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Frühherbst

Von Heinz Eisgruber

»Hendrick, sieh die schönen, schönen, gelben Blätter, du, siehst du, wie sie nach Luft und Sonne sich sehnen – du, sag' mir's – leise – gut, – ist er nicht auch schön? – Der Herbst – – o, du, ich will das wissen; du sollst mir es sagen, daß er schön ist, schön – schöner als aller Frühling – der Herbst!«

»Ja – schön – unendlich schöner als aller Frühling«, und dann beugte ich mit brennend heißen Augen meinen warmen Jungenmund auf deine feine, schmale Hand.

Ich war dein Junge, und du – du – deine Tochter konnte – doch, nein, nein, nicht daran denken, du warst mein wildes, kleines Mädel, mein Ungarnmädel – hei, hussa – weißt du, wie ich lachte – und du, du auch, du warst ein Junge wie ich, immer fort durch die Pußta, und der Kot flitzte und die Peitsche knallte, und Irmusch und Janka, wie sie die Nüstern blähten und die Beine warfen – eljen – hussa – wie der Wirbelwind!

Du, warum hast du mich auf die Pußta genommen?

Weil ich wie das Leben war, weil ich selbst das Leben war und du, du – du hast mich gebraucht, weil es dir zu entweichen begann, das heiß pulsierende Lebensglück – die Jugend – da hast du mich gebraucht, hast mich geliebt mit all deinen heißen, hungrigen Sinnen, all deiner klammernden Lebensgier, hast noch einmal die Jugend gelebt wild, heiß und maßlos – meine Jugend!

In deinem weißen Hause.

Du hohe, schöne Frau – du warst wie ein Götterbildnis, unsagbar schön und heilig.

Du warst fern und unnahbar.

Die Sonnenstäubchen legten sich fromm zu deinen Füßen, und ich kleiner Junge hätte mich gerne zu ihnen gesellt, hätte dich umschweben mögen und dann auf deinen Schoß mich kauern.

Und zu dir aufschauen.

Aber das wagte ich nicht.

Du warst groß und weit und fern.

Warum hast du dich immer schwarz gekleidet in deinem weißen Hause? Dein Kleid, das lief in klarer Linie von deinen Schultern und Hüften.

Manchmal hatte ich ein wahnwitziges Verlangen, diese strengen Linien zu küssen, wo sie sich deinem Leib anschmiegten.

Und dachte, wie die Lippen da frieren müßten.

Und hatte doch so heiße Lippen!

Immer sprachst du deutsch in deinem weißen Hause.

Das klang, wie alles hier – kühl und groß und schwarz und weiß.

In deinem heißen Gräsermeer.

Mit glostenden Strahlen sengt die Sonne, die flammende, tolle Pußtasonne, und schummert über die bräunen Gräser.

Dein heißer Wille und meine glückheischende Jugend wirbeln uns hinein in die schwelende, zitternde Luft.

Die Leidenschaft deiner Sonne, deiner Erde, deren Liebe mit flammender Glut uns entgegenschlägt, uns umfängt in grausam glühender Umarmung – sie ist zur Schuld an uns geworden.

Eljen! –

Dein heißer Schrei stößt Irmusch und Janka in die Pußtaweite.

Dein weißer Körper fällt in die sehnigen, braunen Gräserarme deiner Pußta.

Dein sehnender Junge schreit sich zu dir, in deine brünstige, wilde Umarmung.

Heiße, tolle, ungarische Laute rieseln über sein Gesicht, seinen braunen, nackten Körper und zurren an seinen entfesselten, sich bäumenden Sinnen.

Dein stolzes Bild im weißen Hause verbrennt in der Rotglut der rasenden Sinne, all dein heißer Wille, die Sonne, mein blühendes Leben, sie schmelzen und formen dich zur Liebesgöttin, die in lohenden Flammen, wie beim ersten Liebesfeste, in göttlichem Wissen empfängt und gibt. – In roten Gluten versinkt der Horizont. –

Auf deiner Terrasse.

Dein Auge ruhte groß und weit auf den Wassern. Ich sah es, du warst alt geworden und weise, und Ruhe war in dir und überall.

Dein gütiger Blick senkte sich in meine heißen Augen und löschte alles aus. Und Du nahmst meine Hände leise wie eine Mutter und sprachst vom Glück und vom Frieden.

Meine Seele begann zu ahnen und ward ruhig und voll Dankes.

Du große, weise Frau!


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