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XII.

»Mein theurer, mein einziger Buardo!« sagte Semona zu dem Geliebten, als sie in die Dunkelheit hinaus unter die hohen Bäume traten und schlang ihren Arm mit inniger Zärtlichkeit um seinen Nacken, »laß uns jetzt nur unserm Glück leben und laß uns vergessen, was es uns gekostet hat; meine heiße, ewige, treue Liebe soll Dich für Alles entschädigen.«

»Du weißt es, herzliebes Mädchen, daß sie mir mehr werth ist, als alle Güter der Welt, ja mehr selbst, als meine Freiheit, die mir ohne Dich Qual sein würde; aber, welche Sicherheit haben wir, daß wir unsrer Liebe uns für die Dauer erfreuen dürfen? Sieh, unser jetziger Herr, so wie seine Frau sind alte Leute, der Tod kann sie täglich abrufen, und dann gehen wir als Eigenthum in die Hände ihrer Erben über. Wer weiß, was dann aus uns und unserm Glück wird!«

»Der Gott, der sich jetzt unserer erbarmt hat, wird sich auch ferner unserer annehmen, Buardo; laß uns auf ihn bauen und nicht über die Sorge für die Zukunft das Glück der Gegenwart trüben. So gut, wie wir diese Herrschaft gleich bei unserm ersten Zusammentreffen mit ihr zufrieden stellten, werden wir auch einer künftigen nicht mißfallen; lasse den Muth nicht sinken, Fleiß und Rechtlichkeit sollen uns unser Glück schon bewahren, antwortete Semona mit zuversichtlichem Tone und Buardo schloß sie mit den Worten »Du mein Alles, mein Leben!« in seine Arme.

Eine halbe Stunde später tönte der Klang einer kleinen Metallglocke durch die Niederlassung und alle Sclaven begaben sich nach einem großen Bretterhaus, welches in kurzer Entfernung hinter Morins Wohngebäude stand und als Bethaus diente. Die Sclaven hatten sich bereits sämmtlich vor dem Eingang desselben versammelt, als der Pflanzer mit einem Buch in der Hand erschien und den Negern voran in den großen Saal eintrat. Dort stand am Ende desselben ein Tisch, auf dem zwei Lichter brannten und zu welchem Morin sich begab, während über hundert farbige Männer und Weiber sich vor ihm aufstellten, um ihre Abendandacht zu halten. Der Pflanzer stimmte nun eine Methodistenhymne an, in welche die Sclaven mit einfielen und bei der auch Buardo und Semona sich zu beteiligen versuchten. Die ernste Melodie und die frommen Worte verfehlten nicht, einen ergreifenden Eindruck auf sie zu machen und ihre Stimmung dem heiligen Zweck anzupassen, der sie hierhergeführt hatte.

Nach beendigtem Liede las Morin mit lauter verständlicher Stimme ein Kapitel aus der Bibel, trat dann vor den Tisch, sank mit gefalteten Händen auf seine Kniee, und alle Sclaven fielen gleichfalls nieder, indem sie ihr Gesicht auf ihre Hände senkten. Der alte Herr sprach nun ein kurzes Dankgebet, und bat um Gottes fernern Segen und Beistand, während lautes Stöhnen und Klagetöne unter den Negern hörbar wurden und einzelne Stimmen »O Allmächtiger – O hab Erbarmen – O vergieb uns unsre Sünden!« ausriefen.

Die Abendandacht wurde noch mit einer Hymne beschlossen und der Pflanzer empfahl dann seine Sclaven dem Schutze des Himmels.

Bei Tagesanbruch und nach eingenommenem Frühstück trennten sich Buardo und Semona mit dem festen Entschluß, sich durch ihre Arbeit ihrer Herrschaft nützlich zu machen; Ersterer folgte mit der Art mehreren seiner Gefährten in den Wald, und Semona wurde von Madame Morin in die Küche beschieden; damit sie in der Bereitung der Speisen unterrichtet würde.

Kaum war die Sonne aufgestiegen, als der Pflanzer sich nach dem Lager der Brüder Burnock begab und sie beschäftigt fand, das Morgenbrod unter die Afrikaner zu vertheilen, die in Abtheilungen von fünfzig Stück aneinander gekettet in dem Gras umherlagen. Er bot den beiden Händlern einen freundlichen guten Morgen, bat sie, sich in ihrer Arbeit nicht stören zu lassen, und wandelte dann unter den Fremdlingen umher. Er musterte sie und richtete wiederholt Fragen an sie, obgleich er wußte, daß sie dieselben nicht verstanden und worauf die Antworten ihm ebenso unverständlich blieben. So groß die Auswahl unter den Negern nun auch war, so gewann Morin doch bald die Ueberzeugung, daß kein zweiter Buardo und keine Semona sich unter ihnen befand und daß er nicht einen von ihnen allen zu besitzen wünsche. Er war in den Schatten eines dichtbelaubten Baumes getreten, als die Brüder Burnock nach beendigter Arbeit sich zu ihm gesellten und sie sich sämmtlich in das Gras niederließen.

»Nun, haben Sie sich die Vögel einmal angesehen – wie gefallen sie Ihnen?« nahm der Sclavenhändler das Wort.

»Ich muß Ihnen gestehen, daß ich nicht einen von denselben besitzen möchte; ich wüßte nicht, was ich mit ihm anfangen sollte; sie verstehen mich ebenso wenig, wie ich sie. Außerdem hat ihr Blick etwas Unangenehmes, etwas Unheimliches für mich, es kommt mir vor, als ob in ihren Köpfen nicht ein einziger Gedanke zur Reife kommen könnte. Mag es' sein, daß das Fremde ihrer Lage und ihre Niedergeschlagenheit viel dazu beitragen, sie dumm, verstört und thierisch erscheinen zu lassen, mir würde es aber unangenehm sein, einen Menschen in meiner Nähe zu haben, von dem ich nicht erwarten dürfte, daß er das Gute und das Rechte, was ich an ihm thäte, auch fassen und erkennen könnte. Meiner Ansicht nach wäre es überhaupt besser, wenn die Einfuhr von Sclaven aus Afrika in unser Land unterdrückt würde; denn es bleibt doch immer ein Unrecht, Menschen mit Gewalt ihre Freiheit zu nehmen und sie in ein fremdes Land zu verkaufen. Außerdem erwächst aus ihnen uns Pflanzern erst ein wirklicher Nutzen in ihrer Nachkommenschaft. Es steht ja auch fest, daß wir für unsern Bedarf selbst Neger genug ziehen können.«

»Damit würden wir Geschäftsleute im Norden nicht einverstanden sein, denn der Sclavenhandel, der allein von New-york aus betrieben wird, bringt jährlich Millionen in das Land, und ich sollte denken, daß allen Sclavenhaltern das Fortblühen dieses Geschäfts nur erwünscht sein müßte, da es ja die Preise von Negern niedrig hält,« entgegnete der Sclavenhändler und ließ seinen Blick über die Negerschaar wandern, die an dem harten schwarzen Schiffsbrod ihren Hunger stillte.

»Und doch,« sagte Morin, »sind es die Herren im Norden, die Aufhebung der Sclaverei predigen und durch geheime Abgesandte Unzufriedenheit unter unsern Negern erzeugen, während gerade die Plantagen im Süden, auf denen die Sclaven so mißhandelt und wie das Vieh zu Tode gearbeitet werden, den reichen Kapitalisten im Norden angehören. Diese haben weder die Plantage noch ihre Neger jemals gesehen, haben an diesen natürlich auch kein anderes Interesse, als möglichst viel Geld aus ihnen zu pressen, und setzen ihnen zu diesem Zweck einen herzlosen Aufseher, der sie bis auf ihre letzte Kraft abtreibt. Würden alle Sclaven so behandelt, wie die meinigen, so möchten die Leute im Norden ihnen so viel von Freiheit vorschwatzen, wie sie wollten, sie würden Nichts damit erzielen; denn die schwerste Drohung, die ich gegen meine Neger aussprechen kann, ist die, daß ich sie freigeben und fortjagen würde.«

»Dieses Geschrei gegen Sclaverei, verehrter Herr Morin,« antwortete der Händler, »hat ja auch einen ganz andern Grund, als den der Theilnahme und des Mitleids für die schwarzen Menschen – behandeln denn die Weißen in den nördlichen Staaten einen Farbigen als ihres Gleichen, darf er denn mit ihnen die Kirche besuchen – darf er sich bei ihnen im Theater, in Gasthäusern, oder irgendwo an öffentlichen Orten sehen lassen – ja, darf er sich überhaupt zwischen Weißen aufhalten – wird er nicht sofort wie ein Hund davongejagt? Der Grund zu dem Eifern gegen Sclaverei liegt in der Eifersucht des Nordens gegen den Süden, welcher letzterer durch den Sclavenbesitz zu wohlhabend, zu mächtig und zu selbstständig wird. Der Norden ist Fabrik- und Handelsstaat und er bedarf hohen Eingangszoll auf ausländische Fabrikate, um seine Geschäfte zu schützen, der Süden dagegen wünscht einen möglichst ungehinderten Verkehr mit Europa, um seine Landesprodukte dorthin zu verwerthen und die billigen Fabrikate von dorther ohne hohe Kosten beziehen zu können. Seine Macht und sein Einfluß in dem Kongreß wird von Jahr zu Jahr größer und die Gefahr immer dringender, daß er seine Interessen dort zum Nachtheil des Nordens geltend macht. Er soll geschwächt und beherrscht werden, und dies kann man nicht sicherer erzielen, als wenn man ihm seine Sclaven nimmt.«

»Wodurch im Augenblick der Süden aufhören würde, zu sein, da unser Klima es dem Weißen unmöglich macht, selbst zu arbeiten und der Neger nicht arbeitet, sobald er frei ist. Es wird sich deshalb um unsere Existenz handeln, und wer für das Leben ficht, der ist schwer zu bekämpfen,« entgegnete der Pflanzer und bat nun den Sclavenhändler, ihn nach seinem Hause zu begleiten, um die Zahlung für Buardo und Semona zu empfangen. Nach abgemachtem Geschäfte begab sich Burnock zu seinen Afrikanern zurück, um die Weiterreise mit ihnen anzutreten, und Morin ließ sich sein Pferd vorführen, um die verschiedenen Orte zu besuchen, wo seine Sclaven an der Arbeit waren. Als er aus der Einzäunung ritt, zog Burnock mit seiner Waare an ihm vorüber, und mit Kopfschütteln wünschte ihm der Pflanzer eine glückliche Reise, indem er auf die, am Halse zusammengeketteten, zum Theil schwer beladenen Neger blickte, die, in dumpfer Ergebung vor sich niederschauend, ihrem Eigenthümer folgten. Bald war der Letzte von ihnen und auch der Bruder des Händlers in dem nahen Gehölze verschwunden und Morin ritt mit dem wohlthuenden Gedanken, daß er seine Sclaven nach besten Kräften gut behandelte, davon. Er besuchte seine Felder, seine Schneide- und Mahlmühle, die Schmiede und die Wagnerei, wo an einer großen Zahl neuer Pflüge gearbeitet wurde, und lenkte dann sein Pferd dem Walde zu, weil dort Buardo beschäftigt war, Bäume zu fällen. Während das Roß fast lautlos auf dem begrasten Waldwege hinschritt, hörte Morin bald den Klang einer Axt, aber auch nur einer, während doch ein Dutzend Neger zu der Arbeit mit Buardo hinausgegangen war. Der Pflanzer hatte sich bis auf kurze Entfernung der Blöße im Holze genähert, wo die Abschläge ertönten, stieg von dem Pferde, befestigte den Zügel an einem Aste und ging nun leise bis an das Ende des Dickichts. Hier blieb er hinter einem Baume stehen und sah, wie Buardo ununterbrochen Hieb um Hieb auf einen Eichenstamm that, daß die Späne weit um ihn her flogen, während die anderen Neger nahebei im Schatten lagen und ihm lachend zusahen.

»Du solltest Dich nicht so übereilen, der Baum fällt morgen ebenso gut, wie heute, und für Deine Anstrengung wird Dir Nichts gut gethan. Füttern muß Dich Dein Herr doch, damit er sich das Geld erhält, welches er für Dich bezahlt hat,« rief einer der Sclaven Buardo zu, der ihm aber keine Antwort gab und seine Axt nach wie vor schwang.

»Laß ihn doch zufrieden,« fiel ein anderer Neger dem Sprecher in die Rede, »seine Arbeit wird uns ja mit angerechnet. Dies erste Feuer hält nur leider nicht lange an.«

»Er will sich bei unserm Herrn, bei dem alten Betbruder einschmeicheln und wird ihm wahrscheinlich heute Abend erzählen wollen, wie viele Bäume er allein gefällt hat. Erfahren wir dies aber, Du Mohrenkönig, dann kannst Du Dich auf eine Tracht Schläge gefaßt machen,« fiel ein Dritter ein.

»Das könnt Ihr jetzt schon erfahren, daß ich Eure Faulheit unserm Herrn berichten werde, und was die Schläge anbetrifft, so möchte ich Euch doch rathen, es bei der Drohung bewenden zu lassen,« entgegnete Buardo mit verächtlichem Blick, indem er die Art auf den Boden sinken ließ und sich in seiner vollen Größe aufrichtete.

»Du glaubst wohl, Du wärest noch in Afrika unter Deinen Unterthanen, denen Du nach Belieben die Köpfe abhauen könntest; über diesen Irrthum sollst Du sogleich Aufklärung erhalten!« rief ein anderer der Neger aufspringend und alle übrigen schossen von ihrem Lager empor und griffen zu den Aexten.

»Wem von Euch Taugenichtsen das Leben lieb ist, der komme mir nicht nahe, denn, bei Gott!« rief Buardo ihnen entgegen und hob die Axt drohend empor. In diesem Augenblicke trat der Pflanzer aus der Dickung hervor und die Neger fuhren erschrocken vor ihm zurück.

»Fort, nach Hause!« rief ihnen Morin mit zorniger Stimme zu und winkte ihnen mit der Hand, sich zu entfernen. Dann schritt er zu Buardo, reichte ihm die Hand und sagte:

»Laß Dich nicht verführen, Buardo, und bleibe mir treu, ich werde es anzuerkennen wissen. Setze Deine Arbeit nur hier fort, ich will Dir sogleich andere Hülfe senden.«

Hierauf ging der Pflanzer zu seinem Pferde zurück, hob sich in den Sattel und trieb dann die Neger seiner Wohnung zu, wo er dieselben einem schwarzen Aufseher mit dem Befehle überwies, einem Jeden von ihnen fünfzig Peitschenhiebe zu geben und ihnen acht Tage nur Wasser und Brod als Nahrung zu reichen.

Dieser Vorfall verfehlte nicht, unter allen Sclaven Morin's eine Abneigung gegen Buardo zu erzeugen, die sich gleichfalls auf Semona ausdehnte. Beide aber setzten sich darüber hinweg, indem sie sich weit über Jene erhaben fühlten und nur das eine Ziel im Herzen trugen: sich ihrem Herrn und Wohlthäter dankbar zu zeigen. So wie Buardo sich nun das Vertrauen Morin's täglich mehr erwarb und von ihm immer mehr zur Beaufsichtigung der anderen Sclaven bestellt wurde, ebenso gewann Semona die Zufriedenheit und die Zuneigung ihrer Herrin und machte sich ihr bei der Arbeit sowohl, wie als Gesellschafterin unentbehrlich. Madame Morin hatte ihr hübsche Kleider gegeben, sie mit einer schönen Bibel und einem Gesangbuch beschenkt und benutzte regelmäßig die Abendstunde dazu, ihr Lesen und Schreiben zu lehren.

In dieser Weise war ein Monat verstrichen und der Sonntag Morgen war gekommen, an welchem Semona die christliche Taufe empfangen und dann die Frau Buardo's werden sollte. Schon frühzeitig hatte Madame Morin sie zu sich in ihr Zimmer befohlen, hatte sie dort in ein neues schwarz seidenes Gewand gekleidet, hatte sie festlich geschmückt und sie von allen Seiten betrachtet, und führte sie dann zu ihrem Gatten in das Zimmer, damit auch er sich über die Schönheit des lieblichen Mädchens freuen solle. Sie fanden aber, daß Herr Morin auch nicht müssig gewesen war, denn er hatte so eben die Toilette Buardo's beendet, dem er einen feinen schwarzen Anzug zum Geschenk gemacht hatte. Die beiden Brautleute sahen sich glücklich überrascht an und konnten nicht Worte genug finden, ihre Gefühle heißesten Dankes gegen ihre Herrschaft auszusprechen, die sich an der Schönheit des jungen Paares ergötzte und sich mit ihm freute.

Bald stellte sich nun auch der schwarze Prediger ein und die Glocke rief die Sclaven in das Bethaus. Herr Morin und seine Gattin begaben sich selbst mit dem Brautpaare dorthin, und in ihrer Gegenwart wurde die Taufe, so wie die Trauung vollzogen. Nach beendigter Feierlichkeit geleitete der Pflanzer mit seiner Frau die Neuvermählten nach dem für sie erbauten Blockhaus, und übergab es ihnen als ihre Wohnung. Es war vollständig mit allen Haushaltsbedürfnissen versehen, war sauber und nett eingerichtet und für den heutigen Tag festlich geschmückt. Das Glück der jungen Leute kannte keine Grenzen, bald küßten sie ihrer Herrschaft die Hände und gelobten ewige Dankbarkeit, bald fielen sie sich in die Arme und priesen die Gnade Gottes, der ihnen so viele Wohlthaten erzeigt hatte.


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