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Über das Benehmen junger Damen.

von Fr. von Hohenhausen.

Wohl ist es ein großes Glück, wenn eine liebevolle Hand die jungen Mädchen bei ihrem Eintritt in die Gesellschaftswelt zu leiten vermag und Mißgriffe unmöglich macht, aber es ist doch notwendig, daß die Gesetze des feinen Benehmens bekannt sind, denn nicht immer kann das Auge einer klugen Mutter ober einer guten Erzieherin über alle Vorkommnisse des geselligen Lebens wachen. Eine kleine Anleitung um recht anmutig und anständig zu erscheinen wird deshalb gewiß hier willkommen sein.

In großen Gesellschaften und auf Bällen müssen junge Mädchen stets hinter ihrer Mutter oder der Dame hergehen, welche deren Stelle vertritt; sie brauchen die Augen nicht niederzuschlagen, aber sie dürfen sich nicht umsehen, auch nicht knixen bis sie vor der Dame des Hauses angelangt sind, alsdann müssen sie sich tief verbeugen; es ist ratsam dies zu Hause vor dem Spiegel einzuüben oder noch besser es in der Tanzstunde zu erlernen, denn es sieht sehr linkisch aus, wenn eine junge Dame dabei schwankt ober gar etwas fallen läßt; Fächer und Blumenstrauß müssen recht festgehalten werben. Es sieht sehr hübsch aus, wenn die jungen Damen sich feierlich verbeugen; der Oberkörper muß dabei durchaus gerade gehalten werden, nur die Füße und die Kniee dürfen sich bewegen. Wenn die Gastgeberin etwas Freundliches sagt, bedarf es nur einer kurzen höflichen Antwort, keiner langen Gegenrede, denn die ankommenden Gäste warten gewöhnlich schon ungeduldig auf die Begrüßung mit der Wirtin. Die jungen Damen versammeln sich dann gern im Ballsaal, wo sie sich zwanglos mit den Herren unterhalten können, welche sie zum Tanzen auffordern möchten. Sie sollen sich dabei zwar freundlich, aber doch nicht entgegenkommend benehmen, noch unpassender würde es sein ein verdrießliches Gesicht zu machen, wenn etwa nicht die gewünschten Aufforderungen stattfänden. Lautes Lachen und Scherzen oder Necken mit mehreren Herren ist nicht ratsam, auch darf eine Dame, die ladylike sein will, nicht lebhaft mit dem Fächer spielen, noch weniger es sich erlauben, einen Herren damit in koketter Weise zu schlagen. Überhaupt ist es nicht damenhaft einen Herrn zu berühren, ihn etwa am Ärmel zu halten oder seine Hand zu ergreifen. Die englische Mode, bei der ersten Begrüßung shake hands zu machen, ist jetzt auch in Deutschland ganz allgemein, doch sollte eine junge Dame nicht allzu freigiebig mit Darreichung ihrer Hände sein, es macht keinen angenehmen Eindruck und sieht burschikos aus. Ganz unstatthaft ist es aber einen Händedruck dabei vorzunehmen. Ein Herr, der sich dies erlaubt, beweist, daß er keinen hohen Grad von Achtung für die junge Dame hegt, es wäre denn, daß er ein ernstes Interesse für sie empfindet, aber alsdann wäre er verpflichtet sich den Eltern zu erklären, ein heimliches Liebesverhältnis hinter dem Rücken derselben anzuknüpfen, würde nicht nur eine Versündigung gegen den seinen Anstand, sondern auch gegen die Ehrenhaftigkeit sein.

Beim Tanzen ist es durchaus notwendig, daß die junge Dame, trotz der Annäherung, die der Walzer mit sich bringt, einen hohen Grad von Zurückhaltung beweist; sie darf es nicht gestatten, daß der Herr sie allzu nahe an sich zieht, auch darf er nicht die Hand in ungebräuchlicher Weise halten. Die Dame muß sich mit dem linken Arm leicht auf seinen rechten stützen und ihr Gesicht nach ihrer linken Schulter wenden, sonst gerät dasselbe in allzu nahe Berührung mit dem seinigen, was nicht nur unbequem und unpassend ist, sondern auch schlecht aussieht. Wenn man nicht tanzt, soll der Herr die Dame loslassen, höchstens darf er ihr den Arm bieten, doch ist dies nicht eigentlich gebräuchlich. Wenn die junge Dame sich hinsetzt, muß sie genau darauf achten ob das Kleid nicht zu kurz wird, die Unterröcke darf man nicht sehen, die Füße müssen nicht übereinander gelegt werden, aber sie sollen auch nicht hin und hergeschoben werden. Die natürliche Anmut muß in jeder Bewegung zum Vorschein kommen, auch in der Haltung und beim Ausruhen, es ist erlaubt sich bei großer Ermüdung zu stützen ober leicht anzulehnen, jedoch niemals mit dem Rücken an die Wand. Auch muß eine junge Dame gleich aufstehen, wenn eine ältere keinen Platz finden kann, und derselben den ihrigen artig anbieten.

Eine junge Dame soll in der Unterhaltung nicht streiten, auch wenn das Gespräch etwa eine unpassende Wendung nimmt, sich lieber ruhig verhalten oder entfernen, aber nicht in auffälliger Weise. Es kann ihrem Ansehen schaden, wenn die übrige Gesellschaft es merkt, daß jemand wagte ihr unpassende Dinge zu sagen.

Einige Worte sollen im Gespräch mit Herren nicht im Munde einer jungen Dame vorkommen. Von »Beinen« zu reden, ist zu vermeiden, am wenigsten darf man sagen der Herr hat »schöne Beine« oder gar »Waden«. Ebenso darf ein »Kerl« nicht erwähnt werden; vom Hemd zu reden ist fast so unpassend wie von Hosen. Doch sind »Strickhöschen« erlaubt, es wäre lächerlich Strickbeinkleider zu sagen.

Wenn junge Damen einen stummen Tischnachbarn oder einen blöden Tänzer haben, brauchen sie nicht diesem Beispiel zu folgen, sondern sie mögen versuchen von Reisen, Büchern, Konzerten und Gesellschaften zu sprechen, jedoch niemals von Liebe und Heirat. Sollte dennoch die Rede sich darauf richten, so müssen sie ohne Ziererei, aber mit Ernst und Scherz davon abbrechen.

Wenn man etwas nicht verstanden hat, darf man niemals fragen: »wie beliebt?« auch nicht »was gefällig?« das klingt bedientenhaft, ebensolches Beiwort verdient es wenn man bei Bejahungen sagt »Ihnen aufzuwarten«. Ein Herr muß fragen »wie befehlen Sie?« und eine Dame sagt, »wie meinen Sie?« »was« oder »wie« ist unhöflich. Statt »ja« ist es besser »gewiß« oder »allerdings« zu sagen.

Beim Empfang von Besuchen im Hause setzen sich die jungen Damen mit in den Kreis, der sich gewöhnlich um den Sofa-Platz bildet, sie dürfen auch mitreden, jedoch in bescheidener Weise, besonders wenn ältere Damen anwesend sind. Wenn diese fortgehen, ist es höflich, daß die Töchter des Hauses sie begleiten und ihnen beim Umhängen der Mäntel behülflich sind, es wäre denn, daß eine Bedienung dies übernähme, was allerdings in vornehmen Häusern meistens der Fall ist. Wenn junge Damen Besuche bei älteren Verwandten ober sehr vornehmen Damen machen, gehört es zum guten Ton einen Handkuß zu versuchen, der aber meistens in freundlicher Weise abgelehnt wird. Es ist jetzt ziemlich allgemein Gebrauch daß Damen, auch wenn sie nicht von Adel sind, »gnädige Frau« und »gnädiges Fräulein« angeredet werden. Da jetzt jedes Dienstmädchen »Fräulein« heißt, liegt eine gewisse Berechtigung in dieser Rangerhöhung. Es wäre eigentlich schöner wenn wir junge Damen »Jungfrau« nennen könnten, doch ist es nicht angenehm für sie beim Altwerden, vielleicht sagen wir bald »Herrin« zu den Damen, wobei die Jahre nicht in Betracht kämen und keine Dienerin sich denselben Titel anmaßen könnte. Wenn in Italien neben dem Signor, die Signora stehen darf, so müßten in Deutschland doch auch »Herr und Herrin« zur Existenz berechtigt sein. Es ist ganz ungehörig, daß für ältere Mädchen das verkleinernde »Fräulein« – von Frau abgeleitet – ein Gebrauch ist. Doch wird es leider noch lange dauern, bis eine derartige Reform obsiegt! Es versteht sich von selbst, daß junge Damen im Familienkreise eine ungezwungene Haltung annehmen dürfen, jedoch sollen sie sich auch dort keine Vernachlässigung zu Schulden kommen lassen, namentlich nicht mit dem Stuhle schaukeln, die Ellbogen nicht auf den Tisch stützen, niemals die Finger an die Nase oder in die Ohren bringen, das Taschentuch nicht auf den Tisch legen ober es herumliegen lassen, auch nicht laut gähnen ober niesen. Die Nägel zu reinigen, geschehe nur wenn man allein ist, dasselbe gilt von den Zähnen und Haaren. Ein junges Mädchen soll überhaupt stets darauf bedacht sein, nichts Ungehöriges zu thun, selbst wenn es sich nur um Kleinigkeiten handelt. Es ist ein schöner Beruf als Tochter des Hauses über die Wohlanständigkeit und Behaglichkeit der Bewohner zu wachen, zu ordnen, zu vermitteln und zu helfen, wo es irgend nötig wird. Freundlicher Gehorsam gegen die Eltern, liebevolles Benehmen gegen die Geschwister und nachsichtige Behandlung der Dienstboten, gehört zu den Pflichten einer Haustochter. Wenn sie dieselben gern und anmutig ausübt, wird sie den Beifall ihrer Familie sowohl wie den ihrer Bekannten leicht erringen. Wenn der feine Anstand auf so guter Grundlage sich entwickelt, wird niemand behaupten können, daß derselbe nur ein täuschendes Übertünchen sei, berechnet für die Äußerlichkeit des Gesellschaftslebens, verschwindend im häuslichen Werkeltagszustand. Daß die weiblichen Mitglieder einer Familie die eigentlichen Hüterinnen des feinen Anstandes sind, wird hoffentlich nicht bezweifelt werden. Wenn junge Damen im Hause sind, müssen sie behütet und gepflegt werden wie Blumen, es darf kein rohes Wort an ihr Ohr dringen, ihre Umgebung sei gleichsam ein Rahmen für ihr liebliches Bild.

Es sollte ganz besondere Sorgfalt auf die Ausschmückung der Wohnräume für junge Mädchen verwendet werden. Wenn es sein kann, muß das Schlafzimmer ungeteilt bleiben, damit der Charakter der Bewohnerin sich frei darin ausprägt. Nebenbei gesagt, ist es auch viel gesünder allein zu schlafen, weil die Luft reiner bleibt und weil die Versuchung zu langen Plauderstunden, also spätem Einschlafen, nicht vorkommt. Als guter Rat sei hier eingeschaltet, daß jedes Schlafzimmer viel gelüftet werden muß, aber niemals sollen die Fenster bei Nacht offen stehen, wie leider manche Ärzte es jetzt zuweilen anordnen: die schlimmsten Erkältungen, Augenleiden, Hautausschlag, Halsweh können dadurch entstehen. Die Wohlthat der Nachtruhe ist stets von Wärme und Ausdünstung bedingt, wie schädlich kalte Luft darauf einwirkt, kann jeder Laie beurteilen. Nur bei verzweifelten Fällen von Nervenfieber ist es möglich daß nächtliche Luftströmungen sich heilsam erweisen. Allerdings sollen die Fenster sich leicht öffnen lassen, damit es möglich ist, stets frische Lüftung vorzunehmen, wenn es gewünscht wird.

Wohlriechende Blumen dürfen nie in einem Schlafzimmer stehen; Freiligraths schönes Gedicht »Der Blumen Rache« enthält eine wohlbegründete Warnung; nur Blattpflanzen, Epheu, Laurestinus, Gummibäume, Farren und seines Mors eignen sich zur Ausschmückung von Schlafzimmern. Das Bett muß stets sorgfältig zugedeckt sein, einen Umhang von englischen Spitzen mit rosenfarbenem Kattun gefüttert, kann sich jede junge Dame leicht selbst herstellen. Es ist ratsam, waschbare Stoffe dabei zu verwenden, weil Sauberkeit ein Haupterfordernis im Schlafzimmer ist. Ein ebenso verziertes Tischchen als Toilette herzustellen, ist sehr leicht, gleichfalls müssen einige Sessel in ähnlicher Weise überzogen werden. Ein kleiner Schreibtisch und ein Nähapparat gehören noch zur Vervollständigung der Einrichtung. Auf beiden muß die größte Ordnung herrschen; verworrenes Nähgarn zeigt ein so unvorteilhaftes Bild von den Gewohnheiten eines jungen Mädchens, daß ein Freier davor zurückschrecken könnte.

Es gibt auch noch reichere Einrichtungen für die Zimmer von jungen Damen, namentlich wird ein großer Ankleidespiegel und ein geräumiger Kleiderschrank darin nicht fehlen dürfen, ebenso ist ein weicher Fußteppich wünschenswert. Sehr hübsch, ohne kostbar zu sein, nimmt es sich aus, wenn das Zimmer bis zur halben Höhe mit rosenrotem Zeug bezogen und dann mit weißem Mull, in Falten gelegt, drapiert wird. Hinter dieser Zeugwand kann soviel Raum bleiben, daß Kleiderhaken angebracht werden, auch läßt sich das Bett dort verbergen, von welchem dann bei Nacht die Zug-Gardinen entfernt werden müssen, weil sonst die frische Luft keinen Zutritt haben würde. Bei einer solchen Draperie ist aber große Vorsicht mit dem Licht geboten, weil sehr schnell eine Feuersbrunst entstehen kann; es sollte die Beleuchtung nur durch eine Hängelampe, niemals durch ein offenes Licht bewirkt werden. Auch bei dem Ankleiden wäre dies lieber zu vermeiden, Lampen sind längst nicht so feuergefährlich. Wenn eine junge Dame im Ballkleide in Flammen steht, ist keine Rettung möglich, nur durch Überwerfen mit schweren Stoffen kann das Feuer erstickt werden.

Nächst den Wohnräumen für junge Damen ist der Anzug die wichtigste Angelegenheit für sie. Bei der stets so wechselvollen Mode lassen sich hierüber eigentlich keine festen Vorschriften erteilen. Der gute Geschmack verbietet es, daß junge Mädchen extravagante Moden tragen, auf welche mit Fingern gezeigt werden kann, aber es ist auch nicht zu verlangen, daß sie hinter den Anforderungen der Mode ganz zurückbleiben. Die richtige Mitte hier inne zu halten, ist allerdings nicht leicht, doch wird es gelingen, wenn der gute Geschmack ausgebildet ist und der feine Takt es lehrt, das Auffällige zu vermeiden.

Als allgemeine Regel kann es gelten, daß bei Tage und heißem Wetter nur helle und waschbare Kleider passend sind, rohe Seide, duftige Stoffe von weißer Wolle oder elegantem Kattun sind viel passender als dunkle schwere Seide, die so schnell staubig wird. Dagegen macht es einen schlechten Eindruck, wenn bei Regenwetter und kaltem Winde dünne Kleider getragen werden. Daß Handschuhe und auch der Sonnenschirm mit dem ganzen Anzuge übereinstimmen, galt bisher für elegant, aber neuerdings ist es moderner, diese beiden Toilettengegenstände in schreiender Farbe und in auffallender Form zu tragen. Viereckige Sonnenschirme und blutrote Handschuhe sind jetzt überall zu sehen.

Bei öffentlichen Festlichkeiten, großen Paraden und Corsofahrten, wobei die Damen in eleganten Equipagen erscheinen, ist eine besonders gut gewählte Toilette notwendig. Bei Konzerten im Zoologischen Garten ist eine solche ebenfalls anwendbar, doch muß dort besonders alles Auffallende vermieden werden, sonst richten sich in der sogenannten Läster-Allee, wie die Promenade zwischen den Sitzplätzen heißt, alle Augen und Operngucker darauf. In den Theatern, namentlich im ersten Rang und in den Orchesterlogen ist es neuerdings Gebrauch geworden, hellfarbige Kleider und zierlichen Kopfputz zu tragen, Spitzenmantillen mit Schleifen und Blumen für ältere Damen, gut frisierte Haare für jüngere. Dagegen genügt es bei Vorlesungen und Konzerten im Hut zu erscheinen, sowie dunkle Handschuhe zu tragen.

Über die Toilette auf Bällen etwas zu bestimmen, ist fast nicht möglich, weil darin die Mode noch schneller wechselt wie der Wind, von dem man nicht sagen kann, von wannen er kommt. Das Studium der Modezeitungen wird darüber stets ausreichende Anleitung geben.

Für junge Damen, die zum erstenmal bei Hofe sorgestellt werden, schreibt die Etikette den Anzug genau vor. Es gehört ein ganz neues Kleid von schwerem Seidenzeug dazu, das Vorderteil des Kleides kann mit Stickerei ober auch mit Spitzen besetzt sein, die Courschleppe, manteau de cour genannt, soll von Samt ober Damast gefertigt werden, möglichst in derselben Farbe wie das Kleid, aber mit beliebigen Verzierungen. Doch ist es ratsam, dieselben einfach zu wählen, weil es sonst noch schwieriger ist, die Schleppe über dem rechten Arm zu tragen; es muß dies nämlich den ganzen Abend geschehen, nur während der Defilir-Cour, dem Vorübergehen vor dem Thronsessel, soll die Courschleppe niedergelegt werden, während ihre Trägerin ein graziöses Kompliment machen muß. Es ist dies eine sehr schwierige Obliegenheit, welche von den jungen Damen stets mit Herzklopfen ausgeübt wird, denn die geringste Ungeschicklichkeit, nur ein leises Straucheln nimmt sich schlecht aus, und wird von tausend Augen bemerkt. Als Kopfputz müssen sogar ganz junge Damen Spitzenbarben tragen, wie diese übrigens für ältere Damen auf allen Hofbällen Vorschrift sind. Bei letzteren herrscht hinsichtlich der Anzüge für junge Damen indessen keinerlei Zwang, nur muß die Toilette stets ganz neu und gediegen sein, Flitterstaat und geringwertige Stoffe würden unangenehmes Aufsehen machen.

Wie ein junges Mädchen als Braut gekleidet sein muß, richtet sich auch nach bestimmten Vorschriften, die indessen allgemein bekannt sind. Ein weißes Schleppkleid von Atlas, Damast oder schwerem Seidenstoff, mit langen Ärmeln und hoher Taille, dazu weiße Schuhe oder Stiefelchen und weiße Handschuhe, nebst Schleier von weißem Flor oder feinen Spitzen über demselben, ja nicht versteckt, der geschlossene Kranz von frischen Mirten mit einigen künstlichen Blüten vermischt, – natürliche sollen Unglück bedeuten, – so sieht man bei jeder kirchlichen Trauung die Braut erscheinen. Es gilt mit Recht als durchaus tadelnswert in einem so feierlichen Anzuge auf dem Standesamt den Civilakt vornehmen zu lassen. Da derselbe meistens einen Tag vorher stattfindet, so hat die Braut auch hinreichend Zeit dort im einfachen Promenadenkostüm mit Hut und dunklen Handschuhen zu erscheinen. Übrigens sei hier noch bemerkt, daß ein kostbares Brautkleid entbehrt werden kann, wenn die Eltern nicht die Mittel dazu haben; es ist auch durchaus nicht unpassend, wenn alsdann die Tochter in einem weißen Mullkleide mit einem Gazeschleier an den Trau-Altar geht. Für junge Witwen ist ein farbiger Anzug, blaßgelb ober hell-lila beliebter als ein weißes Kleid, weil dadurch die Vermutung ausgeschlossen wird, daß das Brautkleid schon einmal von ihr getragen wurde. Ein Schleier darf auch von Witwen getragen werden, aber kein Mirtenkranz, höchstens einige Orangenblüten. In Frankreich ist es allgemein Gebrauch, daß eine Witwe im Hut zur Kirche geht.

Über das Benehmen der jungen Damen während des Brautstandes, sollen hier nur einige wenige Winke erteilt werben, um sie daran zu erinnern, daß der feine Anstand es verbietet in Gesellschaft die Liebesbeweise eines Bräutigams anzunehmen. Derselbe darf sich höchstens einen Handkuß erlauben und wenn er sich nicht damit begnügen will, muß die Braut mit sanfter Würde, ohne Zorn, aber auch ohne Scherz die nötige Zurückhaltung von ihm fordern. Auch soll es nicht gestattet werden, daß ein Brautpaar ohne Begleitung spazieren geht oder fährt. Wer dies zu streng und überflüssig findet, möge bedenken, wie oft Verlobungen zurückgehen, also die Beobachtung des Anstandes gewiß geboten ist. Auch trägt es viel zum dauerhaften Glück einer Ehe bei, wenn der zarte Schmetterlingsstaub der Brautschaft nicht abgestreift wurde durch Mangel an Zartgefühl, die Belohnung für die auferlegte Zurückhaltung, bleibt also gewiß nicht aus.

finis

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