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Die Krönung

Aus dem Romane » Die drei Lieben des Gaston Meder«. Verlag Georg Müller, München. 1.-20. Tausend. 1919.

Von Reinhold Eichacker

Die Cantaggi lag in einem zartgoldenen Morgengewande auf weichem Ruhebett, und zu ihren Füßen, auf einem breiten Kissen, saß Gaston. Sein goldlockiges Haupt ruhte an ihrer Hüfte, und ihre weißen Finger spielten liebkosend in seinem Haare.

Die rosaseidenen Vorhänge der hohen Fenster waren halb vorgezogen, wie ermüdete Lider. Die Morgensonne stand in den glitzernden Scheiben. Breite, schwebende, goldene Streifen lagen im Zimmer, stiegen und fielen, – auf und nieder, – unaufhörlich. Und es war, als stimmten sie leuchtende, liebliche Laute ...

Die Cantaggi sang leise – eine weiche, träumerische Melodie ihrer Heimat. Die Töne schwebten gehaucht und gleitend von ihren Lippen, einzeln, perlend, rund und gesättigt von Wohllaut, wie stille Gedanken, die an der Sonne zu Sängen wurden ...

Und beide träumten. – Ihre Augen standen weit offen, mit großen Pupillen, und sahen ins Weite. Und ihre Lippen bebten von Fragen ans Schicksal.

»Bist du glücklich, Geliebter?« fragte sie zärtlich.

Er legte langsam den Kopf nach rückwärts und bot ihr dankbar die schimmernden Augen. Sie stützte sich aufrecht und gab ihm die ihren. Sie küßten sich leise – leise und zärtlich, wie Schatten sich küssen, und fliehende Träume. Dann – lagen sie wieder und sannen. –

»Schau, Nora« – träumte er nach einer Weile – »wie schön sind die tanzenden Sonnenstäubchen! Aus unbekannten, fernen Sternen kommen sie zu uns, unfaßbar und wesenlos, als brächten sie Grüße von lieben Toten –.«

»Auf und nieder schweben sie alle – leicht und glitzernd, wie unsere Wünsche, wie unsere Hoffnungen, wie unsere Träume. Greife hinein, mein schöner Geliebter, schöpfe die Helle mit glücklichen Händen ...!«

»Und ich bringe sie dir, als Morgengabe des Lichts und der Sehnsucht!« flüsterte er und formte die schlanken Finger zum Kelche.

Seine sonnigen Locken fingen sich an ihrem Gewande.

»Siehst du, Süßer, nun bist du gefangen in unserer Sehnsucht, und ich muß dich lösen –«

Die weichen Locken verknoteten sich an ihren Knöpfen.

»Sie wollen nicht lassen«, sagte sie lächelnd. »Nun muß ich sie schneiden.«

Sie nahm von dem Tischchen ein kleines Messer, zart und zierlich, ein silbernes Spielzeug, geschmückt mit Rubinen, und trennte die Locken von ihrem Kleide. Das Messer entglitt ihren tastenden Händen und fiel auf das Fußfell.

»Laß, Liebster«, sagte sie, als er es suchte. »Laß nur, mein Schönster!«

Sie zog ihn an sich mit glücklichen Lippen und legte seine Finger zart auf ihre Brüste. Gaston erbleichte und bebte vor Liebe.

»Ich möchte sie küssen, Nora!« hauchte er kniend.

Sie nahm ihn an sich, liebend und opfernd, und bot seinen Lippen die rosigen Knospen, und sein Küssen war glutvoll und stürmisch, wie das eines Geliebten, und unschuldig, wie das eines Kindes.

»So möchte ich sterben!« bat er vergehend.

Die schöne Frau wurde bleich unter den Küssen des Jünglings und ihre göttlichen Glieder dehnten sich wachsend, wuchsen, wie Wünsche zur strahlenden Sonne, und flehten nach Liebe –.

»Enthülle dich, Süßer!« seufzte sie glühend. »Enthülle dich, Gaston!« Und ihre Stimme klang fremd vor Leidenschaft und nächtiger Tiefe.

Gaston bebte und flammte vor Sehnsucht. Seine Kleider sanken zu Boden wie neidische Schuppen, und aus seinen Hüllen tauchte weiß und fleckenlos der unberührte, gemeißelte Körper des Jünglings.

Da schrak er zusammen:

»Was tust du, Nora?«

Die stolze Frau kniete vor ihm auf dem goldenen Teppich und hielt mit den weißen, sehnenden Armen die schlanken Hüften des Mannes umschlungen.

»Sieh, Gaston, so kniet deine Königin vor deiner Schönheit!« Er preßte die Hand auf das schluchzende Herz und die hämmernden Schläfen.

Andächtig, als hauche sie ein Gebet, küßte die Frau seine schlanken Hände, küßte die jungen, kraftvollen Schenkel, preßte ihr fließendes Haar voll Inbrunst an seine zuckenden, flammenden Lenden – und seine Augen wuchsen ... und wuchsen. Sein brennendes Blut peitschte erwachende Mannheit, und seine irren Wünsche flatterten rauschend, wie wilde Vögel ...

»Wie schön du bist, Gaston, wie männlich und stark!« jauchzte das Weib ihm zu Füßen ... und wand sich nach Liebe –.

Da war es ihm, als schlüge Lohe aus seinem Körper, sein Fleisch sprang nach dem Weibe, und seine Muskeln schrien vor Spannung.

Da zerriß die Frau trunken den Gürtel ihres Gewandes, daß es auseinanderfloß, wie schäumende Wellen, und der Jüngling sah, daß sie nackt war, nackt und göttlich, wie er, und sein Verlangen stöhnte vor Leiden – – –

Das Weib taumelte heiß an ihm aufwärts, raffte ihn an sich, jäh und stürmisch, brannte sich in ihn – wie eine Fackel, trank seinen Körper mit ihrem Fleische. Dann stieß sie ihn von sich, umflutete seine irrenden Hände und warf sich stammelnd, jauchzend und schluchzend – nach rückwärts. Er stürzte in ihre geöffneten Glieder wie ein Falter zur Sonne, geblendet und trunken –.

»Gaston! Mein König!« jauchzte sie in seinem Rasen – und die ungefesselte Mannheit seiner göttlichen Jugend brandete an ihr wie eine Sturmflut – – –

So wurde Gaston zum König ...


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