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November-Phantasieen.

(Oede Haide an Jütlands Westküste. Es ist Nacht und Mondschein; Wolken ziehen über das wild schäumende Meer. Eine Schaar böser Geister erscheint und lagert sich im Sande.)

Der Erste.

Seinen Thron hat hier November:
Ei, der Tanzplatz ist vortrefflich!
Sturm und Wellen spielen auf.
Wie die Brandung lustig heulet
Durch des Wirbelwindes Sausen!
Laßt uns mit einander plaudern
Von den nächtlich-schwarzen Thaten.

Der Zweite.

Hier ist meine Lieblingsstelle,
Hört von ihr die lust'ge Mähr.
Seht Ihr dort den losen Triebsand?
Ein'ge Jahre sind verflossen, –
War wie jetzt, grad' im November –
Als ein muntrer Brautzug nahte;
Klarinetten und Oboen
Schallten jubelnd von dem Wagen,
D'rauf die Braut, so jung und lieblich,
Saß mit Seidenband im Haare.
Doch ich hüllte sie in Nebel:
Hier versanken sie im Sande.

Der Dritte.

Einen wunderhübschen Streich
Hab' ich gestern erst vollführet.
Ruhig war die See; der Sturm
Hatte eben ausgetobet.
Auf den Wellen trieb ein Wrack,
Von der Mannschaft längst verlassen;
Nur zwei Frauen und ein Mann
Standen d'rauf, der Rettung harrend.
Auf dem Wracke lag ein Boot,
D'rin die Dreie sprangen. Sorgsam
Schnitten sie die Taue ab,
Prüften, ob kein Band sie halte,
Hoffend, wenn das Wrack versinke,
Werde sie das leichte Boot
Sicher tragen bis an's Ufer. Nach einer ähnlichen Situation bei Cooper.
Doch, wie ängstlich sie auch spähten,
Ein Tau barg sich ihren Blicken –
An dem Seile hing ihr Leben!
Bang und schweigend saßen sie,
Rings war's still, kein Lüftchen wehte.
In die Tiefe tauchend, scheucht' ich
Einen Walfisch aus dem Schlafe;
Auf die Fläche hob er seinen
Schwarzen Rücken, spritzte Wasser
In die Lüfte um das Wrack,
D'rauf die stummen Todgeweihten,
Noch von Lebensrettung träumend,
Tief und langsam Athem holten;
Lustig heulend stieg das Wasser
Höh'r und höher in dem Raume.
– Da versank das Wrack und riß
Mit hinab das Boot – die See
Stieg in wilden Wirbeln siedend;
Dann ward Alles wieder still.
– Ruhig floß die Welle weiter.
Niemand kennt des Fahrzeugs Schicksal,
Aengstlich harren sein sie Wochen,
Monde, Jahre wohl, zu Hause,
Doch des Wallfisch's schwarze Finne
Schlägt der Todten weiß Gebein.

Der Vierte.

Diese That ist nichts Besond'res,
Höret nur, was ich vollbracht.
– An des Genfersees Gestade,
Wo auf hohem Fels der Gletscher
Glänzt im Purpurschein der Sonne,
Kam ich in der Dämmerung.
Rings war Alles still; kein Lüftchen
Rauschte in der Bäume Wipfeln.
Vor der kleinen, niedern Hütte
Spielt' ein Knäblein von drei Jahren.
Häßlich war es, wie ein Engel!
Braune Augen, Rosenwangen.
– Sieh, da kam ein mächt'ger Adler,
Der auf seinen schwarzen Flügeln
Niederschoß, den Knaben packte
Und davon flog. Laut aufschrie er!
Aus dem Hüttchen trat die Mutter.
Ohne Thränen, ohne Worte
Starrte sie, den Tod im Blicke.
Auf das Dach flog erst der Adler,
Dann hinauf die Felsenwand;
Ruhte, bis sie ihn erreichte,
Flog dann weiter – o, der Wonne!
Höher konnte sie nicht folgen.
– Zwischen Fichten, Schnee und Wolken
Saß der Aar in seinem Horste;
Aus der Aeuglein Sterne löscht er,
Spielte mit den gelben Löckchen,
Trank die warmen, frischen Tröpfchen,
Weit umher sein Jubel scholl!
– Eine Lage Schnee am Neste
Ward durch meinen Hauch gelöst –
Denn ich bebte schier vor Lust –
Und der leichte Schneeball rollte,
Schwoll und sank dann als Lawine
In das Thal und auf die Hütte,
D'rin das jüngste Kind geborgen
Ruhte, wie die Mutter wähnte.

Der Fünfte.

Träge Vagabunden seid Ihr!
Jeder nur ein Abentheuer?!
Nein, im bunten Wechsel folge
That auf That, wie Schlangenhäuten.
– Mit dem bleichen Mondenstrahle
Spielt' ich in der Mitternacht,
Saugte Kräfte aus der Erde,
Hauchte Gift mit Flammenküssen
In die starken, saft'gen Kräuter,
In des Strauches Blatt und Wurzel!
Zwischen Norwegs hohen Felsen
Traf ich eine Heerde Wölfe;
Durch den Frost zur Wuth sie stachelnd,
Und mit Sturmesbraus und Hagel
Fort von jedem Raub sie scheuchend,
Trieb ich sie zur Bauerhütte,
Deren schwache Thüre wich.
Niemand war dort in der Kammer,
Nur ein Kind lag in der Wiege,
Recht ein schönes Wolfsgericht.
– Einsam, in dem dichten Walde
Saß ein Mädchen, jung und lieblich,
Und auch tugendhaft genannt.
Mit dem neugebor'nen Kleinen,
Den mit Thränen und mit Küssen
Sie bedeckte, saß sie da
In Verzweiflung ob der Schande.
Mir auch schien es nicht recht sittsam,
D'rum, im Wirbelwinde packt' ich
Eine von des Waldes Tannen,
Und zerschmettert fiel sie hin;
Einen Strick aus ihrem Baste
Dreht' ich, warf ihn ihr zu Füßen.
Und er leistet' gute Dienste:
In dem Sumpfe liegt das Kindchen,
Sie ist wieder tugendhaft!
– D'rauf zum Meeresstrande zog ich,
Wurde Welle zwischen Wellen.
Vor dem Sturme trieb ein Kahn,
D'rin ein Knabe von neun Jahren
Und vier Mann – war die Besatzung.
In den Raum stieg just der Knabe,
Als in einer riesenhohen
Welle ich auf's Deck mich stürzte,
Und hinab die Männer spülte.
Herr des Schiffes blieb der Knabe,
Wind und Wellen Preis gegeben.
– Nun zum Letzten; jammerschade,
Daß es nicht das Beste ist!
Nah bei Edinburg an's Land
Steigend, schlich ich in die Hütte,
Wo die kranke Mutter ruhte,
Und ihr Sohn, ein art'ger Knabe,
Las ihr aus der Bibel vor.
Doch, da sie jetzt eingeschlummert,
Schwieg er, seine Hände faltend,
Fromm und kindlich sie betrachtend.
Wie ein Lüftchen fuhr ich schnell
In des Bettes leichten Vorhang,
Daß die Lampe er umarmte.
Ha, wie brannt' ich hell und lustig
In der rothen, wilden Flamme!
Aus der Hütte sprang der Knabe,
Rief mit Jammern laut um Hülfe;
Doch – es traf sich sonderbar! –
Draußen standen zwei Banditen,
Die auf Beute nur gelauert.
Sie ergriffen flugs den Knaben
Und erstickten ihn, und trugen
Seinen Leichnam hin zum Arzte,
Der mit blankem Golde zahlte
Den vortrefflichen Kadaver.
Aber durch der Hütte Scheiben
Fuhr ich auf den Flammen-Schwingen,
Stieg im Rauche auf zum Himmel
In der mondenhellen Nacht.

Der Erste.

Ha, ich höre durch den Sturm,
Durch des Meeres Brandung schallen
Aus dem Hüttchen Friedenstöne;
Heil'ge Lieder singt die Alte.
Möchten ihre Pulse stocken,
Daß doch ihr Gesang verstumme!
Träge See, o brause stärker!
Herbstes Wind, o! rase wilder,
Uebertäube doch ihr Lied!

Psalmentöne aus der Fischerhütte.

Eine Rose verlieh Gott der Erde,
Daß Erlösung der Menschheit werde;
Doch Mancher hat nimmer vernommen,
Daß zur Welt die Rose gekommen.

Ach, suchet die Tiefen, die Hütten:
Im Staub hat der Heiland gelitten.
Dort wird sich Euch Christus verkünden:
Die Rosen erblüh'n nur in Gründen.

Und sollte das Herz mir auch brechen,
Die Dornen verwunden und stechen,
Müßt' Unglück und Schmerz ich ertragen,
Ich kann nicht der Rose entsagen!

Die bösen Geister.

Fürchterliche Schreckenstöne!
Kommt! wir wollen auf des Sturmes
Fittig brausen in der Nacht.
Aber vorher laßt uns schweben
Nach dem Meere; aus der Welle
Saugen wir den Nebel, hauchen
Ihn rings um die Küste aus,
Daß der stolze Seemann bebe.
Und dann gehe Jeder einzeln
Aus auf neue Abentheuer.

Der Erste.

Grimmig ras' ich in dem Walde
Und entwurzle seine Stämme,
Streu' die Blätter in die Lüfte;
Flüstre in des Menschen Herzen:
»Leben sprießt aus der Verwesung,
Lenz bringt wieder neue Blätter;
Darum glaubst Du, wenn Dein Herz
Bricht, daß neuer Lenz Dein harret.
Ja, Geschlechter geh'n und kommen,
Neue Reiser treibt der Baum,
Doch das Laub, das jetzt gefallen,
Dieses wird nicht wieder grün.
Nur im kommenden Geschlechte
Keimt das Leben ewig fort.«

Der Zweite.

Nieder flieg' ich jetzt nach Seeland,
Scheuch' die Vögel aus dem Nest;
Schrill ertön' ihr Angstgeschrei,
Daß dem Bauer in der Hütte
Bange vor der wilden Jagd,
Vor dem König Waldemar.

Der Dritte.

Ja, bei Wordingborg im Thurme
Heul' ich, folgend nach dem Sturme
Durch die tiefen Mauerspalten.
»Waldemar entsteigt dem Grabe!«
Flüstert dann der Fischer zitternd,
Wenn sein Boot vorübergleitet,
Und er spricht ein »Vater Unser.«

Der Vierte und der Fünfte.

Wir zwei fliegen nach der Haide,
Feiern dort ein frohes Fest.
Alles ruht in Finnerup. In dem Dorfe Finnerup wurde am 21. November 1286 der König Erik Glipping von seinem Diener Ranild an den Marschall Stig verrathen und ermordet.
Aus dem dichten Nebel formen
Wir die alte, goth'sche Kirche
Wieder, die dort früher stand,
Und die Scheune dicht daneben.
Dänmarks König Erik Glipping
Will ich sein, und Du sei Ranild.
Leicht, in luft'ger Nebelhülle
Schweben wir wie ihre Geister.
Wohlbekannt ist uns der Hergang,
Denn wir waren selbst dabei,
Und wir hörten es seitdem
Oft im alten Bauerliede:

»Ranild, schließ mit der Stange die Thür'!
Thatest du, wie ich begehret?
Der Marschall Stig entsagte mir,
Du hast seine Worte gehöret.

Mit der Stange schließ' ich die Thüre dicht,
Vorschieb' ich den Balken, den dicken;
Geboren ward der Mann noch nicht,
Der hinweg ihn vermag zu rücken.

Beschützen will auf grüner Au
Der Kibitz ein jedes Eckchen,
Und findet zu eignen Nestes Bau
Im Felde kein sichres Fleckchen.

Und Ranild schloß nur schlecht das Thor,
Denn weder Balken, noch Stange,
Zwei Hälmchen steckt' er nur davor –
Ich künd' Euch Wahrheit im Sange.

Keinen anderen Balken Ranild schob
Vor das Scheunenthor im Felde:
Eine schwache Garbe nur, die hob
Hinweg der Wind in Bälde.«

Ja, so heißt's im alten Sange!
Und wir können es bekunden,
Denn wir beiden ausgelass'nen
Geister waren ja die Garbe,
Waren Balken dort und Stange.
Aber fort! – ich bin der König,
Und Du mußt den Ranild machen.
Und ihr Andern, die ihr folget,
Werdet Nebel! Kommt als Mönche,
Aber unter Eurer Kutte
Muß das scharfe Schwerdt erglänzen.
Und so spielen wir die tolle
Blutnacht, die November-Posse,
Daß der Hirte sich entsetze,
Wenn er uns im Sturmes-Brausen
Sieht in mitternächt'ger Stunde
Gaukeln auf der öden Haide.

(Sie verschwinden.)

(Ein Schiff kämpft im Sturm mit der Brandung.)

Der Kapitain.

(Befehle ertheilend.)

Drittes Reff gesetzt! – – Zieht das Marssegel ein! – Ha, alle Teufel, welche Nacht!

(Schrei der Passagiere.)

Der Kapitain.

Räumt das Verdeck! – Zum Henker, welcher Nebel! – Holla, aufgepaßt! – – hißt das Sturmsegel!

Die Wellen.

Zittre nur im Wogendrange,
Menschengeist! es währt nicht lange,
Dann zerschellt das Schiff wie Scherben.
»Du mußt sterben!«

Der Kapitain.

Kappt die Taue am Besanmast! – He, schnell, Jungens! – – Wir treiben auf's Riff! – Beigedreht!

Schrei der Matrosen.

Wir sitzen fest! – Die See bricht in den Raum! Herr Jesus! wir gehen unter!

Don Juan.

Mephistopheles! ich sinke!

Mephistopheles.

Sei nur ohne Furcht, mein Freund!
Dieses Brett trägt uns vereint
Aus dem kühlen, frischen Bade
Zu den Schönen an's Gestade.
Ruh'n an ihrer Brust, der runden,
Ha, das wird Dir trefflich munden!
Oeffne nur Dein Aug', Dein Herz!
Dies hier war November-Scherz.
Noch ist nicht der Tod des Jahres,
Nur des Balles Anfang war es.
Musikant ist Sturmesweh'n,
Sieh, wie sich die Wogen dreh'n!
Der Komthur, der Wintergreis,
Kommt erst später, kalt und weiß.

(Sie treiben an's Land.)


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