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Die Negerin.
Schluß

V.

Die Nacht war sehr sternenhell und die rothen Granitfelsen, auf denen die Stadt lag, hoben sich schimmernd aus der Dunkelheit des Thals gegen den klaren Himmel empor.

Die Wachen, welche in der Nähe der Thore auf dem vorspringenden Gestein standen und an den senkrechten Abhängen hinab auf die, in die Wände gehauenen Wege blickten, konnten bis in die Tiefe jede Bewegung auf denselben erkennen, doch vergebens strengten sie während der ganzen Nacht ihre Blicke an, um den Feind nahen zu sehen. Alles blieb still und stumm in dem Thale. Eine fürchterliche, schauerliche Ruhe lag über der ganzen Stadt, obgleich keiner ihrer Bewohner die Augen geschlossen hatte, es war der Moment zwischen Freiheit und Sclaverei, zwischen Leben und Tod. Ein bleicher Schimmer stieg im Osten über den fernen Gebirgen auf. Buardo stand, mit Semona an seiner Seite, vor dem östlichen Thore der Veste über dem schroffen Felsabhang und Beide schauten nach dem Lichtstreifen, der den anbrechenden Tag verkündete.

»Der Tag nahet, Semona; werden wir ihn auch wieder sinken sehen?« sagte Buardo mit ernster Stimme zu der Geliebten.

»Laß uns hoffen und vertrauen, Buardo, doch nur als Sieger mag uns der Abend begrüßen, mag niemals ein neuer Tag über dem unterjochten Volke der Annagu's aufgehen!« entgegnete Semona und legte ihren zarten Arm auf die Schulter des jungen Mannes. »An diesen Felsen und an den Felsenherzen Deines Volkes werden die Waffen seiner Feinde zerbrechen, wir werden siegen, Buardo, und die wiederkehrende Nacht wird Dich an dem liebenden treuen Herzen Deiner Semona finden.«

In diesem Augenblick drängten sich tief unten aus dem Dunkel des Thales schwarze Massen auf den weißen Weg, der an dem Berge heraufführte und Buardo sprang zu seinen Kriegern, die bei den Felsstücken bereit standen, um diese auf den Weg hinabzurollen. Zugleich dröhnte es wie Donner von der westlichen Seite des Berges her, man fühlte, wie derselbe unter den Füßen erbebte, denn dort vor dem andern Thore der Stadt hatten die Annagu's einen ungeheuern Felsblock auf die ersten heraufstürmenden Amazonen hinabgestürzt.

Dort saß der alte König hoch über dem Abhange auf einem in Granit gehauenen emporragenden Thronsessel, der auf weit und breit das Gebirgsland beherrschte, und lenkte in der Verteidigung dieser Felsen das Schicksal seines Volkes. Zu des Königs Füßen lag sein treuer Gefährte, der Löwe, und hielt, so wie sein Herr, seinen flammenden Blick in die Tiefe gerichtet, wo jetzt der hinuntergestürzte Granitfels zwischen die schwarzen Massen der emporstürmenden Amazonen sprang und in seinem Donnerlauf Alles unter seiner Wucht vernichtete. Ein Geheul, als ob es der Unterwelt entstieg, drang aus der Tiefe herauf, und man sah, wie die Stürmenden, links und rechts dem springenden Felsen ausweichend, übereinander fielen, doch eben so schnell hatten sich ihre Reihen wieder geschlossen und mit Wuthgeschrei klommen sie auf dem steilen Wege weiter empor. Da winkte der König abermals seinen Kriegern an dem Abhange zu, eine Reihe von Felsstücken rollte über denselben hinaus und sauste donnernd und vernichtend in die Massen der Amazonen. Je öfter aber ihre Reihen durch die herabstürzenden Granitblöcke zerrissen und niedergeschmettert wurden, um so schneller und fliegender naheten sich die Stürmenden der Höhe, und jetzt beantworteten sie schon den Steinregen mit einer Gewehrsalve, deren Kugeln mörderisch unter die Annagu's eindrangen. Auch diese griffen nun zu den Feuerwaffen und streckten die vorderen Reihen der Amazonen nieder; Nichts aber hielt die im Sturm folgenden Weiber zurück, und näher und näher rückten sie zu der Höhe heran. Der König hatte seinen Felsenthron verlassen und war zurück vor das Thor der Stadt getreten, von wo aus er seine Leute zum Kampf anfeuerte, doch jetzt rief sein Befehl sie zurück in die Veste und der Löwe ließ seine furchtbare Stimme ertönen, daß es weit in den Bergen wiederhallte. Es war vollkommen Tag geworden, als die Schaaren der Amazonen die Oberfläche des Berges erreichten und sich außer Schußweite auf der Hochebene, welche die Stadt umgab, in Sturmcolonnen sammelten. Auch auf der Ostseite von Zogalo, wo Buardo befehligte, hatten sie den Berg erstiegen und die Annagu's in die Mauern zurückgedrängt. Die hohen verpallisadirten Thore waren verschlossen und verrammelt, so daß den Dahomey's nur der Weg über den undurchdringlichen Dornenwall und über die Stadtmauer blieb, wollten sie in die Veste eindringen. Die Annagu's aber hatten sich hinter der Mauer aufgestellt, von wo aus ihre Kugeln, und Pfeile die Feinde beim Stürmen niederstrecken sollten. Bald hatten diese sich auf vier verschiedenen Punkten um die Stadt gesammelt, und mit Wuth und Entsetzen beobachteten die Belagerten jede ihrer Bewegungen und sahen von Augenblick zu Augenblick ihrem Heranspringen entgegen.

Der König stand von seinen Getreuesten umgeben auf der Mitte des Marktplatzes, und Alle warteten darauf, das Kriegsgeschrei der Feinde zu vernehmen, welches deren Angriff verkünden würde. Da eilte Buardo mit Semona herbei, die er theils durch Bitten und theils mit Gewalt nach der Wohnung seines Vaters drängte, und als er diesen auf dem Platze gewahrte, rief er ihm flehend und dringend zu:

»Rette Dich und Semona, fort, fort, ehe es zu spät sein wird!«

Der König und der Löwe folgten ihm bis in das Gemach der Frauen, wo der Eingang in den unterirdischen Weg bereits geöffnet war. Zuerst drängte Buardo stehend seine Mutter in die Tiefe hinab, dann preßte er Semona nochmals an seine Brust und führte sie, trotz alles Bittens, alles Sträubens der Königin nach, und nun folgten die übrigen Frauen und die bewährtesten Diener.

Vergebens aber drang Buardo in den König, sich auch durch die Flucht in die Gebirge zu retten, er wies ihn ernst und stolz zurück und sagte:

»Verlange nicht von Deinem Vater, daß er durch feige Flucht seinen guten Namen noch in seinem hohen Alter entehre; der König der Annagu's wird auch im Tode noch seines Volkes würdig sein!«

Buardo stand von seiner Bitte ab, fiel vor seinem Vater nieder und umfaßte seine Kniee; der Alte aber hob ihn zu sich auf, schlang seine Arme um ihn und sagte:

»Buardo, wir werden Beide als Männer sterben und mein letzter Dank, den ich den Göttern senden werde, soll der Erhaltung Deines Bruders Damossi gelten, der zu den Annagu's zurückkehren und ihnen ihre Freiheit wieder erkämpfen helfen wird.«

In diesem Augenblick schallte das Kriegsgeschrei der Amazonen wie Sturm über die ganze Stadt; der König ließ seinen Sohn aus seiner Umarmung, griff nach einem Gewehre und Buardo stürmte hinaus über den Platz der Mauer zu, von wo der Tumult am dringendsten herschallte.

Kaum hatte der Kriegsruf das Zeichen zum Angriff gegeben, als die Amazonen auf allen vier Seiten der Veste wie ein Sturmwind herangesaust kamen und zugleich durch ihre Trommeln und Hörner eine barbarische Musik anstimmen ließen. In wenigen Augenblicken hatten sie den Stachelwald erreicht, schwangen sich im leichten Sprunge mit hochgehobenem Gewehr auf den Dornenwall hinauf und stürmten, als ob sie die Stacheln in ihren Füßen und Gliedern nicht fühlten, in wilden Sätzen über denselben hin der Mauer zu. Ihr Schlachtgeheul mischte sich mit dem Krachen der Gewehre, die ihnen von der Mauer her entgegenblitzten, und Hunderte dieser grimmigen Kriegsweiber versanken, schwer von den Kugeln und Pfeilen der Annagu's getroffen, in dem dichten Dornengeflecht. Aber über sie hinaus stürmten ihre wuthentbrannten Schwestern; nur wenige Momente, sie hatten die Mauer erreicht und, ihre Gewehre auf ihre dort kampfbereiten Gegner abfeuernd, stürzten sie sich mit dem Schwert in der Hand in die Stadt hinein. Wie Tigerinnen dringen die vordersten Amazonen Tod verbreitend in die dichten Reihen der Annagu's, während die nachfolgenden von der Mauer aus ein anhaltendes mörderisches Gewehrfeuer auf dieselben unterhielten. Jeden Fuß breit Erde mußten sie den löwenmuthig kämpfenden Söhnen der Berge mit ihrem Blute zahlen, dieselben mußten aber weichen und ihre Reihen wurden immer mehr durch den anhaltenden Kugelregen gelichtet. Der Kampf hatte sich von allen Seiten her nach dem Marktplatz und endlich bis vor das Thor der königlichen Wohnung zurückgezogen, doch hier drängten sich die Annagu's zusammen, um mit dem Leben ihres letzten Streiters das Leben des Königs zu vertheidigen. Ein Alles übertönendes Siegesgeheul verkündete plötzlich, daß etwas Außerordentliches geschehen sei – Buardo war in der Wuth des Augenblicks allein in die Reihen der Amazonen gedrungen, dieselben hatten ihm Schlingen über den Kopf und über die Arme geworfen, hatten ihn niedergerissen und trugen ihn jetzt entwaffnet aus dem Getümmel, während seine Waffenbrüder, die ihn hatten fallen sehen und ihm zu Hülfe kommen wollten, von den Kriegsweibern niedergemacht wurden. Die Zahl der Annagu's verringerte sich jetzt schnell, die Leichen derselben thürmten sich höher vor des Königs Wohnung auf, und dessen letzte Getreuen zogen sich nun in den Corridor zurück, der zu den Gemächern Durasso's führte. Die Amazonen folgten ihnen auf dem Fuße und schlitternd und drohend schallte ihnen hier das Gebrüll des Löwen entgegen. Der Kampf in dem Gange war bald entschieden und nur drei Annagu's erreichten blutend das Zimmer des Königs und sanken vor dessen Füßen tödtlich verwundet zusammen. Kaum zeigten sich aber die ersten Amazonen in dem Eingang von Durasso's Gemach, als sie in demselben Augenblick der Löwe in weitem Sprunge erreichte und sie mit seinen furchtbaren Tatzen niederschmetterte. Der alte König focht mit dem Löwen um die Wette und jeder Schwertstreich, von der Faust des Greises geführt, streckte eine Amazone zu Boden. Doch bald war der Löwe mit Wunden und mit Blut bedeckt und auch der König war schwer getroffen. Er wankte zurück nach dem Gemache, der Löwe folgte ihm kämpfend, und als Durasso über dem verborgenen Eingang zu dem unterirdischen Weg sterbend zusammensank, warf sich der Löwe sterbend über seinen Herrn hin und zeigte dessen Feinden noch immer drohend sein furchtbares Gebiß und seine mit ihrem Blute gefärbten Klauen. Während dieser Zeit war jedes einzelne Haus in der Stadt von den Amazonen mit Sturm genommen. Es gab kein Mitleid, kein Erbarmen, Greise und Kinder, Männer und Weiber, Alle mußten unter den Waffen der wuthschäumenden Amazonen verbluten, die unter Siegesbrüllen den Gefallenen die Kopfhaut mit den Zähnen vom Schädel rissen. Nach allen Richtungen hin loderten zugleich die Flammen über den Häusern empor. Durasso's Wohnung stürzte donnernd und krachend zusammen und begrub den König der Annagu's und dessen Löwen unter ihren Trümmern. – Schwarze Rauchwolken umwogten die höllischen, mit Blut bedeckten Kriegsweiber der Dahomey's, wie sie, nach Opfern suchend, die brennende Stadt durchzogen und die erbeuteten Schätze auf dem Marktplatz zusammentrugen.

Zogalo war ein rauchender Schutthaufen und außer den siegestrunkenen Amazonen war kein lebendes Wesen mehr in seinen Mauern zu finden. Nur Buardo lebte noch, um den Untergang des stolzen Thrones seiner Väter zu bezeugen. Mit Wunden bedeckt, lag er gefesselt auf dem Marktplatz, von seinen Siegerinnen bewacht, die sich nach und nach noch immer zahlreicher um ihn sammelten und Anstalt machten, die zerstörte Veste zu verlassen. Sie beladeten sich schwer mit der gemachten Beute, behingen sich im Triumphgeschrei mit den eroberten Kopfhäuten der Annagu's und ließen zuletzt durch Siegesmusik das Zeichen zum Abmarsch geben. Buardo, die Hände auf den Rücken gebunden, wurde in ihre Mitte genommen und von den die Schlacht überlebenden dreitausend Amazonen aus den Ruinen von Zogalo den Berg hinabgeführt, um dem König von Dahomey als höchster Preis des Mord- und Raubzugs überliefert zu werden.


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