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X.

Schon seit einigen Wochen hatte dort der Bruder des Sclavenhändlers Tag für Tag alle Schiffe durch das Fernglas beobachtet, die in dem schmalen Fahrwasser zwischen dieser Küste und dem Felsenlabyrinth auf und niederzogen, welches sich von den Bahamainseln bis nach Cuba in unzähligen einzelnen schwarzen Klippen über dem schäumenden Meer erhebt, und dessen Brandung Jahr aus, Jahr ein donnernd von sich zurückwirft. Er hatte vor mehreren Monaten an dieser einsamen, im hochbewaldeten Lande versteckten Bucht sich ein Blockhaus gebaut und mit einer Negerin darin seinen Wohnsitz aufgeschlagen, um die Ladung Sclaven, die sein Bruder von Afrika her über den Ocean führen würde, hier in die Vereinigten Staaten einzuschmuggeln und sie dann zu Land nach Virginien zu traben, wo er ansässig und als bedeutendster Sclavenhändler bekannt war. Sein älterer Bruder dagegen wohnte in New-york, machte von dort aus die Reisen nach Afrika und war an dem dortigen großen Hause betheiligt, welches das Sclavenschiff ausgerüstet hatte. Der jüngere Burnock erkannte das Fahrzeug bald nach dessen Erscheinen, und verabredetermaßen zog er die weiße Fahne auf, da diese Küste augenblicklich nicht von dem Beamten der Regierung überwacht wurde. Bald glitt das Schiff unter dem letzten großen Segel in die stille dunkle Bucht herein und ließ nun auch dies, so wie einen leichten Anker fallen. Eine lange Bohle wurde von dem Verdeck aus auf das hoch mit Rohr bedeckte Ufer geschoben und der Sclavenhändler sprang an das Land, wo sein Bruder mit den Händen in den Rocktaschen stand und ihn erwartete.

»Nun, das Geschäft gut gewesen?« fragte dieser, ohne seine Stellung zu ändern.

»Nicht so ganz, wir haben über die Hälfte der Neger den Hayfischen abgeben müssen,« antwortete der Sclavenhändler und setzte, seinem Bruder die Hand hinhaltend, hinzu: »Wie geht es Dir?«

»Verdammt, so muß es auch kommen, wenn es Brei regnet, haben wir keinen Löffel; die Niggers sind ungeheuer im Preise,« entgegnete der Bruder, zog mechanisch die Hand aus der Tasche und reichte sie dem Sclavenhändler hin.

»Anyhow, let us save the pieces!« (So laß uns wenigstens die Scherben in Sicherheit bringen!) fuhr er dann fort und rief darauf dem Kapitain zu, an das Land zu kommen und bei ihm in dem Blockhause einen Schluck alten Irischen Whisky zu sich zu nehmen.

Dort beredeten die Brüder nun das Geschäft, welches sie für gemeinschaftliche Rechnung betrieben, während welcher Zeit mancher dröhnende Fußtritt auf den Boden in dem Blockhause gethan und mancher Fluch ausgestoßen wurde.

»Ich habe auch dem alten Morin versprochen, ihm einen guten Negermann und ein Negerweib zu überlassen,« sagte der Bruder des Slavenhändlers im Laufe des Gesprächs. »Ich mußte es ihm schon zu Gefallen thun, denn er ist der Einzige in dieser Gegend, der von unserm Geschäft und namentlich von unserm Versteck hier Etwas weiß. Er meint, er bekäme auf diese Weise ein Paar recht treue, noch unverdorbene Sclaven; der Esel, als wenn die Niggers aus Afrika nicht zehnmal größere Spitzbuben wären, als die hier gezüchteten. Wir müssen ihm ein Paar aussuchen, so gut wir sie haben, mag er dann sehen, wie er mit ihnen fertig wird. Die Freundschaft des alten Kerls ist uns von Nutzen.«

»Ich habe ein Paar an Bord, so gut, wie vielleicht noch nie Neger nach Amerika eingeführt wurden. Ein prächtiger werthvoller junger Mann und dessen Geliebte, ein Negermädchen, so schön, wie ich nie eine Schwarze gesehen habe. Wenn der alte Morin sie aber haben will, so muß er sie auch gut bezahlen; unter viertausend Dollar dürfen wir sie ihm nicht verkaufen; das Mädchen allein würde wegen ihrer Schönheit auf dem Markt in Neworleans diesen Preis bringen,« entgegnete der Sclavenhändler und setzte dann noch lachend hinzu:

»Denke Dir, der Kerl ist der Sohn eines Negerkönigs.«

»Bei Gott, der Prinz allein ist hundert Dollar werth!« versetzte der Bruder und begab sich nun mit dem Sclavenhändler und dem Kapitain an Bord, um die Waare selbst in Augenschein zu nehmen.

»Dieser hier ist unser Negerprinz,« sagte der Händler zu seinem Bruder, als sie auf das Verdeck traten und klopfte Buardo auf die breite kräftige Schulter.

»Verdammt, ein schöner Kerl! Mache Deinen Arm einmal krumm, damit ich dessen Muskeln sehe,« sagte der Bruder erstaunt, und was für Lenden der Bursch hat! Den geben wir sicher nicht unter zweitausend Dollar weg, Wo ist denn das Weib, von der Du sagtest?«

Mit dieser, an den Händler gerichteten Frage blickte sich dessen Bruder vergebens auf dem Verdeck um, Jener aber trat zu der Luke hin und rief Semona bei Namen.

»Verdammt sollen meine Augen sein, wenn das nicht ein schönes Thier ist!« sagte der Bruder überrascht, als Semona auf dem Verdeck erschien. »Wie alt bist Du, Mädchen?« fragte er sie und legte seine Hand schmeichelnd unter ihr Kinn. Semona aber trat erschrocken zurück und warf einen ängstlichen Blick auf Buardo.

»Du bist wohl bange, daß Dein Liebhaber es sieht, wenn Dir ein Anderer unter das Kinn faßt?« rief der Bruder lachend aus, »daran müßt Ihr Euch gewöhnen, hier zu Lande ist die Liebe einer schwarzen Schönen Gemeingut.«

Mit dieser Erklärung klopfte er auf den weichen Nacken Semona's, die ihm abermals auswich und Buardo schoß, die Faust ballend, einen wüthenden Blick nach dem frechen Manne hin, dem er mit der Hälfte seines Werthes als Eigenthum angehörte.

Nun wurden die Neger aus dem untern Raum auf das Verdeck geführt und der Bruder des Händlers musterte und untersuchte sie, indem er sie befühlte, sie rufen, gehen und springen ließ, und zwischendurch mit den Mädchen seine unverschämte Kurzweil trieb. Die Sclaven ließen sich Alles gefallen, sie standen mit beklommenem Herzen da, ohne Willen, ohne eine Vorstellung von ihrer Zukunft, mit blinder, dumpfer Ergebung in ihr Schicksal, folgten jedem Wink der wenigen weißen Männer, die sich gebietend und übermüthig zwischen ihnen umherbewegten, und es fiel ihnen nicht ein, daß es ihrer gegen dreihundert waren. Die Sonne sank, hier und dort blitzten ihre letzten Strahlen durch den hohen dichten Wald und das Düster des Abends legte sich über die schmale laubüberdachte Bucht. Die Sclaven mußten sich abermals mit ihren Ketten in die Finsternis; unter das Verdeck begeben und wurden dort wieder an die Wände angeschlossen. Nur Buardo und Semona blieben zwischen den Wasserfässern auf dem Schiffe sitzen und dankten es der einbrechenden Nacht, daß sie den Blicken des fremden, unverschämten, verhaßten Mannes entzogen wurden.

»Sieh, Semona, es erwartet uns hier eine gräßliche Zukunft,« sagte Buardo zu der Geliebten mit dumpfer, tief bewegter Stimme. »Hast Du gehört, was der Schurke zu Dir sagte? Die Liebe einer Schwarzen sei Gemeingut in diesem Lande! Es wird nicht gut gehen, Semona, denn berührt Dich noch einmal ein Mann in dieser Weise, so ist er ein Kind des Todes, so wahr, wie die Sterne über uns stehen.«

»Sei ruhig, Buardo, ich werde mich selbst zu beschützen wissen, Deine Semona bleibt die Deine allein bis zu ihrem letzten Athemzug. Hoffe auf unsern Burnock, er meint es gut mit uns und hat uns ja versprochen, daß wir nicht getrennt werden sollen. Thue darum keinen übereilten Schritt um unserer Liebe willen, laß Dich nicht von Deinem gerechten Unwillen hinreißen, es könnte unsere Trennung veranlassen. Komm, sei mein guter, mein lieber Buardo und halte an dem Glück unserer Liebe fest.«

Sie hatten lange gesessen und ihre verschleierte Zukunft hin und her beredet, als der Sclavenhändler an ihnen vorüberging, um sich in der Cajüte zur Ruhe zu begeben, nachdem sein Bruder zu gleichem Zweck nach seinem Blockhaus gegangen war. Er bemerkte die beiden Liebenden durch die Dunkelheit und sagte zu ihnen:

»Seid Ihr noch hier oben? Dann will ich Euch eine gute Nachricht mittheilen: wir werden Euch wahrscheinlich an einen sehr biedern Herrn zusammen verkaufen, der hier in der Nähe eine Plantage besitzt und bei meinem Bruder ein Paar auserlesene Sclaven bestellt hat. Ich will Euch ihm empfehlen, und gelingt es mir, den Handel mit ihm abzuschließen, so seid Ihr für Lebenszeit gut und zu Eurer Zufriedenheit versorgt. Einen bessern Herrn könnt Ihr Euch nicht wünschen. Nun gute Nacht zum ersten Male in Eurem neuen Vaterlande!«

Burnock wollte sich bei diesen Worten entfernen, doch Semona hatte seine Hand ergriffen und warf sich mit Worten heißen Dankes vor ihm nieder und Buardo fiel an ihre Seite auf seine Knie und rief den Segen des Himmels auf ihn herab.

»Schon gut, schon gut, Ihr habt mir treulich geholfen und beigestanden und ich werde dafür mich Eurer annehmen, so viel ich kann. Ihr wißt, mein Bruder hat halben Antheil an Euch. Seid aber unbekümmert, Ihr sollt nicht getrennt werden,« sagte der Sclavenhändler mit aufrichtiger Freundlichkeit und eilte in die Kajüte.

Kaum graute am folgenden Morgen der Tag, als der Händler mit dem Bruder wieder auf dem Verdeck erschien und die Sclaven nun sämmtlich auf das Land geführt wurden. Dann brachte die Schiffsmannschaft Vorräthe von Lebensmitteln, wie Kartoffeln, Brod und gesalzenes Fleisch auf das Ufer, die Neger wurden damit beladen, der Sclavenhändler, so wie dessen Bruder nahmen Abschied von dem Kapitain auf Wiedersehen zur verabredeten Zeit in New-york, und dann setzte sich der Zug der lebendigen Ladung des Schiffes in Marsch.

Ein kaum sichtbarer schmaler Pfad führte durch den Urwald landeinwärts, und zwar größtentheils über morastigen Boden, wo die Neger oft bis an den Leib versanken. Der Sclavenhändler ging voran, wie eine Leitkuh, an welche die Heerde gewöhnt ist, und sein Bruder folgte, mit einer schweren Doppelflinte bewaffnet, dem letzten der Sclaven, die heute in Abtheilungen von fünfzig Stück aneinander gekettet waren. Sie wanderten während des ganzen Morgens ununterbrochen vorwärts, ohne mehr von dem blauen Himmel über sich zu sehen, als hier und dort, wo einer der Riesenbäume durch die Zeit oder durch einen Sturm umgestürzt war und hunderten seiner Nachkommen die Oeffnung in dem Laubdach überließ, um in ihr nach dem Lichte emporzustreben. Gegen Mittag wurde an einem Bach eine kurze Rast gemacht, einiges Brod unter die Neger vertheilt und dann ging es wieder vorwärts durch den Wald, bis die Sonne sich senkte und der Weg plötzlich in eine offene freie Ebene auslief. Der Pfad führte nun durch hohe verdorrte Pflanzen und Gräser, aus denen nur hier und dort ein einzelner Baum hervorsah und welche so verworren herüber und hinüber hingen, daß man sich hindurchdrängen mußte.

Der ganzen Gegend, von der Meeresküste bis hierher, sah man es an, daß sie nicht oft von Menschen besucht wurde, denn nirgends erkannte man die Spuren der Art, und das Einzige, was an Kultur erinnerte, war der Fußpfad, der aber ebenso gut durch die Thiere des Waldes geschaffen sein konnte, als durch Menschen. Plötzlich jedoch standen die Wanderer vor einer hohen Einzäunung, an deren anderer Seite sich ein unabsehbares Reisfeld ausdehnte und an welcher hin sich der schmale Weg seitwärts wandte. Der Händler folgte ihm mit seiner lebenden Waare wohl eine Viertelstunde lang, bis er an dem Ende des Feldes eine hohe dichte Baumgruppe erreichte, unter welcher der Wohnsitz des Pflanzers Morin versteckt lag. Ein großes zweistöckiges hölzernes Haus mit einer zierlichen Veranda vor beiden Stockwerken und mehrere kleinere Nebengebäude sahen freundlich, nett und sauber unter dem prächtigen Laubdach der colossalen Bäume hervor und rund umher zog sich ein großer reinlicher Sandplatz, der mit einer niedlichen Stacketeneinzäunung umgeben war.

Der Slavenhändler ließ die Neger in einiger Entfernung von dem Spalier unter der Aufsicht seines Bruders zurückbleiben und schritt allein durch die kleine Pforte des Gatters, während an der andern Seite des Platzes vor dem großen Einfahrtsthor der alte Herr Morin und seine Gattin bei einem leichten Cabriolet standen und von einem Herrn und einer Dame herzlichen Abschied nahmen, die sich im Begriff befanden, abzufahren. Die junge Frau in dem Wagen war das einzige Kind des Ehepaars Morin und der Mann an ihrer Seite war ihr Gatte, der Pfarrer Colt, der mehrere Meilen von hier weiter im Lande wohnte.

Burnock schritt langsam über den Platz, auf welchem einige dreißig große und kleine nackte Negerkinder umherspielten oder im Sande lagen, und erreichte das Einfahrtsthor gerade in dem Augenblick, als das Cabriolet davon rollte. Colt und dessen Frau tauschten noch durch Winken mit der Hand viele Grüße mit dem Elternpaar aus, als Morin, sich umwendend, den Sclavenhändler erblickte.

»Herr Burnock – ist es denn wirklich wahr, hat Sie der Himmel beschützt und Sie lebendig wieder hergeführt von ihrer gefährlichen Fahrt! Nun, so sein Sie mir auch recht herzlich gegrüßt und willkommen!« sagte der Pflanzer, ein wohlgenährter alter Herr mit frischer Gesichtsfarbe und spärlichem mit Weiß gemischten blonden Haar, indem er dem Händler die Hand reichte und sie ihm freudig schüttelte. »Ich habe öfters Ihren Bruder hier gesehen, wenn er sich Lebensmittel von mir holte, doch glaube ich kaum, daß er Sie jetzt schon zurückerwartet hat,« fuhr der Pflanzer fort und bat dann feinen Gast, mit ihm nach dem Hause zu gehen und auf die glücklich überstandene Reise ein Glas mit ihm zu leeren.

Burnock folgte der Einladung, und sie traten in das geräumige Parlour und dort zu dem altmodischen Credenztische, wo viele Caraffinen mit Weinen und Branntweinen standen und wo sie nun auf gegenseitiges Wohl tranken. Dann begaben sie sich vor das Haus unter die Bäume zu Madame Morin, die sich dort bereits niedergelassen hatte und zu welcher von allen Seiten her die Negerkinder liefen und auf dem Sande herankrochen, um der geliebten Herrin nahe zu sein.

»Komm, Cicero, kriegst auch ein Stück Kuchen!« rief die alte freundliche Frau einem Negerbübchen zu, das sich alle erdenkliche Mühe gab, seinen kleinen schwarzen Körper mit Händen und Füßen über den Sand zu schieben und seiner Herrin näher zu kommen, die des Tages über Mutterstelle an ihm vertrat, während seine wirkliche Mutter im Felde arbeitete. Die Kinder waren sämmtlich wohlgenährt, gesund und fröhlich und ihre lachenden schwarzen Gesichter, so wie ihre Jubelrufe und Sprünge zeigten, daß sie keine Art von Furcht vor ihrer Herrschaft hatten, sondern derselben mit Vertrauen und kindlicher Anhänglichkeit zugethan waren.

Madame Morin hieß nun den Sclavenhändler gleichfalls willkommen und wünschte ihm Glück zur Beendigung seiner gefahrvollen Reise; er mußte neben ihr Platz nehmen und sie sprach den Wunsch aus, daß er sich einige Tage bei ihnen aufhalten und sich von seinen Anstrengungen erholen möge.

»Das liegt leider nicht in meiner Macht, Madame Morin,« antwortete Burnock, »ich bin bereits auf der Reise nach Virginien und habe sämmtliche mitgebrachte Sclaven bei mir; dort bei dem Felde warten sie auf mich. Ich will aber dennoch Ihre Güte in Anspruch nehmen und Sie um einen Vorrath von süßen Kartoffeln bitten, wenn Sie solche ablassen können, so wie um etwas Milch, die ich einigen kranken Negern reichen möchte.«

»Recht gern, recht gern, lieber Herr Burnock, Sie sollen haben, was wir Ihnen geben können,« antwortete der Pflanzer mit großer Bereitwilligkeit. »Also die Afrikaner sind bei Ihnen! Ei, da bin ich doch neugierig, sie zu sehen. Hat Ihnen denn Ihr Bruder gesagt, daß ich mir ein Paar bei ihm bestellt habe? Ich möchte gern einige noch ganz unverdorbene Neger haben, die man sich so recht nach der Hand gewöhnen kann; ein Paar von der echten reinen schwarzen Race.«

»Mein Bruder sagte mir davon, und es gereicht mir zur besonderen Freude, Ihnen ein solches Paar an- bieten zu können, mit dem ich Ehre bei Ihnen einzulegen hoffe. Ich habe einen ungewöhnlich kräftigen schönen jungen Mann von sehr angenehmem freundlichen und bescheidenen Benehmen, dessen Werth noch sehr dadurch erhöht wird, daß er vollkommen gut Englisch spricht. Er ist in der Mission von Cape Coast erzogen worden, ist Christ und ist der Sohn eines Königs.«

»Der Sohn eines Königs?« rief der Pflanzer aus, »dann ist er ja ein Prinz. Soll mich doch wundern, wie der aussieht!«

»Er wird wohl nicht anders aussehen, als die übrigen Neger auch!« fiel Madame Morin lachend ein. »Spaßhaft wäre es aber wirklich, wenn wir noch in unseren alten Tagen von einem Prinzen bedient werden sollten.«

»Es ist doch ein großer Unterschied zwischen ihm und seinen Gefährten, und er zeichnet sich vor ihnen aus, wie das Arabische Pferd vor dem gemeinen Ackergaul. Er wird Ihnen gefallen,« versetzte Burnock.

»Und haben Sie denn auch eine Prinzessin dazu?« fragte der Pflanzer scherzend.

»Wenn sie auch nicht von einem Negerkönig abstammt, so ist sie doch von sehr edlem Blut und schön und gut, wie ich noch keine Negerin gesehen habe. Sie ist die Geliebte des Prinzen und hat durch ihn auch Englisch reden gelernt,« erwiederte der Händler.

»Wir müssen sie gleich einmal sehen, Mutter,« sagte der Pflanzer zu seiner Frau und stand von seinem Stuhle auf.

»Sie sollen sich die Mühe nicht machen; ich werde sie hierher holen,« fiel der Händler ein und eilte durch die Pforte des Gatters davon.

Nach kurzer Zeit kehrte er zurück, und neben ihm gingen Semona und Buardo, immer noch durch eine Kette aneinander befestigt. Mit bangen blutenden Herzen schritten sie in die Einzäunung und sahen mit ängstlichem Blick nach dem weißen Manne hin, dem sie verkauft werden sollten.

»Seid guten Muths, einen bessern Herrn könnt Ihr Euch nicht wünschen,« sagte der Händler zu ihnen, als der Pflanzer ihnen entgegenkam und mit Wohlgefallen seinen Blick auf das Negerpaar heftete.

»Das ist also der Prinz?« redete er Buardo an, »wirst Du Dich denn aber auch willig dazu verstehen, mir zu dienen und für mich zu arbeiten?«

»Ich will thun, was in meinen Kräften steht, um mir Deine volle Zufriedenheit zu erwerben,« antwortete Buardo und blickte dem freundlichen alten Manne mit einer Art von Beruhigung in die Augen.

»Wenn das Dein Wille ist, dann ist mir für die That nicht bange, denn die Fähigkeiten dazu besitzest Du,« entgegnete Morin und wandte sich dann noch freundlicher zu Semona mit den Worten:

»Du bist ja in der That ein sehr schönes Mädchen; würdest Du denn wohl gern meiner Frau zur Hand gehen und sie bei der Arbeit im Hause unterstützen? Dann könntest Du doch mit Deinem Prinzen hübsch zusammenbleiben, und das werdet Ihr wohl Beide wünschen.«

»Ja, Herr, das «ist der einzige Wunsch, den wir haben, und für dies Glück würde ich mit Freuden alle Arbeit verrichten, der meine Kräfte gewachsen wären,« antwortete Semona und warf einen glückstrahlenden Blick auf Buardo.

Madame Morin war jetzt herzugetreten und musterte gleichfalls die beiden zum Verkauf aufgestellten Menschen. Auch sie schien an deren Aeußerem Gefallen zu finden, nahm die Hand der Negerin und fragte sie mit freundlichem Lächeln:

»Du hübsches Mädchen, wie heißest Du denn?«

»Semona,« antwortete diese und küßte der alten Frau die Hand.

»Da bliebe also nur noch der Handel abzuschließen,« nahm Morin wieder das Wort, indem er sich zu Burnock wandte, »was fordern Sie denn für dies Paar?«

»Ich will Ihnen offen und ehrlich den Preis sagen, den mein Bruder und ich für diese beiden Sclaven bestimmt haben und von welchem wir nicht einen Dollar ablassen werden. Er ist nicht zu hoch, denn, senden wir das Mädchen nach Neworleans auf den Markt, so bekommen wir, ihrer Schönheit wegen, so viel sicher für sie allein. Ich habe den Beiden aber versprochen, sie nur zusammen und nur an einen guten Herrn zu verkaufen, und werde mein Wort halten. Wir fordern Viertausend Dollar.«

»Viertausend Dollar?« wiederholte der Pflanzer überrascht, »dafür kann man ja sechs hiesige Neger kaufen.«

»Auch wohl acht Stück; aber keinen Buardo und keine Semona,« entgegnete der Händler mit gewichtiger Stimme.

»Der Unterschied ist aber zu bedeutend, wenn Sie noch dreitausend Dollar gesagt hätten,« fiel der Pflanzer ein und blickte seitwärts auf seine Frau, die auf seinen Blick gewartet hatte, und ihm verstohlen zunickte.

»Wie ich Ihnen gesagt habe, Herr Morin, wir werden nicht einen Dollar davon ablassen; die Waare ist es werth, und einem jeden Andern würde ich einen höhern Preis dafür stellen,« sagte Burnock mit großer Bestimmtheit, während Madame Morin ihrem Gatten wieder zunickte.

»Das heißt mit andern Worten, einem die Pistole auf die Brust setzen;« entgegnete der Pflanzer lachend, »da bleibt freilich Nichts übrig, als Ihnen den Willen zu thun. Es ist aber ein zu hoher Preis. Nehmen Sie den Armen die Kette ab, hoffentlich werden sie nie wieder eine zu tragen haben.«

Semona zitterte und bebte, sie hielt ihre Hände gefaltet gegen ihr Herz gedrückt, heiße Thränen des Dankes und der Freude entquollen ihren Augen, und kaum fiel das eiserne Halsband von ihrem schönen zarten Nacken, als sie sich, von der Gewalt ihres Gefühls hingerissen, vor den beiden alten Leuten niederwarf, deren Hände zu ihren Lippen zog und innigen, heißen Dank hervorstammelte. Auch Buardo war tief ergriffen, auch er sank auf seine Kniee nieder und gelobte Morin und dessen Gattin unbedingte Treue und Gehorsam.

»Steht auf, ich sehe schon, daß ich mich nicht verkauft habe; Ihr seid noch von der guten alten Race und, sollt Euch glücklich bei mir fühlen!« sagte Morin und suchte seine Bewegung vor dem Händler zu verheimlichen, indem er mit lauter Stimme nach einem der Nebenhäuser hinrief:

»Heda, Plato, komm hierher und zeige diesen Beiden einen Aufenthalt für heute Nacht, Morgen werde ich dann selbst Nöthiges anordnen.«

Der herbeigerufene Neger nahm nun seine neuen Gefährten unter seine Führung, und als er sie aufforderte, ihm zu folgen, sagte der Pflanzer noch:

»Sorge gut für sie; ihre Namen sind Buardo und Semona.«

Semona aber konnte dem Führer noch nicht folgen, noch einmal ergriff sie schweigend die Hand ihrer neuen Herrin, preßte ihre Lippen darauf und drückte sie dann mit einem Blick zum Himmel gegen ihr Herz. Nun erst gab sie Buardo ihre Hand und folgte mit ihm dem Neger.

»Die Sonne ist aber bereits versunken und es wird Zeit, daß ich meinen Sclaven einen Lagerplatz für diese Nacht auswähle,« nahm Burnock jetzt das Wort.

»Führen Sie dieselben nur um die Einzäunung, dort hinter den Negerhäusern liegt ein tiefer Grund, in dem Sie hohes, schönes Gras, hinreichend Feuerholz und prächtiges Quellwasser finden. Morgen früh mache ich Ihnen einen Besuch in Ihrem Lager, um die afrikanischen Vögel alle zusammen zu sehen. Ich darf Sie wohl nicht bitten, mit Ihrem Bruder bei mir zu Nacht zu essen; Sie werden sich nicht gern von Ihrer Waare entfernen,« sagte Morin zu dem Händler, indem er ihm die Hand reichte und ihm noch versprach, die gewünschten Lebensmittel sogleich zu senden, so wie ihm und seinem Bruder ein einfaches Abendbrod nach dem Lagerplatz zu schicken. Unter vielen Versicherungen des Dankes schied Burnock von den freundlichen alten Leuten, und diese begaben sich in das Haus, um dort abzuwarten, daß man das Abendessen für sie auftrage.

»Höre, Sarah,« sagte der Pflanzer zu seiner Frau, als sie gegeneinander über nahe an der offenen Thür in großen Schaukelstühlen Platz genommen hatten, »ich glaube, wir haben da ein paar Sclaven erhalten, wie wir sie uns schon seit langer Zeit wünschten. Sie haben Gefühl und Dankbarkeit für das Gute, was man ihnen thut, und wollen sich gern durch die That erkenntlich dafür zeigen. Wie sehr schienen sie Beide ergriffen zu sein, als Burnock ihnen die Kette abnahm!«

»Darüber war ich schon beim ersten Anblick mit mir einig, deshalb nickte ich Dir ja immer zu, nur den Handel abzuschließen. Du wirst sehen, daß wir uns nicht verrechnet haben. Für das Mädchen wenigstens stehe ich ein.«

»Und ich für den Mann; so sind wir Beide zufriedengestellt. Er soll mir hier die rechte Hand werden. In der Nachbarschaft hat er keine Bekanntschaften, steht mit meinen übrigen Sclaven in keiner Beziehung und ist ein baumstarker Kerl, auf den man sich einmal im Nothfall verlassen kann. Die Sclavenbefreier dort Oben im Norden säen immer mehr den Saamen der Unzufriedenheit und des Aufruhrs unter unsre Neger, und wer weiß, wie lange es noch dauern wird, bis er aufgeht! Nach dem Essen wollen wir sie uns doch einmal hierher kommen lassen und ein wenig mit ihnen reden; man lernt so ihre Ansichten und ihre Grundsätze kennen,« sagte der Pflanzer zu seiner Frau und erzählte ihr dann von mehreren, von Afrika eingeführten Negern, die er in frühern Jahren gekannt und deren gute Eigenschaften sie so weit werthvoller, als andere Sclaven gemacht hatten.

Nach beendigter Abendtafel sandte Morin nun nach den Negerhäusern und ließ Buardo und Semona zu sich bescheiden; er, so wie seine Frau, zündeten ihre Pfeifen an und ließen sich dann wieder in den Schaukelstühlen nieder, um sich mit den beiden Afrikanern zu unterhalten.

Dieselben erschienen bald vor ihrer neuen Herrschaft, und zwar zum Erstenmale in ihrem Leben in Kleider gehüllt. Semona trug ein einfaches Gewand von grobem weißen Baumwollenzeug, welches ihr bis über die Kniee reichte, und Buardo war mit einem Beinkleid und einem Hemde von eben solchem Stoff angethan. Beide fühlten sich selbst ungewohnt und beengt in diesem neuen Aufzug, sie sahen einander verwundert an, und noch hatte ihr Auge sich zu wenig an diese Mode gewöhnt, als daß sie dieselbe hätten schöner finden können, wie ihre vaterländische Tracht: die Umhüllung ihrer Hüfte und der Schmuck an Arm und Nacken.

Hand in Hand traten sie in das Zimmer und blieben schüchtern an der Thür stehen, Morin aber winkte ihnen freundlich zu und hieß sie näher kommen. »Ihr sollt mir Etwas über Euer früheres Leben erzählen, Ihr gehört jetzt zu meinem Hause und da müssen wir auch bekannt zusammen werden. Wie kam es, daß Ihr in die Sclaverei geriethet?« fragte der Pflanzer, sich an Buardo wendend, und dieser gab ihm nun einen kurzen Umriß von seinem Leben und seinen Schicksalen. Die beiden Alten hörten ihm mit gesteigerter Aufmerksamkeit zu, Morin gab von Zeit zu Zeit seine Theilnahme durch ein halblautes »unglücklich – hart – schändlich« zu erkennen und seine Frau wischte sich wiederholt eine Thräne von den Augen. Als Buardo seine Erzählung beendet hatte, sagte der Pflanzer:

»Demnach ist Semona eigentlich schon Christin, wenn sie auch noch nicht getauft wurde; dies soll aber durch den Negerpfarrer geschehen, der jeden Sonntag für die farbige Bevölkerung dieser Gegend in der Nachbarschaft Kirche hält und der Ihr Beide auch regelmäßig beiwohnen sollt. Ihr verlangt nun sicher auch danach, christlich Mann und Frau zu werden, und ich will dafür sorgen, daß jener Pfarrer Euch traut. Das Gesetz in diesem Lande erkennt freilich die Ehe eines Farbigen nicht an, weshalb es der Herrschaft desselben jederzeit zusteht, dieselbe aufzulösen; von meiner Seite aber seid Ihr sicher dafür, mir ist die christliche Ehe auch bei Farbigen heilig. Alle meine erwachsenen Sclaven sind verheirathet und müssen ein sittliches eheliches Leben führen. Darum, wenn Ihr entschlossen seid, Euch für immer anzugehören, so wird mir Eure Verbindung angenehm sein.«

Buardo hatte während dieser Rede Semonas Hand erfaßt, die jetzt in der seinigen bebte, er sah die Geliebte mit glücklich strahlenden Augen an, und sie erwiederte den Blick mit beseligter Hingebung, konnte aber die Freudenthränen nicht länger zurückhalten, die sich unter ihren schönen Wimpern hervordrängten.

»Ja, Herr, laß die Kirche unsern Bund segnen, es ist ja das Glück, für welches wir unsere Freiheit geopfert haben,« sagte Buardo bittend und hob die Hand der Geliebten an seine Lippen.

»Bald soll es geschehen,« entgegnete der Pflanzer theilnehmend. »Ich werde Euch ein neues Blockhaus ganz hier in der Nähe bauen lassen, so daß wir Euch immer zur Hand haben, und will für Eure Bequemlichkeit Sorge tragen. Dafür hoffe ich auf Eure Treue zu jeder Zeit und unter allen Umstanden, was auch jemals kommen mag.«

»Ja, treu bis in den Tod wollen wir sein,« riefen Buardo und Semona zugleich und fielen auf ihre Kniee nieder.

»Ich fühle es, ich bin davon überzeugt, daß Ihr Euer Versprechen halten werdet, und eben so treu werde ich dem meinigen sein. Nun könnt Ihr gehen, später sehen wir uns noch einmal, wenn die übrigen Sclaven zum Abendgebet kommen. Bis dahin!« sagte Worin mit freundlicher Stimme und winkte den Beiden noch einen Gruß zu.


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