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Idylle.

Wie schlank sich dort die hohen Pappeln heben!
Wie fröhlich uns des Vögleins Lied begrüßt!
Sieh! um die Laube winden sich die Reben,
Sieh! wie die Aepfelblüth' den Kelch erschließt!
Es schwelgt das Herz in milden Sommerlüften
Und Blumendüften!

Im Felde schallt ein fröhliches Getümmel,
Die Sense mäht das Gras mit hellem Klang;
Voll leichter Sommerwölkchen steht der Himmel,
Und jubelnd tönt im Chor der Lerchen Sang.
Nach Hause kommt der Jüngling dort geschritten
In Sommers Mitten.

Der Jüngling.

Schon kann ich den Kirchthurm sehen,
Weithin schallt der Glocke Gruß;
Die vier Weiden seh' ich stehen
Dort schon an des Hügels Fuß;
Oft als Knab' die Aeste bog ich;
Pflückte Nüsse da vom Baum,
Erdbeern auf ein Hälmchen zog ich
Hier an dieses Waldes Saum.
– Die Erinn'rung will bald zügeln
Meinen Schritt, bald ihn beflügeln!
Freund der Knabenzeit, o sprich!
Grüner Wald, erkennst Du mich?
In der Wand'rung langen Jahren
Hab' gar Manches ich erfahren,
Viel geseh'n und Viel gehört;
Jetzt, da ich zurückgekehrt,
Komm' ich ganz der Alte wieder,
Doch verändert dünkt mich's hier.
Dort der Stein am Teich, beim Flieder,
Ach, wie niedrig scheint er mir!
Ja, es sind dieselben Räume
Und die Hecke und die Bäume,
Doch ich selber wuchs heran,
Aus dem Knaben ward ein Mann.
Vöglein auf dem grünen Strauch!
Sahst du mich mit trübem Sinn
Draußen in der Fremde auch?
Sieh nur jetzt, wie froh ich bin!
Auf der sonn'gen Lenzesflur,
Und wenn Regen niedertropfte,
Dacht' ich stets der Heimath nur,
Der mein Busen sehnend klopfte.
Ob die Mutter wohl noch blühet
Jugendlich und mild und gut?
Ob des Vaters Aug' noch glühet,
Voller Kraft und Lebensmuth? –
Kaum kann ich die Lust bezwingen,
Fast will mir die Brust zerspringen;
Küssen möcht' ich jeden Strauch,
Schweben auf des Windes Hauch!
Noch und Kummer sind vergessen,
Alte Freunde werd' ich seh'n,
Und Mariechen; – groß und schön
Ward die Kleine wohl indessen.
O, mit welcher Lust und Freude
Spielten wir doch einst, wir Beide:
Ich der Bräut'gam, sie die Braut.
Das Theater, selbst gebaut,
War uns groß genug zur Zeit.
Ach, ich denk' es noch wie heut,
Wie mit Gold- und Silberplättchen
Sie geschmückt die Marionettchen;
Lustspiel' gaben wir gar nett,
Ja, selbst Opern und Ballett.
Zuschau'r hatten wir nicht viele,
Doch die alte Großmama
Saß als Publikum stets da,
Klatschte Beifall unserm Spiele.
– Sie werd' ich nicht mehr begrüßen,
Thränen möcht ich fast vergießen,
Mit dem letzten Abschiedskuß
Gab sie mir den Scheidegruß;
Werd' sie nimmer wiedersehen!
Doch, sie lebt in lichten Höhen!
Lebt, mich unsichtbar umschwebend,
Meinen Geist zum Himmel hebend!
Heut' ist mir ein wahres Fest!
Schon seh' ist der Störche Nest
Auf dem elterlichen Dache,
Und hier bin ich an dem Bache,
Der im Sommer die Fregatte
Trug, die ich gezimmert hatte,
Und im Winter auf dem Eis
Meinen Schneemann, groß und weiß.
An dem Garten steh' ich schon – –
Mutter, sieh – – hier ist Dein Sohn!
Mutter, ich bin heimgekehrt!
Hast Du meinen Ruf gehört?!

*

Liebevoll die Mutter ihn umschließt,
Still, doch seelenfroh küßt ihn der Vater;
Wedelnd ihn der treue Hund begrüßt,
Knurrend krümmt den Rücken selbst der Kater.
»Sieh, Marie, er ist's, Dein Spielkam'rad!«
Ruft die Mutter jubelnd und entzücket;
Und erröthend ihm Maria naht,
Der mit glüh'ndem Aug' die Hand er drücket.
»Und wie groß er ist! O, sieh doch, hier
Steht sein früh'res Maß noch an der Thür.
Eduard! Gott erhörte mild mein Fleh'n;
Siehst Du, Vater, er ist männlich schön
Und so gut, ja, ja, das weiß ich lange.
Küssen muß ich ihn auf Aug' und Wange.
Kennst Du noch die alte Stube wieder?
Doch Du bist wohl müde? – Setz' Dich nieder;
Sieh, wie er zum Flügel hinblickt, Vater!
(Nein, der liebe Junge! wie er lacht.)
Mit den Püppchen steht dort Dein Theater;
Ja, das hat Marie sich ausgedacht.« –
Und dann plaudern Alle, still beglückt;
Sinnend nur Marie zur Erde blickt.
– Fröhlich sitzen sie beim Mittagstische,
D'rauf das Tischtuch schneeig glänzt, das frische;
Durch die Scheiben spielen Sonnenstrahlen,
Erdbeern duften in krystallnen Schaalen,
Nur die schönsten hat Marie genommen;
Rings mit Kränzen ist die Wand behangen,
Frische Blumen in den Vasen prangen,
Und der Lerche Lied heißt ihn willkommen!

*

Schnell entflieht der Tag, und labend,
Kühlung bringend, naht der Abend.
In der Sonne Purpurschein
Spielen Mücken; auf dem Rain
Steigt des Heues Duft empor,
Schlummernd schweigt der Vögel Chor.
Perlen gleich erglänzt der Thau
Auf der bunten Blumenau;
Schimmernd kommt der Mond gezogen,
Schaukelnd auf den stillen Wogen.
Horch! im dunkeln Waldessaal
Flötet eine Nachtigal. –
Wer steht an der Gartenecke
Bei dem Apfelbaum allein?
Dort biegt Jemand um die Ecke,
Tritt zur Gartenthür' hinein.
Sieh! am Strauche hängt ihr Kleid,
Das erröthend sie befreit. –
Seine letzten Blüthenflocken
Streut der Baum in ihre Locken,
Schmückt sie aus im Sternenglanze,
Wie ein Bräutchen, mit dem Kranze.

Eduard.

Du bist das Gespenst, das nächt'ge?

Marie.

Stachelbeeren, große, prächt'ge
Samml' ich, bringe sie nach Haus;
Auch Stiefmütterchen zum Strauß
Pflückte ich, die gar so schön
Hier in dem Salate steh'n.
Nimm ihn, wenn er Dir behagt!

Eduard.

Weißt Du denn, was er mir sagt?
Blumensprache, ich vermuth' es,
Kennst Du, weißt, was er bedeute.

Marie.

Nein, sie blieb mir fremd bis heute.
Sagt er denn nicht etwas Gutes?

Eduard (scherzend).

Ih, nun wohl! – bei mir mag's geh'n.
Doch ich bitte Dich recht sehr,
Schenk' nur keinem Herren mehr
Solche Blumen; – mißversteh'n
Könnt' er's. Ei, das wäre schön!

Marie.

So? – Dann gieb sie wieder her!

Eduard.

Nein, wie roth Du wirst! – So schlimm
Ist es nicht. – Die eine nimm,
Doch die andern bleiben mein,
Brauchst nicht böse d'rum zu sein.
Laß auch jetzt die Stachelbeeren,
Ruhig plaudern möcht' ich gern.

Marie.

Blumensprache mich zu lehren?
Die ist längst nicht mehr modern!

Eduard.

Sag' nur, wer so sonderbar
Dich geschmücket haben mag?
Trugst Du denn den ganzen Tag
Aepfelblüten in dem Haar?

Marie (scherzend.)

Du hast Recht, mich auszulachen;
Mußt' ich mir auch Sorgen machen
Und mich sehnen immerdar?

Eduard.

Du hast Dich gesehnt? Fürwahr?!
Grade so erging's auch mir.
Meines Herzens Stimme rief
Mich nach Hause stets zu Dir. –
Warum hast die ganze Zeit
Du mich nie durch einen Brief
Auf der Wanderung erfreut?
Schriebst nur ein'ge, kurze Zeilen
In der Mutter Brief zuweilen.
Daher schwebtest Du als Kind
Stets mir vor; d'ran dacht' ich nie,
Daß acht Jahr verstrichen sind,
Seit ich Dich geseh'n. – Marie,
Setz' Dich zu mir auf die Bank!
Klänge aus der Kindheit flüstern
Hier im Laub der hohen Rüstern.

Marie.

Lieber Bruder! Gott sei Dank,
Daß zurück gekehrt Du bist.
Wollen wir zur Mutter gehen?

Eduard.

Laß mich Dir in's Auge sehen,
Ob's das früh're Antlitz ist.
Schöner, älter siehst Du aus,
Sonst ist's ganz so, wie es war.

Marie.

Geh' jetzt mit zurück in's Haus.

Eduard.

(sie auf die Stirne küssend).

Ich, als Bruder darf's; – nicht wahr?

Ein Vöglein.

(auf dem Baume).

Lieb' in ihrem Busen glüht,
Spricht aus seinen Blicken!
Nur der Liebe tönt mein Lied,
Sie nur kann beglücken!

Wenn die Rose wieder blüht
Und den Kelch entfaltet,
Sing' ich wieder Euch ein Lied,
Dann Ihr Hochzeit haltet.

Er wird, eh' das Jahr entflieht,
An sein Herz sie drücken. –
Nur der Liebe tönt mein Lied,
Sie nur kann beglücken!


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