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Ich möchte dein Spiegel sein

Von Georg Groetzsch

Ich möchte dein Spiegel sein!

Von deiner schmalen Hand umfaßt, von deinem blauen Aug' getroffen, von deinem Lächeln – deinem stolzen, siegtrunkenen Lächeln – umschmeichelt, bin ich dein Diener und dein Herr zugleich.

Du bist schön!

Dein Lächeln ist wie ein gülden Kronreif aus Freyas Schmuck, der herbe Ernst deiner Lippen aber ist gleich dem dunklen Amethyst im Nibelungenschatz.

Du bist schön!

Dein Gang und deine Haltung sagen mir, daß du es weißt. Dein Spiegel verriet es dir, als du deine Augen forschend über dich gleiten ließest, heut', als du vor ihm standest im weißen Festtagskleide und deine Waffen prüftest ... und dann hingingst, den schwarzlockigen Fremden zu empfangen. Ich möchte dein Spiegel sein, um dir sagen zu können, wie schön du warst, und um dir danken zu können für den Blick, den ich erhaschte, als der Fremdling dich begrüßte. Widerwillen zuckte um deine Lippen, Haß lag in deinen Nordstrandaugen.

Gestern sah ich dich im offenen Blondgelock. Du standest vor deinem ebenholzumrahmten Spiegel, der dein Bild so hart umrandet, und ließest das Gold deiner Haarwellen durch die weißen Finger gleiten. Und die Hände nahmen die Fülle und banden sie auf dem Kopf zu einer güldenen Krone. Ich aber stand in der Tür deines Gemaches und schaute dir zu, die Hände in den Falten des Vorhanges verkrampft.

Feiertagsstunde hielten meine Augen. Glück und siebenfache Seligkeit tranken sie, als sie die Linien deiner hocherhobenen Arme verfolgten, den Nacken sahen und die runden Schultern, die aus weißem Spitzengeriesel hervorwuchsen, wie ein rosafarbener Traum.

Spiegel, erglühtest du nicht, als die Wundersame sich dir zuneigte und der feine Hals mit seinem Spiel der blauen Adern, die zartgewölbte Brust, die alle Wunder des Asgartreiches enthüllte, voll deine Fläche traf? – Ich erglühte tief, und meine Augen, die trunkenen, schlossen sich sekundenlang.

Da erhaschte dein Blick mich im Spiegel. Kein Erschrecken, kein Zorn belebte deine Mienen. Die hocherhobenen Arme bebten nicht, nur die Finger eilten, die eben vollendete Haarkrone wieder zu lösen. Das goldene Gespinnst fiel schwer auf die Schultern nieder und verbarg deine Schönheiten meinen selig-unseligen Augen. Deine Lippen sprachen ein hartes »geh!«, deine Augen aber, die sonnigen, lächelten mir zu in wundersüßer Verheißung.

Ich ging. Ein gekrönter Narr, Sonne in den Augen, ein Spiel von Wünschen im Herzen.

O, könnte ich dein Spiegel sein, blonde Gudrun du!


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