugleich auf ihn herab, von denen er eines im Augenblick unter seinen Armen hindurch um seine Brust schlang. Die Matrosen zogen ihn an die Seite des Schiffes und hoben ihn rasch zu sich auf das Verdeck.

»Du kannst von Glück sagen, Bursche, und mußt es meiner Kajütwärterin danken, daß Du gerettet bist, denn sie allein hat Dich gesehen; ohne sie wärest Du verloren gewesen,« sagte der Kapitain, zu Buardo tretend, der entkräftet auf dem Verdeck zusammengesunken war.

»Wie kamest Du hierher, bist Du über Bord gefallen?« fuhr Baker nach einer Weile fort.

»Ich befand mich an Bord eines Schooners, der von Newyork nach Baltimore bestimmt war, und auf den ich mich vermiethet hatte. Ein großes Schiff segelte uns in der Nacht in den Grund und ich glaube, ich bin der Einzige von der Mannschaft, dem das Leben erhalten ist,« antwortete Buardo.

»So bist Du ein freier Neger? Du kommst mir wie gerufen, wenn Du bei mir bleiben und Dich bei mir vermiethen willst; die Zahl meiner Mannschaft ist knapp. Wie heißest Du?«

»Charles ist mein Name und ich nehme gern Dein Anerbieten an, Herr,« entgegnete Buardo und sah sich vergebens allenthalben nach Semona um, die sich sofort entfernt hatte, nachdem sie den Geliebten in Sicherheit wußte.

»Zeigt Charles eine Schlafstatte, gebt ihm trockene Kleider und tüchtig zu essen, damit er sich erholt,« sagte Baker freundlich zu den Matrosen und setzte, sich nach der Kajüte wendend, noch hinzu: »Eine Jacke will ich gleich für ihn herausschicken.«

Darauf schritt er in die Kajüte, wo er Semona traf und zu ihr sagte:

»Du sollst dem aufgefischten Manne eine Jacke bringen und kannst Dir den Dank für seine Rettung von ihm holen; denn Du allein hast ihm das Leben erhalten,« sagte der Kapitain, während er einen Schrank öffnete und eine Seemannsjacke daraus hervorzog, die er der Negerin gab.

Semona zitterte und bebte am ganzen Körper, die große Gefahr, in welcher der Geliebte geschwebt, die glückliche Rettung und die Erfüllung der heißen Wünsche, um welche Buardo so viel gewagt, hatte sie so übermannt, daß sie sich mit der Jacke in der Hand kaum über das Verdeck des schnaubenden Schiffes nach dessen Vordertheil begeben konnte, wo die Matrosenkajüte sich befand. Und nun sollte sie dem Geliebten entgegentreten, ohne die Seligkeit zu verrathen, die ihr Herz, ihr ganzes Sein in solche Aufregung versetzt hatte, sie sollte ihm nahe sein, ohne sich an seine Brust zu werfen und ohne ihr Glück laut und jubelnd zu verkünden. Sie schwankte an der Brüstung hin und fühlte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg, wie sie ihr brannten, wie sie ihr glühten; doch dies konnte ja Niemand sehen, und manche weiße Schöne würde in solchem Augenblick die Negerin um ihre Farbe beneidet haben.

Semona trat in die niedrige Kajüte ein, wo Buardo auf einer wollenen Decke lag und wo die Matrosen um ihn herstanden und sich von ihm erzählen ließen, auf welche Weise er in die offene See gerathen war.

»Hier kommt sie, der Du Dein Leben zu danken hast,« rief einer der Matrosen und zeigte auf Semona, »bei Gott, hat das Mädchen ein Paar Augen, wie ein Adler. Verdammt, wenn ich auch nur einen Punkt von Dir hätte sehen können, als sie rief, »ein Mann, ein Mann schwimmt dort in der See,« und Keiner von uns wollte es ihr glauben, bis der Kapitain das Fernglas nahm und ihre Aussage bestätigte. Hatte sie doch eine Angst auf dem Leibe, als ob ihr Geliebter in Lebensgefahr wäre. Kannst Dich schön bei ihr bedanken.«

Die Worte des Matrosen hörte Buardo nicht, er aber hatte Semona mit seinem Blick seinen Dank schon zugerufen, als sie in die Thür trat. Er mußte sich Gewalt anthun, um nicht aufzuspringen und sie an sein Herz zu schließen, er mußte mit Gewalt die heißen glühenden Worte auf seinen Lippen zurückhalten, die dort zitterten, er streckte nur die Hand nach ihr aus und Semona legte die ihrige bebend hinein, das war Alles, wodurch sie sich begrüßten, sich dankten, sich Glück wünschten.

Die Thränen aber in Semona's Auge verriethen sie doch, und schnell ließ sie die Jacke fallen und eilte aus der Kajüte.

»Du bist ein glücklicher Kerl, Charles,« sagte einer der Matrosen, »verdammt, wenn ich nicht um die Thränen dieses schönen Weibes mich auch eine Nacht in See herumtreiben ließe. Und sie ist außerdem ein prächtiges, gutes Mädchen, die Alle an Bord bis zu dem Kapitain hinauf gern haben. Eine Schande ist's, daß sie Sclavin ist.«

»Das macht bei unserm Kapitain keinen Unterschied in seiner Handlungsweise gegen sie.«

»Das thut es freilich nicht, so lange sie in seinem Besitz bleibt,« sagte ein Dritter, »der Kapitain kann sie ja aber auf seiner Rückreise nicht mit sich nach Newyork nehmen; dort wäre sie ja frei und der Kapitain hätte sein, für sie bezahltes Geld verloren.«

»Er wird sie wohl irgendwo im Süden absetzen,« fiel ein anderer Matrose ein und reichte Buardo die Jacke, damit er sich darin erwärme.

»Nun aber einen tüchtigen Schluck Rum, Charles, ich habe noch etwas Gutes von Newyork,« nahm ein anderer Matrose das Wort.

»Ich danke herzlich dafür; ich trinke niemals Branntwein,« entgegnete Buardo, indem er die Flasche zurückwies.

»Keinen Branntwein, und willst Seemann werden? Nein, höre, dann wird nie etwas Rechtes aus Dir; die Flasche ist unser Gebetbuch und unser Paß zum Himmel!« entgegnete der Matrose lachend und schob das Glas wieder unter das Kopfkissen in seinem Bett,

Buardo hatte sich sehr bald erholt und meldete sich bei dem Kapitain zur Arbeit mit der Bitte, Nachsicht mit ihm zu haben, da er sich noch nicht lange dem Seeleben gewidmet habe. Er versprach ihm aber, sein Bestes zu thun, und keine Anstrengung zu scheuen.

»Hat Nichts zu sagen, ich denke, Du sollst ein tüchtiger Seemann werden, die Kräfte dazu scheinst Du zu haben,« erwiederte Baker und sah mit Wohlgefallen, auf die herkulische Gestalt des Negers.

Buardo erfüllte sein Versprechen und übertraf bald die Erwartungen des Kapitains, denn er arbeitete für mehr als einen Mann, und er that es mit Freude und Willigkeit.

Seine Neigung für Semona und deren Erwiederung seiner Gefühle wurden bald auf dem Schiffe bekannt, und Jedermann an Bord fand es sehr natürlich, daß sie sich zu einander hingezogen fühlten, da sie, außer dem alten Koch, die einzigen Neger auf dem Schiffe waren, und da Buardo der Negerin sein Leben zu danken hatte. Bei jeder Gelegenheit, wo sie während der Arbeit sich einander nahen konnten, wechselten sie Worte der Liebe und des Glücks, und Abends in den Feierstunden, dann hörte die Welt auf, für sie zu sein, dann umgab sie ein Himmel voll endloser Seligkeit. Dabei zog die Oneida von Wind und Wellen begünstigt und stolz sich blähend an der Küste von Nordamerika hin, ließ die westindischen Inseln hinter sich zurück, und glitt vor dem heißen Brasilien hinab Cape Horn zu, wo sie auf den riesigen Wogen, die dort wie Gebirge die letzte Spitze von Südamerika umtoben, in das stille Weltmeer segelte.


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