Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

XIV.

Es war gegen Ende des frostlosen milden Winters und die Wälder hatten sich bereits mit dem zarten jungen Grün des Frühlings geschmückt, als Buardo an einem Sonntag Morgen mit Semona sich im Garten unter einer prächtigen Magnolie niedergelassen hatte, deren unzählige blendend weiße Riesenblüthen ihren süßen Duft bis auf die Erde herabsenkten. Buardo hatte seinen Arm um Semona's Nacken gelegt und sie schmiegte sich an seine Brust, während sie das Gebetbuch in der Hand hielt und laut darin las; denn sie konnten sich nicht zur Kirche begeben, weil Morin es Buardo untersagt hatte, über die Grenze seines Grund und Bodens hinauszugehen. Alles war ruhig um sie her, nur die Vögel sangen ihre fröhlichen Frühlingslieder und ein Paar verliebte graue Eichkätzchen spielten und jagten sich von Baum zu Baum.

»Wir leben jetzt wie die Belagerten, da ich die Landesgrenze Morin's nicht überschreiten darf,« sagte Buardo, nachdem Semona das Gebet zu Ende gelesen hatte.

»Das Glück bedarf keines großen Raums, Buardo; sind wir doch schon in einem kleinern durch unser Zusammensein glücklich gewesen,« entgegnete die Negerin und hielt ihre schönen Lippen dem geliebten Gatten hin, der die seinigen mit Innigkeit auf dieselben preßte.

»Es ist mir auch durchaus keine Entbehrung, theure Semona, bist Du doch bei mir und schaffst mir in diesem beschränkten Raume einen irdischen Himmel,« antwortete der glückliche Gatte, da fiel ein Schuß, Buardo that einen Schrei, faßte sich auf die rechte Schulter und rief mit entsetzter Stimme: »Mein Arm!«

Eine Kugel war ihm hoch durch den Arm gedrungen und hatte sich hinter ihm tief in den Stamm des Baumes vergraben. Woher der Schuß gekommen, bezeichnete der Pulverdampf, der am andern Ende des Gartens hinter der Einzäunung aufstieg, doch von dem Schützen war Nichts zu sehen.

In Angst und Verzweiflung schlang Semona ihren Arm um den Geliebten und zog ihn fliehend mit sich fort nach der Wohnung Morin's, während das Blut den weißen Anzug Buardo's immer mehr färbte. Der Pflanzer war außer sich vor Zorn und Wuth und schwur, Gleiches mit Gleichem zu vergelten, und Madame Morin holte abermals ihr Verbandzeug und ihre Hausapotheke herbei, um die Blutung der Wunde zu stillen. Der Schuß hatte weder den Knochen, noch eine Arterie verletzt und bot darum augenblicklich keine Gefahr, dennoch wurde sogleich nach dem Arzt gesandt und derselbe um eilige Erscheinung gebeten.

Die Geduld des alten Pflanzers war jetzt zu Ende, die Leidenschaftlichkeit und Vergeltungssucht aus seiner Jugendzeit war wieder bei ihm erwacht und er beschloß nun, seine Freunde aufzubieten und einen offenen Feldzug gegen Tuff zu unternehmen. Trotz der Vorstellungen und der Bitten seiner Gattin ließ er sich sein Pferd vorführen, schulterte eine schwere Doppelflinte und ritt davon, um sich sogleich mit seinen befreundeten Nachbarn über sein Vorhaben zu berathen. Wo er hinkam, gerieth man in die größte Entrüstung, man gelobte, diesem übermüthigen reichen Tuff, der die ganze Gegend beherrschen wolle, eine Lehre zu geben, und erklärte sich bereit, Gut und Blut dafür einzusetzen. Triumphirend kehrte Morin spät Abends nach Hause zurück, schrieb, noch ehe er sich zur Ruhe begab, an mehrere seiner entfernter wohnenden Freunde und forderte sie auf, ihm ihren Beistand durch Wort und That zukommen zu lassen.

Am folgenden Morgen brachte der Postbote einen Brief folgenden Inhalts an Morin:

»Ihr Afrikaner, den Sie gegen einen weißen Mann bewaffnet haben, muß sterben; wenn die ihm gestern geschickte Kugel ihn nicht tödtet, so sind hundert andere für ihn gegossen.«

Unterzeichnet war das Schreiben »Hundert weiße Männer aus Ihrer Nachbarschaft.«

»Wollen sehen, wer das beste Pulver schießt!« schrie der Alte in großer Aufregung und warf den Brief auf den Tisch. Dann ließ er mehrere seiner Neger Pferde besteigen, und sandte durch sie die Briefe an seine Freunde ab.

Gleich nach dem Frühstück fanden sich viele Nachbarn ein, um die Angelegenheit gegen Tuffs weiter mit Morin zu besprechen und ihm mitzutheilen, daß sie schon eine Menge ihrer Bekannten geworben hätten, ihrer Partei beizutreten. Sie saßen in dem Saal, sprachen fleißig den guten Getränken des Pflanzers zu und wurden in ihrer Berathung immer lauter, immer stürmischer. Da fuhr ein Wagen vor das Haus und der Pfarrer Colt, der Schwiegersohn Morin's, schritt mit seiner Frau in das Zimmer.

Die eingetretene Stille wurde zu herzlichen Begrüßungen benutzt, und dann bat Colt, die Herren, Platz zu behalten und nahm selbst Besitz von einem Stuhle in dem Kreise. Er ergriff nun zuerst das Wort und sagte, daß er hierhergeeilt sei, um sich von dem Wahren der Gerüchte zu unterrichten, welche weit und breit im Lande umhergingen und die Bevölkerung allenthalben in große Aufregung versetzten. Morin theilte ihm nun mit, was geschehen sei und was er dagegen zu thun beabsichtige.

»Und was wollen Sie damit erzielen, bester Freund?« fragte ihn Colt ruhig.

»Mein Recht will ich geltend machen,« erwiederte Morin mit Heftigkeit.

»Und Ihr Leben und Ihr Vermögen, so wie das Ihrer Freunde auf's Spiel setzen und zuletzt dem Criminalgericht verfallen! Und wofür? für einen Halbmenschen, einen Neger!« entgegnete der Pfarrer und fuhr, da man ihn unterbrechen wollte, schnell fort: »Bester Freund, wenn Sie achtzehn Jahr alt, und ledig und los wären, dann wollte ich Ihnen keinen Vorwurf machen, so aber muß ich Sie daran erinnern, daß Sie eine Frau und ein Kind, so wie einen weit und breit geachteten Namen haben, und daß Sie dies Alles nicht um einen elenden Neger wagen dürfen. Allenthalben im Lande ist man in Aufruhr darüber, daß Sie einen Farbigen gegen einen weißen Mann bewaffnet haben, allenthalben hält man Versammlungen und Berathungen darüber und in jedem Trinkhaus sind Schmähschriften gegen Sie angeschlagen. Den Neger verlieren Sie, keine Gewalt kann ihn retten, wenn Sie ihn nicht schnell verkaufen und ihn bei Nacht und Nebel aus dem Lande schaffen. Und ich frage Sie, warum wollen Sie es nicht thun, warum wollen Sie das Kapital verlieren? Nehmen Sie meinen Rath an, bester alter Freund, verkaufen Sie den Kerl, und aller Krieg, alle Unannehmlichkeiten sind zu Ende. Thun Sie es nicht, so erliegen Sie der Uebermacht und Ihr möglicher Verlust, so wie der Ihrer Freunde ist gar nicht zu berechnen.«

Hier schwieg der Pfarrer und es trat ein allgemeines Schweigen ein. Ein Jeder der Anwesenden fühlte die Wahrheit von Colt's ausgesprochener Ansicht und die Mittheilung über die sehr drohende Stimmung weiter im Lande brachte die anwesenden kleinen Farmer zur Besinnung. Zugleich wandte sich die Tochter und die Frau Morin's an diesen und bestürmten ihn mit ihren Bitten, dem Rathe des Pfarrers zu folgen und mehrere der anwesenden Fremden äußerten sich gleichfalls zu Gunsten desselben. Der Alte suchte zwar immer noch sein Recht geltend zu machen, war aber doch ruhiger geworden, und es war ihm augenscheinlich erwünscht, als der Pfarrer sagte:

»Nun genug von dieser unangenehmen Geschichte. Nach Tisch beim Kaffee wollen wir mit Ruhe das Weitere darüber bereden. Jetzt von etwas Andern«.«

Er fragte hierauf nach Wirthschafts- und Hausangelegenheiten, erkundigte sich nach den Familien der anwesenden Gaste, sprach über projektirte Eisenbahnanlagen, über Canäle und Dampfschifffahrt, bis die Mittagszeit sich näherte und die Fremden sich Einer nach dem Andern entfernten.

Als der Letzte derselben Abschied genommen hatte, trat der Pfarrer zu Morin und sagte:

»Heute Abend in der Dunkelheit wird ein Sclavenhändler aus dem Westen hier eintreffen, mit dem Sie den Neger fortsenden können; dann ist die Geschichte abgemacht. Der Händler war gestern bei mir, um anzufragen, ob ich Sclaven zu verkaufen hätte, und da habe ich ihn hierherbestellt. Er ist ein Mann, mit dem es sich gut handelt, und er wird Ihnen einen anständigen Preis geben.«

Morin war sehr niedergeschlagen, das Schicksal der beiden unglücklichen Afrikaner ging ihm nahe zu Herzen, aber was konnte er thun, auf welche Weise konnte er ihnen helfen? Außerdem hatte er ja ein bedeutendes Kapital für sie bezahlt, welches auf dem Spiele stand. Er blieb dem Schwiegersohn lange die Antwort schuldig, dann aber gab er demselben einen kurzen Umriß von den Schicksalen der beiden Sclaven und eine warme Schilderung ihrer Persönlichkeit.

»Bester Freund, sie bleiben ja doch immer nur Neger und keine Menschen,« entgegnete der Pfarrer; »ich finde es ja lobenswerth, wenn man sie gut behandelt, aber man darf doch nie damit zu weit gehen und sie als unseres Gleichen betrachten.«

»Dann muß ich sie zusammen verkaufen, und zwar unter der einzigen Bedingung, daß sie nur zusammen wieder veräußert werden dürfen,« sagte Morin nach langem Nachdenken, und setzte nach einer abermaligen Pause hinzu, »ich kann es ihnen aber wahrhaftig nicht mittheilen, daß sie verkauft werden sollen!«

»Aber ich bitte Sie, lieber Freund, es sind ja Neger. So will ich es ihnen sagen; oder es ist vielleicht besser, wir sagen ihnen noch Nichts davon, bis sie der Sclavenhändler in Empfang nimmt. Ich bleibe über Nacht bei Ihnen und besorge das Geschäft.«

»Das ist mir am liebsten; ich kann, die Unglücklichen unmöglich noch einmal sehen,« versetzte der Pflanzer mit einem schweren Athemzug,, als ein Neger meldete, daß das Mittagsessen aufgetragen sei.

Der Nachmittag verstrich, und als der Abend kam, setzte sich Buardo mit Semona vor die Thür seines Hauses, um die Kühlung zu genießen, die erquickend über den Platz zog. Die Verletzung an seinem Arm war durch eine sehr kleine Büchsenkugel erzeugt worden und verursachte ihm, da sie nur Fleischwunde war, wenig Beschwerde. Er trug zwar den Arm in einer Binde, doch war ihm der Gebrauch desselben unbenommen. Die Dämmerung brach herein, als ein Cabriolet vor ihnen vorüber nach dem Herrenhause fuhr und der fremde Mann, der darin saß, dort ausstieg und vor der Thür von dem Pfarrer Colt begrüßt wurde. Der Fremde war der Sclavenhändler Ferrow, den der Pfarrer sogleich in das Parlour führte und ihn dort Herrn Morin vorstellte. Colt theilte dem Händler nun die Sachlage in Bezug auf die beiden Sclaven mit, gab ihm eine ausführliche Beschreibung der Persönlichkeiten Buardo's und Semona's, und schloß mit der Verkaufsbedingung, daß die Beiden nur wieder zusammen an einen Herrn verkauft werden dürften. Ferrow erbat sich nun die Gelegenheit, die beiden Sclaven selbst in Augenschein nehmen zu können, und Colt übernahm es, ihn zu denselben zu führen. Er ging mit dem Händler zuerst an Buardo's Haus vorüber, wo dieser noch mit Semona vor der Thür saß und im Vorbeigehen von Ferrow betrachtet wurde. Dieser und der Pfarrer hielten sich aber nicht auf, sondern begaben sich nach andern Negerhäusern, als ob sie den Sclaven einen Besuch abstatten und nach deren Verhältnissen sehen wollten. Nachdem sie in mehreren der Hütten gewesen waren, kehrten sie zu Buardo's Haus zurück und bemerkten, daß dieser sich mit Semona hinein begeben hatte. Colt öffnete die Thür und trat mit den Worten ein:

»Guten Abend, ich bin der Schwiegersohn Eures Herrn und will doch auch sehen, wie Ihr lebt.«

Semona ließ ihren Arm von Buardo's Schulter sinken und Beide erhoben sich, um die Eintretenden zu begrüßen, Colt unterhielt sich mit ihnen und Ferrow, der die Thür weit geöffnet hatte, um mehr Licht in das Haus einzulassen, heftete seinen spähenden scharfen Blick auf die ihm zum Kauf angebotene Waare. »Es wird wohl Zeit, daß wir wieder zu Herrn Morin gehen,« nahm bald der Sclavenhändler das Wort, um dem Pfarrer anzudeuten, daß er seine Forschungen beendet habe, worauf sie Buardo und dessen Frau gute Nacht wünschten, und nach dem Herrenhause zurückkehrten. Der Handel wurde nun mit Morin abgemacht und zwar zum Preise von dreitausend Dollars, wogegen Ferrow sich verbindlich machte, den Sclaven zusammen einen guten Herrn zu verschaffen.

Nach dem Abendessen begab sich der Pfarrer abermals nach Buardo's Haus und fand ihn mit Semona an dem Tische sitzend, im Begriff, das Abendbrot zu verzehren. Sie sprangen, über diesen zweiten Besuch erstaunt, auf, doch Colt bat sie freundlich, sitzen zu bleiben und zu essen, er wolle ihnen nur mittheilen, daß sie wegen der Gefahr, die Buardo hier bedrohe, in dieser Nacht nach einer anderen Plantage des Herrn Morin sich begeben müßten, um dort einige Zeit zu bleiben, bis die Vorfälle mit Tuff etwas vergessen wären. Er trug ihnen auf, alle von Herrn und Madame Morin erhaltenen Geschenke in Bündel zusammenzupacken, um sie mit sich zu nehmen. Darauf verließ sie Colt, und wie von einem Blitzstrahl getroffen, sanken die beiden Unglücklichen auf ihre Stühle nieder. Sie hatten keine Bewegung, keine Worte, keine Thräne, keinen Blick für einander, sie saßen wie versteinert da, und sahen vor sich auf den sauber gedeckten Tisch. Schmerz, Gram und Verzweiflung lagen auf ihren schönen schwarzen Zügen, und das ungeheure Unglück hatte die Kraft ihres Geistes und ihres Körpers zugleich niedergeschmettert. Stumm und finster hatten sie lange Zeit gesessen, als Semona's Augen sich mit Thränen füllten und der Krampf nachließ, der ihr die Brust zusammenschnürte. Sie sah zu Buardo hinüber und ein Thränenstrom rollte über ihre Wangen.

»Buardo, wir behalten ja denselben Herrn!« sagte sie, alle Kraft zusammenfassend, um dem geliebten Manne ein Trostwort zu geben. Buardo aber schüttelte den Kopf und ließ dann das Kinn wieder auf seine Brust sinken.

»Herr Morin wird uns ja auf der anderen Plantage ebensogut schützen, wie hier,« begann Semona abermals.

»So gut wie hier?« wiederholte Buardo, »hat er uns denn hier schützen können? wie viel weniger wird er dazu im Stande sein, wenn wir von ihm entfernt sind! Nein, Semona, laß uns nun keine Luftschlösser mehr bauen, unser Leben ist mit dem Fluch belastet, der auf unserer schwarzen Haut liegt und der uns mit dem Thiere gleich stellt; für uns giebt es keinen Schutz, kein Recht, kein Glück!«

»Kein Glück, Buardo! – tragen wir nicht unser Glück in unsern Herzen – Wer kann uns das nehmen? Komm – fasse Muth, sind wir doch schon härter vom Schicksal bedrängt worden, als jetzt. Sieh, hier bist Du ja Deines Lebens nicht sicher, wie leicht hätte Dich dieser letzte Schuß tödten können! Wir sollten froh sein, auf einige Zeit von hier wegzukommen, und Morin wird schon dafür sorgen, daß wir es dort ebenso gut haben,« sagte Semona mit zunehmender Lebendigkeit und Ueberredungskraft, ging zu Buardo und ergriff dessen linke Hand mit den Worten:

»Du wirft sehen, daß wir uns wieder unnöthigerweise geängstigt haben.«

In diesem Augenblicke öffnete sich die Thür und der Pfarrer Colt trat mit dem Sclavenhändler in das Zimmer.

»Dieser Herr,« sagte er, »wird Euch nach der andern Plantage führen. Es ist Zeit, daß Ihr aufbrecht; habt Ihr Eure Sachen schon zusammengebunden?«

»Noch nicht, Herr, ich will es aber schnell thun,« antwortete Semona ängstlich, indem sie den fremden Mann anblickte, der sie forschend betrachtete. Schnell legte sie ihre Kleidungsstücke, so wie die Buardo's zusammen, schob die Bibel und das Gebetbuch dazwischen und band Alles zusammen in ein großes baumwollenes Tuch. Buardo stand während dieser Zeit finster vor sich niederblickend da und schien keinen Antheil an dem zu nehmen, was um ihn hervorging.

»So, Herr, das ist Alles, was uns die Herrschaft geschenkt hat,« sagte Semona zu dem Pfarrer, um ihm anzudeuten, daß sie und ihr Mann bereit wären, dem Befehle des Herrn Morin zu folgen.

»Ich habe die Verantwortung übernommen, daß ich Euch richtig abliefern werde,« sagte der Sclaven-Händler nun, zog eine lange Kette mit zwei Halseisen unter seinem Rocke hervor, und wollte das eine derselben um Buardo's Nacken befestigen, als dieser entsetzt zurücksprang und rief:

»Keine Kette, bei Gott, ich folge ungefesselt!«

»Das will ich glauben, doch giebt mir Dein Wort keine Sicherheit, und wenn Du in der Dunkelheit davonliefest, so müßte ich Deinen Werth ersetzen,« entgegnete Ferrow und schritt wieder auf Buardo zu.

»Herr Morin selbst muß mir seinen Befehl ertheilen, er ist mein Herr und Niemandem, außer ihm, werde ich Gehorsam leisten. Geleiten Sie mich zu ihm hin; was er mir sagt, werde ich thun,« sagte Buardo mit größter Entschlossenheit und trat abermals vor dem Händler zurück.

»Herr Morin hat sich schon zur Ruhe begeben, und hat mich beauftragt, Dir seinen Befehl mitzutheilen,« fiel der Pfarrer ein.

»Ich kenne weder Sie, noch diesen Herrn, und verlange den Befehl des Herrn Morin zu hören, eher gehe ich nicht aus der Stelle!« entgegnete Buardo laut und bestimmt und wehrte mit feiner linken Hand den Händler zurück. Doch dieser drang wieder auf ihn ein und rief mit heftiger Stimme:

»Neger, willst Du Dich einem weißen Manne widersetzen?«

»Zurück, sage ich, wenn ich mich nicht an Ihnen vergreifen soll; meine linke Hand wiegt zehn Männer Ihres Gleichen auf!« schrie jetzt Buardo und hielt dem Händler die geballte Faust entgegen.

»Warten Sie, Herr Ferrow, ich will doch lieber Herrn Morin rufen,« fiel der Pfarrer vermittelnd und ängstlich ein, als er die drohende herkulische Gestalt Buardo's sich in ihrer Größe entwickeln sah, und zog den Sclavenhändler nach der Thür.

Nur mit großer Ueberwindung seines bessern Gefühls konnte sich Morin entschließen, selbst dem treuen Slaven das Urtheil zu verkünden, doch folgte er endlich der Ueberredungskunst des Pfarrers und begleitete ihn nach Buardo's Hütte.

»Herr, nenne mir Deinen Willen, damit ich ihm Folge leisten kann,« rief Buardo dem Pflanzer entgegen, als dieser in die Thür trat.

»Du sollst mit Semona dem Herrn Ferrow hier folgen, weil man Dir in dieser Gegend nach dem Leben trachtet und Dich sicher tödten würde, wenn Du hier bliebest. Folge darum geduldig, Buardo, es ist zu Eurem eignen Besten und Ihr sollt ja nicht getrennt werden,« sagte der Pflanzer mit wehmüthiger Stimme und vermied den Blick der beiden Sclaven.

»Aber ohne Kette, Herr!« rief Buardo flehend.

»Nur während der Nacht, Buardo, bei Tage ist es ja nicht nöthig,« entgegnete Murin halblaut.

»Nöthig ist es auch bei Nacht nicht, das weißt Du ja, Herr, bitte, nur keine Kette!« bat der Negerfürst wieder, doch der Sclavenhändler hatte ihm bereits das Halseisen umgelegt und schnell geschlossen. Dann ging er mit dem andern Ende der Kette zu der zitternden Semona, schloß das Eisenband um ihren weichen Nacken, winkte ihr, das Bündel mit ihrer Habe aufzunehemen, und schritt ihnen voraus aus der Thür.

Morin war bereits in die Dunkelheit hinausgetreten, um den Blicken der beiden Verkauften zu entgehen, doch diese sahen ihn im Vorüberschreiten und riefen ihm zu:

»Herr, habe Mitleid mit uns!«

Der Sclavenhändler beeilte seine Schritte nach dem Thor in der Einzäunung, wo sein Cabriolet seiner harrte. Dort schloß er die Kette mit ihrer Mitte hinten an den Wagen zwischen die Räder, sprang in denselben hinein und trieb nun das Pferd im schnellsten Schritt durch tiefe Finsterniß auf der Straße hin.

Während der ganzen Nacht folgten die beiden Gefesselten dem Fuhrwerk auf dem steinigen rohen Weg, ohne sehen zu können, wohin sie ihre Füße setzten, doch durften sie keinen Augenblick ihre Schritte verkürzen, da die Kette sie mit sich vorwärts zog. Erst gegen Morgen hielt der Händler vor einem kleinen Gasthause an der Straße an, um seinem Pferde einige Stunden Ruhe zu geben. Dasselbe wurde in den Stall geführt und dort gepflegt, die Sclaven aber blieben an dem Wagen befestigt und Ferrow ließ ihnen nur Brod und Wasser reichen. Sie hatten sich ermüdet von dem Marsche in den Staub gesetzt, während die Sonne heiß auf sie niederbrannte, bald aber wurde das Pferd wieder eingespannt, der Händler nahm seinen Sitz in dem Wagen wieder ein, und es ging wieder mit noch größerer Eile vorwärts, so daß die Neger sich in halben Trab setzen mußten. Gegen Mittag erreichten sie in einem kleinen Orte ein Wirthshaus, wo Ferrow vor der Thür von dem Wirthe mit der Anrede begrüßt wurde:

»Bei Gott, da haben Sie aber ein Paar prächtige Niggers gekauft. Wenn Sie die auf den Markt in Neuorleans bringen, so erhalten Sie einen hohen Preis dafür!«

Ferrow gab ihm keine Antwort darauf, löste die Kette von dem Wagen und führte Buardo und Semona nach einem Stall hinter dem Hause, in welchem schon einige vierzig Sclaven beiderlei Geschlechts eingeschlossen waren. Dort verband er die Kette mit einer andern an der schon zehn Neger hingen, warf ihnen noch ein Gebund Stroh hin und verließ das Gebäude, indem er die Thür hinter sich verschloß.


 << zurück weiter >>