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Die drei Kaiserinnen des neuen deutschen Reichs.

Von Fr. von Hohenhausen.

Kaiserin Augusta.

Im Anfang dieses Jahrhunderts war Weimar der Glanzpunkt von Deutschlands Geistesleben. Die Dichterheroen Goethe und Schiller hatten unter dem Schutze von Karl August und seiner erhabenen Mutter, dort Meisterwerke geschaffen, welche in der Kunstwelt eine völlige Umgestaltung hervorbrachten. Weimars Fürstenschlösser strahlten im Nimbus dieses Ruhmes, und konnten mit Recht Anspruch darauf machen, einer Kaisertochter als Wohnsitz zu dienen. Maria Paulowna, die Lieblingsschwester des Kaisers Alexander I. von Rußland, zog als Gemahlin des Erbprinzen Karl Alexander mit freudigem Stolz dort ein und bewies, daß sie es für eine schöne Pflicht hielt, eine deutsche Fürstin zu werden, welche zugleich als Schutzherrin von Kunst und Wissenschaft zu wirken berufen war. Goethe begeisterte sich für die hohe Frau und besang sie in unsterblichen Versen. Als Landesmutter bewährte sie sich in rührender Weise durch liebevolle Fürsorge für Arme und Kranke. Sie begründete zahlreiche Wohlthätigkeitsanstalten, deren Einrichtungen noch jetzt mustergültig sind. Durch die Schreckenszeit, welche Napoleon I. über Deutschland und ganz Europa brachte, hatte die junge Fürstin leider nur allzuviel Gelegenheit, ihren wohlthätigen Sinn zu bethätigen. Als russische Prinzessin litt sie auch unter dem Raubzug, den Napoleon in Rußland bewerkstelligte. Sie flüchtete sogar, von dem Gewalthaber hart bedrängt, zu ihrem Bruder, dem Kaiser Alexander, weil sie in Weimar nicht mehr sicher war. Doch kehrte sie bald wieder dahin zurück, entschlossen allen Gefahren zu trotzen, um nur die Pflichten als Familienmutter auszuüben. Sie hatte nämlich bereits einen Sohn, der jedoch bald wieder starb, und eine Tochter Maria. Am 30. September 1811 erblickte eine zweite das Licht der Welt, die den Namen Augusta erhielt, und als unsere erste deutsche Kaiserin so hoch verehrt worden ist. Diese beiden lieblichen Prinzessinnen waren der Schmuck und die Freude von Weimar. Der Großvater, der geniale Karl August und sein Freund Goethe wetteiferten in Zärtlichkeit für die heranblühenden Kinder und überwachten mit Sorgfalt ihre Erziehung. Prinzessin Augusta war besonders Goethe's »Liebling«, wie er sie in Briefen oft genannt hat. Auch Wilhelm von Humboldt, der berühmte gelehrte Dichter, erkannte frühzeitig ihre hohe geistige Begabung, er schrieb einst über sie: »Die Prinzessin Augusta zeigt schon jetzt einen festen Charakter, ihr lebhafter durchdringender Geist spricht aus ihren Augen; ihre Gesichtszüge sind edel und ausdrucksvoll. Ihre Gestalt besitzt eine hoheitsvolle Schönheit.« Zeitgenossen, welche die Prinzessin Augusta in der ersten Jugend gesehen haben, fanden, daß sie die ideale Gesichtsbildung ihres Oheims, Nikolaus I. geerbt habe, der eine ganz vollkommene regelmäßige Schönheit besaß. Auch Prinzessin Maria glich demselben. Die deutsche Prinzessin Dorothea von Württemberg, Gemahlin des Kaiser Paul I. hat die Schönheit in die russische Familie eingebürgert, die noch jetzt vorhanden ist.

Prinzessin Maria vermählte sich 1827 mit dem Prinzen Carl von Preußen; bei der Hochzeit erschienen auch der ältere Bruder des prinzlichen Bräutigams (unser glorreicher Kaiser Wilhelm) und fühlte sich sehr angezogen von der jüngeren Schwester der Braut, die damals noch wie ein Moosröschen in halb kindlicher Schönheit stand. Kaum zwei Jahre später wurde sie seine Gemahlin. Am 11. Juni 1829 fand die Vermählung statt. Ein schöneres Paar trat wohl selten an den Traualtar! Die Festlichkeiten, welche damals in Berlin stattfanden, sind so eingehend geschildert, Nachzulesen in meinem Buche: »Drei Kaiserinnen.« Berlin, bei Strikker, Schönebergerstr. 4. daß hier, auch wegen Raummangel, nicht näher darauf eingegangen werden soll.

Die hohen Neuvermählten bezogen das kleine zweistöckige Haus unter den Linden, welches einst dem General von Tauentzien gehörte, und stets der Wohnsitz der großen Monarchen geblieben ist. Doch fanden später sehr großartige Bauten statt, durch welche an der Behrenstraße Säle und herrliche Räume entstanden. Die Vorderseite des Palais blieb gänzlich unverändert, wodurch der einfache, prunklose Sinn unseres großen Kaisers deutlich bewiesen wurde. Sein Erscheinen am historischen Eckfenster des kleinen Hauses ist ein Charakterbild seines edlen, bescheidenen Sinnes.

Das überaus beglückende Familienleben des Prinzenpaares wurde durch zwei holde Kinder erhöht. Am 18. Oktober 1831 kam der ersehnte Thronerbe zur Welt. Daß der denkwürdige Befreiungstag Deutschlands auf diese Weise gefeiert ward, steigerte den Jubel aller Vaterlandsfreunde. Es glich einer merkwürdigen Fügung, daß der junge Prinz die ganze Schönheit der unvergeßlichen Königin Luise geerbt hatte, die Bevölkerung vergötterte ihn deshalb noch mehr. Er blieb längere Zeit das einzige Kind, erst nach sieben Jahren wurde die Prinzessin Luise geboren, die jetzige Großherzogin von Baden, welche durch so rührende, kindliche Liebe das Leben der erhabenen Eltern verschönt hat.

Im Schlosse von Babelsberg verlebte der Prinz und die Prinzessin von Preußen, welchen Titel das hohe Paar bei der Thronbesteigung des Königs Friedrich Wilhelm des Vierten erhielt, sehr glückliche Zeiten. Beide freuten sich über dies Besitztum, welches sich aus einem Sandhügel in einen prächtigen Park verwandelte. Der Erbauung des Schlosses nach Meister Schinkels Plänen widmeten beide hohe Herrschaften das größte Interesse. Wie ein Wunder, ein steingewordener Traum, ein Phantasiegebilde des sagenreichen Mittelalters, erhob sich das Schlößchen, welches sich in den blauen Wellen der Havel spiegelt, und ein Wallfahrtsort geworden ist für alle in historischen Reminiszenzen schwärmenden Touristen.

Für einige Zeit übersiedelte das Prinzenpaar später nach Koblenz, weil König Friedrich Wilhelm IV. den Prinzen von Preußen zum Gouverneur der Rheinlande ernannt hatte. Auch hier gestaltete sich das prinzliche Familienleben sehr glücklich. Der Thronfolger studierte in Bonn und kam als flotter Student sehr oft auf dem bekränzten Dampfschiff nach Koblenz. In der malerischen Tracht mit dem Cereviskäppchen auf dem blonden Lockenkopf sah der jugendkräftige Prinz über alle Beschreibung reizend aus. Er konnte für einen poetischen Repräsentanten des Studententums gelten, dessen Frohmut er ungeschmälert genießen durfte.

Auch für die erste Jugend seiner Schwester, der Prinzessin Luise, bildete der Aufenthalt am Rhein einen Glanzpunkt freundlicher Erinnerungen. Ihre beglückende Verlobung mit dem Großherzog von Baden fand zuletzt auch noch im Schlosse von Koblenz statt. Die Natur hat die Umgebung von Koblenz mit großartiger Schönheit ausgestattet, aber die Pflege der Kunst fehlte gänzlich, ein Wüstenei von Gestrüpp und Steingeröll verunstaltete die Stadt und die Ufer des Rheins in früherer Zeit. Wer jetzt dort hinkommt, muß die Umwandlung bewundern, welche durch die Sorgfalt und Bemühung der Prinzessin von Preußen bewirkt worden ist. Die berühmten »Anlagen« sind allein der hohen Frau zu verdanken. Außerdem hat sie als Wohlthäterin der Stadt sich in herrlichster Weise bewährt. Waisenhäuser, Schulen und Krankenpflege-Anstalten sind von ihr in Koblenz begründet worden. Gleichzeitig hat sie sich mit wahrer Hingebung beteiligt an den Bestrebungen ihres hohen Gemahls, in den Rheinlanden moralische Eroberungen zu machen. Alle Gemüter wurden gewonnen durch die Leutseligkeit des edlen Prinzenpaares.

Wegen der Erkrankung des Königs Friedrich Wilhelm des Vierten, mußte eine Regentschaft eingeführt werden. Der Prinz von Preußen kehrte zur Übernahme derselben nach Berlin zurück und betrauerte schon nach wenigen Jahren den treugeliebten königlichen Bruder. Zur Feier seiner eigenen Thronbesteigung setzte der Regent den Geburtstag seines Sohnes an, und reiste zur Krönung nach Königsberg, wo diese am 18. Oktober 1861 stattfand.

Es ist ein unvergeßliches, großartiges Geschichtsbild gewesen, als Wilhelm I. unter Kanonendonner und Glockengeläut die Krone vom Altare nahm und sie sich eigenhändig auf das greise Haupt setzte! Vom Weihgebet der Geistlichkeit begleitet, neigte der Monarch das Scepter grüßend gegen die andächtige Versammlung, dann beugte die Königin Augusta die Knie vor ihrem hohen Gemahl, der ihr die Krone auf die Stirne drückte. Die prächtigen, großen Diamanten strahlten wie ein Nimbus von Sternen über derselben.

In diesem feierlichen Augenblicke wurde der Name » Augusta« dem Buche der Weltgeschichte einverleibt. Auf ihren wahrheitsgetreuen Blättern steht das schönste Zeugnis für das segensreiche Walten der ächten Landesmutter! Ihr gebührt der Ehrenplatz neben den glorreichen Siegern unserer großen Kriege, neben Kaiser Wilhelm und Kaiser Friedrich! Unter dem Zeichen des roten Kreuzes hat Kaiserin Augusta die Hilfsbereitschaft für alle Wunden und Notstände in allen Weltteilen begründet. Die Früchte der Humanität sind aus dem schönen Keim erwachsen, den die milde Hand der Kaiserin Augusta in die weiblichen Herzen gepflanzt hat.

Das rote Kreuz ist wie ein milder Stern
In dunklen Leidensnächten aufgegangen;
Zu bringen Trosteshilfe nah und fern,
Ist seiner Trägerinnen heiß Verlangen.

Auf höchsten Throne steht das Ideal,
Dem sie sich nachzubilden eifrig streben:
Das Mitleid, ein barmherz'ger Liebesstrahl,
Verklärt Augustas ganzes Sein und Leben!

In Ihrer Krone ist's der schönste Stein,
Auf Ihrer edlen Stirn ein heil'ger Stempel,
Und Ihres roten Kreuzes würdig sein,
Macht jedes Frauenherz zum Gottestempel.

Obwohl das rote Kreuz im Kriege entstanden ist, kann es jetzt als Symbol des Friedens betrachtet werden. Wo es erscheint, sollte es auch auf blutiger Wahlstatt sein, sollen die Feindseligkeiten aufhören, um Heil und Linderung zu ermöglichen.

Die zahlreichen anderen Wohlthätigkeits-Anstalten, welche Kaiserin Augusta ins Leben tief: Die weltberühmte Heilstätte des Augusta-Hospitals, die Stiftungen für verwaiste Offizierstöchter, für die Volksküchen, für die tapfere Feuerwehr u. s. w. hier eingehend zu schildern, fehlt der Raum, ebenso müssen wir schweigen über die Freigebigkeit, welche im stillen von der hohen Frau ausgeübt wird. Die Segenswünsche der Dankbarkeit reden aber laut von diesem Wohlthun.

In der großen Zeit des deutschen Waffenruhms trat Kaiserin Augusta als ächte Landesmutter in wahrhaft rührender Weise mit dem Volke in nahe Berührung, indem sie von dem historischen Balkon herab die Siegesnachrichten verkündete, welche ihr erhabener Gemahl an sie, in seiner einfachen, männlichen, würdevollen Weise, gerichtet hatte. Die jubelnde Begeisterung, die von ihren Worten hervorgebracht wurde, mußte ihr Herz erfreuen. Die hohe Frau sollte noch einmal auf dem historischen Balkon hochgefeiert erscheinen, nämlich im Schmuck der goldenen Hochzeit, 1879. Sie machte damals einen rührend schönen Eindruck; ihr marmorblasses, sanftes Matronengesicht sah unter dem Kaiserdiadem vom goldenen Mirtenkranz umschlungen, wahrhaft verklärt aus. Kaiser Wilhelm stand neben ihr, noch ungebeugt und an die Schilderung erinnernd, die das Rolandslied einst von Karl den Großen entworfen hat: »Edel von Haltung, im Antlitz stolz und milde, den weißen Bart auf roter Wange – leicht gerührt und leicht erheitert – wenig redend und festen Sinnes bei großer Güte.« So stand der vielgeliebte Monarch vor uns, den Helm in der Hand, huldvolle Grüße winkend – ein unvergeßliches Erinnerungsbild!

Es waren glückliche Momente für das Kaiserpaar, wenn die Liebe des Volkes sich so warm und überzeugend kund gab.

Der tragische Zusammenbruch des großen Glücks, welches dem Familienleben der Kaiserin Augusta beschieden gewesen war, trat wenige Jahre später ein, und traf sie in härtester Weise.

Der kalte Monat März 1888 brachte dem Heldenkaiser den Tod, und kaum vier Monate später starb auch der Erbe seines Ruhms und seines Reichs, der glorreiche Kaiser Friedrich!

Diese herzzerreißenden Verluste haben die Körperkräfte der Kaiserin Augusta aufs Tiefste erschüttert, aber die Seelenstärke der hohen Frau kann als Vorbild dienen für alle Trauernden. Die Selbstlosigkeit ihres Schmerzes ist bewundernswürdig, sie trägt all' ihr Leib im stillen, und betrachtet die Wirkung für das Wohl der Armen zu sorgen, als ihre Pflicht.

*

Victoria, Kaiserin Friedrich.

Wolkenlos und heiter war im Anbeginn der Horizont des Lebens für die königliche Prinzessin von England! Sie wurde am 21. November 1840 geboren und erhielt den schönen Namen Victoria, den auch ihre Mutter und Großmutter führten. Sie selbst wurde mit dem Kosenamen »Vicky« benannt und mit einem Feenkinde verglichen, denn sie bezauberte alle Menschen, die sie sahen. Ein so reiches Maß von Liebe, wie dieses erstgeborene Töchterchen einer jungen gefeierten Königin besaß, konnte wohl als ein wahres Märchenglück angesehen werden. Der zärtliche Vater, ein deutscher Fürst, Albert Prince consort, überwachte die Erziehung der kleinen Prinzessin Victoria mit ganz besonderer Sorgfalt. Ihre geistige Entwicklung wurde dadurch wesentlich gefördert, und schon im kindlichen Alter gab sie Beweise von hellem Verstande, sowie auch von großer Herzensgüte. Auch besaß sie ein liebliches, frisches Äußere, ein Abbild ihrer schönen lebenskräftigen Eltern, deren Liebling sie war, obwohl sich noch acht Geschwisterchen einfanden. Als erstgeborenes Kind erhielt sie den Titel Princess royal, und wurde sehr frühzeitig bei Repräsentationen, großen Ereignissen und öffentlichen Festlichkeiten mit den Pflichten ihres hohen Standes bekannt gemacht. Kaum elfjährig erschien sie bei der Eröffnung des prächtigen welthistorischen Ausstellungspalastes, an der Hand ihres erhabenen Vaters, des Begründers dieses großartigen Werkes. Auch begleitete sie ihre Eltern auf allen Reisen, namentlich nach Paris, wo damals noch Napoleon der Dritte herrschte. In den Tagebüchern ihrer königlichen Mutter wird »Vicky« als sehr lernbegierige und fröhliche Touristin auf dieser Reise dargestellt. Kaum dem Kindesalter entwachsen, erlebte die Prinzessin das wichtigste Ereignis für weibliche Herzen, die Verlobung. Der Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen, damals noch nicht Kronprinz, aber doch schon als Thronfolger anzusehen, kam nach England, um sich als Freier zu präsentieren. Er war ein Jüngling, dessen herrlicher Charakter über jedes Lob erhaben, mit männlicher Schönheit und hoher geistiger Begabung verbunden war. Obwohl die Werbung den Eltern willkommen erschien, sollte doch wegen des allzu jugendlichen Alters der Prinzessin das bindende Wort noch nicht gesprochen werden. Aber der Prinz fühlte sich unwiderstehlich zu ihr hingezogen. Als er auf einer Bergpartie, unter den Augen der Eltern an ihrer Seite ritt, sprang er plötzlich vom Pferde und pflückte einige weiße Haideblumen, die er dann mit bebender Hand der Prinzessin überreichte, indem er eine Liebeserklärung versuchte.

Die weißen Blüten der Haide bedeuten im englischen Volksglauben, ganz wie unser vierblättriger Klee, das Glück! Und das wurde ihnen im vollen Maße zu teil. Die Bekanntmachung der Verlobung mußte indessen noch aufgeschoben werden auf Wunsch der jungen Braut, weil erst ihre Konfirmation stattfinden sollte. Der feierlichen Vorbereitung zu derselben wollte sie im ungestörten Stillleben sich widmen. Erst nach Jahresfrist durfte der hohe Verlobte seinen Besuch wiederholen und am 25. Januar 1858 fand endlich die Vermählung statt. Eine jubelnde Volksmenge umdrängte den Buckingham-Palast in London, stundenlang harrte man um den Anblick des Brautpaares zu genießen. Noch stärker war der Zudrang beim Aussteigen desselben an den Pforten der Kirche. Die Toilette der Braut bestand aus einem weißen Moireekleide und einem Schleier von Honitonsspitzen, in welchen die Rose, das Kleeblatt und die Distel als Symbole der drei vereinigten Königreiche von England, Schottland und Irland eingewebt waren. Die Schleppe wurde von zehn vornehmen Jungfrauen getragen, ebenfalls ganz weiß angezogen. Bevor die Braut an den Altar trat, machte sie eine tiefe Verbeugung vor der Königin von England und der Prinzessin von Preußen, der erhabenen Mutter des Bräutigams. Dieser selbst ward von seinem Vater und seinem Oheim, dem Prinzen Albrecht von Preußen, bis an den Altar geleitet, es waren drei herrliche hohe Gestalten! Der Erzbischof von Canterbury vollzog die Trauung unter den Klängen der berühmtesten Komposition von Händel, dem Halleluja-Chor. Begleitet vom stürmischen Jubel des Volks fuhren die Neuvermählten im offenen Wagen von sechs prächtigen Rappen gezogen nach dem Palast zurück, wo im Familienkreise ein »Lunch« eingenommen wurde. Später begab sich der Hof nach Schloß Windsor, wo auch die Hochzeitsgeschenke aufgestellt waren. Eine Krone von großen Diamanten, dargebracht von den Eltern der Braut, erregte die meiste Bewunderung. In dem Zauberglanze dieser Edelsteine strahlte ein Nimbus, der als Vorbedeutung des einstigen Kaiserdiadems gelten konnte.

Am 29. Januar fand eine Nachfeier der Hochzeit statt durch eine Gala-Vorstellung im Theater, wo sich das hohe Paar dem großen Publikum zeigen sollte, und am folgenden Tage hielt die Königin in ihrem Drawingroom im St. Jamespalast eine Cour, wo die Aristokratie dem jungen Ehepaare huldigte.

Am 2. Februar 1858 trat dasselbe die Reise nach Berlin an. Die Trennung von den Ihrigen wurde der so innig geliebten Tochter sehr schwer, immer wieder umarmte sie den Vater unter Thränen, es war fast als hätte sie es geahnt, daß sie ihn nicht wiedersehen sollte. In voller Kraft und Schönheit stand er vor ihr, aber schon nach wenigen Jahren lag er auf der Todtenbahre!

Die Empfangsfeierlichkeiten in Berlin waren so glänzend, und der Jubel so warmherzig, daß dem neuvermählten Prinzenpaar überzeugend bewiesen wurde, wie groß die Freude der Bevölkerung über die Wahl »unseres Fritz« war – so nannte man den hohen Herrn schon damals mit liebevollem Stolz allgemein. Sein schönes Gesicht strahlte von Glück, wenn er seine geliebte Gemahlin betrachtete, die mit holder Freundlichkeit und anmutiger Schüchternheit die dargebrachten Huldigungen aufnahm.

Ein volles Jahr voll ungetrübtem Glück war dem jungen Paar beschieden; durch die Geburt eines Sohnes Seine Majestät Kaiser Wilhelm II. am 27. Januar 1859 wurde dies noch erhöht. Mit wahrer Wonne hielt der Kaiser Wilhelm I. diesen Enkel über die Taufe; die zärtliche Vorliebe für denselben bewährte sich bis zum letzten Augenblick. Es war, als wenn der Monarch es ahnte, daß dieser ächte Hohenzoller einst so ganz in seinem Sinne regieren würde!

Auch in die Gemächer des kranken Königs Friedrich Wilhelm des Vierten drang noch die frohe Kunde von der Geburt eines Thronerben und erheiterte seine trüben Tage. Am 2. Januar 1861 starb der König und Wilhelm I. bestieg den Thron. Prinzessin Victoria wurde nun Kronprinzessin, als welche sie länger als ein halbes Jahrhundert segensreich und opferbereit gewirkt hat. Ihre Wohlthätigkeit ist sprichwörtlich geworden; namentlich sorgte sie unablässig für die Ausbildung junger Mädchen, um sie durch Erwerbsfähigkeit vor Armut und Bedrückung zu schützen. Das Victoria-Lyceum ist ein ruhmwürdiges Denkmal dieser erfolgreichen Bemühung, ebenso der Letteverein, das Heimatshaus für Töchter höherer Stände, die Krankenhäuser und Pflege-Anstalten für Kinder u. s. w. In bewundernswürdiger Weise gewann sie bei dieser großen Thätigkeit noch Zeit zu künstlerischen Zwecken, namentlich widmete sie sich mit Eifer und Talent der Malerei. Als wahrhaft mustergültig muß ihr Walten im Familienleben hervorgehoben werden, sie hat den Schatz des häuslichen Glücks im Palast behütet! Ihre harmonische, so reichgesegnete Ehe hat fast dreißig Jahre gedauert, ohne daß jemals ein Schatten von Mangel an Übereinstimmung mit ihrem hohen Gemahl eingetreten wäre. Seine innige Liebe und Verehrung für sie behielt immerdar den schönen Wärmegrad der Brautzeit. Weder Glück noch Unglück brachten darin einen Wechsel hervor. Acht blühenden Kindern war die Kronprinzessin eine sorgsame liebevolle Mutter. Zwei hoffnungsvolle Söhne, Prinz Sigismund und Prinz Waldemar, starben im Kindesalter, aber die beiden ältesten Prinzen konnten mit Recht den Stolz und die Freude der hohen Eltern ausmachen. Neben den vier heranblühenden Töchtern sah die Kronprinzessin fast wie eine Schwester aus. Wie oft eilten die Berliner nach dem Eiskorso im Tiergarten am Neuen See, um dies liebliche Bild zu bewundern! Als der sicherste und gewandteste Schlittschuhläufer bewegte sich dort auch der Kronprinz, dessen herrliche Heldengestalt und Gesundheitsfrische damals noch nicht ahnen ließ, welch ein tückisches Leiden ihn befallen würde. Höchst wahrscheinlich ist der erste Anlaß dazu aus einer Erkältung bei den Wintervergnügungen entstanden. Es brach nämlich im Winter 1886 eine heftige Masern-Epidemie in den hohen Gesellschaftskreisen aus, welche auch in der Familie des Kronprinzen herrschte. Hochderselbe überwand die Krankheit rasch, doch nahm er sich nicht in Acht vor den bedrohlichen Folgen der Masern, weil er nicht gewohnt war sich zu schonen. Er beachtete das Halsleiden anfangs fast gar nicht, welches ihn nach den kaum überstandenen bösen Masern befiel, erst als es einen gefährlichen Charakter annahm, entschloß er sich zu einer ernsten Kur, die leider zu spät begann. Mit der Leidengeschichte des so innig von ihr geliebten Gemahls, trat ein sehr trauriger Wendepunkt im Leben der Kronprinzessin ein. Tag und Nacht stand ihr die trostlose Ahnung vor Augen, daß ihr schönes großes Glück zerstört werden würde. Ein wahres Märtyrertum von Angst und Sorge ertrug die hohe Frau mit bewundernswerter Selbstbeherrschung. Sie verbarg ihre Befürchtungen und strebte nur danach, die Hoffnung auf Genesung in dem teuern Kranken zu erhalten. Wie schwer ihr dies gemacht wurde, kann man ermessen, wenn man bedenkt, wie viele grausame Berichte über alle Einzelheiten der Krankheit oft in den Zeitungen standen. Es gelang seiner treuen Pflegerin nicht immer, ihm dieselben ferner zu verheimlichen. Er bewies dabei eine rührende Seelenstärke und blieb stets gefaßt, er litt ohne zu klagen! Seine herzgewinnende Freundlichkeit und sein sonniges Lächeln werden allen unvergeßlich bleiben, die ihn während der zerstörenden Krankheit noch gesehen haben. Mitten im gefährlichsten Stadium derselben, unmittelbar nach dem Schnitt in die Luftröhre, ereilte die Todesnachricht des großen Kaisers den hohen Kranken, dessen Sterbestunde jeden Augenblick eintreten konnte. Aber er raffte sich auf, um die geheiligte Pflicht seines Amtes als Thronfolger zu erfüllen. Er vergaß seine Leiden und rüstete sich in rastloser Eile zur Heimkehr nach Deutschland. Diese Rückreise des todkranken Monarchen, kämpfend mit den Unbilden eines ungewöhnlich kalten Winters, durch die Schneestürme der eisigen Alpenstraßen auf nächtlicher Fahrt über unsichere Eisenbahnen, war eine Heldenthat fast wie eine solche auf dem Schlachtfelde. Die Kaiserin lebte in fieberhafter Angst um den geliebten Kranken, aber er überstand die vielen Gefahren der Winterreise mit wunderbarer Kraft und bestieg den Thron, beseelt von den edelsten Absichten und der wärmsten Liebe für sein Volk, dessen Liebling er immerdar bleiben wird. Er vermochte es leider nicht mehr lange als Herrscher seinen edlen Charakter zu zeigen, schon nach neunundneunzig Tagen erlag er seinen Leiden. Kaiser Friedrich ward geliebt und betrauert von allen fühlenden Herzen, er wird die Idealgestalt in der Geschichte bleiben. Sein Lebensbild für die Nachwelt in deutlichen Umrissen zu erhalten, hat sich seine erhabene Witwe als Aufgabe gestellt. Kaiserin Friedrich lebt nur noch für sein Andenken, sie trägt seinen schönen Namen und wirkt in seinem milden Sinn für Zwecke des Wohlthuns. In der Liebe ihrer Kinder besitzt die hohe Frau den einzigen wirksamen Trost für ihren unheilbaren Schmerz. –

*

Kaiserin Augusta Victoria.

Es liegt eine schöne Fügung darin, daß unsre junge Kaiserin die beiden Namen vereinigt trägt, welche als Symbole der landesmütterlichen Fürsorge hochverehrt werden müssen. Daß darin eine Vorbedeutung enthalten war, ahnte allerdings niemand als die beiden hohen Frauen Patenstelle bei der ältesten Tochter des Erbprinzen Friedrich von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg übernahmen. Am 22. Oktober 1858 wurde dieselbe geboren. Ihre Mutter war eine Prinzessin von Hohenlohe-Langenburg, eine Nichte der Königin von England und eine Kusine der jetzigen Kaiserin Friedrich. Durch diese Verwandtschaft entstanden freundliche Beziehungen zwischen den jungen Familien. Die fast gleichaltrigen fürstlichen Sprößlinge waren als Kinder oft beisammen, und es schien frühzeitig der Wunsch zu entstehen, einst eine noch nähere Verwandtschaft herbei zu führen. Doch entfernten sich die beiden ältesten Prinzen wegen ihrer Studien vom Spielplatz ihrer Kindheit, um in Kassel das Gymnasium und später die Universität Bonn zu besuchen. Die vier kleinen Prinzessinnen von Schleswig-Holstein fanden sich jedoch noch oft zum Besuch am preußischen Hofe ein und nahmen auch an dem Unterricht ihrer Kusinen teil. Prinzessin Augusta Victoria zeichnete sich besonders durch Fleiß und Lernbegierde aus. Kaum vierzehnjährig sprach sie geläufig englisch und französisch, auch dänisch. Ihr Talent für Musik entzückte ihre Lehrmeister, sie spielte Klavier mit wirklicher Meisterschaft. Auch liebte sie die Malerei und leistete darin ausgezeichnetes. Ihre Schwester Karoline Mathilde teilte alle ihre Bestrebungen und wurde auch 1875 mit ihr konfirmirt. Der fromme Sinn der beiden Prinzessinnen war durch einen vortrefflichen Geistlichen, Pastor Meißner, in erhebender Weise gepflegt worden. Man sah es an ihren verklärten Mienen, wie tief religiös ihre Empfindungen waren. Augenzeugen haben versichert, daß die Andacht bei der Einsegnung wahrhaft rührend gewesen sei.

Einige Monate später reisten die Schwestern nach dem südlichen Frankreich, unter dem Schutz ihrer Prinzessin-Tante, welche selbst hochgebildet, die Studien der fürstlichen Nichten liebevoll überwachte. In der Rosenstadt Pau, der Hauptstadt von Navarra, hielten sie sich am längsten auf, zeichneten nach der Natur und lernten Volkslieder singen. Wenn sie als regelmäßige Touristinnen auch bei Volksfesten erschienen, erregten sie stets Bewunderung durch ihre anmutigen hoheitsvollen Erscheinungen. Man erzählte sich, daß einst die Prinzessin Augusta Victoria als Rosenkönigin bekränzt wurde, und eine junge Zigeunerin ihr prophezeite, daß sie eine goldene Krone zu tragen bestimmt sei. Solche Vorhersagungen werden vergessen, wenn sie nicht eintreffen, aber man erinnert sich ihrer gern, wenn sie eingetroffen sind.

Auch eine andere große Reise machten die beiden Prinzessinnen, die ihnen den Anblick der großen Welt darbot, sie hielten sich am Hofe der Königin von England auf, wo sie sehr gefeiert wurden, doch kehrten sie gern zurück in das stille Schloß ihrer Heimat.

Die Hofhaltung des Herzogs Friedrich ward damals gerade nach dem reizenden Primkenau verlegt, welches viel bewundernden Besuch herbeilockte. Auch Prinz Wilhelm von Preußen erschien einst dort und überraschte die holde Jugendgespielin mit der Erklärung seiner Liebe. Ihm wurde ein freudiges Jawort zu teil, und am 2. Juni 1880 ließ Kaiser Wilhelm I., damals noch in frischer Kraft stehend, die Verlobung unter Böllerschüssen und Festklängen feiern. Es war ein wunderbarer ergreifender Anblick, als der herrliche Greis die liebliche Jungfrau am Arm, sie als die Braut seines geliebten Enkels der glänzenden Versammlung vorstellte. Die schönen Worte des Kaisers gaben der Prinzessin die Überzeugung, daß sie ein geliebtes Mitglied des Hohenzollernhauses werden sollte. Am 27. Februar 1881 fand die Vermählung statt; wie alle preußischen Prinzenbräute hielt Augusta Victoria ihren Einzug nach Berlin vom Schloß Bellevue aus. In einem achtspännigen Galawagen, dessen große Fensterscheiden einen freien Einblick gewährten, saß die Braut in rosa und weißer Toilette, ein Diadem von Diamanten auf den blonden Haaren und verneigte sich immer wieder vor dem jubelnden Volk. Der Ausdruck von Glück und Freude, welcher ihre holden Züge verklärte, war bezaubernd. Neben ihr erblickte man die erhabene Mutter des Prinzen-Bräutigams, in deren Antlitz auch, gepaart mit huldvoller Freundlichkeit, die innigste Befriedigung sich zeigte. Die Wonne des edelsten Mutterstolzes bewegte mit voller Berechtigung die hohe Frau, das Glück ihres Sohnes ward durch diese Vermählung gegründet, und seine glänzende Erscheinung mußte ein Mutterherz wahrhaft erfreuen. Bei seinem Erscheinen entstand ein Jubel ohne Gleichen. Er ritt an der Spitze seiner Kompagnie des 1. Garde-Regimentes um dem Zuge des Galawagen als Eskorte zu dienen, gleichsam zum Schutz seiner hohen Braut. Im Königs-Schlosse wurde die Prinzessinnenkrone, wie es Gebrauch ist, auf dem Schleier befestigt und dann die Trauung vollzogen.

Die Begeisterung und Freude der Bevölkerung, welche diese Vermählung erregte, überstieg alle Erwartung. Wo sich das junge Paar blicken ließ, brach immer von neuem lauter Jubel aus. Es war, als wenn man die Ahnung hegte, daß einst das Glück des Vaterlandes in den Händen desselben ruhen würde. Kaiser Wilhelm II., jetzt Deutschlands Hoffnung und Stolz, empfing schon damals in seiner erhabenen Gemahlin die holde Rose, welche die Dornen des Lebens überblühte. Die verehrungsvolle Liebe des Volkes ist noch stets im Wachsen begriffen für die junge Kaiserin, deren landesmütterliche Gesinnung sich in zahllosen Beweisen zeigt. Gott erhalte die hohe Frau und ihre liebliche Kinderschaar!

finis

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