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Das erste Wort.

Von Julie Dohmke.

Rechts am Dorfe vorüber führt ein schmaler Pfad durch ein Birkenwäldchen, an dessen Ende, noch beschattet von den letzten Bäumen, ein kleines weißes Haus mit grünen Jalousien steht, wie ein Maiblümchenstrauß in grünen Blättern. So einfach es auch ist, so zeigt es doch, mit den Bauernhäusern verglichen, eine gewisse Vornehmheit, und daher mag es gekommen sein, daß es von den Dorfbewohnern gemeiniglich das Herrenhaus genannt wurde, wohl zum Unterschied vom Schlosse, welches links vom Dorfe auf einer Höhe, so recht stolz und selbstbewußt herniederschaut:

Es war Frühling. Wiederum hatte der Kuß der Sonne die starre Erde zum Leben erweckt; wiederum war die Jubelbotschaft erklungen, die jetzt von jedem Blütenzweig herniederschmetterte:

»Ihr Blümlein alle, heraus, heraus,
Der Mai ist kommen, der Winter ist aus!«

und in der zagenden Menschenseele war das neue Hoffen mit dem jungen Grün zugleich eingezogen. –

»Es muß doch Frühling werden!« Wie oft hatte man sich das den langen, bangen Winter hindurch tröstend vorgesagt – man hatte gebangt und gesorgt, er blieb doch gar so lange fern – der Freudebringer, und siehe da – über Nacht war er gekommen und mit ihm die himmlische trostvolle Botschaft:

»Nun armes Herze, sei nicht bang,
Nun muß sich Alles, Alles wenden!«

Der Weg durch das Birkenwäldchen war für Alt und Jung ein Hochgenuß. Der Duft der jungen Birken und Maiblumen, das Summen der Käfer, das Tanzen der Mücken im Sonnenschein, das Singen und Zwitschern der Vögel war so recht geeignet, die Lenzstimmung zu wecken und das Herz und die Augen dem Wunderwerke der Schöpfung zu öffnen. Ja, so ein Birkenwäldchen scheint ein Lieblingsaufenthalt des Frühlings zu sein, er schwelgt dort in Duft und saftigem Grün, spielt mit den Sonnenstrahlen, die an den weißen, glänzenden Stämmen auf- und niederklettern und kein Wunder, daß wir Menschenkinder solchen Zauber dort ahnen und tiefbeseligend empfinden.

Ein leiser Westwind wehte heute durch die Zweige der schlanken Hängebirke, die dicht vor dem kleinen Hause stand, so daß die duftigen Blätter bisweilen wie neckend an das Fenster klopften, an welchem eine junge Frau emsig nähend saß. Die Thüre, die nach den kleinen Gärtchen führte, stand weit offen, der warme Hauch des Frühlings durchduftete das trauliche Zimmer. Es war einfach, aber geschmackvoll eingerichtet. Man sah, hier war eine feinfühlende, zarte Frauenhand, die ordnete, verschönerte und das Praktische mit dem Anmutigen lieblich zu verschmelzen verstand. Schneeweiße Vorhänge, Blumen in Töpfen und Vasen, sinnig arrangierte Bilder; überall und in allem zeigte sich der poetische Zug, der einer ächten Frau nicht fehlen darf. Über dem Sofa hing ein größeres Ölgemälde, ein alter Herr mit weißem Haar und Schnurrbart, eine eiserne Stirn, ein festverschlossener Mund – ein Mann von altem Schrot und Korn, würde der Beschauer sagen. Das Bild war wunderschön gemalt, der Kopf trat, besonders in dem Strahl des Lichtes, der ihn eben verklärte, so plastisch hervor, daß er wie Lebensfülle und Wahrheit erschien. Aber von den Bildern hinweg wurde das Auge zu dem kleinen reizenden Knaben gelenkt, der in einer Ecke des Zimmers am Boden spielte und sich durch Jauchzen oder kindische Töne der Unzufriedenheit bemerkbar genug machte. Jedesmal, wenn die Zweige an das Fenster pochten, blickte die junge Frau von der Arbeit auf, als erwarte sie jemand, und dann hinüber zu ihrem Knaben, wobei sie traurig sagte: »Papa kommt immer noch nicht, Walter!« Der Kleine nahm von der Klage, die in dem Tone der Stimme lag, durchaus keine Notiz, sondern fuhr fort, mit seinen Bauklötzchen seltsame Gebäude auszuführen und zu zerstören und begleitete seine Thätigkeit mit jener eigentümlichen Schwäche der Kinder, die niemand als nur das Mutterohr versteht. Noch nie hatte der Kleine, der doch beinahe schon drei Jahre alt war, ein Wort nachgesprochen, und dieser Mangel hatte die Eltern, besonders die Mutter, oft schon besorgt gemacht. Dabei war das Kind wunderbar schön entwickelt, verstand alles, was man ihm sagte, und sah so verständnisvoll drein, als ob es eine Welt von Beobachtung in sich verschlösse.

»Sorge Dich nicht um ihn«, pflegte der Vater die ängstliche Mutter zu trösten, »er sammelt jetzt ein, gieb acht; er überrascht Dich einmal damit!« Aber Adele hatte tiefere Gründe für ihre Sorge, Gründe, die sie selbst dem zärtlich geliebten Gatten verbarg, die aber immer mehr und mehr Gestalt annahmen, sie quälten und ängstigten bei Tag und Nacht.

»Wie lange auch Edmund heute bleibt!« flüsterte sie gedankenvoll, »er kommt doch sonst um fünf Uhr nach Hause und schon schlug es sechs. Gewiß hält ihn der Graf wieder auf mit seinen Vorschlägen, die doch dem Ausmalen der Kapelle nicht zum Vorteil gereichen. Ein Glück, daß er sich durch Edmund bestimmen läßt.« Adele ließ die Arbeit in den Schoß sinken, stützte den Kopf in die Hand und blickte hinaus. Das Herz war ihr so schwer heute, sie wußte selbst nicht, warum. Es giebt solche Tage, wo wir beim Aufstehen schon empfinden, daß er nicht ganz wie jeder andere hingehen wird – und Dank Gott, wenn es ein freundliches Intermezzo des alltäglichen Lebens ist, was er bringt. Sinnend starrte sie eine Weile hinaus mit den Augen, die wie in die ferne Vergangenheit blickten, und als folgten sie dem Zuge ihrer Gedanken, so richteten sie sich auf das Bild über dem Sofa, auf welchem der Sonnenschein so verklärend ruhte. »Vater!« sagte die junge Frau halblaut, und die sanften Rehaugen schwammen in Thränen bei dem Worte. Sie war mit ihren Gedanken daheim – daheim bei dem strengen und doch so herzlich geliebten Vater, sie sah sich als frohes Mädchen, umgeben von allem, was Reichtum gewähren kann. Wie hatte das Väterchen doch sein Mädchen, das einzige Kind in dieser kurzen, glücklichen Ehe, verzogen und verwöhnt, wie selten hatte er ihr einen Wunsch versagt, alles hatte ein Schmeichelwort von ihr erlangt – und doch – wie war es denn nur geschehen?

Als Edmund Bering, der junge Maler, in das Haus gekommen war, erst den alten Baron und dann sie selbst gemalt hatte – wie ihre Herzen sich gefunden, wie sie durchaus kein Hehl daraus gemacht, und sofort beim Vater auf den härtesten Widerstand gestoßen war. Er, der sonst so Gütige, war hier hart und ungerecht wie noch nie. Wie hatte sie ihn umschmeichelt, ihn mit Thränen bestürmt, und zuletzt getrotzt, und mit diesem Trotz im Herzen war sie von ihm gegangen – gegen seinen Willen. Die Liebe zu Edmund hatte den Sieg davon getragen über die Kindesliebe. – Das Paar hatte sich heimlich, ohne den Segen des Vaters, trauen lassen. Starr und felsenfest war der Alte auch nach dem entscheidenden Schritte geblieben; das Vermögen ihrer Mutter, die Bilder, die Edmund gemalt, alles, was der Tochter zugehörte, bis ins Kleinste, hatte er ihr nachgesandt, statt der versöhnenden Antwort auf ihre Briefe. Adele hatte wohl bitterlich geweint im Arme des jungen Gatten, aber in dem Glücke des Zusammenseins mit dem unendlich Geliebten schwand der Kummer um des Vaters Zorn, und statt dessen stand der böse Trotz auf und verhärtete das Herz des Kindes gegen den alten Vater. Aber als nach zwei Jahren ihnen Walter geboren worden, da war in ihrem Herzen eine Sehnsucht, ein fast krankhaftes Heimweh nach dem einsamen Alten wach geworden, ein fast unüberwindliches Sehnen, welches sie dem Gatten zu verbergen strebte und das doch aus den blassen Zügen so deutlich sprach. Das Auge der Liebe aber sieht scharf, Edmund kannte das Leid, an dem sein Herzensliebling hinsiechte, und wie redlich hatte er sich bemüht, alles auszugleichen, wie freundlich hatte er, der Mittellose, durch sein herrliches Talent das Leben des verwöhnten Kindes gestaltet und die Zukunft seines Knaben gesichert! Der kunstsinnige, wenn auch etwas excentrische Graf R., der die reizende Kapelle, die seitdem das Staunen der Reisenden geworden ist, durch Edmund's Künstlerhand ausmalen ließ, hielt ihn seit drei Jahren schon in der lieblichen Gegend gefesselt, und dort, in dem Häuschen unter den Birken, war der kleine Walter geboren worden. Das Kind gedieh herrlich, war schön und klug, nur die Sprache wollte noch nicht kommen, und so oft und mit zärtlichem Bitten die junge Mutter ihm auch das Wort »Papa« vorgesprochen – der Kleine versuchte nicht einmal, es ihr nachzusprechen. »Sollte das eine entsetzliche, aber gerechte Strafe für die treulose Tochter sein?« fragte sich Adele dann wohl bisweilen in selbstquälerischem Hinbrüten.

In solche bittersüße Erinnerungen versunken, starrte sie hinaus in das junge Grün, und ohne daß sie es wußte, rollten ihr die Thränen über die blassen Wangen. Der kleine Walter hatte indessen die sanfte Stimme der Mutter, die er immer in sein Spiel ermunternd hinein klingen zu hören gewohnt war, vermißt, und erstaunt sah sich der kleine Prinz auch dann noch unbeachtet, als er selbst in lauteren Tönen sich bemerklich zu machen gesucht hatte. Er stand endlich von seinem Platze auf, warf die Bauklötzchen verdrießlich um und trippelte zur Mutter hin, die noch immer die großen, weinenden Augen nach dem Walde zu gerichtet hielt. Aus ihrem tiefen Sinnen aber schreckte sie ein Wort auf – ein einziges süßes Wort – ein Ton, der sie traf wie Engelgesang: – »Papa« sprach das Kind ganz deutlich, als ob es wüßte, welcher Zauber für die bekümmerte Frau am Fenster in diesem Worte lag. Mit einem Jubelschrei, der gewiß wie Gebet zum Himmel aufflog, sprang Adele empor, riß ihr Kind in die Höhe, drückte es lachend und weinend an ihre Brust, und Walter – vergnügt über die Wirkung seines Experimentes, wiederholte das Wort mit Nachdruck mehrere Male klar und so deutlich, wie es nur eben möglich war, denn die Küsse der glückseligen Mutter verschlossen ihm oft die Lippen. Wer schildert die Seligkeit der beglückten Mutter? Vorüber war das Leid – der geheime, schwerlastende Kummer, – der Fluch war von ihr genommen, die Hoffnung winkte wieder mit grünem Kranze. »O, mein Kind, mein Kind!« rief sie unter heißen Thronen und trat, mit Walter auf dem Arme, vor das Bild des Großvaters. »Sieh, Walter, da ist der liebe Großpapa!«

Das Kind schmiegte sich mit herzigem verschämten Lächeln an die Mutter, schlang die runden, weichen Arme um ihren Hals und sagte mit unendlich reizender Betonung:

»O, Papa, o Papa!«

»Und da ist er endlich selbst, unser lieber, lieber Papa«, rief die glückliche Frau, strahlend vor Seligkeit, als auf dem Kiessande vor dem Hause Männerschritte tönten. Sie wollte ihm gleich entgegenfliegen, doch sie hörte, er kam nicht allein.

Er ging mit dem Fremden sogleich in sein eigenes Zimmer und Adele mußte noch immer warten, obgleich sie die Seligkeit kaum länger in sich verschließen zu können meinte. »O, der langweilige Besuch!« dachte sie – aber noch ehe sie ausgedacht, trat Edmund herein. Sein schönes, offenes Gesicht glänzte von innerem Glück, und als Adele auf ihn zuflog und mit Thränen unter Lächeln ihm Walter in die Arme legte, als der kluge Junge sofort »Papa, lieber Papa!« ganz deutlich sagte – da waren die Elternherzen voll zum Zerspringen. Tief gerührt hob Edmund sein Kind empor, als wie in heißem Dank zu Gott. Und als Adele vom Arm des Gatten fest umschlossen an seiner Brust lehnte, während der Knabe fröhlich jauchzend sie umspielte, da flüsterte sie ihm zu, wie thöricht sie gewesen, wie sie gezagt und gebangt habe um ihr Kind, wie sie sein Verstummen als Strafe des Himmels für ihre Untreue gegen ihren eigenen Vater gehalten, wie sie fast vergangen sei vor Heimweh, vor Sehnsucht nach dem greisen Vater, wie aber mit diesem ersten Worte ihres Kindes, just zu rechter Zeit, der lähmende Bann von ihr gewichen, wie sie nun wieder sein mutiges, treues Weib sein und des Wortes der heiligen Schrift eingedenk bleiben wolle: »Das Weib soll Vater und Mutter verlassen und dem Manne anhangen!« Bei diesem schluchzend geflüsterten Bekenntnis leuchtete ein seliges Glück in den Augen und von der Stirn des jungen Mannes, als könnte er den Jubel nicht mehr verbergen, der sein ganzes Herz erfüllte.

»Adele, geliebtes Weib«, sagte er, sie zärtlich an sich drückend, »und meintest Du wirklich, ich wäre blind geblieben für Dein stilles, tiefes, bitteres Weh? Las ich es nicht täglich in Deinen lieben Augen, auf Deinen blassen Wangen? Traf es mich nicht immer wie ein stiller Vorwurf? Laß es mich gestehen: bisweilen meinte ich grollend, Du dürftest doch nicht so bitter mit dem Schicksale hadern, das uns zusammengeführt. Dein Vater habe es ja so gewollt und seine Härte sei Ungerechtigkeit. Aber – seit ich den lieben Jungen mein nennen darf, – erst seitdem weiß ich, Adele, was ein Vaterherz empfindet, und ich glaube, ich selbst würde Dem bitter grollen, der mir mein süßes Kind, sei es auch in und durch Liebe, entzöge und entfremdete. Und siehst Du, Geliebte, – der Gedanke ließ mir fortan keine Ruhe – ich wußte, wie Du unter der Trennung littest, ich wollte mich nicht damit zufrieden geben, daß wir viele vergebliche Versuche gemacht hatten – ich wagte noch einen Sturm auf das Vaterherz, nach jener kleinen Skizze, die ich vor einiger Zeit von Dir, mit unserm Walter auf dem Schöße, entworfen, malte ich ganz hinter Deinem Rücken, im Atelier des Grafen, so recht unter seinen Augen, ein größeres Bild und schickte es dem Vater. Ich hatte nur ein kurzes, warmes Sohneswort als Begleitschreiben beigefügt. Deine Augen und Walters süßes Kindergesicht sollten alles Andere thun!«

Sie nahm mit rührend dankbarem Lächeln seine Hand und küßte sie, dann blickte sie fast atemlos in sein erregtes Gesicht. »Und was – was hat er Dir erwidert?« fragte sie.

Seine Augen waren naß und doch so selig froh, als er auf sie niederblickte und nach der Thüre zeigend sagte: »Sieh dorthin, Geliebte – da wird dir Antwort werden!«

Und vom Abendsonnengold, das noch scheidend durch die grünen Blätter brach, umleuchtet, stand eine ehrwürdige Greisengestalt mit überströmenden Augen und weit ausgebreiteten Armen.

»Adele, Edmund – meine Kinder – kommt an das Vaterherz! O, daß ich mich selbst des Glückes so lang beraubte! O, daß ich in starrem Trotz, in bitterer Eifersucht mich selbst so hart strafen und Euch so kränken konnte! Edmund, glaube mir, gerade weil Du so recht der Mann nach meinem Herzen warst, weil ich in Dir den besseren, edleren erkennen mußte, deshalb bäumte sich mein elender Stolz auf, und ich wagte den Kampf zwischen Vater und Geliebten. Ach – ich hatte bald verloren!«

»Aber doppelt wieder gewonnen, Vater« rief Adele und warf sich laut schluchzend in seine Arme. »Vater, Vater, vergieb uns um der bittern Stunden willen voll Heimweh nach Dir! Nun erst ist Deine Tochter ganz glücklich!« Er hielt die Weinende an seiner Brust, Vater und Tochter ruhten endlich wieder Herz an Herz in seligem Wiederfinden. Dann aber wandte sich der alte Baron zu seinem Schwiegersohn, und lang und herzlich war der Friedenskuß, den beide starken Männer tauschten. Er hat einen festen Bund besiegelt.

»Dir danke ich alles«, sagte der tieferschütterte Vater, »Dein Herz hat den rechten Weg zu mir gefunden. Als ich die Augen meines Kindes in so sanfter Schwermut auf mich gerichtet sah, als ich in die lieblichen Züge meines Enkels blickte, als ich die warmen Mannesworte las, die der Beleidigte an den hartherzigen Vater schrieb – da riß die Binde, die Eifersucht und Trotz um meine Augen gelegt, ich sah klar, und komme nun, um mir bei Euch Verzeihung zu holen und endlich – endlich – wieder glücklich zu sein!« – Während die drei tiefgerührten Menschen so miteinander sprachen, stand Walter mit weitaufgerissenen Augen und offenem Mündchen dabei, und als ihn der Großpapa aufhob, ihn küßte und segnete, da wanderten die großen, klugen Augen sofort von ihm auf das Bild und so vergleichend hin und her. »O, Papa!« sagte er dann, und kündete damit sein vollkommenes Verständnis der häuslichen Szene an, die sich vor seinen Augen abgespielt hatte. Wie sie ihn herzten und küßten, den süßen Jungen, wie stolz der Vater auf den ächten »Malersohn« war, wie dieser Abend im kleinen, weißen Hause zur wahren Frühlingsfeier dreier glücklicher Herzen wurde, wer vermöchte das zu schildern?

»Edmund, sind wir nicht zu glücklich?« frug Adele am Abend, als die Drei vor Walters Bettchen standen, worin der Kleine, blühend wie eine Rose, auf seinen weißen Kissen schlummerte; »wird es auch so bleiben?«

»Geliebte!« sagte der Gatte, »hast Du so schnell schon beim ersten Sonnenstrahl die dunklen Schatten vergessen, die noch vor kurzem Dein junges Herz völlig zu umnachten drohten? Du hast tapfer gekämpft, wacker gerungen, mein braves Weib, und hast Dir redlich den Sieg verdient. Wir alle haben uns wiedergefunden: durch Nacht zum Licht!«

»Papa!« murmelte das Kind im Schlafe.

»Es war Dein erstes Wort, und Gott hat es reich gesegnet«, sagte die Mutter und faltete tiefgerührt die Hände.

Und Segen führwahr zog nun in das weiße Haus, und wenn auch der Winter die glückliche Familie in die Stadt entführte, so kehrte sie doch mit jedem jungen Jahr in das kleine Nest am Birkenwäldchen zurück. Und Walter plaudert nun mit dem Großpapa und kramt vor ihm all' seine eingesammelte Weisheit aus, und die Beiden sind gar köstliche Kameraden. Der alte Baron lebt ganz auf in dem Sonnenschein der Liebe, der ihn umgiebt, und Edmund und Adele tragen den Vater im schönsten Wortessinne auf den Händen. Seit einiger Zeit beschäftigt sich Walter emsig damit, seinem winzigen Schwesterchen Sprachstunden zu erteilen, die jedoch sehr wenig anschlagen. Der jugendliche Mentor läßt sich dadurch nicht beirren, sein Mäulchen plaudert unablässig, ja es ist, als wolle sich die Zunge dafür entschädigen, daß sie so lange zu träger Ruhe verurteilt gewesen ist. Aber die Eltern und der glückliche Großpapa bewahren Walters erstes Wort in dankbarer Erinnerung.

J. D.

finis

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