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Irene

Von Heinz Eisgruber

Es war damals, Irene, als dieser herbe Frühlingswind eure jungen Körper koste, als eure erwachten, schlaftrunkenen Sinne langsam dem Leben entgegenströmten.

Du saßt neben Margot, die sich leise an mich schmiegte, die mich liebte und wach wurde, die hellsehend um ihre Liebe bangte.

Ich wußte es nicht, daß du um meine Liebe weintest damals, daß der heiße Tropfen, der im Dämmer auf meiner Hand brannte, unser spätes Leid beweinte, deines und meines!

Das wußte ich nicht damals.

Aber die seligsten Küsse Margots vermengten sich schemenhaft mit deinem Bilde, und mein Herz war nicht glücklich.

Damals begann unser Leid.

Daß es enden würde, dachte ich nicht mehr, als du mich küßtest.

Leise und heimlich waren wir vor den Philistern in dein Stübchen geflüchtet. Margot saß auf meinen Knien. Ich aber sah nur dich, sah durch Margot hindurch und nur dich.

Können Gedanken einen Menschen entkörpern?

Sie rankte sich um mich mit ihrem Körper, aber ihre Schwere entschwand, entschwebte, – und du begannst in mich hineinzuwachsen, mich zu umfangen und meine Lippen fühlten deinen herben, besitzergreifenden, betäubenden Kuß.

Damals habe ich dich ganz besessen, mehr noch als später, wenn unsere Körper sich vereinigten. Damals mußtest du erringen, und ein Sehnender, Kämpfender gibt sich mehr hin als ein Besitzender.

Über Margot hinweg hatten wir uns an jenem Abend vereinigt, – und daß dann das Leid kam über unsere Liebe, wer weiß es?!

Vielleicht um mich zu halten, zu halten, was sie nie besessen, hatte sie sich mir dann gegeben, sicher ohne zu wissen.

Dann kamen lange Jahre, die uns nicht trennen konnten, dich und mich.

Wir sahen uns nie, sprachen uns nie, und nur einmal, da du mir deine bevorstehende Verlobung anzeigtest, da habe ich zu dir gesprochen, – daß ich dich besitzen würde, wo und bei wem du wärest.

Deine Antwort, die ist nie zu mir gekommen, aber ich wußte, es war, was wir sehnten.

– Dann kam der Tag der Erfüllung. –

Nur du warst und ich.

Als dein Glas an meines stieß, schwangen sich unsere Seelen auf den leisen Tönen ineinander.

Du wußtest, es war Bestimmung und Wille, und deshalb sollte kommen, was kommen mußte. Kein stimmungsfernes, schales Wort sollte den Zauber unseres Erlebens stören. Was Worte nicht lösen können, sollen sie auch nicht berühren.

Hast du die Treppe knarren hören?

Und die Dielen und das leise Kreischen des Türflügels?

Ja, ich weiß es, weil deine Hand in der meinen zuckte. Ich kenne das Flehen, das über deiner Seele lag in diesem Augenblick, dieses Flehen, vergewaltigt von der Erkenntnis der Bestimmung.

Und diese rührende Ergebung und Hingabe lag auch über deinem Körper, als du auf den Kissen sitzend die Beine übereinanderschlugst und vornübergeneigt die weißen herben, jungen Brüste auf der Wunderlinie der Beine ruhten.

Ich war ein Gott, denn ich konnte mit reinen Augen bewundern und in mich aufnehmen all die Schöne, die am Paradiesesmorgen einem Gott Verzückung geschaffen.

Die Schönheit, die sich in deinen wundersam feinen, unberührten Linien in mich ergoß, hat sich zu ewigen Werten in mir kristallisiert.

Seltsame Bestimmung, daß das harte, grausame Leid sich drängt, wo Harmonie und Schönheit leben.

Vielleicht weil das Leid die Krone ist alles Erlebens; aber Kronen drücken!

Hast du gefühlt, Irene, wie das Leid herankroch an unser Liebeslager und dich aus meinen sehnsüchtigen Armen holte? Die Seide deiner Wimpern zitterte, und das Wunder deiner Lippen, noch blühend vom Glück der Stunde, zuckte im Gram.

– – Unser Körper ward krank, und unsere Seele stöhnte in Qualen, die, ein tausendfaches Echo, von dir zu mir liefen. Daß dein Elfenkörper mir davongeströmt, war das bittere, unabwendbare Ende.

Doch in mir bist du, Irene, lichtumflossene, ewige Erdenschöne!


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