Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Das Wundermädchen aus der Schifferstraße

Nach dem Neuen Pitaval von
J. G. Hitzig und Willibald Alexis

Initial In Berlin, in der Schifferstraße an der Spree, einem noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts nur mit Bretterzäunen und kleinen Schifferhäusern umstandenen, ländlichen Kommunikationsweg von dem damaligen Exerzierplatz nach dem Fluß, sollte ausgangs des Jahres 1848 ein Wunder sich auftun, verhältnismäßig so wunderbar, als es das politische der Märzrevolution für Berlin war. Ein Wundermädchen machte sich bemerkbar, das, von Gott unmittelbar inspiriert, von seinen Engeln umschwebt sein wollte. Kranke heilte. Blinde sehend machte, Lahme gehend, alles allein durch die Kraft des Glaubens. Und das als so vernünftig verschriene Berlin glaubte an das Mädchen und dessen Glauben.

Jedermann wußte in Berlin von diesem Mädchen und erzählte Dinge, die unglaublich klangen, wenn nicht die Wirklichkeit, nämlich das, was jeder sehen und hören konnte, noch unglaublicher gewesen wäre. In den schönen Herbsttagen des Jahres 1848, namentlich an den Nachmittagen, sah man Karawanen von Hilfsbedürftigen und – Wißbegierigen aus dem prächtigen Brandenburger Tor hinausziehen und, statt geradeaus nach dem ehemaligen Lieblingsvergnügungsort Charlottenburg zu pilgern und zu fahren oder im Tiergarten sich zu verlieren, rechts abschwenken, über den aufgewühlten Sandboden des Exerzierplatzes in die kleine, unansehnliche Schiffergasse. Man hätte an Aufläufe und Volksversammlungen glauben mögen, die damals noch an der Tagesordnung waren, wenn es nicht so still hergegangen wäre und die Gesichter einen so eigentümlichen Ausdruck gehabt hätten.

Es waren samt und sonders Leidende und Neugierige, jene, die Trost und Beistand suchten, diese, die erfahren wollten, was denn eigentlich an der Sache sei. Stände, Alter, Geschlechter bunt durcheinander; unter der Masse der Fußgänger bewegten sich Wagen; die elegantesten Equipagen, soweit man Eleganz damals zu zeigen wagte, und lange Leiterwagen mit Stroh, auf denen Bauern aus entfernten Gegenden herbeigekommen waren – alle wollten das Wundermädchen sehen, sprechen, befragen. Aber als die Sache, was man nennt, im Zuge war«, gelangten gar nicht alle zu ihrem Ziel: sie mußten schon in weiter Ferne von dem bescheidenen Häuschen, in dem die Seherin und Gottbegnadete wohnte. Halt machen, denn das Haus war im eigentlichen Sinne des Worts von den Hilfeflehenden und Bresthaften belagert. Was heute vielen als das Allerwunderbarste gelten mag, war die Rolle, die die Polizei dabei spielte.

Zu andrer Zeit würde sie gegen den Spuk an und für sich vielleicht eingeschritten sein und von vornherein ein Ding untersucht und verboten haben, das gegen die polizeilichen Medizinalgesetze stritt, mindestens aber hätte sie den Zudrang der Menschenmenge als etwas Ordnungswidriges verhindert. Wie die Dinge aber damals standen, war man zufrieden, wenn die Menschenmassen sich nur ruhig verhielten, und noch zufriedener, wenn der Zweck der Zusammenläufe nicht politisch war. Außerdem war Freiheit verkündet, im weitesten Maße, also auch für Marktschreier und Gaukler. In solchem Lichte mochten schon damals viele das Wundermädchen betrachten, denn ganz vermag der Luftdruck, wenn er auch noch so mächtig kommt, in dem kritischen Berlin die eigne Ansicht nicht zu unterdrücken; sie macht sich immer auf schneidende und witzige Weise gegen die alles beherrschende Luft geltend, und es sind oft Bonmots, Witzworte gewesen, welche die Tyrannei der allgemeinen Meinung heut erschütterten, um sie morgen umzuwerfen und zum Gespött zu machen. Wenn man aber damals ein Gelüsten empfunden hätte, in das Treiben der Wundertäterin einzugreifen, so standen noch andere Rücksichten im Wege. Wenn man sie unsanft anfaßte, griff man auch die Menge der Gläubigen an und darunter nur zu viele angesehene und hochgestellte Personen. Man nannte eine schon berühmte gräfliche Schriftstellerin, die Gräfin Ida Hahn-Hahn, die später durch ihre Pilgerfahrt von Babylon nach Jerusalem noch berühmter geworden ist. Dies scheint indessen auf einem Mißverständnis zu beruhen. Man nannte aber auch einen blinden Königssohn (den späteren blinden König Georg V. von Hannover), der zwar nicht selbst nach Berlin und in die Schifferstraße gefahren sei, aber das Wunderkind in seine ferne Residenz berufen habe. Sie ging hin, sah, sprach, betete, und es – blieb alles beim alten. Das Mysterium brauchte nicht beschämt zurückzuschleichen, denn es war der Wissenschaft vorher nicht besser ergangen.

Darum trug wahrscheinlich die Polizei Bedenken, einzugreifen. Und wonach hätte sie auch greifen sollen? – Nach einem jungen, zwölfjährigen, unbescholtenen Mädchen, der Tochter armer, aber rechtlicher, auch ganz unbescholtener, frommer Eltern, die sich nirgendwo in den Zeitungen oder durch Maueranschläge als Wundertäterin, Vorbeterin, Somnambule dem Publikum empfohlen hatte, die niemand zu sich lud und kaum die vielen im engen Hause empfangen konnte, die sich zu ihr drängten, die keinem ihren Rat aufdrängte, nicht weissagte, nicht geheime Medikamente, keine Rezepte gab, die gar nichts tat, als daß sie Leidende anhörte und ihnen empfahl, zu Gott zu beten, dann werde alles gut gehen. Wäre noch irgendein Mysterium damit verbunden gewesen, eine Taufe, ein Handauflegen, ein kabbalistischer Spruch! Wäre es noch im Dunkel der Nacht geschehen, bei Kerzenbeleuchtung; aber was geschah, geschah bei hellem Tage, mit offenen Fensterläden; wer Platz fand, konnte Zeuge sein. Hätte sie wenigstens Bezahlung für das genommen, was sie tat! Sie sprach von nichts, sie forderte nicht; sie nahm nur die kleinen oder großen Geschenke, die man ihr gab, entgegen.

Mit welchem Rechte hätte die Polizei dagegen einschreiten sollen, solange es eben nichts andres war?

Was aber tat die Polizei? Da der Andrang zu Wagen, zu Roß und Fuß so groß wurde, daß die Schifferstraße ganz versperrt ward, so ließ sie entweder Gänsemarschreihe bilden, wie an den Theaterkassen, so daß nur immer einer nach dem andern in das Haus treten konnte, oder sie nahm denen, die nicht lange warten wollten, ihre Bittschriften und Eingaben ab und reichte sie dem Wundermädchen oft packweise ins Haus. Denn die Hilfesuchenden wußten in der Mehrzahl schon, wie es herging, und brachten ihre Beschwerden schriftlich mit.

Wer nun so glücklich war, ins Haus eingedrungen zu sein, fand in der kleinen Stube des Holzanweisers Braun dessen Tochter Luise, das zwölfjährige, artige Mädchen – wenn nicht gerade als Zauberin ausstaffiert, doch in einem halb phantastischen Kostüm bereit, ihn anzuhören, oder sie hatte auch schon aus einem Brief von seinem Leiden und Anliegen Notiz genommen. Gewöhnlich saß sie in einem weißen Kleide, bunt bekränzt, einen Helgoländer Hut auf dem Kopfe, unter dem dicke Haarflechten hervorquollen. Die Audienz war in der Regel kurz, und das Resultat war, wie schon erwähnt, daß sie sich auf keine Heilmethode einließ, noch weniger Medikamente empfahl, sondern den Leidenden nur zum Glauben und zum Gebet ermahnte und ihren Zuspruch mit einigen Bibelsprüchen oder Versen aus dem Gesangbuch begleitete.

Wo ihre Behandlungsart davon abwich, werden wir aus dem Prozeßverfahren ersehen.

Man erzählte sich von wunderbaren Fällen, in denen ihre Empfehlung zum Gebet sofort die Genesung zur Folge gehabt habe. Zuweilen freilich machte sie sich anheischig, selbst mit dem Kranken, von der Ferne aus, zu beten; auch tat es ihr Schutzengel » Jonathum« (oder Jonathan), von dem und dem andern Engel » Gerod« wir später noch viel hören werden. Zuweilen versicherte sie auch, mit Christus oder Gott unmittelbar in Berührung gekommen zu sein, und wußte vom Himmel und der Hölle zu sprechen, in die ihr Blicke gewährt worden, oder sie war selbst hinauf oder hinabgeschwebt. Die Kunde dieser Mysterien kam übrigens damals nicht ins große Publikum, es waren nur Mitteilungen für einige wenige Erwählte, während die große Menge eben nur erfuhr und wußte, daß ein oder zwei Engel aus ihr sprachen und das Große wirkten, das in des Kindes Natur sich kundgab und wofür selbst Zeugnisse nicht fehlten. All dieses Glück hinderte indessen nicht, daß auch die Glanzzeit des Wundermädchens ablief. Andere Ereignisse, heißt es, verdrängten das Wundermädchen vom Schauplatz, und es war bald nicht mehr nötig, daß die Schifferstraße von einem Pikett Schutzmannschaft täglich besetzt ward, ohne daß damit gesagt wäre, daß nicht doch noch einzelne Kranke an ihre Tür klopften. Aber jene oft erwähnte Macht: Kritik und Witz geheißen, mischte sich ins Spiel, und Tausende von Bonmots gingen durch die Berliner Gesellschaft. So fanden der Witz und der Argwohn darin ein sonderbares Zusammentreffen, daß in derselben Gasse, dieser Geisterseherin und Inspirierten gegenüber, der vielbesprochene theologische Professor und Herausgeber der »Evangelischen Kirchenzeitung«, der streng orthodoxe Dr. Hengstenberg, sich ein Haus gebaut hatte. Wer erzählt alles nach, womit man Luise Braun in Verbindung brachte; selbst mit der Politik der Zeit wurde sie in Kontakt gebracht. Der Witz beschäftigte sich jedoch auch mit ganz harmlos barocken Anekdoten, von Buckligen, denen der Buckel abgefallen sei; allerdings sei es nur ein »ausgestopfter« Buckel gewesen. Dann erzählte man von einem, der einen harten Taler verschluckt hatte und das schwere Metall nicht loswerden konnte. Da habe Luise Braun mit ihm gebetet und zum Glauben empfohlen; darauf sei ihm der Taler ziemlich schmerzlos auf dem Naturwege abgegangen, aber »gewechselt«, als 30 kleine Silbergroschen.

Der Witz, vielleicht noch mehr der Überdruß ließ schließlich das kleine Wunderkind von der öffentlichen Bühne verschwinden. Seit dem Frühjahr 1849 hörte man nichts oder wenig von ihr, bis man nach vier Jahren, 1853, desto mehr wieder von ihr hören sollte. Die Polizei bemächtigte sich ihrer, die Kriminaljustiz empfing sie und stellte sie als Verbrecherin vor die Schranken des Gerichts.

Es waren nicht die Spielereien mit einem Wunderglauben, die jahrelang hoch und niedrig, reich und arm in die Nähe des kleinen Mädchens geführt hatten und die man als »harmlos« gelten ließ, weil sich schließlich niemand über einen Schaden zu beklagen hatte. Was die kleine Wundertäterin an nobeln Geschenken und an Geld von hochgestellten Personen erhalten haben mochte, war jedenfalls außerordentlich hoch gegen die kleinen Summen, die sie sich durch Manipulationen verschaffte, die als direkt betrügerisch gelten mußten. Es waren eigentlich Lappalien, über die sie stolperte, und auch die Personen, die sie zu Fall bringen sollten, gehörten nicht den hohen Ständen an, die sich einige Jahre vorher für das Wundermädchen interessiert hatten. Aber der Prozeß und dessen Hauptperson erregten ungeheures Interesse.

Ein Feldwebel Neuenfeldt hatte in seltsamen Gesuchen an den König diesen gebeten, ihn doch endlich, wie ihm verheißen worden, an den Hof zu berufen und zu seinem ersten Kammerherrn zu ernennen. Bei der Untersuchung auf seinen Gemütszustand hin wurde der Mann in das Charitékrankenhaus gebracht, zugleich aber ermittelt, daß die Phantasien, die seinen Verstand wenigstens zeitweilig verwirrten, von der kleinen Luise Braun in ihm angeregt worden waren. Es wurden noch mehrere, von ihr auf ähnliche Weise am Narrenseil geführte Personen ermittelt, und die Untersuchung ergab, daß ein kaum dem Kindesalter entwachsenes Mädchen mit einem ganz ungewöhnlichen Raffinement schon als Kind Tausende zu verblenden und zu betrügen gewußt hatte; daß sie nichts weniger als eine Somnambule, Inspirierte, Seherin oder Schwärmerin war, sondern eine gemeine Betrügerin, die, unter dem Deckmantel der Religion, mit einem seltenen Grad verbrecherischer Schläue und List, aber mit den plumpsten Vorspiegelungen und raffiniertesten Spekulationen auf den Glauben an Wunder zuerst beim großen Publikum, dann mit berechnender Schläue bei einigen Gimpeln spekuliert und herzlos die letzteren ausgebeutet und zugrunde gerichtet hatte. – Die Mehrzahl der ihr zur Last gelegten Handlungen hatte die jetzt sechzehneinhalbjährige Verbrecherin eingestanden und wurde wegen wiederholten Betruges vor Gericht gestellt.

*

Am 22. Februar 1853 fand die öffentliche Verhandlung vor dem Kriminalgericht statt. Der Antrag des Staatsanwalts auf Verhandlung bei verschlossenen Türen wurde zu voller Befriedigung des zahlreich versammelten Publikums und gewiß mit vollem Rechte zurückgewiesen. Man ging aber im Verfahren und in der Anklage mit nur zu großer Schonung und Rücksicht über die vornehmen und hochgestellten Personen hinweg, die als Opfer ihres Aberglaubens dupiert worden waren, und selbst auf die Angeklagte scheint man dahin eingewirkt zu haben, daß sie ihre Zunge verbiß, wenn die Rede sich zu jenen hohen und höchsten Opfern wandte. Ob sich daran für sie Versprechungen einer milderen Strafe geknüpft haben und ob darin der Grund zu suchen ist, daß sie so entschieden furchtlos vor Richter und Publikum trat, wagen wir weder zu behaupten noch zu bestreiten. Gewiß ist nur, daß man jene interessante hoch- und höchstgestellte Kundschaft kurz überging und nur die letzten unglückseligen Opfer ihrer Betrügereien auf die Bühne des Gerichtssaals zog. Aber das Publikum verstand doch wohl, von den unscheinbaren Personen des eigentlichen Gerichtsdramas auf die Vornehmen und Hochgestellten Schlüsse zu ziehen. Man wußte, daß die vor Gericht erscheinenden Opfer aus bürgerlichen und kleinbürgerlichen Kreisen nur sozusagen symbolisch, als Stichproben angesehen werden mußten und daß die eigentlichen Narren und Dupierten, die hier vom Gericht schonungsvoll hinter die Kulissen gestellt wurden, gleichsam ihren monströsen Reinfall in kleinen Spiegeln reflektiert zu sehen bekamen.

Aller Augen waren auf die Tür gerichtet, als die Angeklagte hereingeführt wurde. Ein junges Mädchen erschien, das sichern Schritts auf die Anklagebank zuging. Der erste Anblick genügte, um alle Vorstellungen von einer Seherin, einem Traumwesen, einer von Wahnsinnsschauern Durchzückten zu zerstören. Es war ein zierliches Theaterpüppchen, ein hübsches, junges Mädchen von schlanker Gestalt, nicht zu kräftigem und üppigem Wuchs, aber mit reichem, dunklem Haar, das sorgsam geordnet war. Ein glatter Scheitel legte sich an die niedrige, weiße Stirn, die an sich schon die Vorstellung von Erhabenheit und Weihe ausschloß, wenn man auch nicht auf die zierlichen Flechten achtete, die das Haar auf dem Hinterkopfe und den Seiten umrahmten und an die Arbeit von Stunden erinnerten. Das Gesicht erschien von den Einflüssen der Gefängnisluft etwas blaß, die Züge aber verrieten eine Ruhe und Kälte, die man sonst bei der Jugend nicht zu finden gewohnt ist. Das seltsame Feuer, das aus den Augen blitzte, schien weniger nach himmlischen als nach irdischen Dingen zu verlangen; die Blicke aber, die sie im Publikum umherschweifen ließ, sprachen von List und Verschlagenheit.

Ihre gewählte und sehr zierliche Toilette verriet dem gewöhnlichsten Psychologen, worauf eigentlich der Sinn des Wunderkindes gerichtet sei. Sie mußte viel Farbenfreude haben. Einem zwar einfachen, aber höchst sauberen, blauen Kleide schloß sich ein schwarzes Samtmieder knapp an und hob vorteilhaft die ganze Gestalt. Damit in harmonischem Einklang stand ein rotes Krawattenband um den weißen Hals geknüpft. Blendend weiße und zierlich gefaltete Handmanschetten vollendeten die Toilette.

Kein Zug von Schwärmerei, nichts von Melancholie, berichtet ein Zuschauer, ist auf dem Gesicht zu entdecken, gar nichts Wunderbares, Geheimnisvolles, Übersinnliches, kein Streiflicht, das vom »Himmel« fällt. Es ist ein vollendet kokettes, ein gewöhnliches, putz- und gefallsüchtiges Mädchen, dessen ganzes Wesen eine freie Sinnlichkeit atmet. Die Blicke der Musterung, die sie über das Publikum hingleiten ließ, konnten von dem gleichgültigsten Zuschauer nicht unbefangener ausgehen. Auch als nun die Anklage verlesen wurde, die sie stehend anhören mußte, ging keine Veränderung in den Zügen vor; nichts von Erröten, Beschämung, Furcht vor der Strafe, die ihr gewiß bevorstand.

Die Anklage

»Die Angeklagte ( Marie Luise Braun, am 18. Juni 1836 zu Berlin geboren, Tochter der Holzanweiser Braunschen Eheleute) zog im Herbst 1848 und im Frühjahr 1849 die öffentliche Aufmerksamkeit dadurch auf sich, daß sie angab, mit einem Engel, den sie Jonathum und ihren » Führer« nannte, in Verbindung zu stehen und von Gott zur Heilung von Kranken durch Hinweisung auf Gebet und Glauben berufen zu sein. Infolgedessen strömten ihr Kranke in Menge zu. Viele glaubten an sie und an ihren himmlischen Führer. Manche behaupteten, durch sie von einem unheilbaren Übel geheilt zu sein, und bald hatte sie den Namen des ›Wundermädchens‹ und ›Wunderkindes.‹ Allmählich indessen verlor sich die Teilnahme der großen Menge. Desto fester hingen einzelne Personen an der Angeklagten, die inzwischen mit ihr und ihren Eltern nähere Bekanntschaft gemacht hatten. Zu diesen Personen gehörte der Vizefeldwebel Neuenfeldt, der im Frühjahr 1849 mit seinem Regiment hier in Garnison lag, und der Ökonom Ellmers, den der Ruf des Wunderkindes aus seiner Heimat in Hannover nach Berlin gelockt hatte. Beide, obwohl schon dem fünfzigsten Lebensjahre nahe, waren für den Glauben an die Wunderkindschaft der Angeklagten, Neuenfeldt durch hyperreligiöse Richtung, Ellmers durch große und unverkennbare Verstandesbeschränktheit, besonders empfänglich und wurden darin noch durch jenen allgemeinen Zulauf von Kranken und durch die Mitteilungen bestärkt, welche die Angeklagte über ihren Verkehr mit ihrem Führer Jonathan oder -thum, mit Christus, mit Himmel und Hölle, und über ihre Wunderkuren, vornehmlich an hochgestellten Personen, machte. Diesen blinden Glauben benutzte die Angeklagte dazu, sich im Laufe der Jahre 1850 und 1851 bis etwa Mai 1852 von Neuenfeldt und Ellmers nach und nach bedeutende Geldsummen zu erschwindeln, für die sie sich seidene Kleider, Handschuhe, Schmucksachen, moderne Putz- und Luxusgegenstände, Theaterbillette, Näschereien und Delikateßwaren kaufte. Sie knüpfte nämlich mit Neuenfeldt, der im Sommer 1849 außerhalb Berlins in Garnison stand, hinter dem Rücken ihrer Eltern eine Korrespondenz an. Gelegenheit dazu fand sie durch den Briefwechsel, den Neuenfeldt im Juli 1849 mit ihren Eltern begonnen hatte und den sie, weil letztere weniger schreibkundig sind, im Namen ihres Vaters führte. Anfangs machte sie heimliche Einlagen, bald aber schrieb sie unabhängig von jenem Briefwechsel und ließ sich die Antworten unter fremder Adresse zugehen. Ihre Briefe, die bei Neuenfeldt gefunden und von ihr als echt zugegeben sind, waren auf seine religiöse Richtung, insbesondere auf seinen eingewurzelten Glauben an ihren »Führer« und seinen Wunsch, in Berlin eine Zivilversorgung zu erhalten, und zugleich auf ihren gewinnsüchtigen Zweck sehr listig berechnet. Sie bat Neuenfeldt regelmäßig um Geld und gab in verschiedenen Briefen entschieden vor, daß sie dies auf Befehl, oder im Auftrage, oder auf Wunsch ihres »Führers«, oder Gottes, oder Christi tue, und daß das Geld zur Anschaffung von himmlischen Bildern oder sonst zu frommen Zwecken, oder für ihren ›lieben Herrn‹, oder ›nach Gottes Willen‹ verwendet werden sollte. Einmal meldete sie Neuenfeldt die Botschaft, daß er eine Stufe höher im Himmel gestiegen, daß dies ein Fest für den Himmel gewesen sei und daß sie dabei mit den Engeln gesungen habe. Sehr häufig erwähnt sie, daß ihre Eltern von dieser Korrespondenz nichts wüßten und, wie sie in einem Briefe hinzufügt, offenbar in der Absicht, auch diesen Umstand als einen Befehl ihres »Führers« darzustellen, auch noch nichts wissen dürften. Ein andermal gibt sie ihm Anweisung, daß er nach Meinung ihres »Führers« mit verstellter Handschrift ihr einen anonymen Brief an ein fremdes Postamt und Geld ihr direkt zusenden könne.

Anfangs stellte sie ihre Geldforderungen in längeren Zwischenräumen, und allgemein ohne Bestimmung der Summen und eines Zahlungstermins. Da aber Neuenfeldt, im Glauben an ihren »Führer« befangen, sich täuschen ließ und Geld schickte, wurde sie bald dringender. Sie fordert in kürzeren Zwischenräumen, verlangt, daß er so viel Geld schicken solle, als er könne, setzt kurze Zahlungstermine fest, mahnt und verweist ihn, sobald er Einwendungen macht, auf den Willen Gottes, den sie ausführen müsse. Ein andermal schrieb sie: ›Was er ihr tue, tue er an ›Jesus Christus‹. Ein andermal beim Empfang einer Geldsumme: ›Sie brauche das Geld nach Gottes Willen sehr nötig, auch wenn es noch mehr wäre‹. Ein drittes Mal erklärt sie eine Anfrage von ihm: ›ob sie Geld brauche?‹ für Gott sehr wohlgefällig, fordert ihn auf, so viel als in seinen Kräften, zur Verwendung nach Gottes Willen, zu schicken, und bittet ihn, » Eilig« auf den Brief zu setzen, damit sie das Geld bald bekomme. Die Angeklagte ließ es indessen dabei nicht bewenden. Neuenfeldt war im Oktober 1851 nach Berlin gekommen und durch ihre Vorspiegelung, daß sie mittels ihrer vertrauten Bekanntschaft mit sehr hochgestellten Personen ihm eine Anstellung bei Hofe erwirken werde, bewogen worden, in Berlin Wohnung und im Januar 1852 den Abschied zu nehmen. Jetzt setzte die Angeklagte ihre Korrespondenz mit Neuenfeldt nicht bloß in der bisherigen Weise fort, sondern, obwohl sie wußte, daß seine Mittel erschöpft waren und daß er sogar darbte, trieb sie ihn durch gesteigerte Vorspiegelungen unablässig und mit Erfolg an, das Geld, dessen sie zu den angeblich göttlichen Zwecken bedurfte, von anderen zu borgen.

Sie stellt ganz kurze Zahlungstermine – Mittag – Nachmittag – Abend –, bezeichnet die Summe progressiv, nennt anfangs die Personen, von denen Neuenfeldt auf Befehl Gottes oder Christi borgen soll, das erstemal sogar ihren Vater, der von ihrer Mitteilung aber nichts wissen dürfe, bis sie es endlich für ›ganz egal‹ erklärt, von wem er borge. Dabei gibt sie vor, einmal, daß Christus selbst ihr den Brief diktiert habe und Neuenfeldt bedenken solle, welche Ehre dies für ihn sei; öfters teilt sie ihm mit, daß sie in der Nacht mit Gott bei ihm gewesen und Gott ihm schon in dieser Nacht den Befehl, das Geld zu borgen, erteilt habe, droht auch sehr häufig für den Fall, daß Neuenfeldt nicht gehorchen werde, mit Zorn und Strafe Gottes. Vom 13. März 1852 ab bis gegen Ende desselben Monats wiederholen sich ihre Briefe mit der Aufforderung, zu borgen, fast täglich, und in demselben Maß erneuern sich die Mittel der Angeklagten, Neuenfeldt willig zu erhalten; zumeist stellt sie die Befehle Gottes, zu borgen, als eine gemeinsame Prüfung dar, die bald endigen werde.

Am 13. März versichert Gott, daß das Geld in derselben Woche tausendfältig solle bezahlt werden können, und der Herr Christus will nicht, daß die Angeklagte von einem Reichen borge, wozu sie Gelegenheit hatte, weil ihm das zur Unehre gereichen würde. Am 14. März befiehlt Gott zum letztenmal, und die Angeklagte versichert in dem Briefe, daß zur Beglaubigung Christus den Brief mit durchbohrter Jesushand unterschrieben habe. Es finden sich auch unter diesem, mit deutschen Buchstaben geschriebenen Briefe seitwärts von der Namensunterschrift der Angeklagten als Unterschrift die Worte: »Jesus, dein Seligmacher und Erbarmer, Amen« in lateinischer Schrift. Am 15. März befiehlt Gott wieder zum letztenmal, denn ›alle guten Dinge sind drei, sagt der Herr‹.

Den Brief vom 16. März hat Gott durch die Hand der Angeklagten geschrieben, und am 17. befiehlt er zum allerletztenmal unter härterer Strafandrohung. Am 18. März nennt die Angeklagte, auf göttlichen Befehl, Neuenfeldt ihr ›liebes Männchen‹, am 19. erhöht sie, weil er am 18. die verlangten 6 Taler nicht beschafft, auf Geheiß Gottes zur Strafe die Summe auf 8 Taler und nennt sich sein ›Weibchen‹. Am 20. zeigt sie ihm an, daß sie am Abend mit ihm von Gott eingesegnet werden solle, und daß sein Führer Horiel und ihr Führer viel Tränen vergossen hätten. Am 27. endlich erwähnt sie, daß Gott und sie die Nacht über an seiner Seite gelegen. Sehr charakteristisch aber ändert sie ihr Betragen, als Neuenfeldt sie in einem Schreiben vom 31. März 1852 flehentlich bittet, bis zum 1. April Geld zur Befriedigung seiner drängenden Gläubiger durch ihren »Führer« zu beschaffen, und als er demnächst wegen eines von ihm beabsichtigten Gesuchs um Anstellung sie um Rat fragt. Sie antwortet ihm schnöde und hart, nennt ihn › Herr Neuenfeldt‹ und › Sie‹ statt des früheren ›liebes Männchen‹ und ›Du‹ und entgegnet, daß seine Anstellungsangelegenheit ihrem Führer ›bis dahin‹ sei, und daß ihr dieser darin keinen Rat mehr gebe, weil seine Anstellung habe geschehen sollen, ohne daß er ihr schriebe. Trotzdem verlangt die Angeklagte noch einmal in einem Briefe vom 3. Mai 1852 von Neuenfeldt, daß er auf Jesu Christi Befehl bis nachmittag 7 Taler schicke.

Durch diesen frechen Mißbrauch der Religion und durch eine so schrankenlose Habsucht führte die Angeklagte ohne eine Spur von Scham und Mitleid Neuenfeldt nicht bloß tief in Schulden und in äußerste Not, sondern trug auch dazu bei, seinen Verstand zu verwirren, denn die traurige Lage, in die der, wie seine Zeugnisse und Papiere beweisen, auf Ehre und Ordnung streng haltende Mann durch die Angeklagte versetzt war, fixierte endlich alle seine Gedanken auf jene Anstellung, die die Angeklagte ihm schon im Oktober 1851 versprochen und mit der sie ihn von Zeit zu Zeit hingehalten hatte. Er trat, von der äußersten Not getrieben, mit schriftlichen Gesuchen hervor, deren Inhalt nebst seinen demnächst zu erfolgenden mündlichen Erläuterungen eine Prüfung seines Gemütszustandes veranlaßte. Diese ergab seine Indispositionsfähigkeit wegen hohen Grades der Verstandesschwäche, weshalb er im Juni 1852 in das Berliner Charitékrankenhaus befördert wurde. Der Stationsarzt wird begutachten, daß der Einfluß der Angeklagten zu Neuenfeldts Seelenstörung wesentlich beigetragen hat.

Ähnlich ist der Fall des Ökonomen Ellmers. Dieser Ellmers, der täglich mit der Angeklagten zusammenkam, weil er sich bei ihren Eltern in Kost gegeben hatte, erbte im Jahre 1849 oder 1850 eine Summe im Betrage von 1100 Talern Gold und bekam diese aus seiner Heimat in zwei Paketen zu 600 Talern resp. 500 Talern hannoverschen Doppellouisdors zugeschickt. Er gab beide Pakete dem Vater der Angeklagten in Verwahrung, nahm aber bald das eine im Betrage von 500 Talern zurück und behielt es bei sich. Die Angeklagte bemühte sich sogleich, ihm diese 500 Taler abzuschwatzen, unter dem Vorwande, ihr » Führer« verlange es, sie müsse das Geld haben und sie wolle es ihm aufbewahren. Auf Ellmers' Einwendungen, daß er das Geld in Hypotheken oder sonstwie anlegen wolle, entgegnete sie: da sei das Gold nicht sicher, er könne es leicht verlieren, bei ihr sei es sicher. Er brauche ja kein Geld, bleibe bei ihnen und könne es auch immer wiederbekommen. So ließ sich Ellmers verleiten, der Angeklagten 450 Taler nach und nach in Summen von 2 bis 3 Doppellouisdors zu übergeben. Sobald dies Geld aufgezehrt war, drang die Angeklagte weiter in Ellmers, er solle das in Verwahrung ihres Vaters befindliche Paket untersuchen, ob es wirklich 600 Taler enthalte. Endlich gab Ellmers nach, erbat sich das noch ordnungsmäßig versiegelte Paket von ihrem Vater und überzählte in Gegenwart der Angeklagten den Inhalt, den er richtig fand. Darauf band er das Paket mit einem Bindfaden zu und legte es in Anwesenheit des Vaters der Angeklagten in dessen Sekretär. Etwa nach vierzehn Tagen bis drei Wochen teilte ihm der Vater der Angeklagten mit, daß das Paket geöffnet sei und daß das Geld umherliege. Ellmers überzeugte sich selbst davon, zählte sogleich nach und vermißte 14 Doppellouisdors.

Der Vater der Angeklagten schob die Schuld auf einige Leute, die während seiner Abwesenheit im Zimmer gewesen seien. Gleichzeitig erbot sich die verehelichte Braun, das fehlende Geld zu ersetzen. Ellmers nahm demnächst 10 Taler für sich und gab den Rest von 450 Talern Gold der Frau Braun in Verwahrung. Von jetzt ab drang die Angeklagte unausgesetzt in ihn, auch die 450 Taler ihr einzuhändigen. Seinen Weigerungen gegenüber erklärte sie: ihr »Führer« bestehe darauf, daß sie sein Geld haben solle. Dabei bestärkte sie ihn in seinem Glauben an ihren Führer sogar dadurch, daß sie sich nicht bloß ihrer Wunderkuren an hochgestellten Personen sowie ihrer Aussichten, durch letztere Güter in verschiedenen deutschen Landesteilen zu erhalten, rühmte, sondern ihm auch die kostbaren Kleider und Schmuckgegenstände, die sie für das ihm und Neuenfeldt abgenommene Geld gekauft hatte, unter dem Vorgeben zeigte, sie von einer durch sie geheilten Gräfin geschenkt erhalten zu haben. So kam es, daß Ellmers auch jene 450 Taler der Angeklagten nach und nach auslieferte und kein Geld mehr besaß, als etwa im April 1852 die Eltern der Angeklagten 56 Taler rückständiges Kostgeld von ihm verlangten. Die Angeklagte, von der Ellmers deshalb sein Geld zurückverlangte, zog ihn eine Zeitlang hin, zuletzt leugnete sie aber kurzweg, jemals Geld von ihm erhalten zu haben. Trotz harter Züchtigung seitens der Eltern blieb sie beim Leugnen, so daß Ellmers, der bisher über den ganzen Vorfall gewissenhaft geschwiegen hatte, weil ihm von der Angeklagten eingeschärft worden war: es dürfe niemand wissen, daß sie sein Geld besitze, wegen Mangels aller Beweise den Eltern der Angeklagten nicht als Betrogener erschien, sondern als ein Betrüger, der sie um das rückständige Kostgeld bringen wolle.«

*

» Die Witwe Feicht, eine jetzt 75jährige, altersschwache Frau, war im Herbst 1848 eines kranken Enkels halber zum Wunderkinde gelaufen und glaubte, wie sie eidlich versichert, fest an den Führer der Angeklagten, zumal diese auch ihr allerhand Geschichten über Himmel und Hölle erzählte, die sie gesehen haben wollte. Gleichzeitig mit Neuenfeldt und Ellmers wurde allmählich auch die Feicht mit der Familie Braun bekannt, und seit 1850 fand sich die Angeklagte häufig bei ihr zum Besuch ein. Dabei äußerte die Angeklagte, daß sie Geld brauche, mit hohen Personen in Verbindung stehe und der Feicht das Geld später wiedergeben würde. Auch bediente sie sich, wie sie einräumt, des Vorwandes, daß es ihr »Führer« verlange, und daß sie fromme Bilder für das Geld kaufe und es zu andern Zwecken verwende. Einmal, als die Feicht auf Drängen der Angeklagten, ihr Geld zu borgen, entgegnet hatte, sie besitze nur noch eine Ersparnis für ihre zwei verwaisten Enkel, prophezeite die Angeklagte, wie eine Zeugin bekunden wird, sogar: »Für die Enkel brauche die Feicht nicht zu sparen, denn diese stürben beide sehr bald.« – So empfing die Angeklagte von der Witwe Feicht etwa 50 Taler.«

»Der Kaufmann Schultz, ein lungenkranker Mann, hatte sich, ohne abergläubisch zu sein, an die Angeklagte nur gewandt, um alles zu versuchen. Infolgedessen hatte sie ihm in Gegenwart der Witwe Feicht und in deren Wohnung ein Läppchen mit einem angeblichen Heilmittel dazu übergeben, das ihn gesund machen sollte. Schultz trug den Lappen einige Tage und warf ihn dann weg, ohne den Inhalt anzusehen. Einige Wochen später, im Februar 1852, kam die Feicht mit der Angeklagten zu ihm und überreichte ihm namens der letzteren ein neues Läppchen. Dann sagte sie, die Angeklagte habe einen Christuskopf und eine Blume aus dem Himmel mitgebracht, beide sollten eingerahmt werden und die Feicht dann mit dem Christuskopf auf dem Lande umhergehen und Kranke gesund machen. Die Zurichtungen aber kosteten viel Geld, beide hätten augenblicklich keins, und daher solle Schultz einen größeren Betrag auf acht Tage borgen. Anfangs weigerte er sich; auf Zureden der Feicht aber, daß es ja nur auf acht Tage sei und daß er von der Angeklagten das Geld wiederbekomme, versprach er, das Geld in die Wohnung der Feicht zu bringen. Dort gab er der Angeklagten auch, wie sie einräumt, eine Summe, wobei sie selbst die Rückzahlung nach acht Tagen zusagte. Die Rückzahlung ist indessen nicht erfolgt, trotz vielfacher Mahnungen und obwohl Schultz deshalb an den Vater der Angeklagten geschrieben und in dem Briefe erklärt hatte: ›Er habe geglaubt, es mit einem Engel zu tun zu haben, jetzt sehe er wohl, daß es ein Teufel wäre‹.

Die volle Zurechnungsfähigkeit der Angeklagten unterliegt nach den Wahrnehmungen des Untersuchungsrichters und dem Gutachten des gerichtlichen Physikus keinem Zweifel. Das ergibt sich schon aus den vorliegenden Tatsachen sowie aus dem Benehmen der Angeklagten gegen ihre Eltern und vor Gericht. Nicht nur, daß sie ihre Handlungsweise gegen Neuenfeldt, Ellmers, die Feicht und Schultz ihren Eltern eben aus Schuldbewußtsein verschwieg, sie belog diese auch vielfach. Sie ging häufig aus, besuchte auch Vergnügungsorte und Bälle, ließ sich von Männern begleiten, hatte kleine Liebeleien, zu denen sie selbst auf schlüpfrige Weise anreizte, und blieb ein paarmal, weil sie sich bei diesen Vergnügungen verspätet hatte, über Nacht bei der Feicht. Den Eltern log sie vor, daß sie die eine Nacht über dem König mit einem Kammerherrn habe nachreisen müssen, daß sie Kranke besuche und bei solchen Besuchen sich verspätet habe, und trotz wiederholter harter Züchtigungen erklärte sie: ›Es sei ihr Beruf, Kranke zu besuchen, und sie werde es tun, bis man sie totschlage.‹ Vor Gericht bestritt sie hartnäckig die betrügerische Absicht, schob alle Verantwortlichkeit für ihre Handlungen auf ihren »Führer«, auf Gott und auf Christus, deren Anweisungen sie ausschließlich gefolgt sei und mit denen sie noch immer in Verbindung stehe. Insbesondere versicherte sie, daß Christus ihr die Hand geführt und so seinen Brief unterschrieben habe, und bezichtigte Ellmers der falschen Denunziation aus unlautern Motiven.«

Das Verhör der Angeklagten

Das Wundermädchen war während der Verlesung der Anklage sich vollkommen gleich geblieben. Bei keiner Stelle verriet sie Teilnahme, Furcht, nicht einmal Aufmerksamkeit. Als werde da etwas für sie ganz Gleichgültiges verlesen, kokettierten ihre lebhaften Augen mit dem Publikum. Namentlich suchte sie, wie man beobachtet haben will, mit den anwesenden Herren Blicke zu wechseln, die weder mit der Andacht und dem Himmel, am wenigsten aber mit der Reue etwas gemein hatten.

So verblieb sie während der ganzen Verhandlung, so bei der Verurteilung und Abführung. Bei dem Verhör, das nun folgte, antwortete sie nicht mit schüchterner, sondern mit der festesten Stimme.

Die erste Frage des Präsidenten war:

»Was haben Sie auf die Anklage zu erwidern?«

Angeklagte: »Daß zwar alles das richtig ist, daß ich aber keinen Menschen habe betrügen wollen.«

Präsident: »Haben Sie Wunderheilkräfte besessen? Sie haben früher bereits zugegeben, daß Sie selbst nicht mehr daran glauben?«

Angeklagte: »Ich habe jahrelang geglaubt, daß ich Wunder tun und Kranke heilen könnte, und wurde in diesem Glauben bestärkt, weil die Leute in Masse sich zu mir drängten. Dann bekam ich auch so viele Briefe von Leuten, die mir anzeigten, daß sie durch mich von unheilbaren Krankheiten geheilt wären.«

Präsident: »Sie haben behauptet, übernatürliche Erscheinungen gehabt und namentlich mit einem Engel verkehrt zu haben, den Sie Jonathum und Ihren Führer nennen. Wie ist es damit und von welcher Zeit her datieren diese Erscheinungen?«

Angeklagte: »Ich hatte zwischen meinem 12. und 13. Jahre das Fieber, da kamen in einer Nacht zwei Engel an mein Bett. Einer war ganz weiß, der andere aber war grau eingehüllt. Der weiße Engel sagte mir, er heiße Jonathum und sei mein Führer. Er sagte selbst, er sei vom Himmel gesendet, um mir mitzuteilen, daß ich Heilkräfte besäße, und daß ich nur zu beten brauche, um diese in Anwendung zu bringen. Der graue Engel heiße Gerod und sei sein Begleiter auf der Reise vom Himmel zur Erde.«

Präsident: »Hatten diese Erscheinungen menschliche Gestalt?«

Angeklagte: »Ja!«

Präsident: »Wie konnten diese Erscheinungen und deren Heilkräfte nun aber ohne Ihre Mitwirkung bekannt werden?«

Angeklagte: »Ich erzählte zuerst meinem Arzte, dem jetzt verstorbenen Dr. Döring, von diesen Erscheinungen, dieser aber schien darauf nicht viel zu geben, weil er mich damals für krank hielt. Als meine Krankheit aber behoben war und mein Führer mich noch fortgesetzt besuchte und mir stets sagte, ich solle beten und heilen, teilte ich das endlich dem Bauschreiber Wessely, einem frommen Manne, der oft zu uns kam, mit, dieser sagte es meinen Eltern, und da ich zu diesen seine Angaben bestätigte, so erzählte er es weiter. Da kamen denn die Leute in Scharen zu mir und wollten geheilt sein.«

Präsident: »Wie oft hatten Sie Erscheinungen Ihres Führers?«

Angeklagte: »Erst lange Zeit täglich, dann einen Tag um den andern, später noch seltener und jetzt, wo ich im Glauben wankend geworden bin, habe ich die Erscheinung schon lange nicht mehr gehabt.«

Präsident: »Wie heilten Sie denn die Kranken? Nahmen Sie mit ihnen eine Behandlung vor, berührten Sie dieselben, oder was taten Sie und sagten Sie zu ihnen?«

Angeklagte: »Ich berührte niemand, sondern sagte allein zu den mich besuchenden Kranken, sie sollten stark im Glauben sein und beten, betete sodann auch selbst für sie.«

Präsident: »Und Sie glauben wirklich, daß hierdurch jemand geheilt worden ist?«

Angeklagte: »Jawohl, ist doch z. B. das Enkelkind der Witwe Feicht, das lange blind war, durch mein Gebet sehend geworden.«

Präsident: »Haben Sie Schul- und Religionsunterricht genossen?«

Angeklagte: »Ja, ich habe drei Schulen besucht und in ihnen auch Religionsunterricht empfangen. Zuletzt bin ich in den Religionsunterricht des Predigers Knaack gegangen.«

Präsident: »Sind Sie bereits eingesegnet?«

Angeklagte: »Nein, noch nicht.«

Präsident: »Sie haben bereits erwähnt. Sie hätten endlich selbst den Glauben an Ihre Heilkraft verloren; wann war dies und wie ist dies gekommen?«

Angeklagte: »Ich habe bis zum letzten Jahre' fest an meinen Führer geglaubt, dann aber kamen immer weniger Leute, ja viele sagten sogar, meine Erscheinungen und Reden seien unwahr, ich rede nur so, da habe ich mir es denn ausreden lassen und bin auch von meinem Glauben abgekommen.«

Präsident: »Was haben Sie denn für Ihre Heilung von den Kranken erhalten?«

Angeklagte: »Ich habe hin und wieder Geschenke erhalten, am meisten von einem Prinzen.«

Präsident: »Wie haben Sie den Feldwebel Neuenfeldt kennengelernt?«

Angeklagte: »Er wurde durch Wessely zu uns geführt, ohne daß er krank war oder Hilfe von mir haben wollte.«

.

Präsident: »Haben Sie Geld von ihm gefordert und erhalten?«

Angeklagte: »Nachdem er längere Zeit zu uns gekommen war, sagte er mir eines Tages unaufgefordert, wenn ich Geld gebrauche, möchte ich es ihm sagen, er wolle mir geben, was ich haben wolle.«

Präsident: »Und Sie haben dann später Geld von ihm gefordert und in Briefen, von denen Sie bereits gehört haben, an ihn um Geld geschrieben?«

Angeklagte: »Ja, diese Briefe habe ich geschrieben.«

Präsident: »Glaubten Sie denn das, was Sie an Neuenfeldt schrieben?«

Angeklagte: »Jawohl, ich glaubte fest, daß es der Wille Gottes sei, der aus mir spricht. So habe ich auch geglaubt, was ich von einem Fest im Himmel an Neuenfeldt geschrieben habe, und daß er eine Stufe höher im Himmel gekommen sei, und daß ich bei dem Feste mitgesungen habe.«

Präsident: »Haben Sie Neuenfeldt versprochen, ihm eine Anstellung zu verschaffen?«

Angeklagte: »Nein, derartige Versprechungen habe ich ihm nie gemacht!«

Präsident: »Haben Sie ihm gesagt, er solle seinen Abschied nehmen und hierher nach Berlin kommen?«

Angeklagte: »Nein, auch hiervon habe ich ihm nichts gesagt, dagegen habe ich ihm versprochen, mich bei den Personen, die zu mir kamen, auch um eine Anstellung für ihn als Diener zu bewerben.«

Präsident: »Haben Sie nie bemerkt, daß Neuenfeldt Zeichen von Unglauben an Ihre Wundertätigkeit gegeben hat, und haben Sie ihn dann nicht in seinem Wahn bestärkt?«

Angeklagte: »Nein, Neuenfeldt war ein sehr frommer Mann, der sehr bald sich ohne mein Zutun überzeugte, daß ich Erscheinungen habe, an diese Erscheinungen nun aber so fest glaubte wie ich, und sich deshalb zuerst an mich wandte, damit ich für ihn bete.«

Präsident: »Wenn Sie doch nur gebetet haben, was sollen denn die in Ihren Briefen oft vorkommenden Worte: mein liebes Männchen und ähnliche Redensarten bedeuten?«

Angeklagte: »Diese Worte haben gar keine besondere Bedeutung. Wenn Neuenfeldt mich ›sein Weibchen‹ nannte, antwortete ich ihm darauf ›mein Männchen‹, ohne mir dabei etwas zu denken.«

Hier ging man zur Verlesung der in den Akten befindlichen Briefe über. Die Briefe der Angeklagten berühren zwar auch das religiöse Gebiet, sind aber dazwischen so vielfach mit Worten des krassesten Materialismus gemischt, daß man kaum begreift, wie diese Briefe auf religiöse Schwärmer Eindruck machen konnten. So z. B. erwähnt ein Brief, Neuenfeldt solle seine Briefe stets gut frankieren, er solle daher auch die sechs Pfennig Bestellgeld bezahlen.

Präsident: »Angeklagte, hat Ihnen dies der Engel auch gesagt?«

Angeklagte: »Ja!«

Der Präsident ermahnt die Angeklagte hier zur Wahrheit. Er knüpft die Frage daran: »Haben Sie viel religiöse Bücher gelesen?«

Angeklagte: »O ja! Ich habe in meiner Jugend bereits religiöse Schriften gelesen, die mir meine Eltern gegeben haben, auf die sie bereits von deren Eltern vererbt worden sind.«

Präsident: »Haben Sie die erwähnten Briefe sämtlich allein geschrieben?«

Angeklagte: »Ja!«

Sie behauptet nun wiederholt, daß sie die von ihr in den Briefen geschilderten Erscheinungen wirklich gehabt habe. Die Briefe selbst seien ihr aber meist von ihrem Führer Jonathum diktiert worden, die geistlichen Reden aber habe sie einem alten Gesangbuche ihrer Großeltern entnommen.

Präsident: »Sie haben stets Geld gefordert, was haben Sie damit gemacht?«

Angeklagte: »Das Geld habe ich mir geborgt, um es den Armen geben zu können. Ich hoffte es wieder zurückgeben zu können, sobald der Kronprinz von Hannover mich, wie er versprochen, mit meinen Eltern zu sich genommen haben würde

Präsident: »Solche Zusicherungen sind Ihnen, wie amtlich festgestellt ist, nie gemacht worden.«

Das Gutachten des medizinischen Sachverständigen

Nun wird als Sachverständiger der bekannte Physikus Geheimer Medizinalrat Casper vernommen, zunächst über die Zurechnungsfähigkeit der Angeklagten.

Geh. Medizinalrat Casper: »Was die wunderlichen Kuren betrifft, welche die Angeklagte gemacht haben will, so glaube ich mich darüber nicht auslassen zu dürfen, da diese ebensowenig wie ihre Wunderkraft Gegenstand der vorliegenden Anklage sind. Ich will jedoch beiläufig zur Charakterisierung des Treibens der Angeklagten und des Glaubens an ihre Heilkraft bemerken, daß ich damals, als die Kuren der Angeklagten Aufsehen in Berlin erregten, ohne amtlichen Auftrag, aber in dem sichern Vorgefühl, daß ich früher oder später amtlich mit diesem Subjekt zusammenkommen würde, sie besucht habe. Ich kann daher versichern, daß ich ein leichtsinnigeres und leichtfertigeres Spiel mit der Leichtgläubigkeit des Publikums nie habe treiben sehen als von dieser kleinen Angeklagten. Ich habe selbst gesehen, wie die wachthabenden Schutzleute immer stoßweise Pakete von kleinen Zetteln, auf denen die Namen der Gläubigen verzeichnet waren, ins Zimmer brachten, wie die Angeklagte diese Zettel durchblätterte und, ohne sie zu lesen, fortwarf, und wie im nächsten Augenblick schon wieder ein andrer Schutzmann ins Zimmer trat. Den Leuten aber sagte sie, sie sollten »stark im Glauben« sein, und ihnen würde dann geholfen. In einigen Ausnahmefällen machte sie auch andre Prozeduren, indem sie kleine Feldblümchen pflückte und diese als Medikamente gab. Genug, das ganze Treiben war nichts als eine große Betrügerei. Was die von der Angeklagten behauptete Geistesstörung anbetrifft, so muß ich bekennen, daß mir bei meinen langen Erfahrungen nie eine plumpere und keckere Simulation vorgekommen ist. Ihre Angaben darüber entbehren jedes haltbaren Grundes. Man kann im Fieber delirieren, dies ist ein Symptom der Krankheit, und derartige überirdische Erscheinungen dabei sind nichts Ungewöhnliches. Dies Delirium verschwindet aber mit der Krankheit, und niemals ist es vorgekommen, daß es sich nach der Heilung fortgesetzt hätte. Es können Erinnerungen an die Visionen verbleiben, aber alle Erfahrungen der Wissenschaft sprechen dagegen, daß sie auch noch auf den geheilten Menschen einwirken. Diese Angaben der Angeklagten sind also sämtlich erlogen. Man könnte annehmen wollen, es läge hier religiöser Wahnsinn vor. Es gibt derartigen Wahnsinn, er zeigt sich sogar öfter, aber nie so wie hier. Der religiös Wahnsinnige zeigt in seinem Äußern stets das vollständig ausgeprägte Bild seiner Krankheit. Jeder, der einen solchen Menschen sieht, weiß, daß er wahnsinnig ist. Nichts von alledem bemerkt man an der Angeklagten. Man sehe in ihre ruhige, kalte, verschlagene, listige Physiognomie, und jeder wird erkennen, daß sie nichts weniger als religiös wahnsinnig ist. Ein religiös Wahnsinniger schreibt zwar auch ähnliche Briefe, aber nie ist es vorgekommen, daß er Geld fordert, um es in Theaterbilletten zu verwenden. Ich gebe daher mein Gutachten dahin ab, daß der Geist der Angeklagten nicht einen Augenblick gestört gewesen ist, daß sie stets ebenso zurechnungsfähig gewesen, wie sie es jetzt ist, und daß ihr Körperzustand ein vollkommen normaler ist.«

Über die Zeugen Neuenfeldt und Ellmers befragt, erklärte der Sachverständige:

»In Neuenfeldt, den ich in der Charité mehrfach besuchte, habe ich einen Mann von höchst beschränkten Geisteskräften gefunden, der als religiöser Schwärmer eine besondere Vorliebe für die Angeklagte gefaßt hat. Ihr, der klugen Person, ist es daher sehr leicht gewesen, ihn in ihr Netz zu locken. Ellmers ist ein Mensch, den ich nicht anders als mit dem Volksausdruck ›Gimpel‹ bezeichnen kann. Er hängt noch heute an der Braun, er glaubt noch heute an ihre Wundertätigkeit, obwohl er weiß, daß sie ihn um sein Geld betrogen hat. Als ich ihn fragte, wie er sein ganzes Geld diesem Mädchen habe geben können, antwortete er mir: »Ja, sagen Sie mal?« und als ich ferner in ihn drang, mir direkt zu antworten: »Ja, was meinen Sie denn dazu?« – Dies alles begleitete er mit einem so offenbaren Lächeln der Befangenheit, daß ich die Überzeugung gewann, ich würde auf hundert Fragen keine andre Antwort erlangen. Er ist ein Mensch, wie ihn die mit einem hohen Grade von geistiger Schärfe begabte Angeklagte brauchen konnte.«

Die Angeklagte hatte während dieser Zeit auf der Bank Platz genommen und wieder, als gehöre es zur Schicklichkeit, mit dem Taschentuche ihr Gesicht bedeckt. Auch machte sie hin und wieder konvulsivische Bewegungen, als ob sie erschüttert sei und weine; als sie aber nach der Entfernung des Arztes ihr Gesicht wieder blicken ließ und sich erhob, sah man, daß nichts sie zu erschüttern vermocht hatte. Ihre Stimme war unbewegt wie früher, ihr Gesicht zeigte eher ein Lächeln als Betrübnis, ja sie erschien jetzt fast ruhiger und kälter als zuvor und gab ohne alle Verlegenheit nunmehr ihre ferneren Taten zu.

Hierauf verlas der Präsident zur Erörterung des Neuenfeldtschen Falls mehrere Schreiben Neuenfeldts an den König. In diesen bittet Neuenfeldt um eine Anstellung als zweiter Kammerherr, da ihm diese von der Angeklagten versprochen worden und er nun nicht länger warten könne. Er schildert dabei seine große Not, die ihn zwang, die ihm vom Himmel zugesprochene Anstellung nicht länger ruhig erwarten zu können, und fügt in seinem letzten Briefe hinzu, daß, wenn die Anstellung nun nicht erfolge, des Himmels Zorn sich über den König ergießen werde.

Hierauf über den an dem Ellmers begangenen Betrug vernommen, räumte die Angeklagte ohne Schwierigkeit ein, daß sie das Geld von diesem empfangen und für sich verbraucht habe. Aber Ellmers habe ihr ja gleich anfangs unaufgefordert Geld gegeben. Sie habe gar keine Vorspiegelungen nötig gehabt; auf ihre einfache Bitte sei er damit herausgerückt, sie aber habe das ganze Geld nur darlehnsweise von ihm angenommen. Später sei es ihr wohl klar geworden, weshalb er so großmütig getan, er habe ihr nämlich unzüchtige Anträge gemacht. Als sie diese zurückwies, sei er auch mit Heiratsanträgen zum Vorschein gekommen. Daß sie das Geld für Putz, Theater, Näschereien und Bälle ausgegeben habe, könne sie nicht in Abrede stellen, dagegen sei es unwahr, daß sie mit Männern auf die Bälle gegangen sei oder sich mit ihnen irgendwie in Liebesverhältnisse eingelassen habe.

Mit derselben Ruhe räumte sie ein, auch von der Feicht und dem Schultz Geld erhalten – nämlich geborgt zu haben; aber auch hier liege kein Betrug vor; sie hatte um das Darlehen gebeten, und die Witwe und der Viktualienhändler hatten ihr das Geld gegeben.

Präsident: »Es scheint fast unmöglich, daß Sie aus sich allein auf alle diese Ideen gekommen sind, daß Sie allein das erlangte Geld verbraucht haben. Haben Sie etwa Teilnehmer dabei gehabt, welche Sie zu allen diesen Vorspiegelungen aufgeredet und mit Ihnen das Geld benutzt haben?«

Angeklagte: »Nein, ich habe die himmlischen Eingebungen allein und ohne äußere Anregung gehabt und das Geld allein verbraucht.«

Die Beweisaufnahme

Nun schritt man zur Beweisaufnahme. Der erste vernommene Zeuge war der Dirigent der Irrenstation der Charité, Professor Ideler. Nach seiner Auslassung sei der Feldwebel Neuenfeldt ein Mann von beschränkten Geisteskräften, der über die Folgen seiner Handlungen nicht nachzudenken vermöge, und sei vom Wahn befangen, er habe durch die Angeklagte Einfluß auf die höchsten Personen. Die anderen Zeugen und Zeuginnen belasteten die Angeklagte, und das zweite große Opfer des Wundermädchens, der gleichfalls ausgeplünderte Ökonom Ellmers, bestätigte mit seinem unsicheren Auftreten nur die psychologische Einschätzung, die ihm durch den Sachverständigen zuteil geworden war.

Die Eltern der Angeklagten, als Zeugen vernommen, versichern, sie hätten ihr Kind stets religiös erzogen, ihr Traktätchen und andere Erbauungsschriften gegeben, zu Hause Erbauungsstunden, an denen auch Neuenfeldt teilgenommen, abgehalten. Oft hätten sie mit ihr die Kirche besucht, die böhmische jedoch nicht öfter als die übrigen. Sie hätten zuerst nicht an die himmlischen Erscheinungen ihrer Tochter glauben wollen, namentlich, wenn diese stets behauptet habe, ihr Führer verlange: daß sie ins Theater und auf Bälle gehe; als sie aber nach wiederholter Züchtigung einmal gesagt habe, sie werde so lange ausgehen und heilen, bis man sie totschlage, da hätten sie auch an die Wunderkindschaft ihrer Tochter geglaubt. Alle nicht anonym eingegangenen Geldgeschenke hätten sie zurückgewiesen und nichts davon gewußt, daß ihre Tochter von Neuenfeldt und Ellmers Geld erhalten; sie vermöchten auch nicht zu begreifen, wie so alte Männer dem Kinde Geld anvertrauen könnten.

Die zweite Hauptperson des Dramas, der Feldwebel Neuenfeldt, wird jetzt gemeldet. Mit sichtlicher Spannung sind aller Blicke auf die Tür gerichtet.

Er tritt langsam und bedächtig ein, ein Mann, hoch in den Vierzigern, von dürrer Gestalt, blassen Gesichts, einen frommen Zug um den Mund. Er schlägt das Auge häufig zum Himmel auf. Die ganze Erscheinung des Zeugen trägt unverkennbar den Stempel der Kränklichkeit.

Präsident: »Wo haben Sie die Bekanntschaft der Angeklagten gemacht?«

Neuenfeldt: »Im Hause ihrer Eltern, von denen ich den alten Braun als einen ehrwürdigen Mann achte, der gleicher religiöser Richtung mit mir ist.«

Präsident: »Haben Sie auch durch die Angeklagte geheilt sein wollen?«

Neuenfeldt: »Nein.«

Präsident: »Haben Sie an die Wunderkraft des Mädchens geglaubt?«

Neuenfeldt: »Jawohl, denn bei Gott ist kein Ding unmöglich, und ich habe mich überzeugen wollen, ob das wahr sei, was ich von dem alten Braun gehört hatte.«

Präsident: »Was sahen Sie denn von der Angeklagten den Kranken, die sie besuchten, gegenüber?«

Neuenfeldt: »Ich hörte nur, wie sie diese ermahnte, stark im Glauben zu sein.«

Präsident: »Was hat Ihnen die Angeklagte von ihrem himmlischen Führer und von den Erscheinungen gesagt, die sie habe?«

Neuenfeldt: »Es ist zu lange her, das weiß ich nicht mehr.«

Präsident: »Fiel es Ihnen denn nicht auf, daß Sie die Briefe an die Angeklagte unter falscher Adresse senden und die Korrespondenz vor den Eltern verheimlichen mußten?«

Neuenfeldt: »Ich habe mich nicht für berechtigt gehalten, über göttliche Dinge nachzudenken, Gott allein weiß, weshalb er etwas befiehlt.«

Präsident: »War es Ihnen denn aber nicht auffällig, daß die angeblich göttlichen Befehle immer darauf hinausgingen, der Angeklagten Geld zu schicken?«

Neuenfeldt: »Nicht im geringsten, denn an Gottes Befehlen läßt sich nicht klügeln und deuteln.«

Präsident: »Wie kommen denn in Ihre und der Angeklagten Briefe Ausdrücke wie ›liebes Männchen‹, ›liebes Weibchen‹, ›Bruder und Schwester in Christo‹, ›es grüßt und küßt dich‹ u. a. m.?«

Neuenfeldt: »Das ist bloß so christliche Sprache.«

Präsident: »Glaubten Sie nun an den himmlischen Führer der Angeklagten?«

Neuenfeldt: »Das kann man wohl nicht bezweifeln, daß jemand überirdische Erscheinungen haben kann; jeder vernünftige Mensch muß das glauben, und es ist darüber nicht zu streiten.«

Präsident: »Wie kam es denn nun aber, daß Sie endlich der Angeklagten kein Geld mehr schickten?«

Neuenfeldt: »Weil mir die Sache doch zuletzt ›schwierig‹ vorkam, obwohl Gott oder Christus, der liebe Herr, es befohlen hatte.«

Präsident: »Was hat Ihnen denn nun aber die Angeklagte versprochen?«

Neuenfeldt: »Sie versprach mir eine Stelle als Kammerherr beim König.«

Präsident: »Kennen Sie denn die Bedeutung dieser Stelle?«

Neuenfeldt: »Nein, die Angeklagte sagte mir nur, daß damit ein Gehalt von 2000 Talern jährlich verbunden sei. Und weil ich wußte, daß ich nach dem Willen Gottes eine solche Stelle haben sollte, richtete ich die Gesuche an den König.«

Die Angeklagte protestiert dagegen, daß sie dem Neuenfeldt diese oder eine ähnliche Stelle versprochen habe.

Von Interesse waren nun verschiedene Briefe und schriftliche Aufsätze von Neuenfeldts Hand und als von ihm geschrieben anerkannt, die seinen Geisteszustand, wenn er aus dem vorausgegangenen Verhöre nicht schon klar genug geworden, noch deutlicher zeichnen. In dem einen Aufsatz beschreibt er zwei Träume, die er gehabt. In dem einen waren ihm drei Lichter erschienen. Er konnte nicht begreifen, was es sei. Da ward ihm auf Gottes direkten Befehl eine alte Frau zugeschickt, die ihm die Lichter gedeutet: es waren Glaube, Liebe und – Vertrauen, die um ihn getanzt hatten. In dem zweiten Traume hätte sich ihm sogar die ganze Herrlichkeit des Himmels erschlossen mit allen seinen Kreisen. Er sah die Seinigen, die ihm vorangegangen. Im neunten Himmel war sein lieber Vater, im fünften sein Bruder Ferdinand, im dritten seine Mutter. Nur erschienen ihm, als gutem preußischem Militär, die verschiedenen Himmel als verschiedene Klassen.

Präsident: »Was denken Sie denn nun heute eigentlich von der Sache, Zeuge?«

Neuenfeldt: »Ich muß die Sache stehen lassen, es ist besser, wenig zu sagen als Vieles und Unrichtiges; jeder vernünftige Mensch wird wissen, daß man nicht eher über eine Sache urteilen muß, als bis sie entschieden ist, und die Sache hier ist noch nicht klar.«

Präsident: »Was taten Sie denn bei den alten Brauns?«

Neuenfeldt: »Ich hielt mit ihnen, wie es guten Christen geziemt, Andachtsübungen.«

Präsident: »Haben Sie die Angeklagte zu heiraten beabsichtigt?«

Neuenfeldt: »Nein, ich bin nur in allen Ehren mit ihr umgegangen, aber ich bin eine Mannsperson, da spricht sich so etwas herum.«

Präsident: »Erinnern Sie sich, die Angeklagte jemals geküßt zu haben?«

Der Zeuge stellt es anfangs in Abrede, gibt es dann aber doch als möglich zu.

Die Plaidoyers

Der Staatsanwalt führte in seinem Plaidoyer die ganze Sachlage noch einmal dem Gerichtshofe vor. Sie sei nach mehreren Seiten hin bedeutsam. Einmal, weil sich selten die gewinnsüchtige Absicht so scharf markiere, wie dies hier der Fall sei, dann, weil selten eine so großartige Entstellung von Tatsachen vorhanden sei, da hier nicht alltägliche Mittel angewendet, sondern die Religion zur Ausführung des Betrugs benutzt, und endlich, weil gerade Leute mit hyperreligiösen Ansichten die Betrogenen wären. Es erscheine hier auf die raffinierteste Weise der Aberglaube ausgebeutet. Wenn es auch zu wünschen sei, daß der Aberglaube von der Welt verschwinde, so seien doch die Abergläubischen nicht zu verdammen, denn sie seien ja nichts weiter als ausschweifend in der Religion, die einem jeden im Herzen wurzeln müsse. Vielmehr müsse, wer in gewinnsüchtiger Absicht solche beklagenswerte abergläubische Personen benutze, wie dies die Angeklagte getan, bestraft werden. Bemerkenswert nur sei hierbei, daß man nicht einen im Verbrechen ergrauten Alten vor sich habe, sondern ein Kind, und daß ein Kind an Schlauheit alles übertreffe, was bisher im Betruge geleistet worden sei. Daher habe man denn auch diesem Kinde nicht allein die Schuld auferlegen wollen, sondern, weil die Erscheinungen in einer Zeit vorgekommen wären, wo die religiösen Parteien sich in der extremsten Weise gegenübergetreten seien, gefolgert, daß sie von irgendeiner Partei inspiriert worden sein müsse. Dem sei aber nicht so, denn alle angestellten Ermittlungen hätten für diese Annahme keinen Anhalt gegeben. Dies Kind allein habe also die ältesten Verbrecher an Schlauheit übertroffen, es müsse daher auch die volle Strafe für das Verbrechen tragen.

Der Verteidiger hob hervor: Wie in jedem Gebiete, gebe es auch im Religiösen Aktion und Reaktion – Fortschritt und Rückschritt. Zu der Zeit, da die Angeklagte zuerst aufgetreten, seien Lichtfreunde und Atheisten gerade im heftigsten Kampfe gewesen, es hätten Unglaube und Aberglaube in ihrer höchsten Blüte gestanden. Die Angeklagte, ein damals zwölfjähriges, unbekanntes Mädchen, sei nun dem Aberglauben in die Hände gefallen. Ihre rechtschaffenen, aber pietistischen Eltern hätten sie unter fortgesetzten religiösen Andachtsübungen aufgezogen, sie mit religiösen Schriften genährt, und so sei sie, vom Aberglauben umgeben, im Schoße ihrer Familie herangewachsen. Da habe sie im Fieber Erscheinungen gehabt, diese Erscheinungen hätten solchen Eindruck auf das dazu nur zu empfängliche Gemüt der Angeklagten geübt, daß sie auch nach der Heilung Erscheinungen zu haben glaubte, weil einmal ihre ganze Erziehung auf Betrachtungen über die Gottheit und überirdische Dinge hingeleitet worden sei. Sie habe sich eingebildet, sie könne heilen, sie habe gebetet, und sie habe geheilt. Wer könne es nun einem im Aberglauben erzogenen, unbefangenen Kinde übelnehmen, daß es in seinem Wahn bestärkt werde, wenn von allen Seiten der Ruf seiner Heilkraft ertöne, wenn die gebildeten, ja die höchsten Stände ihm huldigten, wenn das moderne Athen ihm zu Füßen liege. Denke man sich hierzu die reiche Phantasie, den Geist der Angeklagten, so müsse man zu der Überzeugung kommen, daß sie in dem Wahn gestanden habe, sie hätte überirdische Erscheinungen, sie könne heilen. Der Aberglaube sei eine althistorische Macht, und solche Ideen hätten immer Träger. Ein solcher sei die Angeklagte gewesen, die jetzt dafür so schwer büßen solle. Die Anklage bestreite nun zwar das Vorhandensein dieses Aberglaubens und stütze sich dabei auf das Gutachten des gerichtlichen Physikus. Der Arzt habe aber nur gesagt, nur sagen können, daß er vom Standpunkte der jetzigen Wissenschaft aus urteile, und da die Heilkunde durch tägliche Erfahrungen sich modifiziere, sei die Möglichkeit keineswegs ausgeschlossen, daß die Erfahrungen trüglich seien. Daß sie in dem Wahne, der ihr von der Anklage als falsche Vorspiegelungen unterbreitet würde, gestanden, sei zweifellos und daher nur in Frage zu ziehen, wann dieser sie verlassen habe, da sie selbst zugebe, daß er geschwunden sei. Diese Frage richtig zu lösen sei eine Unmöglichkeit, es müsse also die der Angeklagten günstige Beantwortung erfolgen, das heißt, es müsse angenommen werden, daß sie erst nach Beendigung ihrer ihr als Betrug ausgelegten Handlungen von ihrem Wahn zurückgekommen, daß sie damals also unzurechnungsfähig gewesen sei. Somit sei ihre Straflosigkeit klar, auch wenn ihre Handlungen an sich Betrügereien wären; aber auch dies sei nicht richtig, denn es fehlen sämtliche Kriterien des Betrugs. Sie habe keinen Irrtum bei Personen erregen können, die schon vorher in einem solchen befangen gewesen seien, sie habe diesen Irrtum vielmehr nur bestärken können, sie habe nicht vermocht, Tatsachen zu entstellen, denn es gebe keine unmöglichen Tatsachen, und die Angeklagte habe stets nur Unmögliches vorgebracht. Wenn die Angeklagte die Dummheit ihrer Nebenmenschen benutzt habe, so sei sie dafür nicht strafbar. Dummheit sei ein Geschenk der Vorsehung, und die davon Betroffenen könnten sich, falls es ihnen schlecht ergehe, nicht bei dem irdischen, sondern nur bei dem himmlischen Richter beklagen. Unmoralisch sei eine solche Handlungsweise, aber strafbar nicht. Sei dies aber alles unrichtig, sei die Angeklagte wirklich strafwürdig, so sei sie doch milde zu beurteilen. Es müßten andere Personen sie benutzt haben, die zu nennen sie zu edel sei, denn sie allein könne so enorme Geldsummen nicht verbraucht haben. Sie sei also offenbar verführt. Dann komme ihr jugendliches Alter in Betracht, das ihr noch keinen Begriff von der Strafwürdigkeit eines Betrugs gestatte, und endlich müsse man bedenken, wie leicht es ihr geworden sei, solche Menschen zu betrügen. Wenn daher das beantragte Nichtschuldig vom Gerichtshöfe nicht gesprochen werde, so sei doch nur eine geringe Züchtigung gerechtfertigt.

Das Urteil

Der Gerichtshof erkannte die Angeklagte, unverehelichte Luise Braun, des fortgesetzten Betrugs für schuldig und verurteilte sie zu neun Monaten Gefängnis und 500 Taler Geldbuße, eventuell sechs Monaten Gefängnis. Man hatte angenommen, daß namentlich durch die Manöver, welche die Angeklagte angewendet, um ihren Eltern ihr Treiben mit den Personen, denen sie durch falsche Vorspiegelungen Geld abgelockt hatte, zu verbergen, die Überzeugung gewonnen sei, daß sie selbst nicht an das Vorhandensein der von ihr vorgegebenen Erscheinungen geglaubt, und daß sie daher in gewinnsüchtiger Absicht betrügerisch gehandelt habe. Ihre große Jugend wurde zwar als Milderungsgrund angesehen, dieser sei jedoch durch die Schläue ihrer Handlungsweise vollständig aufgewogen.

Im Publikum war die Ansicht allgemein, daß das Strafmaß ungemein milde ausgefallen sei.

Die Verurteilte selbst schien die Ansicht zu teilen. Denn während sie der ganzen Verhandlung mit der größten Ruhe und Heiterkeit beigewohnt hatte, blickte sie auch nach der Publikation dieses Urteils ebenso heiter, ja kokett ins Publikum, als ginge sie die Sache eben nicht besonders an, oder als sei sie erfreut darüber, daß es nicht schlimmer ausgefallen sei.

Was aus den beiden Hauptbetrogenen geworden ist? – Das liegt außerhalb des Gebiets der Kriminalgeschichte, gleichwie das Kapitel von der Verpflichtung zum Ersatz für die, welche, unschuldig durch eine Untersuchung verfolgt, vielleicht unwiederbringliche Verluste erlitten, im Kriminalkodex fehlt. Viele werden sagen, beide Männer haben ja ihr Los vollkommen verdient, und das Wort des Verteidigers: »Dummheit sei ein Geschenk der Vorsehung«, das manche Zuhörer zum Lächeln brachte, hat andere sehr ernst gestimmt. So ganz allein ist diese Dummheit keine Gabe der Vorsehung, sie ward, wo sie sich fand, nur durch dieselben »Schulen« genährt und großgezogen, durch welche man uns alle wieder treiben möchte, um uns genesen zu lassen von andern, allerdings großen Übeln und Unvollkommenheiten. Schulen, in denen man das Menschengeschlecht wieder zum Glauben an die persönliche Existenz des Teufels nötigen will, wo man dem: »Bei Gott ist kein Ding unmöglich« die Auslegung und Ausdehnung geben kann wie dieser Vizefeldwebel aus Pommern, wo dieser Feldwebel gelernt hat, daß man nicht berechtigt sei, über göttliche Dinge nachzudenken, daß man an Gottes Befehlen nicht klügeln und deuteln dürfe, auch dann nicht, wenn Gott uns seine Befehle durch offenbare Betrüger zuschickt, auch dann nicht, wenn Gott befiehlt: daß ein Briefschreiber die sechs Pfennige Briefbestellgeld vorausbezahlen soll, auch dann nicht, wenn Christus mit durchstochener Jesushand ad marginem schreibt: Gesehen und gebilligt! und der Einfältigste sieht, daß es von einer Mädchenhand gekritzelt ist. Solche »Schulen« führen dahin, daß Goethes Worte, die er Mephisto im »Faust« sagen läßt, zur Wahrheit werden:

Verachte nur Vernunft und Wissenschaft,
Des Menschen allerhöchste Kraft,
Laß nur in Blend- und Zauberwerken
Dich von dem Lügengeist bestärken.
So hab' ich dich schon unbedingt.


 << zurück weiter >>