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Geschichte des Fischers mit dem Geiste.

»Herr, es war einmal ein alter und so armer Fischer, daß er kaum so viel erwerben konnte, um seine Frau und drei Kinder zu ernähren, welche seine Familie ausmachten. Er ging alle Tage sehr früh auf den Fischfang, hatte es sich aber zum Gesetze gemacht, nur viermal jeden Tag seine Netze auszuwerfen.

Er ging eines Morgens beim Mondschein hinaus an das Ufer des Meeres. Er entkleidete sich und warf sein Netz aus. Als er es ans Ufer zog, fühlte er bald Widerstand; er glaubte einen guten Fang getan zu haben und freute sich schon innerlich darüber. Als er aber bald darauf bemerkte, daß anstatt der Fische in seinem Netze nur das Gerippe eines Esels war, welches sogar sein Netz zerrissen hatte, so war er sehr verdrießlich darüber und sprach folgende Verse aus:

»O du, der du dich während der Dunkelheit der Nacht in Gefahren begibst, laß nach in deinen Bemühungen; denn der Lebensunterhalt wird dir trotz deinen Anstrengungen doch nicht zuteil!

Betrachte den Fischer im Meere, wie er in der sternlosen Nacht seines Erwerbes wegen sich aussetzt!

Bis an die Brust watet er im Wasser, die Wellen peitschen ihn von allen Seiten; doch hört sein Auge nicht auf, jede Bewegung des Netzes zu beobachten.

Endlich beschließt er noch freudig seine Nacht, wenn nur ein Fisch an seiner Angel sich verwundet hat.

Derjenige kauft ihm denselben ab, welcher seine Nacht in Ruhe und ohne sich der Kälte auszusetzen in den Segnungen des Glücks zugebracht hat.

Gepriesen sei der Herr, der diesem gibt und jenem vorenthält! Jener verzehrt die Fische mit Ruhe, die dieser mit Mühe gefangen hat.«

Scheherasade hörte hiermit auf zu reden, weil sie den Tag anbrechen sah.

»Meine Schwester,« sagte Dinarsade zu ihr, »ich gestehe dir, daß dieser Anfang mich reizt, und ich sehe voraus, daß die Folge sehr anmutig sein wird.« – »Nichts ist überraschender als die Geschichte vom Fischer,« antwortete die Sultanin; »und du wirst in der nächsten Nacht mir darin beistimmen, wenn der Sultan die Gnade hat und mich leben läßt.«

Schachriar, neugierig, den Erfolg des Fischzuges zu vernehmen, wollte diesen Tag Scheherasaden noch nicht töten lassen. Er stand also auf, ohne diesen furchtbaren Befehl zu erteilen.

 

Neunte Nacht.

»Meine liebe Schwester,« rief Dinarsade in der folgenden Nacht zur gewöhnlichen Stunde, »ich bitte dich, die Geschichte des Fischers zu vollenden; ich sterbe vor Begierde, sie zu hören.« – »Ich will deine Neugier befriedigen,« antwortete die Sultanin. Zu gleicher Zeit bat sie den Sultan um Erlaubnis; und nachdem sie dieselbe erhalten hatte, nahm sie die Geschichte vom Fischer folgendermaßen wieder auf:

»Herr, als der Fischer, verdrießlich über einen so schnöden Fang, sein Netz wieder ausgebessert, welches das Eselsgerippe an mehreren Stellen zerrissen hatte, so warf er es zum zweitenmal aus. Indem er es herauszog, spürte er abermals starken Widerstand, weshalb er glaubte, daß es voll Fische wäre; aber er fand darin nichts als einen großen Korb voll Sand und Schlamm.

Er geriet darüber in große Betrübnis. »O Schicksal,« rief er mit kläglicher Stimme aus, »höre auf, gegen mich zu zürnen, und verfolge nicht einen Unglücklichen, welcher dich bittet, sein zu schonen! Ich bin von Hause gegangen, um hier meinen Unterhalt zu suchen, und du drohst mir den Tod. Ich habe kein anderes Gewerbe als dieses, um mich zu ernähren, und trotz aller Sorgfalt, welche ich darauf verwende, kann ich meiner Familie kaum die dringendsten Bedürfnisse verschaffen. Aber ich habe unrecht, mich über dich zu beklagen: du findest Vergnügen daran, die ehrlichen Leute zu mißhandeln und die großen Männer in der Dunkelheit zu lassen, während du die Bösen begünstigst und diejenigen erhebst, die sich durch keine Tugend empfehlen.«

Indem er in diese Klagen ausbrach, schleuderte er ungestüm den Korb weg; und nachdem er sein Netz wieder rein gewaschen von dem Kote, welcher es verunreinigt hatte, warf er es zum drittenmal aus. Aber er zog nichts als Steine, Muscheln und Unrat heraus.

Es ist nicht auszusprechen, wie groß seine Verzweiflung war: es fehlte nicht viel, daß er im Übermaße seines Unglücks den Verstand verlor. Hierauf, seiner Frau und seiner Kinder gedenkend, sprach er folgende Verse aus:

»Dein Unterhalt hängt weder von deiner Nachlässigkeit noch von deinem Eifer ab; und es ist weder deine Geschicklichkeit, noch sind es deine schönen Schriftzüge, welche dich glücklich machen.

Das glückliche Los und der Unterhalt sind nur Gaben des Schicksals, und du mußt damit zufrieden sein, es sei dir günstig oder widrig.

Es erniedriget die höchsten und Trefflichsten und erhöhet oft die Niedrigsten und Bösesten, welche das schlechteste Los verdient hätten.

Komm also, o Tod! denn das Leben ist mir verächtlich geworden, weil in demselben Menschen mit Adlertugenden erniedriget und Leute mit Entenfähigkeiten erhöhet werden.

Denn es ist kein Wunder mehr, zu sehen, daß die Tugend mit Armut kämpft und das Laster mit dem ihm zugefallenen Glücke sich brüstet.

Unser Los ist vorherbestimmt, und mit unsern dort oben vorgezeichneten Schicksalen gleichen wir Vögeln, welche hie und da etwas aufzupicken finden: der eine fliegt von Osten nach Westen und findet nichts; während der andere die beste Nahrung findet, ohne sich zu entfernen.«

Unterdessen brach der Tag an, und der Fischer vergaß nicht, als guter Muselmann, sein Gebet zu verrichten; darauf fügte er folgendes hinzu: »Herr, du weißt, daß ich nur viermal jeden Tag mein Netz auswerfe. Ich habe es nun schon dreimal ausgeworfen, ohne die geringste Frucht meiner Arbeit gewonnen zu haben. Es ist mir nur noch ein Zug übrig: und ich flehe dich an, mir das Meer günstig zu machen, wie du es dem Moses getan hast!«

Nachdem er dieses Gebet geendigt hatte, warf er sein Netz zum viertenmal aus. Als er glaubte, daß Fische darin sein müßten, zog er es abermals mit großer Mühe heraus. Es waren gleichwohl keine darin! aber er fand darin ein Gefäß von Messing, welches seiner Schwere nach ihm etwas zu enthalten schien. Er bemerkte, daß es mit Blei verschlossen und versiegelt war, und sah den Abdruck eines Petschafts darauf. Dies erfreute ihn. »Ich will es an den Gelbgießer verkaufen,« sagte er, »und für das Geld, das ich daraus löse, ein Maß Getreide kaufen.«

Er untersuchte das Gefäß von allen Seiten und schüttelte es, um zu hören, ob das, was darinnen wäre, kein Geräusch machte. Er hörte nichts; und dieser Umstand samt dem Siegel auf dem Deckel von Blei brachten ihn auf den Gedanken, daß es mit etwas Kostbarem angefüllt sein müßte. Um sich darüber aufzuklären, nahm er sein Messer, und mit einiger Mühe öffnete er es. Er kehrte sogleich die Öffnung gegen den Boden, aber es kam nichts heraus, was ihn äußerst verwunderte.

Er setzte das Gefäß vor sich hin; und während er es aufmerksam betrachtete, stieg ein dichter Rauch daraus empor, welcher ihn nötigte, zwei oder drei Schritte zurückzutreten. Dieser Rauch erhob sich bis in die Wolken, breitete sich über Meer und Gestade aus und bildete einen dicken Nebel: welches Schauspiel, wie man sich vorstellen kann, dem Fischer ein außerordentliches Erstaunen erregte. Als aller Rauch aus dem Gefäße war, vereinigte er sich wieder und verdichtete sich zu einem festen Körper, und daraus bildete sich ein Geist, der noch einmal so groß war als der größte aller Riesen. Bei dem Anblick eines Ungetüms von so ungeheuerer Größe wollte der Fischer die Flucht ergreifen; aber er war so erschüttert und erschrocken, daß er keinen Fuß rühren konnte.

»Salomon,« rief alsbald der Geist aus, »Salomon, großer Prophet Gottes, Gnade, Gnade! Nimmer will ich mich deinem Willen widersetzen. Ich will allen deinen Befehlen gehorchen ...«

Scheherasade bemerkte hier den Tag und brach ihre Erzählung ab.

Dinarsade nahm darauf das Wort. »Meine Schwester,« sagte sie, »man kann nicht besser sein Versprechen halten, als du es getan hast: dieses Märchen ist ohne Zweifel viel wunderbarer als die vorigen.« – »Meine Schwester,« antwortete die Sultanin, »du wirst Dinge hören, die dich noch weit mehr in Verwunderung setzen werden, wenn der Sultan, mein Herr, mir erlaubt, sie dir zu erzählen.«

Schachriar hatte zu große Begierde, das übrige der Geschichte vom Fischer zu hören, um sich dieses Vergnügens zu berauben. Er verschob also den Tod der Sultanin abermals auf morgen.

 

Zehnte Nacht.

Dinarsade weckte in der folgenden Nacht, als es Zeit war, ihre Schwester und bat sie, die Geschichte vom Fischer fortzusetzen.

Der Sultan bezeigte auch seine Ungeduld, zu vernehmen, welchen Zwist der Geist mit Salomon gehabt hatte; und Scheherasade fuhr also fort:

»Herr, der Fischer hatte nicht sobald die Worte des Geistes vernommen, als er sich wieder erholte und zu ihm sagte: »Stolzer Geist, was sprichst du da? Es sind mehr als achtzehnhundert Jahre, daß Salomon, der Prophet Gottes, tot ist, und wir sind gegenwärtig am Ende der Tage. Erzähle mir deine Geschichte, und weshalb du in diesem Gefäße verschlossen warest.«

Auf diese Anrede blickte der Geist den Fischer mit stolzer Gebärde an und antwortete ihm: »Rede höflicher mit mir; du bist sehr dreist, mich einen stolzen Geist zu nennen.« – »Wohlan,« erwiderte der Fischer, »ist es höflicher geredet, wenn ich dich den Uhu des Schicksals nenne?« – »Ich rate dir,« erwiderte der Geist, »höflicher zu mir zu reden, bevor ich dich töte.« – »He,« versetzte der Fischer, »warum wolltest du mich töten? Ich habe dich soeben in Freiheit gesetzt: hast du es schon vergessen?« – »Nein, ich erinnere mich dessen wohl,« erwiderte der Geist, »aber das soll mich nicht abhalten, dich zu töten: und ich habe nur eine einzige Gnade dir zu gewähren.« – »Und welche Gnade ist das?« fragte der Fischer. – »Sie ist,« antwortete der Geist, »daß ich dir die Wahl lasse, auf welche Weise ich dich töten soll.«

»Und wodurch,« versetzte der Fischer, »habe ich dich beleidigt? Willst du mich also für die Wohltat belohnen, die ich dir erwiesen habe?« – »Ich kann dich nicht anders behandeln,« sagte der Geist; »und damit du selber dich davon überzeugest, so höre meine Geschichte:

Ich bin einer der abtrünnigen Geister, welche sich dem Willen Gottes widersetzten. Alle anderen Geister erkannten den großen Salomon, den Propheten Gottes, und unterwarfen sich ihm. Wir, Sakar und ich, waren die einzigen, welche sich nicht so erniedrigen wollten. Um sich dafür zu rächen, gebot dieser mächtige König seinem ersten Minister Assaf, Barachias Sohn, mich gefangen zu nehmen. Das geschah. Assaf kam, sich meiner zu bemächtigen, und führte mich mit Gewalt vor den Thron des Königs, seines Herrn.

Salomon, Davids Sohn, befahl mir, mein bisheriges Leben aufzugeben, seine Macht anzuerkennen und mich seinen Befehlen zu unterwerfen. Ich versagte trotzig, ihm zu gehorchen; und ich wollte mich lieber seinem ganzen Zorne aussetzen, als ihm den Eid der Treue und Untertänigkeit leisten, welchen er von mir forderte. Zur Strafe schloß er mich in dieses kupferne Gefäß ein; um sich meiner zu versichern, und damit ich mein Gefängnis nicht sprengen könnte, so drückte er selber auf den bleiernen Deckel sein Siegel, in welches der hohe Name Gottes eingegraben war. Als das geschehen war, übergab er das Gefäß einem der Geister, welche ihm gehorchten, mit dem Befehle, mich ins Meer zu werfen, was auch zu meinem großen Verdrusse geschah.

Während des ersten Jahrhunderts meiner Gefangenschaft schwor ich, wenn jemand mich vor Ablauf dieser hundert Jahre daraus befreite, ihn reich zu machen, selbst nach seinem Tode. Aber das Jahrhundert verlief, und niemand leistete mir diesen guten Dienst. Während des zweiten Jahrhunderts schwor ich, jedem, der mich in Freiheit setzte, alle Schätze der Erde zu eröffnen; aber ich war nicht glücklicher. In dem dritten gelobte ich, meinen Befreier zu einem mächtigen König zu machen, stets als Geist bei ihm zu sein und ihm jeden Tag drei Bitten zu gewähren, von welcher Art dieselben auch immer sein möchten; aber auch dieses Jahrhundert verging wie die beiden vorigen, und ich blieb stets in demselben Zustande. Endlich, verzweifelnd, oder vielmehr erbost, mich so lange gefangen zu sehen, schwor ich, wenn in der Folge jemand mich befreite, ihn erbarmungslos zu töten und ihm keine andere Gnade zu gewähren als die, daß ich ihm die Wahl ließe, auf welche Weise ich ihn töten sollte. Deshalb also, da du heute hierher gekommen bist und mich befreit hast, wähle, wie du von mir getötet sein willst.«

Diese Rede betrübte den Fischer gar sehr. »Ich Unglückseliger,« rief er aus, »daß ich an diesen Ort gekommen bin, um einem Undankbaren einen so großen Dienst zu leisten! Ich bitte dich, bedenke deine große Ungerechtigkeit und widerrufe deinen so unvernünftigen Eid. Verzeihe mir, damit Gott auch dir verzeihe. Wenn du mir großmütig das Leben schenkst, so wird er dich gegen Nachstellungen schützen, welche etwa dein Leben bedrohen.« – »Nein, dein Tod ist gewiß,« sagte der Geist; »wähle nur, auf welche Weise ich dich töten soll.«

Als der Fischer seinen beharrlichen Entschluß sah, ihn zu töten, war er in großer Angst, nicht sowohl aus Liebe zu sich selber, als wegen seiner drei Kinder, und beklagte ihr Elend, in welches sein Tod sie versetzen würde. Er versuchte nochmals, den Geist zu besänftigen. »Weh mir!« rief er aus, »hab' Erbarmen mit mir, in Rücksicht dessen, was ich für dich getan habe.« – »Ich habe es dir schon gesagt,« erwiderte der Geist, »daß dieses gerade die Ursache ist, daß ich dich töten muß.« – »Das ist doch seltsam,« entgegnete der Fischer, »daß du durchaus Gutes mit Bösem vergelten willst. Zwar ist jener Spruch aller Welt bekannt:

»Gutes haben wir erwiesen, man hat uns mit Bösem belohnt: – so handelt, bei meinem Leben, nur der Gottlose!

Doch es ist gewiß: wer dem Unwürdigen Gutes erweiset, hat kein anderes Schicksal zu erwarten, als der einer Hyäne Zuflucht gibt.«

Ich glaubte bisher immer, daß dieses falsch wäre; und in der Tat verstößt nichts so sehr gegen die Vernunft und gegen die Rechte der Gesellschaft: nichtsdestominder erfahre ich nun grausamerweise, daß es nur zu wahr ist.« – »Laß uns nicht die Zeit verlieren,« unterbrach ihn der Geist, »alle deine Vernünfteleien können mich von meinem Vorhaben nicht abwendig machen. Mach' fort und sage, wie du wünschest, daß ich dich töte.«

Die Not macht erfinderisch. Der Fischer besann sich auf eine List. »Da ich den Tod nicht vermeiden kann,« sagte er zu dem Geiste, »so unterwerfe ich mich denn dem Willen Gottes. Bevor ich aber eine Todesart wähle, so beschwöre ich dich bei dem hohen Namen Gottes, welcher auf dem Siegel des Propheten Salomon, des Sohnes Davids, eingegraben ist, mir die Wahrheit zu sagen auf eine Frage, die ich dir tun will.«

Als der Geist auf eine Weise beschworen wurde, welche ihn zwang, bestimmt zu antworten, zitterte er innerlich und sagte zu dem Fischer: »Frage mich, was du willst, und eile dich ...«

Da brach der Tag an, und Scheherasade schwieg.

»Meine Schwester,« sagte Dinarsade, »man muß gestehen, je mehr du erzählest, je mehr Vergnügen gewährst du. Ich hoffe, daß der Sultan, unser Herr, dich nicht töten läßt, bevor er das Ende des schönen Märchens vom Fischer gehört hat.« – »Der Sultan hat zu gebieten,« erwiderte Scheherasade; »wir müssen uns gefallen lassen, was ihm beliebt.«

Der Sultan, welcher nicht weniger Lust hatte als Dinarsade, das Ende dieser Erzählung zu hören, verschob abermals den Tod der Sultanin.

 

Elfte Nacht.

Schachriar und seine Gemahlin brachten diese Nacht ebenso zu wie die vorhergehenden, und ehe der Tag anbrach, weckte sie Dinarsade durch folgende Worte, welche sie an die Sultanin richtete: »Meine Schwester, ich bitte dich, die Erzählung vom Fischer wieder aufzunehmen.« – »Sehr gern,« antwortete Scheherasade, »ich will dir genugtun, mit Erlaubnis des Sultans.«

»Als der Geist,« fuhr sie fort, »versprochen hatte, die Wahrheit zu sagen, sprach der Fischer zu ihm: »Ich möchte wohl wissen, ob du wirklich in diesem Gefäße warest: getrauest du dir wohl, es bei dem hohen Namen Gottes zu beschwören?« – »Ja,« antwortete der Geist, »ich schwöre bei diesem hohen Namen, daß ich darin war; und das ist gewißlich wahr.« – »Bei meiner Treue,« erwiderte der Fischer, »ich kann's nicht glauben. Dieses Gefäß vermöchte ja nicht einmal einen deiner Füße in sich zu fassen: wie wäre es möglich, daß du ganz und gar darin eingeschlossen gewesen wärest?« – »Ich schwöre es dir gleichwohl,« sagte der Geist, »daß ich darin war, so wie du mich hier siehst. Glaubst du mir noch nicht, nach dem großen Eide, den ich dir geschworen habe?« – »Wahrhaftig, nein,« antwortete der Fischer; »und ich werde dir nicht glauben, wenn du mich nicht durch den Augenschein überzeugest.«

Hierauf verflüchtigte sich der Leib des Geistes wieder und verwandelte sich in Rauch, welcher sich wie zuvor über das Meer und Gestade ausbreitete, dann sich wieder sammelte und in das Gefäß hineinzog und in gleichmäßiger und langsamer Bewegung so fortfuhr, bis gar nichts mehr davon draußen war. Alsbald kam eine Stimme daraus hervor, welche zu dem Fischer sagte: »Wohlan, ungläubiger Fischer, da bin ich wieder in dem Gefäße; glaubst du mir nun?«

Der Fischer aber, anstatt dem Geiste zu antworten, nahm den bleiernen Deckel, verschloß eilig das Gefäß damit und rief ihm zu: »Geist, jetzt ist die Reihe an dir, um Gnade zu bitten, und wähle nun, welchen Tod ich dich soll sterben lassen! Aber nein, es ist besser, daß ich dich wieder ins Meer werfe, an derselben Stelle, wo ich dich herausgezogen habe. Dann will ich mir auf diesem Gestade ein Haus bauen und hier wohnen, um alle Fischer, welche hierher kommen und ihre Netze auswerfen, zu warnen, daß sie sich wohl hüten, einen so boshaften Geist wieder herauszufischen, welcher geschworen hat, jeden zu töten, der ihn etwa in Freiheit setzt.«

Bei diesen spöttischen Worten strengte der erzürnte Geist alle seine Kräfte an, um wieder aus dem Gefäße zu kommen, aber es war ihm unmöglich, denn das aufgedrückte Siegel des Propheten Salomon, des Sohnes Davids, verhinderte ihn daran. Als er nun sah, daß der Fischer ihn in seiner Gewalt hatte, unterdrückte er seinen Zorn und sagte zu ihm mit besänftigter Stimme: »Fischer, hüte dich wohl, das zu tun, was du sagst. Was ich hier getan habe, ist nur aus Scherz geschehn, und du mußt die Sache nicht ernsthaft nehmen.« – »O Geist,« antwortete der Fischer, »du, der vor einem Augenblick der größte aller Geister war und gegenwärtig der kleinste bist, wisse, daß alle deine listigen Reden dir nichts helfen. Du mußt wieder ins Meer zurück. Wenn du so lange Zeit darin gewesen bist, wie du mir gesagt hast, so kannst du auch wohl bis zum Tage des jüngsten Gerichts dort bleiben. Ich habe dich im Namen Gottes gebeten, mir nicht das Leben zu rauben, und du hast meine Bitten verworfen; jetzt will ich dir Gleiches mit Gleichem vergelten.«

Der Geist sparte nichts, den Fischer zu rühren. »Öffne das Gefäß,« sagte er zu ihm, »und gib mir die Freiheit, ich flehe dich drum und verspreche dir, daß du zufrieden mit mir sein sollst.« – »Du bist und bleibst ein Verräter,« erwiderte der Fischer. »Ich verdiente das Leben zu verlieren, wenn ich die Unklugheit hätte, dir zu trauen. Du würdest nicht ermangeln, mich auf dieselbe Weise zu behandeln, wie ein gewisser griechischer König seinen Arzt Duban behandelte. Das ist eine Geschichte, die ich dir erzählen will; höre zu:


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