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Dichterwanderung.

Fernher schallt der Wellen Tosen;
An dem Zaun blüh'n wilde Rosen,
Und der Storch mit rothen Hosen
In des Torfmoors Lache fischt.
Auf des grünen Hügels Rücken
Will ich ruhen, Blumen pflücken,
Will zum Strande niederblicken,
Dran die Fischer Netze flicken,
Von dem Meereswind erfrischt.

Will dann nach dem Hüttchen schreiten,
Drüberhin die Zweige breiten
Hohe Ulmen; dessen Seiten
Grünendes Gesträuch umblüht.
In dem Laube zwitschern Vögel;
Drüben mit geschwelltem Segel
Treibt ein Boot vorbei dem Pegel;
Halbnackt rollen hier wie Kegel
Fischerkinder in dem Ried.

Doch hinweg von grünen Auen!
Boot, Dir will ich mich vertrauen!
Trage Du mich durch die blauen
Fluthen nach dem Schiffe schnell,
D'ran das Segel, hoch am Maste,
Das vom vollen Wind gefaßte.
Sieh! die Sonne geht zu Raste,
Schon des Tages Licht erblaßte,
Purpurn färbt sich Luft und Well'.

Schiff, Du schwebst, befreit vom Anker!
Ha, wie schwillt die Brust, auf blanker,
Spiegelglatter, blauer, schwanker
Meeresfläche kühn gewiegt!
Meer! wenn Deine Wogen rollen,
Plätschernd an des Ufers Schollen,
Bist Du schön; und Ehrfurcht zollen
Muß der Mensch Dir selbst im Grollen,
Wenn er Deinem Grimm erliegt.

D'rum, mein Schiff! die Segel schwelle!
Zwischen Klippen, auf der Welle,
Fliege kühn mit Falkenschnelle
Nach des Nordpols starrem Eis.
Bald aus dieser Wasserwüste,
Schiffer, Dich zur Abfahrt rüste,
Denn mich treibt ein heiß Gelüste
Nach des Südens schöner Küste,
Zu der Palme blühend Reis.

Möwen flattern, Sturmessausen
Heulet durch der Wogen Brausen,
Und im Mondenschein mit Grausen
Seh' ich dort das Todtenschiff.
Aber fest im Schiffesschwanken
Steht am Steuer in Gedanken
Dort der Schiffer ohne Wanken,
Lenkt des Baues schwache Planken
Sicher über jedes Riff.

Stille wird's, der Sturm verklinget!
Durch die Fluth das Fahrzeug dringet,
Jener Schwalbe, die sich schwinget
Hin zum Heimathsstrande, nach.
Alles wechselt, Alles schwindet!
Nur die Sage einst verkündet
Deinem Enkel, daß gemündet
Einst ein Fluß hier, und er findet,
Stolzer Sund, Dich nur als Bach!

Dann verschmelzen sich die Lande!
Liebe schlingt die Bruderbande
Um die nord'schen Nachbarstrande.
Hierher, mitten in den Strom,
– Denn wo stolz jetzt Schiffe ziehen,
Wird ein Rosenhain erblühen –
Wird ein liebend Paar entfliehen,
Träum'risch und in Liebesglühen
Aufwärts schau'n zum Sternendom.

Zeit, es rauschen Deine Schwingen!
Was uns Deine Stürme bringen,
Wird als Sage dann erklingen
Ueber unser bleich Gebein.
Mächtig sich Gedanken heben,
Herz, Du darfst so weit nicht schweben!
Selbst des Traumes grüne Reben
Müssen reife Trauben geben,
Alle Aest' voll Früchte sein.

Abend wird es. – Meine Schritte
Lenk' ich nach der Fischerhütte,
Sitz' in der Familie Mitte
An dem Heerd, d'rauf Funken sprüh'n.
Leise flüstert nur der kecke
Meeressohn, daß er nicht wecke
Dort den Alten in der Ecke.
Niedrig ist des Zimmers Decke,
D'ran ihr Netz die Spinnen zieh'n.

Doch der Alt' erwacht; an's Feuer
Rückt er seinen Stuhl, und freier
Fließt die Rede: Abentheuer
Von der See erzählet er.
Bilder wechseln wie im Traume;
Auf den Mast und nach dem Raume
Folg' ich ihm; auf Wogenschaume
Bis hin an des Weltmeers Saume
Trieb ich oft mit ihm umher,

Theilend Noth, Gefahr und Mühen.
Derbe Witzesfunken sprühen,
Stunden wie Minuten fliehen,
Trinkend lauschet man und lacht.
Tiefes Dunkel senkt sich nieder:
Alter Seemann, keck und bieder,
Schlafe wohl, auf Morgen wieder!
Draußen wartet schon beim Flieder
Mein der Freund in stiller Nacht.

– Sieh, wie sich die Wolken grüßen,
Liebend in einander fließen:
So laß uns ein Bündniß schließen,
Eng verbrüdert bis zum Tod.
Freundschaft, Dich will ich besingen!
Ludwig, laß Dich fest umschlingen!
Laß uns auf der Liebe Schwingen
Nach den Himmelshöhen dringen,
Fern von Erdenschmerz und Noth.

Deiner Augen milde Strahlen,
D'rin sich Geist und Unschuld malen,
Und die in mein Herz sich stahlen,
Waren unsrer Freundschaft Saat.
Du, vom Himmel mir gegeben,
Ehre sei fortan im Leben,
Kunst und Wissen unser Streben,
Und des Geistes stilles Weben
Werde Wort und Schrift und That!

Und es dringt durch's Fluthgebrause
Mein Gedanke nach dem Hause;
Eduard dort in stiller Klause
Strebt nach Wissen und nach Ruhm.
Was der Geist in Schriften bannte,
Was in Wortes Gluth entbrannte,
Was Geschichte Großes nannte,
Was als Wahrheit man erkannte,
Ward sein geist'ges Eigenthum.

Er gehört noch unserm Bunde;
Wär er hier in dieser Stunde!
Auf des Herzens tiefstem Grunde
Thront Ihr zwei in meiner Brust.
Denn der Liebe Sympathieen
Sind's, die hin zu Euch mich ziehen;
Sie erwecken Harmonieen,
Mich durchzittern Melodieen
Mit der Kindheit frommer Lust.

*

Klar und still die Wogen fließen,
Roth geküßt vom Abendglüh'n;
Herz, sie wollen Dich umschließen,
Bis Du schmilzst in Melodie'n.

Warum darf ich nicht bekunden
Jede Regung meiner Brust? –
Nicht an ird'schen Kreis gebunden
Ist des Kinderherzens Lust.

Auf dem Strom des Lebens zügelt
Leid als Ballast unser Boot; –
In des Kindes Thräne spiegelt
Sich des Himmels Morgenroth.

Herzen dienet mir als Pfühle!
Ich belausche, halb im Traum,
Wie viel herrliche Gefühle
Regen sich im engen Raum.

Von der Liebe Hauch belebet,
Steht, ein Brautgemach, die Welt.
Künde, Herz, was Dich durchbebet,
Und dann brich, von Lieb' geschwellt! –


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